123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

»Wir wissen es nicht. Die Nachricht ist wahrscheinlich verstümmelt, und es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten. Aber, Rose, wenn es tatsächlich einen Spitzel gibt, habe ich Grund zu der Annahme, dass er sich hier mitten unter uns auf Mont Saint-Michel aufhält.«

»Glaubst du wirklich? Um Himmels willen.« Vor lauter Schreck schob Rose dem Millefeuille schnell das Baba au Rhum hinterher, mit dem sie zuvor schon geliebäugelt hatte. »Was macht dich da so sicher?«

»Wie du weißt, wird jedes empfangene Meslith-Kommuniqué sofort zu meinen Händen geschickt.« Galliana deutete auf die Poströhre, die direkt zu ihrem Schreibtisch führte. »Ich bin die Einzige, die Zugang zu dem Inhalt der Kommuniqués hat, und sie unterliegen der strengsten Geheimhaltung – es sei denn, ich erachte es für notwendig, den Inhalt öffentlich zu machen. Dies hier ist das Kommuniqué, das ich gestern von Charlie Chieverley erhielt.« Sie reichte Rose eine weitere Pergamentrolle. »Sieh dir mal die Ecke rechts unten an«, sagte Galliana und gab Rose eine Lupe.

Rose spähte durch das Vergrößerungsglas. »Ist das ein Fingerabdruck?«, fragte sie schließlich.

»Auf jeden Fall ein halber. Und es ist mit Sicherheit nicht meiner.«

»Aber wie sollte jemand außer dir die Nachricht in die Finger bekommen haben?«

»Ich muss davon ausgehen, dass jemand unerlaubterweise mein Büro betreten hat. Es gibt nur zwei Leute, die Zugang zu allen Räumen des Schlosses haben: mich selbst und … Jupitus Cole.«

»Du glaubst, dass er der Informant ist?«

»Drücken wir es so aus: Ich würde ihn gern von der Liste der Verdächtigen streichen können.«

»Galliana, du weißt, dass Jupitus und ich uns nicht gerade mögen, aber … Jupitus ein Spion? Hältst du das wirklich für möglich? Hast du noch auf anderen Nachrichten Fingerabdrücke gefunden?«

»Bis jetzt nicht. Aber das besagt gar nichts. Ich gehe davon aus, dass der Spitzel normalerweise umsichtiger vorgeht, Handschuhe benutzt oder dergleichen. Der Fingerabdruck war mit Sicherheit nur ein Unfall. Rose, ich will, dass du Folgendes für mich tust: Heute Nacht, während Océanes Geburtstagsbankett, durchsuchst du bitte Coles Gemächer.«

»Wie bitte? Um Himmels willen … Ist das wirklich dein Ernst?«

Galliana reichte Rose einen Schlüssel. »Damit kannst du die Tür zu seiner Suite aufsperren. Als Allererstes brauche ich Dokumente von seinem Schreibtisch, damit ich die Fingerabdrücke vergleichen kann. Zweitens musst du nach Hinweisen Ausschau halten, ob er mit Zeldt oder der Schwarzen Armee oder irgendeiner anderen feindlichen Organisation in Verbindung steht. Verstanden?«

»Ein Auftrag! Ich habe endlich wieder einen Auftrag!«, rief Rose aufgeregt. »Nach fünfzehn Jahren bin ich endlich wieder im Einsatz.« Freudig nahm sie den Schlüssel entgegen und steckte ihn ein. Da huschte ein besorgter Ausdruck über ihr Gesicht. »Wie geht es in Venedig weiter?«, fragte sie. »Schicken wir noch ein Team?«

»Nicht, solange wir die genaue Lage nicht kennen. Was mich zu meiner nächsten Frage bringt: Dein Neffe … Wird er es schaffen?«

Rose überlegte einen Moment lang und blickte Galliana dann fest in die Augen. »Jake?«, sagte sie. »Ganz bestimmt. Er hat das Zeug zu einem Helden. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.«

Der Kutschenkonvoi bewegte sich unter der sengenden Julisonne durch das ländliche Italien.

Die jungen »Soldaten«, die neben Jake auf dem Pritschenwagen saßen, waren alle etwa in seinem Alter. Rein äußerlich waren sie ein bunt zusammengewürfelter Haufen – manche blond, andere dunkel, kleine Schmächtige neben breitschultrigen Hünen –, aber im Hinblick auf ihre Persönlichkeit schienen sie einander erschreckend ähnlich zu sein: Sie hatten keine. Niemand sprach ein Wort, niemand verzog eine Miene, während der ganzen Fahrt nicht. Jake kam das natürlich nur entgegen, denn auf diese Weise lief er auch nicht Gefahr, sich durch ein falsches Wort zu verraten, aber die angespannte Atmosphäre beunruhigte ihn dennoch.

Als der Tag kühler wurde und die Sonne allmählich hinterm Horizont versank, rief Mina ein Kommando, und der Tross kam zum Stehen. Mina kletterte von der pechschwarzen Kutsche herunter und suchte aufmerksam die Gegend ab. Sie befanden sich in einem breiten Tal, in dessen Mitte ein kleiner Fluss vor sich hin plätscherte. Zur einen Seite erstreckte sich ein dunkler Tannenwald die Talflanke hinauf, und vor ihnen konnte Jake die Umrisse einer kleinen Stadt ausmachen – Bassano, wie er annahm –, dahinter, weit weg am Horizont, die schneebedeckten Gipfel der Alpen.

Nachdem Mina sich überzeugt hatte, dass der Platz sicher war, gab sie Befehl, das Lager aufzuschlagen.

Sofort machten sich alle an die Arbeit. Unter den Sitzbänken wurde eine Unzahl von Kisten hervorgezogen, und die jungen Soldaten begannen in großer Eile, in einer schnurgeraden Reihe am Fluss entlang die Zelte für die Nacht aufzustellen.

Während des verregneten Campingurlaubs in Südengland mit seinen Eltern und Philip hatte Jake zumindest gelernt, wie man ein Zelt nicht aufstellt, also konnte er immerhin so tun, als wüsste er, was er zu tun hatte.

Als Erstes war Mina Schlitz’ Zelt errichtet. Es war ein Pavillon, genauso schwarz wie ihre Kutsche und mindestens doppelt so groß wie die anderen Zelte. Die Soldaten hatten ihn kaum aufgestellt, da verschwand sie auch schon darin.

In einem kleinen Steinkreis wurde ein Feuer entzündet, und ein paar der Wachen schickten sich an, gepökeltes Fleisch darauf zu braten. Und während der gesamten Fahrt sprach auch jetzt niemand ein Wort – außer um Befehle zu erteilen.

Hoch oben in der Luft sah Jake einen Falken über dem Fluss kreisen. Unvermittelt stürzte er sich wie ein Pfeil hinab und packte mit seinen Klauen einen Fisch, der sich zu nahe an die Wasseroberfläche gewagt hatte. Der Fisch wehrte sich und zappelte aus Leibeskräften, aber es war umsonst, und der Falke trug ihn zu seinem Horst irgendwo in den Hügeln. Da erregte noch etwas anderes Jakes Aufmerksamkeit: Ein Planwagen, der mit leuchtend gelbem Stoff bespannt war, fuhr die Böschung hinunter auf das Lager zu.

Eine der Wachen, die das Pferdegespann ebenfalls entdeckt hatte, ging unverzüglich zu dem schwarzen Pavillon und meldete: »Miss Schlitz, Doktor Kant trifft soeben ein.«

Einen Moment später trat Mina aus dem Zelt und musterte den Planwagen mit kaltem Blick. Sie nahm die Schlange aus dem Gürtelkäfig, wickelte sie um ihren Unterarm wie einen lebendigen Armreif, und streichelte sanft ihren Kopf.

Als die Kutsche in Hörweite war, fiel Jake eine Unzahl von Gegenständen auf, die klappernd an den Seitenwänden hingen: Instrumente, Werkzeuge, Töpfe und Pfannen, dazwischen die grausig anzuschauenden Kadaver erlegter Tiere – Hasen, Kaninchen und sogar ein Hirsch, der mit jedem Stein, über den die Kutsche holperte, hin und her pendelte wie ein loser Leichensack.

Schließlich kam das Gefährt vor Mina Schlitz zum Stehen. Der Kutscher, ein mürrischer Junge mit misstrauischem Blick, konnte kaum älter als zwölf Jahre sein. Hinter ihm wurde ein Vorhang zur Seite gezogen, und ein groß gewachsener Mann, bei dessen Anblick Jake unwillkürlich eine Gänsehaut bekam, kletterte die Stufen der kleinen Holzleiter an der Seitenwand hinunter. Sein Gesicht war schmal und von der Sonne verbrannt, Schweiß glänzte auf seiner Stirn und tropfte von seinem zerzausten Bart. Trotz der Hitze trug er eine Pelzmütze und eine dicke Robe, die von einem Seil an seinen schmächtigen Hüften zusammengehalten wurde. An diesem Seil hingen noch weitere Gegenstände: Ferngläser, Messbecher, Dolche und Pistolen, und an seinen knorrigen Fingern steckten große, juwelenbesetzte Ringe.

Als er Mina erblickte, verzog er das Gesicht zu einem finsteren Lächeln, hinter dem schwarze Zähne hervorlugten. »Miss Schlitz«, sagte er und neigte den Kopf.

»Doktor Kant«, erwiderte sie. »Wie war Euer Aufenthalt in Genua?«

»Wie in jeder anderen Stadt. Nichts als Dreck, Gestank und Idioten«, antwortete er verächtlich. »Aber heben wir uns die Unterhaltung für später auf. Zuerst zum Geschäft. Hermat, die Ware!«

Doch Hermat, der Kutscher, war abgelenkt. Er beobachtete einen Schmetterling, der gerade vor seiner Nase herumflatterte. Blitzschnell packte er ihn, hielt ihn mit zwei Fingern geschickt am Körper fest – und riss dem Insekt mit der freien Hand die Flügel aus.

»Hermat, du Kretin! Bring mir gefälligst die Kiste«, knurrte Kant und wandte sich dann wieder an Mina. »Mein Sohn, wie Ihr Euch vielleicht erinnern mögt, bewegt sich auf dem Intelligenzniveau einer Schmeißfliege. Wäre er nicht das perfekte Studienobjekt für meine Experimente, hätte ich mich dieses lästigen Anhängsels schon längst entledigt.«

Hermat schien nicht zuzuhören, ging unbeeindruckt zur Rückseite des Planwagens und kehrte mit einem kleinen silbernen Kästchen unterm Arm zurück.

Neugierig rückte Jake ein Stückchen näher.

Hermat hielt seinem Vater das Kästchen hin, der ihm zum Dank mit der hageren, beringten Hand einen harten Klaps auf den Kopf versetzte, bevor er das Kästchen behutsam an Mina Schlitz weiterreichte, als handele es sich dabei um einen unbezahlbaren Kunstgegenstand. »Die Früchte von vierzehn Monaten harter Arbeit«, sagte er und erstarrte mitten in der Bewegung, als er die Schlange an Minas Unterarm erblickte.

»Sie beißt nicht«, beruhigte Mina ihn, »es sei denn, ich befehle es ihr.«

Die Schlange ließ fauchend die Zunge vorschnellen und schmiegte sich dann wieder an Minas Handgelenk.

Mina öffnete das Kistchen, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

Jake machte noch einen halben Schritt in ihre Richtung in der Hoffnung, etwas sehen zu können, doch da ließ Mina die kleine Kassette schon wieder mit einem metallischen Klicken zuschnappen.

»Ihr beiden«, sagte sie unvermittelt und deutete auf Jake und den Soldaten neben ihm. »Holt die Truhe für Doktor Kant aus meiner Kutsche.«

Mit pochendem Herzen folgte Jake dem anderen Kuttenträger, der ein Gepäckfach an der Rückseite der Kutsche öffnete. Ächzend vor Anstrengung zerrten sie die schwere Truhe heraus, und Jake musste seine ganze Kraft aufbringen, damit sie seinem Griff nicht entglitt. Sie schleppten sie über die Wiese und stellten die Truhe zu Minas Füßen ins Gras.

Als Mina sie mit der Stiefelspitze aufklappte, erstrahlte Kants Gesicht vor Verzückung: Die Truhe war bis zum Rand gefüllt mit schimmernden Goldmünzen. Bebend vor Freude beugte er sich hinunter und vergrub beide Hände bis zu den Ellbogen in dem Schatz.

»Pures, nacktes Gold«, sagte er lachend. »Welch Balsam für die Seele! Wie immer war es mir das größte Vergnügen, mit Euch Geschäfte zu machen, Miss Schlitz … Ich habe Wildbret mitgebracht« – Kant deutete auf den toten Hirsch, der an dem Planwagen baumelte –, »schön abgehangen. Wir wollen die Gelegenheit mit einem kleinen Festmahl feiern. Hermat! Lade die Truhe ein, und bring mir das Fleisch.«

Hermat tat wie geheißen, klappte den Deckel zu, hob die Truhe mühelos vom Boden und verstaute sie in der Kutsche. Dann löste er die Knoten an den Hufen des Hirsches, der mit einem dumpfen Schlag auf die Erde fiel.

Jake sah, wie Mina, das silberne Kästchen fest mit der Hand umschlossen, mit ihrem Gast in dem schwarzen Pavillon verschwand, und überlegte: Sie hatte eine ganze Tagesreise zurückgelegt, von einem Dutzend Soldaten bewacht, um diesen Mann zu treffen, und ihm ein Vermögen für seine Ware bezahlt … Er musste herausfinden, was sich in der kleinen Kassette befand.

15

DER FÜRST DER FINSTERNIS