123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 35

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Der Kutscher schaute ihn verblüfft an.

Charlie deutete zum Fenster, hinter dem Jake sich gerade das Blut von den Händen wischte und, den beiden fröhlich zuwinkend, eine Verbeugung vollführte.

Der alte Mann lächelte.

Ohne weitere Zeit zu verlieren, ließen sie das Dorf hinter sich und fuhren mit der Kutsche der Volskys zu der Stelle, von der sie die Zufahrt zum Schloss ausgespäht hatten. Während der Fahrt entdeckte Topaz auf der mit Seide gepolsterten Rückbank das Einladungsschreiben. »Es ist mir eine große Freude, Euch nun endlich persönlich kennenzulernen …«, las sie erleichtert, denn das bedeutete, dass die Volskys dem Gastgeber der Konferenz noch nie begegnet waren. Unterschrieben war das Pergament in blutroter Tinte mit Xander Zeldt.

Eilig gingen sie den Inhalt der acht auf dem Dach der Kutsche festgegurteten Koffer durch. Die ersten sechs gehörten zweifellos Irina, die sich offensichtlich eines außerordentlich eitlen Charakters rühmen konnte: Zwei waren voll mit Kleidern, weitere zwei mit Schuhen, und sowohl Kleider als auch Schuhe waren reich mit Pelzapplikationen verziert, was Charlie zu der Vermutung führte, dass die beiden ihr Vermögen durch den Handel mit »unschuldigen toten Tieren« gemacht haben mussten. Im fünften Koffer befanden sich Schmuck und Fächer, im sechsten vornehme Porzellandöschen mit allerlei Pudern und Pulvern darin sowie zahllose Parfümfläschchen. Die meisten Mädchen wären ob dieser Entdeckung wahrscheinlich im siebten Himmel geschwebt, aber Topaz blieb unbeeindruckt. Sie machte sich nichts aus Mode und Schminksachen.

Im siebten Koffer fanden sie schließlich Mikhails Garderobe: weit weniger reichhaltig, dafür alles von höchster, handverlesener Qualität.

»Was würde Nathan dafür geben, wenn er das hier sehen könnte!«, sagte Topaz und setzte sich ein samtenes Barett mit einer grünen Pfauenfeder daran auf. »Passt die Farbe auch zu meinen Augen?«, fragte sie in einer schamlosen Imitation ihres Stiefbruders. »Ich fürchte, sie hebt ihren Farbton doch ein wenig zu sehr heraus.«

Charlie zog ein mit Smaragden besetztes Wams hervor und hielt es vor die Brust. »Zu groß«, sagte er mit einem gewissen Bedauern in der Stimme. »Jake, das heißt, dass du den Ehemann spielen wirst. Die Rolle passt ohnehin viel besser zu dir, und ich werde den Part des Kutschers übernehmen.«

Charlie hatte recht: Er war zwar genauso alt wie Jake, aber ein paar Zentimeter kleiner, und außerdem hatte Jake eine sehr aufrechte Körperhaltung, was ihn geradezu für die Rolle des Edelmanns prädestinierte. Er half Jake in das Wams – es passte wie angegossen.

Topaz war beeindruckt. »Merveilleux. Du siehst aus wie ein waschechter Prinz!«

Jake neigte geschmeichelt den Kopf.

»Aber versuch ab jetzt bitte, nicht mehr so zu übertreiben«, warf Charlie ein. »Das hier ist die Realität, keine Theaterbühne.«

Jake nickte gehorsam, da kam ihm ein beunruhigender Gedanke: »Werde ich nicht Russisch sprechen müssen? Das könnte ein Problem sein.«

»Glücklicherweise ist ihre Verständigungssprache Englisch«, erwiderte Charlie. »Ein leichter russischer Akzent dürfte also genügen.«

»Und was ist mit Mina Schlitz und ihrer Eskorte?«, hakte Jake nach. »Sie werden mich sofort erkennen.«

»Auch darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen«, meinte Charlie und zog den Lederbeutel hervor, den Jake schon an Bord der Campana gesehen hatte. »Mr Volsky ist zwar glatt rasiert, aber das brauchen wir ja niemandem auf die Nase zu binden.« Er öffnete den Beutel und begutachtete mit sichtlichem Stolz seine Sammlung an falschen Bärten. Schließlich zog er einen heraus und hielt ihn Jake vors Gesicht. »Ausgezeichnet«, sagte er zufrieden.

Topaz machte sich gerade an dem letzten Koffer zu schaffen, bekam den Deckel aber nicht auf. »Dieser hier scheint aus irgendeinem Grund abgeschlossen zu sein«, sagte sie und zog eine Klammer aus ihrem Haar. Topaz bog den dünnen Metalldraht gerade, führte ihn in das Schloss ein, und wenige Augenblicke später ertönte ein Klicken.

Als Topaz den Koffer öffnete, schnappten die drei Agenten laut nach Luft: Er war bis oben hin gefüllt mit funkelnden Kostbarkeiten. Gleich zuoberst befand sich eine Kassette mit Unterteilungen wie in einem Setzkasten, und in jedem der kleinen Abteile lag ein Ring mit einem geschliffenen Edelstein daran. Darunter fand sich eine weitere Kassette mit riesenhaften Diamanten, Smaragden und Rubinen, darunter noch eine und noch eine. Zuallerunterst schließlich entdeckten sie stapelweise Banknoten und mindestens ein Dutzend großer Goldbarren.

»Warum in aller Welt schleppen sie so viel Geld mit sich herum?«, fragte sich Topaz laut.

Charlie zog theatralisch die Augenbrauen nach oben. »Nun, ich habe das Gefühl, die Antwort auf dieses und alle anderen Rätsel dürfte hinter den Mauern von Schloss Schwarzheim liegen.«

21

IN DER HÖHLE DES LÖWEN

Eine halbe Stunde später ratterte die Kutsche der Volskys über die Straße auf das düstere Tor von Schloss Schwarzheim zu. Charlie saß auf dem Kutschbock, Mr Drake auf einer der Truhen neben ihm. Zum schwarzen Mantel trug er die Mütze, die er in einem Täschchen gefunden hatte, in dem der Kutscher seine wenigen Besitztümer aufbewahrte, dazu einen blonden Bart, mit dem er so gut wie nicht mehr wiederzuerkennen war.

Im luxuriösen, mit Seide ausgekleideten Fahrgastraum saßen Jake und Topaz als reiche Russen verkleidet. Mit dem korsettierten Kleid und dem Golddiadem auf dem Kopf sah Topaz umwerfend aus, doch Jakes Verwandlung war noch weitaus bemerkenswerter: Mit Schnauzer und Kinnbart, in feinsten Zwirn gekleidet, war er vom Scheitel bis zur Sohle ganz der junge Pelzmagnat.

»Charlie«, rief Topaz, den Kopf zum Fenster hinausgestreckt, »ich sage es nur ungern, aber ich glaube, es wäre an der Zeit, Mr Drake irgendwo zu verstecken.«

Charlie nickte widerstrebend, öffnete einen der Koffer und setzte den Papagei vorsichtig hinein. »Es ist nur für kurze Zeit«, versicherte er und gab Mr Drake eine extragroße Portion Erdnüsse als Proviant. »Du musst jetzt ganz leise sein.« Es behagte Charlie ganz und gar nicht, sein Schoßtier in den dunklen Koffer zu sperren, aber für eine Handvoll Erdnüsse tat Mr Drake so gut wie alles, was sein Herr von ihm verlangte.

Als sie vor den düsteren Wachtürmen des Tores stehen blieben, bemerkte Jake ein nervöses Flackern in Topaz’ Augen. Sie griff sich mit der Hand an den Hals, als versuchte sie, ihren zitternden Atem zu beruhigen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Jake leise.

»Schon irgendwie seltsam«, erwiderte Topaz mit einem Seufzen. »Man möchte meinen, die Angst würde mit der Zeit weniger, dabei scheint es nur schlimmer zu werden.«

Einer der Torwächter kam aus dem Wachhäuschen auf sie zugeschritten, hob seine riesige Hand und fragte mit einer Kinnbewegung in ihre Richtung nach den Namen der Neuankömmlinge.

»Mikhail und Irina Volsky aus Odessa«, antwortete Charlie auf Englisch mit unverkennbar russischem Akzent und gab dem Soldaten das Einladungsschreiben.

Der Wachmann betrachtete es wortlos und inspizierte mit zusammengekniffenen Augen die Insassen der Kutsche.

Jake und Topaz starrten geringschätzig zurück.

Endlich gab er Charlie das Einladungsschreiben zurück und signalisierte dem Rest der Wachmannschaft, das Tor zu öffnen. Quietschend hob sich das eiserne Fallgitter, die Kutsche fuhr los und hinein in die weitläufige Festungsanlage von Schloss Schwarzheim.

Jake blickte aus dem Fenster. Vor ihm erhob sich ein in Nebelschwaden gehüllter Berg, auf dessen scharfer Spitze sich als graue, teilweise vom Dunst verhüllte Silhouette Schloss Schwarzheim erhob.

Während sie weiter den Berg hinauffuhren, entdeckte Topaz etwas zwischen den Bäumen. »Seht, da unten!«, rief sie.

Charlie hielt die Pferde an.

Weit unter ihnen, versteckt in einer der zahllosen Biegungen des Rheins, befand sich in einer von steilen Felsen umschlossenen Bucht ein natürlicher Hafen. In dem Hafen vertäut lag eine schwarze Galeone mit leuchtend roten Segeln.

»Wenn das mal nicht die gute alte Lindwurm ist«, bemerkte Charlie und zog sein Fernrohr hervor. »Dieses Schiff vergisst man nicht so schnell.« Er reichte das Teleskop weiter an Topaz, die mit geschürzten Lippen hindurchspähte.

»Was hat es denn auf sich mit dieser Lindwurm?«, fragte Jake.

»Sie ist Zeldts bestes Schiff«, erklärte Charlie. »Der Legende nach hat er die Schiffsplanken mit dem Blut seiner Feinde tränken lassen. Daher dieser schimmernde Rotstich über all dem Schwarz. Ihren Namen hat sie von einer mythischen Kreatur – halb Schlange, halb Drache –, die in den dunkelsten Tiefen haust.«

Topaz reichte das Fernrohr an Jake weiter. Die Lindwurm war in der Tat ein beeindruckendes Schiff, schön und furchterregend zugleich. Die drei leuchtend roten Segel schimmerten wie Samt in der gleißenden Sonne, und in ihrer Mitte prangte in tiefem Scharlachrot Zeldts Wappen.

»Sieht aus, als ob sie zum Auslaufen bereit gemacht wird«, sagte Jake und deutete auf die Soldaten, die das Schiff beluden.

»Hoffentlich nicht allzu bald«, erwiderte Charlie und ließ die Peitsche knallen.

Schnaufend setzten die Pferde sich in Bewegung und arbeiteten sich weiter die im Zickzack verlaufende Straße hinauf. Immer wieder verschwand das Schloss hinter einer Felswand oder einer Baumreihe, um hinter der nächsten Kurve wieder in Sicht zu kommen, näher und drohender als zuvor.

Allmählich begann das Wetter sich zu verändern. Unten, in der Nähe des Flusslaufs, war es ein warmer, sonniger Tag gewesen, aber jetzt, auf halber Höhe zum Gipfel, wurde die Luft immer kühler und dünner, und Charlie begann zu frösteln.

Plötzlich blieben die Pferde abrupt stehen. Das linke schüttelte nervös das mächtige Haupt und stampfte wiehernd mit den Hufen.

»Ist ja gut. Was hast du denn?«, fragte Charlie verdutzt, denn die Straße vor ihnen war vollkommen leer.

Da hob sich der Deckel des Koffers neben ihm, und Mr Drake spähte mit wachsamen Augen nach draußen – auch er schien Gefahr zu wittern.