123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 43

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 43

Sofort packte eine der Wachen Jake an der Schulter, schlug ihm hart ins Genick und drückte ihn zurück in den Stuhl.

Unbeirrt nippte Zeldt weiter an seinem Tee.

»Was wisst ihr über die Renaissance?«, fragte er. Als er keine Antwort erhielt, blickte er auf und fixierte die Agenten mit kalten, grauen Augen. »Ich weiß, dass das Wort ›Renaissance‹ in diesem Jahrhundert noch nicht gebräuchlich ist, doch das ist ohne Belang. Die Renaissance. Noch nie davon gehört? Du da, links«, sagte er und deutete auf Charlie.

»Die Renaissance …?«

»Was für ein ignorantes Bürschlein«, schnaubte Zeldt verächtlich. »Was ist mit dir, Topaz St. Honoré?«

Einen Moment lang starrten die beiden einander an.

»Der Ausdruck Renaissance bezieht sich auf eine bestimmte Epoche der Geschichte – die jetzige Epoche«, sagte sie tonlos und mit gesenktem Blick. »Die Menschheit entdeckt Ideale und Philosophien der griechischen und römischen Antike neu …«

»Wie abgeschmackt!«, brauste Zeldt auf und brachte Topaz mit einem Fingerschnippen zum Schweigen. »Hat denn keiner von euch auch nur ein bisschen Charakter?«

Rot vor Zorn beobachtete Charlie, wie Zeldt aufstand und weitere Scheite ins Feuer trat.

Felson zuckte winselnd zusammen, wagte aber nicht, sich von der Stelle zu rühren, während Zeldt, den Rücken seinen Gefangenen zugewandt, in die Flammen starrte. Beinahe drei Minuten vergingen, bis der Prinz schließlich seufzend zu einem der Regale ging. »Der Buchdruck«, sagte er und fuhr mit blassen Fingern über die Einbände, »die Erfindung des Jahrhunderts, ja vielleicht sogar des Jahrtausends.«

Sein Gesicht verzog sich, als hätte er in eine Zitrone gebissen, da schob er mit einem Ruck das scheinbar unbewegliche Regal zur Seite, und ein geheimer Durchgang kam dahinter zum Vorschein.

»Nehmt sie mit«, flüsterte Zeldt und betrat den Gang.

Jake, Topaz und Charlie wurden von ihren Stühlen hochgezerrt und durch die Öffnung in der Wand auf eine steinerne Brücke geschoben, unter der sie die Katakomben sehen konnten, in denen sie zuvor gefangen genommen worden waren. Mina folgte dicht hinter ihnen.

»Sicherlich habt ihr meine Druckerpresse bereits gesehen«, sagte Zeldt und deutete nach unten. »Ohne Zweifel die dümmste und gefährlichste Erfindung der gesamten Menschheitsgeschichte«, fügte er hinzu. »Stets stand Wissen nur einer Handvoll Auserwählter zur Verfügung. Der Buchdruck jedoch schickt sich nun an, alle mit Wissen zu beglücken … selbst die Kanalarbeiter, deren einziger Lebenszweck es ist, unsere Ausscheidungen zu beseitigen.« Sein Blick verfinsterte sich. »Wissen und Bildung für alle? Welch verwerfliches Ansinnen. Was kommt als Nächstes? Die Tiere vielleicht – Würmer und Käfer, die Philosophie studieren?«

»Wenn Bildung etwas so Dummes und Gefährliches ist«, fragte Jake, »warum benehmt Ihr Euch dann, als hättet Ihr welche?«

Zeldt ignorierte die Spitze und lächelte heimtückisch, bevor er antwortete. »Sei unbesorgt, ich werde den Menschen geben, wonach sie verlangen – für kurze Zeit zumindest.« Er senkte die Stimme. »Gerade lange genug, damit sie … sterben können. Kommt und besichtigt mein Labor.«

Der Prinz überquerte die Brücke und führte sie in ein großes, reich mit wissenschaftlichen Gerätschaften ausgestattetes Gewölbe. Jake sah Messbecher, Reagenzgläser und Waagen mit kompliziert anmutenden Skalen daran. In der Mitte des Gewölbes befand sich ein weiterer Raum, ein Würfel mit Wänden aus dicken Glasscheiben, in dem mit einer Art Schutzanzügen bekleidete Arbeiter äußerst vorsichtig an einem geheimnisvollen Gegenstand herumhantierten.

Zeldt brachte die Gruppe zu einem Tisch und nahm das dicke Buch zur Hand, das darauf lag. »Dies ist eine Ausgabe des Buches, das ich gerade herstellen lasse. Ich habe es Das Buch des Lebens genannt; ein wahrlich amüsanter Titel, wie ich finde.« Er blätterte ein paar Seiten des druckfrischen, mit vielen Illustrationen versehenen Wälzers durch. »Es finden sich Kapitel über alle ›wissenschaftlichen‹ Disziplinen darin: Chemie, Astronomie, Physik und, das heimtückischste aller Übel, Mathematik. Dieses Buch hier ist ein umfassendes Kompendium des neu erwachenden Wissens. Doch es hat seinen Preis«, fügte er im Flüsterton hinzu, und bei den Worten umspielte ein eiskaltes Lächeln Minas Lippen. »Sobald der Wissbegierige es öffnet, erlebt er eine kleine Überraschung.«

Die Vorderseite des Einbandes war mit einem goldenen Schloss versehen, in dem ein Schlüssel steckte. Vorsichtig zog Zeldt mit den Fingerspitzen ein winziges Glasfläschchen aus dem Schließmechanismus und hielt es ans Licht. Eine pechschwarze Flüssigkeit glänzte darin.

»Sobald man den Schlüssel dreht«, erklärte er, »zerbricht dieses Fläschchen und setzt seinen Inhalt frei.«

»Und um was für einen Inhalt handelt es sich dabei?«, fragte Charlie.

»Oh, die Früchte langer Jahre harter Arbeit«, erwiderte Zeldt stolz.

Er führte sie in den würfelförmigen gläsernen Raum. Darin stand auf einem eisernen Tisch ein ebenfalls gläserner Kasten, in dem die beiden Männer mit Schutzhandschuhen aus Schweinedarm eine schwarze Flüssigkeit destillierten.

»Was ist das für eine Flüssigkeit?«, fragte Topaz, nicht sicher, ob sie die Antwort wirklich hören wollte.

»Ihr werdet soeben Zeugen eines einzigartigen Vorgangs. Die Substanz hier links ist ein aus infizierten Flöhen hergestellter Brei. Wir brauchten eine Milliarde Flöhe von einer Million Ratten, um diese winzige Menge brauchbaren Materials herzustellen.«

»Ratten …« Charlie warf Jake einen schnellen Blick zu.

»Das Reagens, mit dem wir den Brei kombinieren« – Zeldt deutete auf einen weiteren Behälter –, »ist ein trefflicher Katalysator, der die Effektivität des Gemischs um nicht weniger als das Hundertfache steigert.«

Jake erkannte die Substanz sofort als die bienenwachsartige Flüssigkeit, die in dem einen Fläschchen gewesen war, das Mina Schlitz Talisman Kant abgekauft hatte.

»Infizierte Flöhe?«, fragte Charlie weiter. »Infiziert womit?«

Zeldt konnte ein schadenfrohes Kichern nicht unterdrücken. »Bist du denn wirklich noch nicht selbst darauf gekommen?«, erwiderte er. Dann verstummte das Kichern abrupt. »Mit der Pest natürlich.«

Einen Moment lang hielten die drei Agenten den Atem an, und ein fanatisches Leuchten trat in Zeldts Augen. »Yersinia pestis, der größte Massenmörder, den Europa je gekannt hat. Die erste Welle hat mit fünfundzwanzig Millionen Toten das gesamte mittelalterliche Europa dezimiert. Zuerst Fieber, dann Erbrechen, dann schmerzhafte, stinkende Beulen und schließlich schwarze Hautverfärbungen, wenn der Tod seine eisigen Klauen in das sterbende Fleisch schlägt. Doch das war damals. Dank der Bemühungen von Talisman Kant wird meine Version noch zehnmal schlimmer sein. Ihr solltet nicht zu nah herangehen, denn die unersättlichen Keime warten nur darauf, eure Körper zu infizie …« Zeldt brach mitten im Satz ab. »Da fällt mir ein, ihr beiden Eindringlinge« – er deutete auf Jake und Topaz – »habt unerlaubterweise von meinem Gegenmittel gekostet, von meinem, wie nennt ihr es noch in eurer ›Moderne‹? Ach ja, meinem Vakzin. Aber seid unbesorgt« – diese Worte richtete er ausschließlich an Jake – »für euch beide werde ich zweifellos eine nicht minder grauenvolle Todesart finden.«

Entsetzt standen die drei Agenten da und beobachteten, wie die Arbeiter Fläschchen um Fläschchen mit der schwarzen tödlichen Flüssigkeit füllten und sie mit einem rotglühenden Eisen versiegelten. An einem anderen Tisch wurden die Fläschchen dann im Schließmechanismus des Einbands versteckt, die Bücher in Kisten gepackt und die Kisten schließlich auf ein mit Eisen gepanzertes, blutrot lackiertes Fuhrwerk verladen.

»In zwanzig Minuten wird dieser Wagen mit fünfhundert meiner wunderbaren Bücher das Schloss in Richtung Süden verlassen, und innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden werden jede Stadt und jedes Städtchen südlich von hier ein eigenes Freiexemplar erhalten. Innsbruck als Erstes« – Zeldt deutete auf eine Landkarte an der Wand – »dann Mailand, Verona, Genua, Florenz und so weiter. Dankbar und ehrfürchtig werden die Menschen mein Geschenk annehmen, sich freuen über das Wunder in ihren Händen, ohne zu wissen, dass sie soeben den Tod ins Herz ihrer Stadt gelassen haben. Ohne zu wissen, dass sie der Anarchie Tür und Tor geöffnet, einen Verfall in Gang gesetzt haben, der nicht mehr aufzuhalten sein wird. Ohne zu wissen, dass ihr bedeutungsloses Leben schon so gut wie ausgehaucht ist.«

Die Augen des Prinzen strahlten vor Verzückung, und auch auf Mina Schlitz’ Antlitz zauberte der Gedanke an ein so vollkommenes Vernichtungswerk ein verträumtes Lächeln.

»Mein Buch wird Italien den Untergang bringen und auch allen anderen dieser aufgeblasenen europäischen Nationen – den schlimmsten Verbrechern in diesem Trauerspiel, das sich Renaissance nennt«, sprach Zeldt weiter. »Doch der erste Paukenschlag, der Prolog meiner Apokalypse, wird heute Nachmittag erfolgen, ein Stückchen nördlich von hier.«

Er nickte Mina zu, die eine große hölzerne Kiste auf den Tisch stellte. Sie öffnete den Deckel, hob ein schweres, aus purem Gold bestehendes Gerät aus dem gepolsterten Inneren und stellte es behutsam ab. Auf den ersten Blick sah es mit seinen Hunderten tickender Rädchen, Federn und Triebe aus wie eine komplizierte Uhr mit Zeldts Wappen darauf.

»Was für ein wundervolles Stück Handwerkskunst«, sagte der Prinz mit einem verklärten Blick. »Welche Schande, dass niemand Gelegenheit haben wird, es gebührend zu würdigen. Doch bitte, seht selbst.«

Als sein Publikum keine Anstalten machte zu gehorchen, bekräftigte er die Aufforderung mit drohendem Unterton: »Seht genau hin, ins Innere.«

Auch wenn es den Agenten widerstrebte, Zeldts Worten Folge zu leisten, beugten sie sich schließlich vor, um den komplizierten Mechanismus zu ergründen.

Ins Herz der Maschine gebettet, lag eine größere Version der Glasfläschchen aus dem Labor, und darin schimmerte die gleiche tödliche, schwarze Flüssigkeit. Über dem Behälter schwebten zwei aus massivem Gold gegossene Miniaturfäuste, in die ebenfalls Zeldts Wappen graviert war, bereit, das Glas zu zerschmettern.

»Diese im wahrsten Sinne des Wortes welterschütternde Erfindung«, fuhr der Prinz fort, »wird in Kürze auf einen noch im Bau befindlichen Turm des Kölner Doms gebracht – dieses prahlerischen und geschmacklosen Auswuchses menschlichen Strebens. Um exakt drei Minuten nach zwei des heutigen Nachmittags, wenn die Sonnenfinsternis ihren Höhepunkt erreicht, werden diese beiden goldenen Fäuste hier ihr Werk vollbringen und den Inhalt des Glasbehälters freisetzen. Wie poetisch: Just in dem Moment, in dem die Sonnenfinsternis am dunkelsten ist, wird meine Seuche die Menschheit heimsuchen. Innerhalb weniger Tage wird sie den halben Kontinent entvölkern, und die Überlebenden werden um den verwesenden Leichnam Europas kämpfen, bis auch sie der unbezwinglichen Macht von Gevatter Tod erliegen.« Zeldt sah sie triumphierend an. »Und die Renaissance ist zu Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat.«

»Das also ist Euer großer Plan?«, fragte Charlie in sarkastischem Tonfall. »Entwicklung, Fortschritt, Wissenschaft, die schönen Künste, dafür hab Ihr wohl nicht viel übrig, wie?«

Von einer Sekunde auf die andere wich die Blässe aus Zeldts Gesicht, und er brüllte mit puterrotem Gesicht: »Ich säubere nur diese stinkende Kloake, die ihr und euresgleichen ›Geschichte‹ nennt! Nicht einmal ihr seid so dumm, dass ihr nicht wüsstet, wohin sie sich entwickelt. Dem Pöbel zu Bildung zu verhelfen, führt zu nichts als Verhängnis und Verderben! Der Mensch ist ein Tier, und als solches werde ich ihn behandeln.«

»Bis auf ein paar Auserwählte«, warf Topaz verächtlich ein. »Euch und Eure steinreichen Geldgeber.«

Zeldt starrte sie wütend an, bevor er wieder etwas sagte. »Aber natürlich, schließlich muss irgendjemand über sie herrschen. Ein Sklave treibt sich nicht selbst zur Arbeit an.«

»Verzeiht, doch wenn Ihr vorhabt, alle umzubringen«, unterbrach Charlie, »wer sollen dann bitteschön Eure Sklaven sein?«

»Die Sklaven, von denen ich spreche«, erwiderte Zeldt mit einem Achselzucken, »werden selbstredend importiert. Aus allen Winkeln dieser Erde. Es ist für mich ein Leichtes, dies zu tun, denn die Welt wird mir gehören. Ich werde sie neu erschaffen, schöner und stärker, als sie es je war. Eine wunderbare, Ehrfurcht gebietende Schöpfung, wie das Universum sie noch nicht gesehen hat!«

Mina Schlitz legte Zeldts Zeitbombe zurück in die Kiste und verschloss den Deckel, während der Prinz tief durchatmete und sogleich wieder ruhig und kalt wurde. »Nun, da alle Fragen geklärt wären …«

»Ich hätte noch eine«, fiel Jake ihm ins Wort. »Wo sind meine Eltern?«

»Ein nichtiger Zwerg und seine belanglosen Fragen«, murmelte Zeldt gelangweilt. »Bringt sie zurück in die Bibliothek. Ich werde beizeiten nachkommen.«