123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 17

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 17

»Nathan, er ist ein Diamant. Oberste Kategorie, wie Jupitus Cole selbst gesagt hat. Er wird nicht explodieren. Außerdem bin ich die Anführerin dieser Gruppe und treffe die Entscheidungen.« Mit diesen Worten drehte sie sich zu Jake um und sagte: »Du kannst an Bord der Campana bleiben. Aber wenn wir in Venedig sind, hältst du dich im Hintergrund, verstanden?«

Jake nickte und blickte den dreien ernst ins Gesicht. »Es tut mir leid, dass ich mich an Bord geschmuggelt habe. Es war ein Fehler. Aber ich verspreche, dass ich von jetzt an alles tun werde, um euch zu helfen.«

Topaz’ strenger Gesichtsausdruck wurde etwas milder, und Nathan ließ sich achselzuckend in seinen Stuhl fallen. »Oberste Kategorie?«, murmelte er. »Wer hätte das gedacht …«

»Was genau bedeutet … ›explodieren‹?«, fragte Jake kleinlaut.

»Solange sich dein Körper noch nicht ausreichend an hohe Konzentrationen von Atomium angepasst hat, was eine ganze Weile dauern kann«, erklärte Charlie und blickte von seinen Pfannen auf, »kannst du im Flux Temporum hängen bleiben. Deine Atome zerfallen in Millionen kleinster Partikel – du gehst hoch wie eine Wasserstoffbombe und nimmst uns alle mit ins Nirwana.« Er zog eine Auflaufform aus dem Rohr und kostete den Inhalt. »Ein Gedicht, dieses Zucchini-Soufflé. Ich glaube, dieses Mal habe ich mich glatt selbst übertroffen.«

Jake hatte zwar keinen sonderlichen Appetit, aber mit dem Menü, das Charlie da mal eben nebenbei gezaubert hatte, hätte er locker jeden Kochwettbewerb gewonnen. Es bestand aus Kirschtomaten-Bruschetta, gefüllten Zwergpaprika mit marinierten Champignons und einer Himbeertorte mit Sahnebaiser als Nachtisch. Wie sich herausstellte, war Charlie strikter Vegetarier und hatte das Kochen am kaiserlichen Hof Napoleons gelernt.

Nachdem der Tisch abgeräumt war, stellte Topaz ein kleines Kästchen auf den Tisch, und es trat Totenstille ein. Sie öffnete den Deckel, nahm die Phiole mit dem Atomium und die Horizontschale heraus. Die letzte halbe Stunde hatte Jake damit verbracht, sich vorzustellen, wie er explodierte, und sich gefragt, wie blutig ein solcher Tod wohl aussehen würde.

Das Atomium schmeckte widerlich, wie ausgelaufene Batterieflüssigkeit, dachte Jake, und seine Wirkung setzte schneller und heftiger ein als beim letzten Mal – er hatte es kaum geschluckt, da kippte Jake auch schon rückwärts vom Stuhl. Er kam erst wieder zu Bewusstsein, als er Charlies piksende Finger zwischen den Rippen spürte.

»Wach auf. Du kannst jetzt nicht schlafen. Wach auf.«

Jake versuchte, seinen Blick fest auf die Gesichter über ihm zu heften.

»Wach endlich auf! Jetzt zu schlafen ist verdammt gefährlich.«

»Sind wir schon da? In Venedig?«, fragte Jake und verlor erneut das Bewusstsein.

Nathan nickte Charlie kurz zu, der Jake daraufhin ein Glas mit eiskaltem Wasser ins Gesicht kippte.

Mit einem lauten Keuchen fuhr Jake hoch. »Ich will nicht explodieren!«, schrie er. Zwei Minuten später war er wieder weg, und so ging es noch eine halbe Stunde weiter, bis Topaz schließlich vom Deck herunterrief: »Noch fünf Minuten bis zum Horizontpunkt!«

Jakes Befinden änderte sich schlagartig. Mit plötzlich aufwallender Energie schnellte er vom Boden hoch, rief »Wir fliegen, wir fliegen!« und tanzte im Kreuzschritt durch die Kombüse.

Nathan wandte, als schämte er sich für ihn, den Blick ab, und Mr Drake folgte seinem Beispiel.

»Ich muss mit Topaz sprechen!«, verkündete Jake und stürmte an Deck, wo er sie wie der Filmheld, als der er sich in diesem Augenblick fühlte, leidenschaftlich in die Arme schloss.

Topaz schnappte verblüfft nach Luft und lächelte verlegen. Inzwischen war auch Charlie an Deck gekommen und schüttelte nur verdutzt den Kopf.

Jake wollte Topaz gerade küssen – da hatten sie den Horizontpunkt erreicht, und wie beim ersten Mal hatte er das Gefühl, wie eine Rakete in die Höhe zu schießen. Sein Alter Ego – oder was auch immer es war – raste auf den Rand der Erdatmosphäre zu, dorthin, wo das zarte Blau zu tiefem Schwarz wurde, und unter sich sah Jake das Mittelmeer, wie es sich an Frankreich, Spanien und den italienischen Stiefel schmiegte, schräg darüber, unter einer gigantischen Nebelbank, lagen die Britischen Inseln, genau wie im Wetterbericht im Fernsehen. Dann hatte seine Flugbahn den Zenit überschritten, und er stürzte wieder aufs Wasser zu. Jake sah sich selbst auf dem Deck der Campana, wie er Topaz umklammert hielt, dann brach er auf dem Deck der alten Galeere zusammen, schüttelte und krümmte sich vor Lachen.

Charlie warf einen Blick auf seine Uhr und tippte lächelnd auf die Datumsanzeige. »Wir sind da: 15. Juli 1506.«

Es war stockfinstere Nacht und ziemlich heiß. Das Meer war spiegelglatt und am Firmament glitzerten Myriaden von Sternen. Jakes Kopf dröhnte wie nie zuvor in seinem Leben, und ihm wurde die Peinlichkeit seiner Situation bewusst: Er wollte lieber sterben als Topaz in die Augen sehen. Nach kurzem Überlegen entschied er sich gegen beide Optionen und zog stattdessen seinen Blazer aus, um wenigstens die Hitze ein wenig besser ertragen zu können. Vorsichtig setzte er sich auf die Holzplanken und blickte achtern auf die sich zurückziehende See.

Es war pechschwarze Nacht, alle auf Mont Saint-Michel schliefen tief und fest. Das gelegentliche Flackern einer Kerzenflamme war die einzige Bewegung in der absoluten Stille auf den verlassenen Gängen und Treppenhäusern des Schlosses. Auch die Seevögel schliefen stumm in ihren Nestern zwischen den dunklen Granittürmen und -rondellen.

Eine Gestalt in einer dunkelblauen Kutte trat mit einem Kerzenleuchter in der Hand aus dem Zwielicht eines Bogengangs und schlich auf Zehenspitzen zur Eingangstür des Kommunikationsraums. Die Gestalt – es war unmöglich zu sagen, ob Mann oder Frau – hielt kurz inne und sah sich um, dann öffnete sie vorsichtig die quietschende Tür und schlüpfte hinein.

Der Raum war in gespenstisches Mondlicht getaucht. In der Mitte der Glasschrank mit dem Meslith-Nukleus, daneben, an der Wand entlang aufgereiht, die vier anderen Meslith-Maschinen. Die Gestalt setzte sich an einen der Schreiber und begann zu tippen. Die Kristallantenne des Geräts sprühte zuckende Funken, deren Licht wie Sternschnuppenschweife über die Wände des Raums tanzte. Flüsternd wiederholte der Eindringling die Worte der Nachricht, die er soeben auf den Weg geschickt hatte:

»Agenten ankommen fünfzehnter Juli, Banchina dei Ognissanti, Venedig …«

Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Arbeit erhob sich der blaue Schatten, schob den Stuhl unter das Pult zurück, wischte die Tastatur des Meslith-Schreibers mit einem Taschentuch ab und stahl sich davon.

Noch während er über die Flure des Schlosses huschte, machte das Signal sich auf die Reise durch Raum und Zeit, sprang zu dem Blitzableiter, der aus dem höchsten Turm des Schlosses ragte, und von dort – noch heller jetzt, sodass selbst die dunklen Wolken am Nachthimmel kurz in seinem Licht erstrahlten – in den Flux Temporum. Durch Billiarden von Atomen unbelebter Materie fand es seinen Weg durch die Jahrhunderte, um schließlich die Antenne eines anderen Meslith-Schreibers zum Flackern zu bringen, der auf einem Tisch vor einem Fenster stand, das über die Dächer eines schlafenden, spätmittelalterlichen Venedig blickte. Ein Mann wurde von dem zuckenden Lichtschein geweckt, und die lange Narbe, die über eine Seite seines kahlrasierten Schädels verlief, glänzte violett im Schimmer der glühenden Antenne. Schwerfällig erhob er sich von seinem Strohlager und rief einen Befehl.

Zwei Wächter in schwarzem Brustharnisch und mit scharlachroten Umhängen über den Schultern traten ein. Wortlos deutete der Mann auf den Meslith-Schreiber, und als das Licht eines weiteren Blitzes aus der Kristallantenne auf ihre Gesichter fiel, lächelten sie.

11

DIE PERLE DER ADRIA

In der Schwüle der Nacht glitt die Campana mit Topaz am Steuer über das spiegelglatte Wasser.

Charlie kam an Deck, sah Jake im Schatten der Takelage sitzen und grinste ihn an. »Geht’s dir wieder besser?«

Jake nickte, noch immer ein wenig verlegen. »Wie lange noch bis Venedig?«

»Vom Nullpunkt aus dauert es normalerweise vier Tage, aber wir sind gesprungen. Deshalb hat das Atomium auch so reingehauen.«

»Das kann man wohl sagen«, murmelte Jake. »Was meinst du mit ›gesprungen‹?«

»Wir haben vier Horizontpunkte auf einmal genommen und damit fast drei ganze Tage gespart. Aber ich glaube, mittlerweile dürfte seine Hoheit bereit für die Anprobe sein.«

Jake begleitete Charlie unter Deck und versuchte dabei verzweifelt, auf seine Füße zu schauen, aber er konnte nicht widerstehen, Topaz wenigstens einen kurzen Blick zuzuwerfen, wie sie am Ruder stand, die indigoblauen Augen fest auf den Horizont gerichtet, während die Sterne über ihr am Nachthimmel funkelten.

Zehn Minuten später standen sie immer noch in Nathans enge Kajüte gequetscht und versuchten, passende Kleidung für Jake zu finden. Kniehosen, Strümpfe und ein weites weißes Hemd mit gerafftem Kragen standen bereits fest, als Charlie Jake in ein samtenes Wams half.

»Dieses Stück ist mit größter Vorsicht zu behandeln«, erklärte Nathan. »Es ist absolut unbezahlbar. Der Stoff ist feinste Qualität aus Siena, und das Lilienmuster wurde in Florenz in Handarbeit aufgestickt – mit echtem Goldfaden.«

»Und die Ärmel sollen so aussehen?«, fragte Jake und deutete auf die über die ganze Länge verteilten Löcher.

»Das sind Schlitzärmel; der letzte Schrei Anfang des sechzehnten Jahrhunderts«, stellte Nathan klar.

»Und wie sieht’s mit Schuhen aus?«, warf Charlie ein.

Nathan hielt Jake ein Paar Stiefel hin. »Ein bisschen aus der Mode im Jahr 1506, wie ich zugeben muss, besonders in Italien, aber sie werden’s wohl tun müssen. Meine Auswahl an Schuhwerk ist ein wenig knapp bemessen«, log er.

Nachdem Jake die Stiefel angezogen hatte, traten die anderen beiden einen Schritt zurück, um das Ergebnis in Augenschein zu nehmen.

Irgendwie kam Jake sich seltsam vor in der neuen Montur, aber sie stand ihm, und er hatte das Gefühl, als wären seine Schultern darin ein wenig breiter.

»Was ist mit einem Schwert oder so?«, fragte er hoffnungsvoll. Nathans extravaganter Degen mit dem reich verzierten Korb aus geschwärztem Silber war ihm nicht entgangen; außerdem waren Charlie und Topaz ebenfalls bewaffnet.

»Hierfür scheint mir keine Notwendigkeit zu bestehen«, erwiderte Nathan kurz angebunden. »Schließlich wirst du nicht aktiv an dem Einsatz teilnehmen, nicht wahr?«

»Trotzdem wird er eins brauchen«, widersprach Charlie. »Wenn er ohne geht, würde das viel zu sehr auffallen.«

Nathan schnaubte verärgert. »Wenn das so weitergeht, kann ich euch ja gleich meinen ganzen Besitz vermachen«, murmelte er und öffnete einen weiteren Schrankkoffer. Mindestens ein Dutzend verschiedener Hieb-und Stichwaffen fanden sich in die mit Samt ausgeschlagene Truhe eingebettet. Bei dem Anblick begannen Jakes Augen unwillkürlich zu leuchten, und seine Hand streckte sich wie von selbst nach der imposantesten von allen aus: einem zweischneidigen Duelldegen, dessen Korb in Form eines Drachenkopfes gestaltet war.