123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 33

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 33

»Sieht aus wie ein Handelsschiff«, sprach sie weiter. »Wahrscheinlich ist es unterwegs nach Köln oder Düsseldorf, oder sogar nach Holland. Der Rhein ist einfach riesig …«

Jake nickte und warf Topaz einen kurzen Blick zu. »Was ist mit deinem Don Juan passiert?«, fragte er so beiläufig, wie er konnte.

»Sagen wir mal so«, erwiderte Topaz, »die Jungs, die man auf Tanzveranstaltungen kennenlernt, sind alle vom selben Schlag, egal in welchem Jahrhundert.«

»Ja, das ist das Problem mit Urlaubsromanzen«, stimmte Jake zu. »Eigentlich hatte ich ja noch nie eine, aber ich dachte, wenn ich das sage, komme ich weise und welterfahren rüber.«

Topaz lachte ihn strahlend an.

»Obwohl, das stimmt nicht ganz«, fiel Jake mit einem Mal ein. »Ich habe Mirabelle Delafonte ganz vergessen! Sie hat mich in der Achterbahn gefragt, ob ich mit ihr gehen will.«

»Mirabelle Delafonte? De vrais? War das ihr wirklicher Name?«

»Ich fürchte, er ist noch schlimmer: Mirabelle Portia Svetlana Ida Delafonte. Ihre Eltern waren sehr engagiert in einem Laientheater, vielleicht kam daher dieser Hang zum leicht Übertriebenen …«

»Und, hast du Ja gesagt?«, fragte Topaz kichernd.

»Noch während ich darüber nachdachte, hat sie mein Gesicht abgeschlabbert, und dabei hat sich ihre Zahnspange irgendwie in meiner Wange verhakt. Es fehlte nicht viel, und ich hätte einen Chirurgen gebraucht, um mich wieder von ihr zu befreien.«

Topaz brach in schallendes Gelächter aus und konnte volle fünf Minuten lang nicht mehr aufhören. Sie bekam das Bild von Mirabelles Monsterspange, die sich in Jakes Wange verbissen hatte, einfach nicht mehr aus dem Kopf, und jedes Mal, wenn sie es beinahe geschafft hatte, ging es wieder von vorn los. »Wenn ich einmal angefangen habe zu lachen, kann ich kaum noch aufhören«, gestand sie keuchend, nachdem sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.

Endlich fühlte Jake sich sicher genug, um Topaz ein paar Fragen zu stellen, die ihm schon lange unter den Nägeln brannten. »Um wieder zurück zu den ernsten Dingen des Lebens zu kommen: Wie lange machst du … das hier eigentlich schon? Für den Geheimdienst der Geschichtshüter arbeiten, meine ich.«

Topaz blickte hinaus auf den Fluss. »Nun, ich wurde während der Schlacht von Poitiers im Hundertjährigen Krieg geboren. Und wenn ich sage während, heißt das, im Munitionslager, als die Schlacht gerade in vollem Gange war. Glücklicherweise kann ich mich nicht daran erinnern. Aber ich erinnere mich an meinen ersten Kreuzzug, damals war ich vier. Meine Mutter nahm mich mit ins Jerusalem des elften Jahrhunderts, um mich ›vorzubereiten‹. Und so ging es dann weiter …«

Jake hörte eine gewisse Bitterkeit in ihrer Stimme. Er war nicht sicher, ob er weiterfragen sollte, aber eins wollte er doch noch wissen: »Du musst es mir nicht sagen, aber was ist mit deinen Eltern passiert?«

Alle Heiterkeit war mit einem Mal aus Topaz’ Gesicht verschwunden, und ein dunkler Schleier der Trauer breitete sich darüber.

»Tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen.«

»Nein, schon gut. Ich versteh das. Schließlich machst du dir im Moment Sorgen um deine Eltern«, erwiderte Topaz. »Sie sind wunderbare Menschen. Ganz bestimmt sind sie irgendwo in Sicherheit, Jake. Ich fühle es. Hier.« Sie deutete auf ihr Herz und schaute Jake dabei tief in die Augen. »Bei meinen Eltern war das eine ganz andere Geschichte.«

Und das war alles, was in dieser Angelegenheit aus ihr herauszulocken war. Sie starrte noch eine Weile auf den Rhein, dann wandte sie sich um und nahm Jakes Hand. »Lass uns lieber Charlie suchen, bevor er noch eine unglückliche Urlaubsromanze anfängt.«

Lachend folgte Jake ihr ins Gewühl.

Der Klang der Geigen trieb durch das Flusstal und wurde immer leiser, während die warme Brise ihn durch die finstere Nacht bis hinauf zu dem Schloss hoch oben auf einem nahegelegenen Hügel trug. Dort saßen in einem Kerker mit drei Meter dicken Mauern zwei verlorene Gestalten …

»Ich frage mich, was seine Henkersmahlzeit war«, überlegte Nathan laut.

Mit dem Rücken an die nasskalte Granitwand gelehnt, hockte er mit Paolo auf dem feuchten Boden ihres Verlieses. Durch eine kleine vergitterte Öffnung hoch über ihnen fiel fahles Mondlicht in die Zelle, ansonsten war es stockdunkel. Die Vorderseite der Zelle war ebenfalls mit massiven Eisenstangen vergittert, dahinter erstreckte sich der Rest des in düsteres Zwielicht getauchten Kerkers.

Nathans Augen funkelten immer noch hart wie Stahl, doch Paolo war ein Anblick des Jammers. »Was auch immer der gute Mann als Henkersmahlzeit bekommen hat, ich werde etwas anderes bestellen«, verkündete Nathan.

»Der gute Mann«, auf den sich Nathans Kommentar bezog, war ein Skelett, das in der gegenüberliegenden Ecke ihrer Zelle in sich zusammengesunken an der Wand lehnte.

Paolo rollte die Augen, und sein Magen gab ein eigenartiges Geräusch von sich. Eine volle Minute später murmelte er missmutig: »Woher wollt Ihr wissen, dass dieser Knochenhaufen zu Lebzeiten ein Mann war?«

»War das etwa eine Frage?«, rief Nathan verblüfft aus. »Wie schön! Wir reden miteinander! Sagtest du vorhin nicht so etwas wie: Unsere letzten Worte wären bereits gesprochen? Aber du hast ganz recht, vielleicht war unser Mitgefangener auch eine Dame. Das ändert die Sache natürlich grundlegend.« Nathan richtete sich ein Stück auf, glättete sein zerzaustes Haar und zwinkerte dem Skelett lasziv zu. »Na, heute Abend schon was vor?«

Paolo stieß einen verzweifelten Seufzer aus.

Aus dem Dorf unterhalb der Festung drang der dumpfe Klang von Musik an ihre Ohren, und Nathan begann leise mitzusummen. Da kam ihm eine Idee, und er rappelte sich mühsam hoch. »Wie dem auch sei …«

»Was?«, fragte Paolo.

»Wie wär’s mit einem kleinen Tänzchen?«

Paolo stieß ein Knurren aus, das diesmal nicht aus seinem Magen kam. »Ihr seid ja so unglaublich komisch«, schnaubte er und sank dann, wenn das überhaupt möglich war, noch tiefer in sich zusammen.

»Tut mir leid, Paolo, aber um ehrlich zu sein: Ich habe gar nicht mit dir gesprochen, sondern mit meiner bezaubernden neuen Freundin hier, Esmeralda.« Er streckte dem Skelett eine Hand entgegen. »Esmeralda, könnte ich Euch dafür begeistern, ein paar Takte Walzer mit mir zu tanzen? Oder Polka? Es darf auch etwas Barockes sein, wenn Ihr wünscht. Ich verspreche auch hoch und heilig, nicht auf Eure zarten Knochen zu treten.«

»Haltet endlich den Mund, Nathan!«, explodierte Paolo. »Ich habe es satt mit Euch! Ich bin müde, ich habe seit drei Tagen nichts gegessen und werde wahrscheinlich hier verhungern oder zu Tode gefoltert werden oder bei lebendigem Leib zerstückelt, und alles, was Euch dazu einfällt, ist, dümmliche Witze zu reißen!«

»Nichts gegessen, mein Lieber? Deine Erinnerung hat dir wohl einen kleinen Streich gespielt: Was ist mit den drei köstlichen Kakerlaken von heute Morgen? Allein die Konsistenz – eine Offenbarung! Und was das Witzereißen angeht – es ist unsere heilige Pflicht. Humor ist das, was uns von den Tieren unterscheidet.«

»Haltet Euer Maul!«, brüllte Paolo. »Oder ich vergesse mich!« Außer sich vor Wut griff er nach einem Bündel Stroh und warf es nach Nathan.

Nathan beugte sich zu dem Skelett hinunter und blickte um Vergebung heischend in die leeren Augenhöhlen. »Ich hoffe, Ihr akzeptiert meine aufrichtige Entschuldigung wegen des Betragens meines Freundes«, flüsterte er in vertraulichem Ton. »Italiener, müsst Ihr wissen. Ein sehr emotionales Volk.«

Da fiel sein Blick auf ein Stück Stoff neben seinem Stiefel. Er hob es auf und betrachtete es neugierig. Ein Markenname war hineingestickt. »Marks and Spencer«, las er halblaut vor und rieb den Stoff zwischen den Fingern. »Polyester. Zweifellos zwanzigstes Jahrhundert.« Da kam ihm ein furchtbarer Gedanke: »Miriam und Alan Djones!«

»Was habt Ihr da?«, fragte Paolo und hob den Kopf.

»Nichts«, erwiderte Nathan möglichst beiläufig, schob den Stofffetzen unter sein Wams und suchte verstohlen nach weiteren Hinweisen auf das Schicksal ihrer Vorgänger.

Da ertönte das metallische Klirren eines Schlüsselbundes. Eine Tür wurde entriegelt, und Paolo setzte sich zitternd auf, unsicher, was sie nun erwartete.

Schwere Schritte näherten sich, der Schein einer Fackel tanzte zuckend über die Gewölbedecke jenseits der Gitterstäbe, dann trat die schlanke Gestalt von Mina Schlitz ins Blickfeld, begleitet von einem Wächter, der die Fackel trug.

Vor der Zelle blieb sie stehen und starrte finster auf die beiden hinab. In der einen Hand hielt sie eine Zinnschale, mit der anderen hob sie den Deckel hoch und präsentierte den Gefangenen die darin befindlichen Köstlichkeiten: kalter Braten, frisches Brot und ein ganzer Berg Obst.

»Essen? Ihr habt uns etwas zu essen gebracht?«, stammelte Paolo ungläubig und kam stolpernd auf die Beine.

Mina schloss den Deckel, stellte die Schale auf den Boden und schob sie demonstrativ mit dem Stiefel beiseite. Dann nahm sie ihre rot gemusterte Schlange aus dem Gürtelkäfig und wickelte sie um ihr Handgelenk. »Prinz Zeldt ist neugierig, ob ihr schon hungrig genug seid, einen Handel einzugehen.«

»Einen Handel? Selbstverständlich!«, rief Paolo aufgeregt und umklammerte die Gitterstäbe. »Wir gehen jeden Handel ein. Was sollen wir tun?«

»Mein Freund hier leidet an Dehydrierung. Seine Urteilskraft ist beeinträchtigt«, warf Nathan hastig ein. »Wir verhandeln nicht mit dem Feind.«

»Tatsächlich?«, säuselte Mina. »Wie ungeschickt. Euch bleiben zwei Möglichkeiten: ein langsamer, grausamer Tod oder eine bedeutende, ruhmreiche Karriere an der Seite der Schöpfer der neuen Weltgeschichte.«

»Bedeutende, ruhmreiche Karriere!«, rief Paolo begeistert. »Unbedingt! Wo sollen wir unterschreiben?«

Nathan zog ihn von den Gitterstäben weg und schob ihn an die gegenüberliegende Wand. »Ich warne dich. Du bist es, der ab jetzt das Maul halten wird.«

Er wandte sich an Mina, das Gesicht mit einem Mal todernst, die funkelnden Augen hart wie Diamant.