123347.fb2 Heimat Erde - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 27

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»Wir können euch sagen, wo sie sich aufhalten«, versicherte O'Gillicuddy, »aber der Weg ist lang und beschwerlich, und er führt zurück in die Arme der wutentbrannten Grabräuber. Wir haben verzweifelte Anstrengungen unternommen, uns euren beiden Begleitern bemerkbar zu machen, um ihnen den Weg zu euch zu weisen, aber wie wir's auch anstellten, es gelang nicht. Um uns wahrzunehmen, bedarf es feinerer sensorischer Eigenschaften als Roboter sie besitzen.«

»Alles ist so hoffnungslos«, sagte Cynthia. Ihre Stimme verriet ihre Mutlosigkeit deutlich genug. »Elmer und Bronco könnt ihr nicht zu uns führen, und die Grabräuber werden uns höchstwahrscheinlich aufspüren.«

»Und das ist noch nicht alles«, sagte O'Gillicuddy. Ich vermochte mich nicht des Eindrucks zu erwehren, daß es ihn diebisch freute, soviel mehr zu wissen als wir. »Die Räuber sind unterwegs.«

»Die Räuber?« wiederholte ich. »Gibt es denn mehr als einen?« »Es sind zwei.«

»Meinst du diese Kriegsmaschinen?«

»Nennt ihr sie so?«

»Elmer nimmt an, daß es welche sind.«

»Aber das kann doch mit uns nichts zu tun haben«, meinte Cynthia. »Die Kriegsmaschinen haben doch sicherlich nichts mit dem Friedhof gemeinsam.«

»Doch, sie arbeiten mit dem Friedhof zusammen«, erklärte O'Gillicuddy.

»Warum?« fragte ich. »Was besitzt der Friedhof, das sie interessiert?«

»Schmieröl«, antwortete O'Gillicuddy.

Als ich das hörte, stieß ich einen tiefen Seufzer aus. So einfach und so klar. Darauf hätte ich schon früher kommen können. Ich hatte keine Gewißheit, aber nach aller Wahrscheinlichkeit verfügten die Maschinen über einen Nuklearantrieb und reparierten sich selbst. Aber eins benötigten sie, möglicherweise das einzige, das sie nicht mitführten: Schmieröl.

Darauf mußte der Friedhof gesetzt haben. Der Friedhof ließ keine Möglichkeit ungenutzt. Dort unterließ man nichts, das sich dazu eignete, ihnen etwas Untertan zu machen.

»Und der Volkszähler?« fragte ich. »Vermutlich ist er auch irgendwie in diese Angelegenheit verstrickt. Da wir gerade von ihm sprechen, wo ist er überhaupt?«

»Verschwunden«, erwiderte O'Gillicuddy. »Er flattert dahin, er flattert dorthin. Er gehört nicht wirklich zu uns. Er ist nicht immer bei uns. Wo er jetzt ist, wissen wir nicht.«

»Auch nicht, was er ist?«

»Was er ist? Nun, er ist der Volkszähler.«

»So meine ich's nicht. Ist er ein menschliches Wesen? Vielleicht ein Mutant? Es muß zahlreiche Mutanten gegeben haben. Manche positive Mutationen, die meisten jedoch negativ. Der Großteil der Negativmutanten dürfte im Laufe der Zeit umgekommen sein. Die Grabräuber sind auf irgendeine Art telepathisch befähigt und vielleicht noch andersartig. Die Menschen in der Ansiedlung, die wir kennenlernten, haben auch einen seltsamen Eindruck gemacht, obwohl ich nicht sagen könnte, in welcher Beziehung. Und ihr, als Geister ...«

»Gespenster«, korrigierte mich O'Gillicuddy.

»Also gut, Gespenster. Gespenstsein ist kein normaler menschlicher Zustand. Zweifellos gibt es nirgendwo Gespenster außer hier auf der Erde. Niemand weiß, was in der Zeit nach der großen Auswanderung ins All geschehen ist. Heute ist auf der Erde alles anders als früher.«

»Du schweifst ab«, sagte Cynthia. »Du wolltest fragen, ob der Volkszäh-ler ein Machwerk des Friedhofs ist.«

»Das ist er sicherlich nicht«, sagte O'Gillicuddy. »Was er ist, das weiß ich nicht. Ich habe ihn stets als menschliches Geschöpf betrachtet, obwohl er im engeren Sinne kein Mensch ist und nicht wie ein Mensch aussieht, und es gibt nur einen seiner Art...«

»Hör einmal«, sagte ich. »Ihr seid gewiß nicht bloß gekommen, um uns Gesellschaft zu leisten, sondern mit bestimmten Absichten. Ihr wärt nicht gekommen, um uns nur schlechte Neuigkeiten zu bringen. Worum also geht es?«

»Wir sind viele«, konstatierte das Gespenst. »Wir haben uns in großer Zahl versammelt. Weil wir großes Mitleid und eine merkwürdige Verbundenheit mit euch empfinden, haben wir den Clan zusammengerufen. Noch nie vor euch hat jemand auf der Erde dem Friedhof so beherzt die Stirn geboten.«

»Und das gefällt euch?«

»Das gefällt uns sehr.«

»Dann seid ihr gekommen, um uns zu feiern?«

»Zu diesem Zweck nicht«, antwortete O'Gillicuddy, »obwohl wir es liebend gerne täten, sondern weil wir glauben, daß wir dazu imstande sind, euch ein bißchen Beistand zu leisten.«

»Für jede Hilfe, die jemand uns geben kann, sind wir dankbar«, versicherte Cynthia.

»Es euch zu erklären, wird schwierig sein«, sagte O'Gillicuddy, »und da wir selbst mit den Tatsachen nicht vertraut sind, müßt ihr euch wohl oder übel darauf beschränken, uns Glauben zu schenken oder nicht. Aufgrund unserer Beschaffenheit besitzen wir keinen so engen Kontakt mit dem materiellen Universum wie ihr, doch anscheinend verfügen wir über eine begrenzte Kraft, um auf Raum und Zeit einzuwirken, eine Macht, die weder Bestandteil des materiellen Universums ist noch ganz außerhalb des Universums.«

»Halt, einen Moment bitte«, sagte ich. »Wovon redest du ... ?«

»Glaubt mir«, sagte O'Gillicuddy, »unsere physischen Kräfte existieren schon längst nicht mehr. Wir können euch nicht auf andere Weise helfen, aber ...«

»Ihr habt vor«, meinte Cynthia, »uns durch die Zeit zu bewegen?«

»Nur um eine geringfügige Zeitspanne«, sagte O'Gillicuddy. »Um einen winzigen Sekundenbruchteil. Nicht mehr als bloß fort aus der Gegenwart. Doch das würde schon genügen.«

»So etwas ist noch nie versucht worden«, wandte Cynthia ein. »Jahrhundertelang hat man diesbezügliche Forschungen und Studien betrieben, aber alle sind ergebnislos geblieben.«

»Habt ihr es schon einmal gemacht?« erkundigte ich mich.

»Nein«, entgegnete O'Gillicuddy. »Aber wir haben viel darüber nachgedacht und Spekulationen angestellt, und wir sind ziemlich sicher ...«

»Aber nicht absolut sicher?«

»Du hast recht«, bestätigte O'Gillicuddy. »Nicht ganz sicher.«

»Und falls es gelänge«, fragte ich, »wie kämen wir zurück? Ich habe keine Lust, für den Rest meines Lebens um einen Sekundenbruchteil hinter dem gesamten Universum zurückzubleiben.«

»Auch daran haben wir gedacht«, erklärte das Gespenst erheitert. »Wir errichten am Zugang dieser Felsspalte ein Zeittor, das ihr beidseitig durchschreiten könnt...«

»Aber darin seid ihr euch auch nicht sicher?«

»Nun, jedenfalls ziemlich sicher«, antwortete O'Gillicuddy.

Ich hielt das Angebot keineswegs für allzu vielversprechend, und obendrein besaßen wir keine Gewißheit, daß alles der Wahrheit entsprach. Möglicherweise wollten O'Gillicuddy und seine Gespensterhorde uns lediglich dazu überreden, die Versuchskaninchen für irgendwelche von ihnen ausgebrütete Experimente zu spielen. Und wie konnten wir - die Frage stellte sich unvermeidlich - überhaupt sicher sein, uns unter Gespenstern zu befinden? Zuvor hatten wir sie gesehen, in der Ansiedlung, als sie beim Volkstanz erschienen - oder hatten geglaubt, sie zu sehen. Doch im Moment konnten wir uns nur auf die Worte des Volkszählers stützen und auf diese Stimme, die - so schien es - O'Gillicuddy gehörte.

Aber vernahmen wir wirklich O'Gillicuddys Stimme? Oder handelte es sich bloß um Einbildung, um eine Wahnvorstellung, wie vielleicht auch die Gespenstergestalten beim Tanz reiner Wahn gewesen waren, oder jene, die wir in der Höhle zu sehen geglaubt hatten, als sie sich erstmals an uns zu wenden schienen? Cynthia hörte die Stimme so gut wie ich; auf jeden Fall benahm sie sich so. Womöglich bildete ich mir bloß ein, sie würde die Stimme ebenfalls hören. Die Situation war teuflisch, denn sie zwang dazu, nicht bloß die Realität der Umgebung in Frage zu stellen, sondern auch die eigene.

»Cynthia«, fragte ich, »hörst du wirklich diese ...?«

Das Feuer explodierte. Glut, Asche und schwelendes Holz flogen durch die Felsspalte und uns um die Ohren. Draußen ertönte ein dumpfer Knall, dem ein zweiter folgte, und etwas klatschte hinter uns an die Felswand.

Wir sprangen auf die Füße, alle drei, und im gleichen Augenblick begann es zwischen den Felsen zu brodeln. Irgend etwas - was, das wußte ich nicht - wie eine Flutwelle überrollte uns, aber natürlich war es kein Wasser. Es rollte und wirbelte mit ungeheurer Gewalt zwischen den Felswänden.

Dann, ehe wir überhaupt eine Bewegung machen konnten, war es wieder fort. Das Brodeln und Wirbeln, was auch immer es gewesen sein mochte, hatte uns weder erfaßt noch überhaupt körperlich berührt, denn wir standen unverändert, ganz und gar unbeeinträchtigt; das heißt, wir beide standen dort.

Doch das Feuer und der Wolf waren nicht länger vorhanden. Keine Spur von ihnen war zu entdecken. Und statt Nacht war es draußen, außerhalb unseres Unterschlupfs, heller Tag. Ins Tal ergoß sich gleißender Sonnenschein.