123347.fb2 Heimat Erde - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

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»Wir sind wie große Kinder«, sagte sie, »wie Hänsel und Gretel im Wald. Kennst du dieses alte Erdenmärchen?«

»Natürlich kenne ich es«, sagte ich. »Vögel kamen und fraßen die Brotkrumen weg ...«

Sie hob den Kopf. »Jetzt ist mir etwas wohler zumute«, sagte sie. »Es tut mir leid.«

Ich legte meine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht. Dann küßte ich sie.

»Laß uns Holz sammeln«, sagte sie.

Die Sonne war fast hinterm Horizont verschwunden, doch es war noch hell. Wir fanden in der Felsspalte viel verstreutes Holz. Das meiste war Zeder, morsches Geäst von den Bäumen, die oberhalb der Spalte am kahlen Fels ihr kümmerliches Dasein fristeten.

»Als Feuerstelle ist die Spalte gut geeignet«, erklärte ich. »Niemand kann das Feuer sehen. Um es sehen zu können, muß man der Felsspalte direkt gegenüber stehen.«

»Und was ist mit dem Rauch?« fragte sie.

»Das Holz ist trocken«, antwortete ich. »Rauch wird es kaum geben.«

Ich behielt recht. Das Holz brannte mit heller, ruhiger Flamme, die nur wenig Rauch entwickelte. Als wir uns an der Glut zusammenkuschelten, war die Nachtkühle noch gar nicht heraufgezogen. Das Feuer war Freund und Wohltat zugleich. Es vertrieb die Dunkelheit, schenkte uns das Gefühl der Geborgenheit. Es wärmte und umfing uns mit seinem Schein, schirmte uns darin ab.

Draußen ging die Sonne unter, und außerhalb der Felsspalte sank die Dämmerung herab. Die Welt lag im Finstern, und wir waren allein.

Jenseits des Feuers, an der Grenze zur Dunkelheit, bewegte sich etwas. Ein helles Klirren ertönte, als etwas über Stein scharrte.

Ich sprang auf und sah undeutlich einen länglichen Körper. Der Wolf trottete herein; sein stählerner Leib schimmerte im Feuerschein. Zwischen seinen Stahlfängen baumelte schlaff ein erlegter Hase.

17

Als O'Gillicuddy und seine Gespensterhorde erschienen, waren wir mit dem Hasen gerade fertig. Ohne Salz schmeckte er natürlich nicht wie eine Delikatesse, aber es war eine anständige Mahlzeit, und außer den Trauben hatten wir während des ganzen Tages nichts gegessen. Die bloße Tatsache, daß wir aßen, erleichterte unsere Lage und ermutigte uns ein wenig.

Wolf lag zwischen uns ausgestreckt, dicht am Feuer; sein schwerer Kopf ruhte auf den Metallpfoten.

»Wenn er nur sprechen könnte«, sagte Cynthia. »Das wäre wundervoll. Er könnte uns berichten, was vorgefallen ist.«

»Wölfe sprechen nicht«, sagte ich, während ich an einem Hasenbein nagte.

»Aber Roboter«, erwiderte sie. »Elmer kann sprechen. Sogar Bronco kann es. Auch der Wolf ist ein Roboter. Man hat ihm lediglich einen Wolfskörper verliehen.«

Der Wolf ließ seinen Blick wandern, um erst den einen, dann den anderen von uns anzuschauen. Er gab keinen Laut von sich, doch er schlug mit seinem Metallschwanz den Stein und verursachte damit mächtigen Krach.

»Wölfe wedeln nicht mit dem Schweif«, sagte sie.

»Woher weißt du das?«

»Irgendwo einmal gelesen. Wölfe klopfen und wedeln nicht mit den Schwänzen. Das tun nur Hunde.«

»Er bietet allen Grund zur Verwunderung«, sagte ich. »Zuerst verfolgt er uns blutrünstig, dann ändert er seine Meinung um hundertachtzig Grad und wird unser Freund. Darin sehe ich keinen Sinn.«

»Allmählich glaube ich«, meinte Cynthia, »daß nichts auf der Erde einen Sinn ergibt.«

Wir saßen am Feuer, umhüllt vom flackernden Schein der Flammen; mich überkam das seltsame Gefühl, ringsum gerate alles in Bewegung.

»Wir haben Besuch«, stellte Cynthia ruhig fest.

»O'Gillicuddy«, sagte ich. »O'Gillicuddy, bist du das?«

»Wir sind hier«, antwortete O'Gillicuddy. »Alle sind wir hier. »Wir lassen euch nicht allein in dieser Wildnis.«

»Wollt ihr euch mit uns unterhalten?«

»Durchaus. Wir haben eine Menge zu erzählen.«

»Um ehrlich zu sein«, meinte Cynthia, »wir sind froh, daß ihr hier seid, Unterhaltung oder keine.«

Gespenster, dachte ich. Im Felsspalt wimmelte es von Gespenstern, deren Sprecher O'Gillicuddy hieß. Hier sind Gespenster, dachte ich, und wir pflegten Umgang mit ihnen, als seien sie Menschen oder wenigstens einmal Menschen gewesen. Es war reiner Wahnsinn. Man konnte sich unter normalen Umständen möglicherweise mit Gespenstern abfinden, aber hier, unter diesen Verhältnissen, waren sie eine ganz alltägliche Erscheinung.

Und während ich darüber nachdachte, begriff ich auf einmal die ganze entsetzliche Ungeheuerlichkeit unserer Lage, begriff ich, wie völlig anders alles hier war als die friedliche Schönheit Aldens, wie fremdartig selbst im Vergleich mit der hohntriefenden Erhabenheit des Friedhofs. In der Tat schienen mir nun Alden und der Friedhof die ungewöhnlichen Dinge zu sein. Wir hatten uns so tief in die Umstände unseres verrückten Abenteuers eingelebt, daß die gewöhnlichen Dinge, welche wir gekannt hatten, nun fern und fremd erschienen.

»Ich fürchte«, sagte O'Gillicuddy, »ihr seid vor den Grabräubern noch nicht gänzlich in Sicherheit. Sie sind nach wie vor eifrig hinter euch her.«

»Glaubst du«, fragte ich, »daß sie es für den Friedhof tun?«

»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte O'Gillicuddy.

»Aber warum?« fragte Cynthia. »Sie sind doch sicher keine Freunde des Friedhofs.«

»Nein«, antwortete O'Gillicuddy, »das sind sie gewiß nicht. Auf diesem Planeten hat der Friedhof keine Freunde. Und doch gibt es niemanden, der ihm nicht mit größtem Vergnügen einen Gefallen erwiese, um etwas für sich herauszuholen. Die Macht des Friedhofs verdirbt die Schwächeren.«

»Aber der Friedhof hat ihnen doch nichts zu bieten«, bemerkte Cynthia.

»Gegenwärtig vielleicht nicht. Aber eine aufgeschobene Gunst ist nicht aufgehoben. Später kann der erwiesene Gefallen sich auszahlen. Es ist eine Art von Punktesammeln.«

»Du hast gesagt, niemand könne der Versuchung widerstehen«, meinte ich. »Wie steht es mit euch?«

»In unserem Fall«, erklärte O'Gillicuddy, »verhält es sich anders. Der Friedhof kann für uns nichts tun, aber was vielleicht wichtiger ist, er kann uns nichts antun. Wir wollen ihm nicht gefällig sein, und wir fürchten uns nicht.«

»Und du bist der Auffassung, wir seien noch immer nicht sicher vor den Grabräubern?«

»Sie jagen euch«, sagte O'Gillicuddy. »Sie werden nicht aufgeben. Ihr habt ihnen heute morgen eine Niederlage bereitet, und sie hat ihnen sehr bitter geschmeckt. Einen hat der Stahlwolf getötet, ein anderer starb durch eine Kugel ... «

»Aber den haben sie selber erschossen«, sagte Cynthia. »Mit einer Kugel, die uns galt. Es war nicht unsere Schuld.«

»Trotzdem lasten sie's euch an. Zwei von ihnen sind tot, und jemand muß die Schuld tragen. Sie weisen die Verantwortung von sich. Sie wälzen die Schuld auf euch ab.«

»Sie können lange nach uns suchen.«

»Lange vielleicht«, sagte O'Gillicuddy, »doch finden werden sie euch. Sie sind hervorragende Waldläufer, Jagdhunden vergleichbar. Die Wildnis ist für sie ein offenes Buch. Ein umgedrehter Stein, ein abgerissenes Blatt, ein umgeknickter Grashalm - daraus ersehen sie alles.«

»Elmer und Bronco sind unsere einzige Hoffnung«, meinte Cynthia. »Wären wir zusammen ...«