123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 31

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 31

Allmählich begriff Rose, worauf er hinauswollte. »Das ist die Rohrpost, mit der Galliana die Nachrichten aus den Meslith-Schreibern erhält?«

»Ganz richtig. Und gestern Nacht machte ich folgende alarmierende Entdeckung.«

Jupitus hielt den Kerzenleuchter näher an die Röhre, und Rose schnappte laut nach Luft: Auf halber Höhe befand sich ein waagerechter Schnitt, in den jemand eine dünnes Holzbrettchen geschoben hatte.

»Die Nachrichten werden an dieser Stelle abgefangen«, erklärte Jupitus, »und erst dann weitergeleitet. Wir müssen herausfinden, wer dafür verantwortlich ist.«

»Sie meinen, der Mann in dem blauen Umhang?«

»Exakt, Rosalind«, hauchte Jupitus. »Morgen werden wir uns hier in den Schatten verborgen halten und hoffen, dass der Übeltäter zurückkehrt.«

»W-wir beide?«, stotterte Rose.

»Da ich offensichtlich unter Verdacht stehe, wäre es mir lieber so. Oder haben Sie morgen schon etwas vor?«

»Nein, ich … glaube nur … natürlich wäre es sinnvoll«, erwiderte Rose sichtlich nervös. »Ein Überwachungseinsatz. Ganz wie in alten Zeiten, hm?«

Jupitus fixierte sie unbeirrt, und Rose blickte in seine vom Kerzenschein in warmes Licht getauchten Augen. Einen klitzekleinen Moment lang schien der Mann, der sie da anstarrte, nicht der kalte, stets übel gelaunte und unnahbare Jupitus Cole zu sein, sondern ein sensibler, ja geradezu zerbrechlicher Feingeist, doch da hatte sich sein Gesichtsausdruck schon wieder verhärtet.

»Warum konnten Sie letzte Nacht nicht schlafen? Worüber … was hat Ihnen solche Sorgen bereitet?«, hörte Rose sich fragen.

Es dauerte eine Weile, bis Jupitus reagierte. »Dröge Angelegenheiten meine Arbeit betreffend, nichts weiter«, antwortete er schließlich mit einem Achselzucken und lächelte sie einen Sekundenbruchteil lang an. »Wir sollten zum Bankett zurückkehren, bevor wir vermisst werden.«

Und damit machte sich Jupitus Cole auf den Weg zurück, gefolgt von einer zutiefst verwirrten Rose Djones.

19

DORFLEBEN

Jake drängelte sich durch die Menschenmenge aus Pendlern und Urlaubern, die sich über den Bahnhofsvorplatz der Euston Station in London wälzte. Er bahnte sich einen Weg zum Bahnsteig an Gleis Nummer fünf, wo gerade der Zug aus Birmingham ankam. Im Schritttempo fuhr er bis ans Ende des Gleises und blieb mit quietschenden Bremsen stehen.

Jakes Miene hellte sich sofort auf bei dem Gedanken, dass er jeden Moment seine Eltern wiedersehen würde. Sie waren nur vier Tage weg gewesen, aber es hatte sich viel länger angefühlt. Nie hatte er sie so sehr vermisst wie dieses Mal: ihre gut gelaunten Wortgefechte, ihren verspielten Humor, ihre Gegenwart, die er immer für selbstverständlich gehalten hatte.

Doch auf dem Bahnsteig tat sich nichts. Kein einziger Passagier stieg aus. Dann endlich öffnete sich zischend die Tür des vordersten Waggons, und Jakes Herz machte vor Freude einen Satz, als eine unsichtbare Hand einen roten Koffer auf dem Bahnsteig abstellte. Seine Eltern würden jeden Moment folgen.

Doch es stieg immer noch niemand aus. Mutterseelenallein stand der rote Koffer auf dem verlassenen Bahnsteig.

Allmählich wich Jakes Vorfreude einem unguten Gefühl. Er ging auf den roten Koffer zu und wartete darauf, dass ein Strom von aussteigenden Passagieren über ihn hinwegbranden würde, aber nichts geschah. Jake blieb stehen und begutachtete misstrauisch den Koffer seiner Eltern, dann ließ er den Blick zu der offenen Waggontür wandern und stieg zögerlich ein. Die Glastür dahinter glitt automatisch zur Seite, und Jake betrat das Großraumabteil.

Es war leer. Jake lief den Gang zwischen den Sitzreihen entlang und starrte ungläubig auf die leeren Plätze. Es waren zweifellos Passagiere in dem Waggon gewesen. Überall lagen Gepäckstücke und aufgeschlagene Zeitungen auf den Ablagen, irgendwo stand eine Plastiktasse mit dampfendem Kaffee, nur die Menschen dazu fehlten. Da sah Jake aus dem Augenwinkel etwas Scharlachrotes aufblitzen und erstarrte: Genau am gegenüberliegenden Ende des Waggons saß, mit dem Rücken zu Jake und vollkommen unbeweglich, eine Gestalt in Umhang und Kapuze. Jake spürte, wie eine unsichtbare Kraft ihn gegen seinen Willen zu der reglosen Gestalt zog. Endlich schaffte er es, sich umzudrehen – und sah, dass der ganze Waggon voll roter Kuttenträger war, alle starr und unbeweglich, in jeder Sitzreihe der gleiche gespenstische Anblick.

Jakes Kehle schnürte sich zu; er musste sofort raus aus diesem Zug. Er eilte auf den Ausgang zu, doch diesmal wollte sich die Glastür nicht öffnen. Er zog am Griff, aber sie war verriegelt.

Die Köpfe unter den roten Kapuzen drehten sich wie in Zeitlupe in seine Richtung und fixierten Jake. Durchs Fenster sah er, wie ein Wachbeamter den roten Koffer aufhob und auf einen Müllwagen warf. Der Mann gab ein Signal, und der Müllwagen fuhr davon.

»Warten Sie! Stopp!«, rief Jake. »Der gehört meinen Eltern.«

Er zog mit aller Kraft an dem Hebel, aber die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Hinter sich hörte er Bewegung und sah, wie eine der scharlachroten Gestalten langsam auf ihn zukam.

Ein weiterer Kuttenträger erhob sich, dann noch einer und noch einer. Wie Gespenster schwebten sie auf ihn zu, hüllten ihn ein wie ein dunkler Schatten.

Jake hob schützend die Hände vors Gesicht …

»Jake, wach auf!«, rief eine vertraute Stimme.

Jake öffnete die Augen und fand sich auf der mit Stroh ausgelegten Pritsche wieder, Topaz über ihn gebeugt.

»Du hattest einen Albtraum«, sagte sie sanft.

Sie fuhren gerade über eine ländliche Allee, zu beiden Seiten von hohen Bäumen beschattet. Charlie saß auf dem Kutschbock, Mr Drake auf seiner Schulter.

»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte Jake, immer noch benebelt von seinem Traum.

»Knapp fünf Stunden«, antwortete Topaz. »Wir haben schon ganz Süddeutschland durchquert und sind bald da.«

»Bald da? Wirklich?«, keuchte Jake. Er fuhr auf wie ein Klappmesser und begutachtete neugierig die Landschaft.

Hinter der nächsten Kurve wurden die Baumreihen ein wenig lichter, und vor ihnen breitete sich ein weites, zu beiden Seiten von felsigen Hängen begrenztes Tal aus. In der Mitte schlängelte sich majestätisch ein breiter Strom.

»Der Rhein«, erklärte Charlie mit seiner Fremdenführerstimme, »ehemalige Grenze des Römischen Reiches und einer der längsten Flüsse Europas, nach der Wolga und der Donau selbstverständlich.«

Jake sah die breite Wasserstraße in der Ferne im schwülen Dunst verschwimmen, da bog das Gespann ratternd um eine weitere Kurve, zurück unter das Blätterdach der Allee, und der Blick war wieder versperrt.

Nach einer Weile kamen sie zu einer Ansammlung von niedrigen, strohgedeckten Häusern. Als sie am Dorfplatz vorbeikamen, beobachtete eine Gruppe von Greisen interessiert ihre Durchfahrt. Vor allem der bunte Papagei auf Charlies Schulter erregte große Aufmerksamkeit – so viel, dass einem von ihnen vor Erstaunen der Gehstock aus der Hand fiel. Dann, etwa eine Meile nachdem sie das Dorf verlassen hatten, entdeckte Charlie zwischen den Bäumen vor ihnen ein Gebäude aus grauem Stein.

»Das da vorn könnte ein Torhaus sein«, überlegte er. »Sollten wir uns mal aus der Nähe ansehen.«

Er steuerte das Gespann von der Straße herunter und blieb auf einer kleinen Lichtung stehen. Alle drei sprangen vom Wagen und robbten durch das hohe Gras, bis sie den Schatten unter einer gewaltigen Eiche erreichten, von wo sie einen besseren Blick hatten.

»Wenn mich nicht alles täuscht«, flüsterte Charlie, »ist das der Zugang zu Schloss Schwarzheim.«

Jake runzelte die Stirn. »Und wie sollen wir da reinkommen?«

Das von zwei schiefergrauen Wachtürmen flankierte eiserne Fallgitter vor ihnen sah wenig einladend aus. Links und rechts der beiden Türme erstreckte sich in sanftem Bogen eine hohe Mauer aus Granitstein bis außer Sichtweite, was Jake einen Eindruck von der schieren Größe der Festungsanlage vermittelte. Vor dem Tor stand eine Gruppe bärtiger Soldaten Wache. Sie trugen scharlachrote Kutten, das unverwechselbare Erkennungszeichen von Zeldts Armee.

»Und das ist wahrscheinlich nur die erste Hürde«, sagte Charlie und schob seine Brille zurecht. »Weiter oben auf dem Hügel sind die Tore mit Sicherheit noch besser bewacht.«

»Haben wir schon einen Plan?«, fragte Jake und versuchte, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen. Einerseits wusste er, dass sie womöglich ganz nahe daran waren, das Rätsel um den Verbleib seiner Eltern zu lüften, andererseits schien die Aufgabe schwieriger denn je.

Während die drei schweigend überlegten, hörten sie das Rattern eines Fuhrwerks, das zwischen den Bäumen hindurch die Straße vom Dorf heraufkam. Es hielt auf das Tor zu und blieb direkt davor stehen. Jake sah, dass es über und über mit Waren beladen war: riesige Gemüsekisten, mindestens ein Dutzend Schweinehälften und unzählige geflochtene Käfige mit kreischenden Hühnern und anderem Geflügel darin. Ein Wachsoldat inspizierte mürrisch die Ladung, ohne den Worten des nervösen Kutschers auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Schließlich gab er ein Zeichen, und das Fallgitter hob sich knirschend. Das Lastenfuhrwerk ratterte hindurch, die eiserne Barriere senkte sich wieder.

»Wir müssen zurück ins Dorf«, sagte Topaz entschlossen, »und herausfinden, ob und wann noch weitere Gespanne das Tor passieren.«

Auf demselben Weg, den sie gekommen waren, schlichen sie zu ihrem Pritschenwagen und fuhren wieder ins Dorf. Schaukelnd und ratternd fuhren sie die Hauptstraße entlang, da entdeckte Charlie ein junges Mädchen, das auf einem Schemel vor dem örtlichen Gasthaus saß und ein Huhn rupfte. Die leuchtend roten Locken auf ihrem Kopf sahen, bis auf die Farbe, genauso aus wie Charlies.

»Sie sieht aus, als wäre sie von der hilfsbereiten Sorte«, meinte Charlie. »Ich werde das mal überprüfen.« Mit diesen Worten sprang er von der Pritsche und sprach das Mädchen in akzentfreiem Deutsch an.