123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 47

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 47

»Mit nichts als dem hier ausgerüstet« – Alan hielt ein altes Taschenmesser hoch, das er aus seinem mit Dutzenden von Geheimtaschen versehenen Wams gezogen hatte – »um einen Fluchttunnel zu graben. Und die ganze Zeit über musste Miriam mit einem ihrer aufdringlicheren Parfüms die Schlangen abwehren.«

»Diesen Trick habe ich in Alexandria gelernt, 200 nach Christus«, warf Jakes Mutter ein. »Schlangen können Zitrone als Kopfnote nicht ausstehen.«

»Wir haben uns unter einem Steinhaufen verkrochen und uns bis zu den Abwasserkanälen durchgegraben. Von dort führte ein Tunnel bis zum Fuß des Berges. Wir legten uns gerade eine Angriffsstrategie zurecht …«

»… als wir euch drei in der Kutsche sahen«, beendete Miriam den Satz. »Und jetzt erzählst du uns, warum du hier bist. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie habe ich den Verdacht, Jupitus Cole könnte die Finger im Spiel gehabt haben.«

»Ich bin gekommen, um euch zu suchen«, erwiderte Jake geradeheraus.

»Da siehst du’s, ein echter Held!«, erklärte Alan triumphierend und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Er hat es eben im Blut, Miriam. Es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten.«

»Und ich weiß über Philip Bescheid«, fügte Jake ein wenig nervös hinzu. »Besteht wirklich eine Chance, dass er noch am Leben ist?«

Alan und Miriam tauschten einen düsteren Blick aus.

»Ich spüre, dass er noch lebt«, sagte Miriam leise, »aber wir haben ihn noch nicht gefunden.«

»Mr und Mrs Djones, sensationelles Timing!«, polterte Nathan in seinem breitesten Südstaatenakzent und stellte sich neben sie. »Ihr habt also Zeldts Waffenlager gefunden?«, fragte er und deutete mit dem Kinn auf das Katapult, mit dem Jakes Eltern die Wand zerschossen hatten, und die anderen, die ein Stück daneben auf dem Innenhof aufgereiht standen.

»Es hat in die falsche Richtung gezeigt«, erklärte Alan. »Hätte mir beinahe einen Leistenbruch zugezogen, als ich es herumgewuchtet habe.«

»Mrs Djones, lasst mich Euch sagen, wie sehr mir Eure neue Frisur gefällt«, fuhr Nathan in ausgesucht charmantem Tonfall fort. »Ein wenig hochgesteckt, und dann diese herabfallenden Locken-Kaskaden. Sehr à la mode … Frühbarock geradezu. Macht Euch um Jahre jünger.«

»Seltsam«, erwiderte Miriam kühl, »aber sagtet Ihr nicht genau dasselbe, als ich meine Haare glatt und offen trug?«

»Tatsächlich …?«, gab Nathan verlegen zurück. »Das kann nur bedeuten, dass Euch die ewige Jugend vergönnt ist. Welch wundervolle Gabe.«

Mittlerweile kam auch Charlie herbei, der einen aschfahlen Paolo Cozzo hinter sich herschleifte.

»Da ist er ja: Charlie Chieverley«, tönte Alan erfreut. »Jemand hat sich ziemliche Sorgen um dich gemacht.«

Mit einem bunten Aufblitzen seines Federkleids erhob sich Mr Drake von der Brustwehr des ummauerten Innenhofs, um sich sogleich aufgeregt kreischend und mit den Flügeln schlagend auf Charlies Schulter niederzulassen.

»Schon gut, ich hab dich auch vermisst«, flüsterte Charlie seinem gefiederten Freund zu. »Du bist ein sehr, sehr tapferer Papagei – du solltest einen Orden bekommen.«

»Ich spreche nur ungern die profanen Angelegenheiten an, die unserer baldigen Aufmerksamkeit harren«, unterbrach Nathan, »aber die Sachlage ist die: In der bedauerlichen Abwesenheit von Miss St. Honoré und in Anbetracht der Tatsache, dass ich der dienstälteste Agent in dieser Runde bin – ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel, verehrter Mr und verehrte Mrs Djones, aber ich glaube, Ihr beiden seid im Moment nicht voll einsatzbereit –, erbiete ich mich hiermit als neuer Einsatzleiter. Hat irgendeiner der Anwesenden etwas dagegen?«

Alle schüttelten genervt den Kopf, und Miriam rollte die Augen, was Alan unweigerlich zum Lachen brachte.

»Zweitens«, sprach Nathan weiter, »bleiben uns nur noch etwa vier Stunden bis zur Sonnenfinsternis.« An dieser Stelle wandte er sich an Jakes Eltern. »Ich bin nicht sicher, wie au fait Ihr bezüglich Zeldts Weltuntergangsplänen seid, doch unterwegs wird noch genug Zeit bleiben, Euch aufzuklären. Deshalb schlage ich vor, dass ich selbst und Agent Chieverley sobald als möglich in Richtung Süden aufbrechen und die Verfolgung von Zeldts Bücherkutsche aufnehmen, während die Übrigen – die Agenten Djones, Djones, Djones und Cozzo, unter der Führung von Miriam Djones« – Miriam winkte Nathan heiter zu – »sich ins nördlich von hier gelegene Köln begeben und dort Zeldts Pestbombe entschärfen, bevor sie halb Europa entvölkert. Womit nur noch die Frage der Transportmittel zu klären wäre.«

»Kommandant Wylder, wenn ich diesbezüglich einen Vorschlag unterbreiten dürfte …«, warf Miriam ein und machte einen spöttischen Knicks.

»Fahrt fort«, erwiderte Nathan steif.

»Wir hätten bereits zwei brauchbare Pferde zur Verfügung«, sagte sie und deutete auf den Innenhof. »Ihr und Agent Chieverley könntet sie benutzen, um die Bücher nach Süden zu verfolgen. Was unsere Reise nach Norden angeht, würde ich Folgendes vorschlagen: Zeldt ist mit der Lindwurm vor ungefähr einer Stunde nach Köln ausgelaufen, etwa hundert Meilen nördlich von hier. Von dort wird er, dem Rhein weiter flussabwärts folgend, zu einem Horizontpunkt in der Nordsee weitersegeln. In Zeldts Bootshaus haben wir drei schnelle, als Fischerboote getarnte Schiffe entdeckt. Damit könnten wir es in Rekordzeit nach Köln schaffen.«

»Klingt nach einem vernünftigen Vorschlag. Einverstanden«, verkündete Nathan. »Irgendwelche Fragen soweit?«

»Ja«, hörte Jake sich sagen. »Was ist mit Topaz? Werden wir versuchen, sie zu retten?«

»Negativ«, erwiderte Nathan. »Wir werden Zeldts Schiff nicht abfangen. Der Auftrag lautet, die Bombe zu entschärfen, und sonst nichts.«

Jake war wie vom Donner gerührt. »Aber, es ist doch wohl unsere Pflicht …«

»Unsere Pflichten«, unterbrach Nathan, »wurden von mir soeben glasklar dargelegt.«

»Wie kannst du nur so kaltherzig sein?«, gab Jake wütend zurück. »Du bist mit ihr aufgewachsen, und sie bedeutet dir nicht das Geringste?«

»Wie ich so kaltherzig sein kann?«, erwiderte Nathan überraschend kühl, und wie jedes Mal, wenn er zornig oder nervös war, kam sein Südstaatenakzent dabei weit stärker durch, als ihm bewusst war. »Lass es mich erklären: Zeldt will Europa vernichten. Er will die Renaissance verhindern. Er will jeglichen Fortschritt zum Stillstand bringen und die Uhr ins finsterste Mittelalter zurückdrehen. Er will die gesamte Menschheit versklaven. Du glaubst, das wäre nicht möglich? Du glaubst, weil du ein paar Michelangelos oder da Vincis in der Nationalgalerie gesehen hast, wird die Renaissance unabänderlich stattfinden? Nun, dann denk noch einmal nach!«

Die letzten Worte hatte Nathan Jake mit funkelnden Augen ins Gesicht gebrüllt, und alle Anwesenden, sogar Alan und Miriam, traten erschrocken einen Schritt zurück. Selbst Mr Drake plusterte verteidigungsbereit das Gefieder auf.

»Ich werde es noch einmal ganz klar ausdrücken, damit du es auch verstehst«, fuhr Nathan Nasenspitze an Nasenspitze mit Jake, fort. »Zeldt hat die Macht, die Geschichte zu verändern, ihren Verlauf in neue Bahnen zu lenken. Wenn es keine Renaissance gibt, gibt es keine Wissenschaften, keine Erfindungen, keinen Fortschritt, auch keinen medizinischen, keine Musik, keine Künste … kein Verständnis von der Welt. Die Welt, aus der du kommst, in der es elektrisches Licht gibt und allerlei andere angenehme Spielereien, in der du dich nach Lust und Laune mit deinen Freunden vergnügen kannst: Sie wird nicht existieren. Es wird nichts mehr da sein, zu dem du zurückkehren kannst, sondern nur noch alles verschlingende Finsternis!«

Jake war während Nathans Ansprache leichenblass geworden. »Ich verstehe. Tut mir leid«, war alles, was er noch zu sagen hatte.

»Agentin Djones«, sagte Nathan, an Miriam gewandt, »ich wiederhole: Unter keinen Umständen wird ein Versuch unternommen, Agentin St. Honoré zu retten, auch nicht nachdem Ihr Euren Auftrag erfolgreich erfüllt habt. Die Gründe hierfür habe ich soeben dargelegt. Ist das unmissverständlich klar?«

»Absolut«, sagte Miriam leise.

Jake schloss verzweifelt die Augen. »Welcher Grund könnte es rechtfertigen, dass ein Mensch dem anderen nicht hilft?«, murmelte er kopfschüttelnd.

»Gut«, schloss Nathan seinen Vortrag ab und fügte in feierlichem Tonfall hinzu: »Wenn beide Gruppen ihren Auftrag erfolgreich erledigt haben, werden wir uns in Venedig wiedervereinen, auf der Rialtobrücke. Diejenige Gruppe, die als erste eintrifft, wird sich jeden Tag zur Mittagsstunde dort einfinden, bis auch die zweite zurückgekehrt ist. Und nun, viel Glück uns allen! Oder hat jemand noch einen abschließenden Kommentar loszuwerden?«

»Ja«, sagte Paolo. »Wo kann ich meine offizielle Kündigung einreichen? Ich habe mich als Last erwiesen und wünsche umgehend in meine Heimat zurückzukehren. Meine arme Frau Mama ist bestimmt schon ganz außer sich vor Sorge.«

»Kündigung abgelehnt«, blaffte Nathan. »Egal wie dumm du dich auch angestellt haben magst, wir werden alle Kräfte brauchen, die uns zur Verfügung stehen. Und jetzt los! Wir haben keine Sekunde mehr zu verlieren.«

27

DIE TÖDLICHEN BÜCHER

Nathan und Charlie nahmen die Pferde, die Alan und Miriam bereitgestellt hatten. Sie öffneten das Tor des Innenhofs, riefen noch ein letztes »Auf Wiedersehen!« und ritten davon.

Unablässig Ausschau haltend nach Zeldts Wachen, ritten sie im leichten Galopp und hielten sich im Schatten der Schlossmauer, bis sie den großen Zufahrtsweg erreichten und sich die steile Straße hinunterstürzten. Furchtlos galoppierten die Pferde über den Schotter, jagten mit gesenkten Köpfen und geblähten Nüstern um Kurven und Kehren, und schon nach fünf Minuten hatten sie den Wald erreicht. Die Straße wurde dort breiter, die Pferde gingen in einen gestreckten Galopp über und preschten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den dunklen Nadelwald. Als sie das Torhaus erreichten, wurde das Fallgitter gerade heruntergelassen. Die beiden Reiter pressten sich ganz flach auf den Rücken ihrer Pferde und jagten unbeirrt geradeaus. Steine flogen unter den wirbelnden Hufen auf, die scharfen Spitzen der Gitterstäbe zerrissen Umhang und Wams, und alles ging so schnell, dass die Wachmannschaft erst begriff, was geschehen war, als die beiden schon durch das Tor geprescht waren und ihre Pferde Richtung Süden gewandt hatten, auf die Alpen zu.

Jake hastete mit Paolo und seinen Eltern eine endlos lange, von feuchtem Moos überwucherte Treppe hinunter, bis sie den Waldrand erreichten, von wo Miriam sie zu einem halb verfallenen Teil der Schlossmauer führte. Dort angelangt, hoben, schoben und zogen die vier sich gegenseitig auf die andere Seite, wo sie, einem sich windenden Trampelpfad folgend, weiter zum Ufer des schnell fließenden Flusses eilten.

»Dort drüben ist das Bootshaus«, flüsterte Miriam und deutete auf einen niedrigen Holzbau über dem Wasser. Aus dem Schatten einer großen Eiche heraus beobachteten sie die beiden Männer in den roten Kutten, die das Gebäude bewachten.

»Was meinst du, Alan? Das Burgfräulein und das ertrinkende Kind?«

»Perfekt«, stimmte er zu.

Miriam zog die Schultern ihres Kleides ein Stück herunter und lockerte die Schnürung ihres Korsetts, um ein wenig verführerischer auszusehen.