123878.fb2 Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 6

Jake Djones und die H?ter der Zeit - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 6

Rose reckte ihr Kinn vor. »Freut mich auch, Sie zu sehen – nach fünfzehn Jahren«, gab sie gereizt zurück. »Dafür, dass ich gerade mal eine Stunde Zeit hatte, mein ganzes Leben in diese Reisetasche hier zu packen, bin ich eigentlich ziemlich früh dran, finde ich.«

Jake beobachtete die beiden. Sie schienen einander ungefähr so anziehend zu finden wie zwei gleichpolige Magneten.

Da beugte Rose sich näher an Jupitus heran. »Am Telefon wollten Sie es ja nicht sagen«, flüsterte sie ihm ins Ohr, damit Jake nichts hörte, »aber könnten Sie mir jetzt endlich verraten, wo Alan und Miriam eigentlich hingeschickt wurden?«

Jake spitzte angestrengt die Ohren.

»Wie ich bereits erwähnte«, erwiderte Jupitus aalglatt, »ist diese Information streng geheim …«

»Streng geheim? Papperlapapp! Diese Ausrede hat bei mir noch nie funktioniert. Wo sind sie?«, insistierte Rose. »Erzählen Sie mir nicht, Sie wären es nicht selbst gewesen, der sie auf diesen Einsatz geschickt hat!«

»Auf diesen Einsatz geschickt?!«, rief Jupitus entrüstet aus. »Nichts läge mir ferner, als Alan und Miriam Djones wieder in den Dienst der Organisation zu nehmen!«

»Sagen Sie mir einfach, wo sie sind«, ließ Rose nicht locker. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und blickte Jupitus direkt in die Augen. »Sagen Sie es mir!«

»In Venedig«, antwortete Jupitus schließlich mit einem Seufzen. »Im Jahr 1506.«

Rose begrub das Gesicht in den Händen, und Jakes Verstand drehte sich wie ein Jahrmarktkarussell. Was in aller Welt konnten die Worte dieses Mr Cole zu bedeuten haben?

Jupitus bedachte Rose mit einem dünnlippigen Lächeln. »Willkommen an Bord«, sagte er und warf einen Blick auf seine Uhr. »Dinner und Atomium in dreißig Minuten.« Damit drehte er sich um und stolzierte auf eine schmale Treppe zu, die unter Deck führte. »Und in der Zwischenzeit erklären Sie dem Jungen besser, wer er ist und warum er hier ist. Er glaubt mir kein Wort. Alle Mann auf die Stationen«, fügte er noch hinzu und verschwand.

Die Escape nahm Fahrt auf und segelte auf die Tower Bridge zu. Jake nahm seine Tante beiseite. »Rose, was ist hier eigentlich los? Ich verstehe kein Wort von dem, was hier geredet wird. Wo sind Mom und Dad?«

Rose wühlte in ihrer Reisetasche und zog ein verknittertes Taschentuch heraus, mit dem sie sich den Schweiß von der Stirn tupfte. »Nie hätte ich geglaubt, jemals wieder einen Fuß auf diese alten, vermoderten Schiffsplanken zu setzen. Fünfzehn Jahre ist es jetzt her«, sagte sie und blickte sich um.

»Du warst schon mal auf diesem Schiff?«, fragte Jake verdutzt.

»O ja! Ich war damals kaum älter als du und habe eine ganze Menge Zeit damit verbracht, von genau dieser Stelle aus aufs Meer hinauszuschauen«, erinnerte sie sich. »Unsere letzte Reise führte nach Istanbul. Oder vielmehr Konstantinopel, wie es damals noch hieß. War ein gefährliches Unterfangen.«

Sie blickte auf, während der Sturm weitertobte und der Regen mit neuerlicher Wucht auf sie niederprasselte.

»Lass uns unter Deck gehen, und ich werde versuchen, dir alles zu erklären«, sagte Rose und nahm Jake am Arm, während Captain Macintyre die Escape die Themse hinauf in Richtung Ärmelkanal steuerte.

5

DINNER UND ATOMIUM

Im Salon war es warm und gemütlich. Die alten Holzbohlen verschwanden fast unter einer Unzahl kleiner Teppiche und Läufer, die schweren Eichenholztische, an denen die Zeit unübersehbare Spuren hinterlassen hatte, quollen über von Seekarten und Navigationsinstrumenten, und an den Wänden hingen Porträts von tollkühnen Seefahrern und Entdeckern. Später sollte Jake herausfinden, dass es sich bei der Escape um eine Galeone aus dem siebzehnten Jahrhundert handelte, die im viktorianischen Zeitalter etwas modernisiert worden war und ein neues Herz in Form einer Dampfmaschine eingepflanzt bekommen hatte.

Rose führte Jake hinüber zu einem der Sofas neben der Feuerstelle. Sie legte die Tasche ab, schob ihre Armreifen zurecht und begann nach einem tiefen Atemzug mit ihrer Geschichte.

»Vor vielen Jahren, Jake, kurz bevor du geboren wurdest, haben deine Eltern eine Entscheidung getroffen. Bis zu diesem Zeitpunkt lebten sie, nun ja, wie soll ich sagen, ein ungewöhnliches, ein aufregendes Leben voller Abenteuer und Entdeckungen.« Sie hielt einen Moment inne und dachte mit funkelnden Augen zurück. »Aber es war auch ein Leben, das enorme Gefahren mit sich brachte, und als Philip zur Welt kam, fragten sie sich, wie lange sie noch so weitermachen konnten. Als dann drei Jahre später du geboren wurdest, war die Frage ein für alle Mal entschieden. Sie beschlossen – und es war die schwierigste Entscheidung, die sie jemals getroffen haben –, ein ›normales‹ Leben zu führen. Und ich konnte diese Entscheidung nur unterstützen.«

Jake schaute seine Tante an und wartete darauf, dass sie die Bombe endlich platzen ließ.

»Sie haben etwas vor dir geheim gehalten. Aber dieses Geheimnis lässt sich nicht länger bewahren. Die momentane Lage lässt uns keine andere Wahl.« Rose atmete noch einmal tief durch und sagte dann mit gedämpfter Stimme: »Du hast eine besondere Fähigkeit, Jake. Eine Gabe, wenn man so will. Eine Macht, über die nur sehr wenige verfügen. Und du hast sie, ohne es selbst zu wissen, schon seit deiner Geburt. Deine Eltern haben sie, ich habe sie, und jeder auf diesem Schiff hat sie, in mehr oder weniger starker Ausprägung.«

»Eine besondere Fähigkeit?«, fragte Jake.

»Zuerst sag mir eins: Hat Jupitus deine Augen untersucht? Ich meine, mit einem Instrument?«

»Ja, gleich nachdem wir in die Bibliothek kamen.«

»Und hast du was gesehen?«

»Diamanten. Ich habe Diamanten gesehen.«

Rose schnappte vor Freude nach Luft und ergriff Jakes Hand. »Diamanten, wirklich? Wie wunderbar! Waren ihre Umrisse scharf, klar zu erkennen?«

»Ja, ich glaube, das waren sie.«

»Oberste Kategorie, kein Zweifel!« Rose klatschte in die Hände. »Wie bei deinen Eltern und mir. So was wird nicht zwangsläufig vererbt, musst du wissen. Diese Begabung ist selten, äußerst selten.«

»Und was für eine Begabung ist das?«

Rose blickte sich um, um sicherzugehen, dass sie immer noch allein waren. »Es bedeutet, dass deine Gabe reiner ist als bei den meisten anderen. Diamanten besitzen große Kraft, und wenn sie scharf sind, sind sie sogar noch stärker«, vertraute sie ihm an. »Was würde Cole nicht dafür geben, wenn er Diamanten sehen könnte.«

»Jetzt sag’s mir schon! Was hat das alles zu bedeuten?«

Rose bedachte Jake mit einem ernsten Blick. »Du kannst in die Vergangenheit reisen. Wie andere Leute an fremde Orte. Und wenn du Diamanten gesehen hast, bedeutet das, dass du in jede Zeit reisen kannst, ganz wie es dir beliebt. So weit zurück, wie du willst.«

Jake sah seine Tante an und konnte ein Lachen nicht unterdrücken; aber es war ein nervöses, unsicheres Lachen. Ob sie genauso verrückt war wie alle anderen an Bord?

»Ich habe nicht gesagt, dass es leicht ist. Keine Reise ist einfach. Allein, einmal quer durch London zu fahren, kann schon kompliziert genug sein. An einen anderen Ort und gleichzeitig in eine andere Zeit zu reisen jedoch ist das Schwierigste, das man sich überhaupt nur vorstellen kann. Und du kannst es. Im Gegensatz zu fast allen anderen Menschen auf der Welt.«

Jake blickte Rose tief in die Augen. Er schüttelte den Kopf, wollte ihr sagen, dass er endgültig genug hatte von all dem Unsinn, aber ihre Miene blieb ungerührt.

»Ich weiß, du musst eine Menge Fragen haben«, sprach sie weiter, »aber du wirst es schon bald genug selbst erleben. Denn heute Nacht gehen wir auf eine solche Reise.«

»Nach Frankreich?«

»In die Normandie, genauer gesagt. Wenn auch nicht in die Normandie der heutigen Zeit. Wir reisen ins Jahr 1820. Zum Nullpunkt, verstehst du?«

»Zum Nullpunkt?«

»Zum Hauptquartier des Geheimdienstes der Geschichtshüter, der Organisation, für die all die Leute hier arbeiten. Die Leute auf der Escape und noch viele, viele andere. Die Agenten des Geheimdienstes stammen aus allen Teilen der Welt und aus jeder Epoche. Die Geschichtshüter sind eine wichtige Organisation, vielleicht die wichtigste, die jemals existiert hat.«

Jake spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief und die Härchen in seinem Nacken sich aufstellten vor Aufregung, aber er beschloss, hart zu bleiben. »Rose«, sagte er, »sosehr es mir auch gefallen würde, durch die Zeit zu reisen, wie du es nennst, aber ich muss jetzt …«

»Klingt alles ziemlich lächerlich, ich weiß. Und frag mich bitte nicht nach dem wissenschaftlichen Hintergrund, denn davon habe ich keinen blassen Schimmer. Jupitus kann es dir viel besser erklären als ich. Oder frag Charlie Chieverley, er ist der Wissenschaftler hier an Bord. Ich weiß nur, dass es irgendwas mit unseren Atomen zu tun hat. Sie haben so eine Art Geschichtsgedächtnis, erinnern sich an jeden Moment und jede Begebenheit, die sich je zugetragen hat.«

Jake fielen plötzlich die geheimnisvollen Worte wieder ein, die er an Deck gehört hatte. »Als Jupitus 1506 sagte, was genau hat er damit gemeint?«, fragte er nervös.

»Was hat er gesagt?«, fragte Rose zurück, wich seinem Blick aus und fingerte nervös an ihren Armreifen herum.

»1506«, wiederholte Jake. »Sag jetzt nicht, Jupitus hätte nicht das Jahr 1506 erwähnt.«