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Tatsachen, die auf ihren Wert untersucht werden mußten, um die Antwort auf die Frage zu geben: Verspricht das Weiterbestehen der Mars-Kolonie, von Wert für die Zukunft zu sein?

* * *

Der Anblick des Schulraums erfüllte Aherne mit Befriedigung. Er sah zwei Dutzend aufgeweckter Kinder, die sich mit Feuereifer am Unterricht beteiligten. Das Alter der Kinder reichte von drei bis zehn Jahren, nur die Gruppe von fünf bis sieben Jahren war schwach vertreten. Dies war leicht zu erklären, da die Kolonie vor fünf Jahren gegründet worden war. Werdende Mütter und Kinder unter zwei Jahren waren damals von der Teilnahme an der Expedition ausgeschlossen worden. Aherne beobachtete, daß die Kinder sich mit größerer Sicherheit und Selbstverständlichkeit bewegten als ihre Eltern. Auch hierfür gab es eine Erklärung: Sie waren unter der Schwerkraft des Mars aufgezogen worden, ihre Muskeln hatten nicht ein halbes Leben unter Erdbedingungen arbeiten müssen, so daß sie sich schnell auf die Marsschwerkraft einstellten. Sie passen sich an, dachte Aherne.

Er setzte die Besichtigung fort. Von der Schule ging es zur Bibliothek, von der Bibliothek zur Druckerei, in der das einzige Lokalblatt des Mars herausgebracht wurde. Mit Stolz wurde Aherne das unvollendete, noch ungebundene Exemplar von Dr. Carters Geschichte der Mars-Kolonie gezeigt, das alle wichtigen Daten und Ereignisse von der Gründung der Kolonie bis zum heutigen Tage enthielt. Aherne entging nicht, daß das Manuskript die Bezeichnung Band I trug; weitere Bände würden also folgen.

Miß Greer war eine gut informierte Führerin, die Aherne vergessen ließ, daß solche Besichtigungen oft in steifer Förmlichkeit erstarrten. Sie zeigte Aherne die Telefonzelle, das Haus, in dem der Atmosphärengenerator untergebracht war, und zuletzt das kleine Theater, in dem eine Amateurgruppe Proben zu »Was ihr wollt«abhielt.

Shakespeare auf dem Mars? Warum nicht, dachte Aherne, der die Probe mit Interesse verfolgte. Er bat darum, dem Spielleiter nach Beendigung der Probe vorgestellt zu werden. Es ergab sich, daß der Spielleiter der gleiche Schauspieler war, der die Rolle des Malvolio übernommen hatte. Sein Name war Patchford. Aherne äußerte sich anerkennend über sein Spiel und die Regie.

»Danke, Sir«, sagte der Kolonist. »Haben Sie die Absicht, der Vorstellung beizuwohnen?«

»Selbstverständlich«, nickte Aherne. »Steht Shakespeare oft auf Ihrem Programm?«

»Bedauerlicherweise nicht«, sagte Patchford betrübt. »Unser kompletter Shakespeare kam auf der Überführung abhanden. Zum Glück hatte ich einer Laiengruppe angehört, zu deren Repertoire ›Was ihr wollt‹ gehörte. Wir spielten es, kurz bevor ich die Erde verließ. Ich schrieb die Rollen aus dem Gedächtnis nieder. Das ist die Fassung, die wir jetzt spielen.«

»Sie schien mir originalgetreu genug.«

»Ich hoffe es«, sagte Patchford lachend. »Es ist das Beste, was wir bieten können, bis die UN uns mit einem neuen Shakespeare auf Mikrofilm bedenken.«

»Ich freue mich auf die Vorstellung heute abend«, sagte Aherne ehrlich, bevor er mit Miß Greer den Weg fortsetzte.

Das nächste Ziel war das Rathaus, von dort ging es zu dem kleinen hydroponischen Betrieb, wo Aherne sich mit zwei jungen Männern unterhielt, die dort arbeiteten. Er sah, daß sein Fachsimpeln großen Eindruck auf Miß Greer machte und beschloß, ihren Glauben an seine Allwissenheit nicht dadurch zu zerstören, daß er ihr gestand, lange auf diesem Gebiet gearbeitet zu haben, bevor er in den Dienst der UN trat. Der kleine Betrieb schien gut geleitet zu sein, und Aherne probierte einige seiner Erzeugnisse. Er fand, daß die Rettiche ein wenig fade schmeckten, aber die Tomaten waren ein Genuß für den Gaumen.

Nach diesem Besuch entschied Miß Greer, daß Aherne für einen Tag genug von der Kolonie gesehen hatte. Sie begleitete ihn zum Haus Carters, wo sie zum Essen erwartet wurden. Für den Abend stand der Besuch des Theaters auf dem Programm. Aherne fühlte sich trotz seiner Müdigkeit angenehm aufgemuntert und weitaus weniger im Zweifel, wie seine endgültige Entscheidung ausfallen würde.

* * *

Geschäftige Tage folgten, in denen Aherne das Leben der Mars-Kolonie in allen Einzelheiten studierte. Die Kolonisten begegneten ihm höflich und hilfsbereit; sie wußten sehr wohl, wieviel von ihrem Verhalten abhing und waren sichtlich bemüht, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Das Leben unter der geringen Schwerkraft war zuweilen erdrückend, und die leicht verbrauchte künstliche Atmosphäre erweckte in Aherne Sehnsucht nach der frischen Luft auf der Erde. Davon abgesehen, sah es aus, als seien die Kolonisten mit den Problemen, die ihnen begegneten, gut fertig geworden.

Natürlich waren sie von der Vollendung noch weit entfernt. Lebensmittellieferungen von der Erde waren immer noch von lebenswichtiger Bedeutung, obwohl der hydroponische Betrieb und die blühende Synthetikfabrik auf Hochtouren liefen. Das Ziel, das dürre Land des Mars wieder in fruchtbaren Boden zu verwandeln, lag noch in weiter Ferne. Es mochte Jahre, vielleicht sogar Jahrhunderte in Anspruch nehmen.

Psychologisch gesehen, schien die Kolonie wunderbar ausgeglichen. Die Männer, die die Kolonisten ausgewählt hatten, schienen die richtige Wahl getroffen zu haben. Die elfhundert Bewohner der UN-Kuppel waren kräftige, geistig und körperlich gesunde Menschen, wie man sie nur selten an einem Ort versammelt sah.

Die Entwicklung der Kolonie entsprach also vollauf den Erwartungen, die man gehegt hatte.

Aherne war gerade zu einem Entschluß gekommen, wie sein Bericht ausfallen würde, als Echavarra ihm zum zweitenmal seinen Besuch abstattete.

* * *

Der kleine Peruaner erschien unerwartet am frühen Morgen. Aherne hatte eine Stunde der Muße dazu benutzt, sich in den Roman eines Kolonisten zu vertiefen. Überrascht blickte er auf, als Echavarra eintrat.

»Hallo, Aherne!«

»Echavarra! Wie sind Sie an dem Posten an der Luftschleuse vorbeigekommen?«

Der Genetiker zuckte die Achseln. »Soviel ich weiß, gibt es kein Gesetz, das mir verbietet hierherzukommen. Ich habe dem Posten gesagt, daß ich mich über Funk beschweren würde, wenn er mich zurückwiese. Das brachte ihn in Verlegenheit. Was konnte er tun, als mich durchzulassen?«

»Schön, Sie sind also hier«, sagte Aherne. »Was wollen Sie?«

Echavarra setzte sich auf die Bettkante und verschränkte die Hände. »Erinnern Sie sich an unsere damalige Unterhaltung?«

»Sicher«, nickte Aherne. »Warum?«

»Verharren Sie immer noch bei Ihrer früheren Meinung?«

»Falls Ihre Frage bedeuten soll, ob ich dem Bewilligungsausschuß Ihre Kolonie statt der Carters empfehlen werde, so lautet meine Antwort — nein.«

Echavarra legte die Stirn in Falten. »Also immer noch für die andern eingenommen? Hat diese kleine Kolonie Sie derart beeindruckt?«

»Allerdings«, erwiderte Aherne. »Sie hat mich tief beeindruckt.«

Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Sie begreifen noch immer nicht. Diese Leute hier sind nur Gäste auf dem Mars. Sie sind geduldete Besucher, solange ihre Kuppel existiert. Aber sie werden immer Außenseiter bleiben, die von einer künstlichen Atmosphäre abhängen.«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich über diese Frage nicht diskutieren will«, erwiderte Aherne. »Diese Menschen haben eine wahrhaft wunderbare Organisation geschaffen. Können Sie das von Ihren Männern, die die Höhenluft der Anden gewohnt sind, behaupten?«

»Nein«, sagte Echavarra. »Noch nicht. Aber eines Tages werden wir die Marsluft atmen können. Die gesellschaftliche Organisation kann warten, bis wir das physische Handicap überwunden haben.«

»Ich kann Ihnen nicht zustimmen. Ihre Männer sind an große Höhen und niedrigen Luftdruck gewöhnt — aber was für Menschen sind sie? Repräsentieren sie die Elite der Menschheit? Nein. Sie sind primitive, unwissende Menschen, die zufällig gewisse physische Vorteile aufweisen. Sie können mit ihnen nicht eine neue Welt bauen.«

»Sie können keine Welt mit Menschen bauen, die sich unter einer Kuppel verbergen müssen«, gab Echavarra zurück. »Aber ich sehe, daß ich mit Ihnen zu keiner Einigung komme. Darf ich trotzdem hoffen, daß Sie die Vereinten Nationen über mein Hiersein unterrichten und sie über den Erfolg meines Planes informieren werden?«

»Ich werde es tun«, sagte Aherne. »Allerdings mit dem entsprechenden Kommentar.«

Echavarra zog einen dicken Packen Papiere aus der Tasche und legte ihn aufs Bett. »Hier ist mein Bericht. Ich habe die Widerstandskraft meiner Männer gegen niedrigen Luftdruck analysiert und die Anpassungen erwähnt, die notwendig sein werden, um eine Rasse zu schaffen, die den Marsbedingungen gewachsen ist. Des weiteren sind die biochemischen Analysen von Muskelgewebe enthalten, die einer meiner Mitarbeiter vorgenommen hat. Er hat sich besonders mit dem Myoglobin beschäftigt, einer Art von Hämoglobin, das für den Sauerstoffverlust von Bedeutung ist — aber es hat wohl keinen Sinn, daß ich weiter ins Detail gehe. Wenn Sie es für sinnvoll halten, so leiten Sie diese Papiere an die in Frage kommenden Gruppen weiter.«

»Ich verspreche es Ihnen«, sagte Aherne. »Sehen Sie, Echavarra, ich habe nicht die Absicht, Ihnen gegenüber besonders grausam zu sein. Ich bin nicht hier, um darüber zu entscheiden, ob Ihrer Entwicklung der Vorzug zu geben ist. Darüber ist längst entschieden worden. Mein Auftrag war lediglich, mich vom Fortschritt der Carter-Kolonie zu überzeugen. Das habe ich getan. Und ich bin zufrieden.«

»Dann wird Ihr Bericht also positiv ausfallen?«

»Ja«, sagte Aherne. Es war das erste Mal, daß er seinen Entschluß laut verkündete, und er war noch nie so sicher gewesen, sich auf dem rechten Weg zu befinden.

»Also gut«, sagte Echavarra kurz. »Ich werde keinen Versuch mehr machen, Sie zu überreden.«

»Es wäre sinnlos«, sagte Aherne. Er fühlte echte Sympathie für Echavarra, konnte aber nichts für ihn tun, wie die Dinge standen. Carters Kolonie verdiente es, unterstützt zu werden. Selbst angesichts der Tatsache, daß sie wahrscheinlich besondere Vorbereitungen für die Besichtigung getroffen hatten, war das reibungslose Zusammenarbeiten von Menschen verschiedener Rassen noch immer eindrucksvoll genug.

Aherne nahm die Papiere Echavarras auf und legte sie zu einem sauberen Stapel zusammen. »Sie sind bei mir in guten Händen«, sagte er.

»Danke«, sagte der Peruaner kurz. Er musterte Ahernes Gesicht, dann verließ er den Raum.

* * *

Später am Tage verkündete Aherne seine Entscheidung öffentlich. In der kurzgefaßten, sich auf das Wesentliche beschränkenden Stellungnahme, die er Dr. Carter aushändigte, sprach er von der Genugtuung, die er bei der Überprüfung der Kolonie empfunden habe und von der Empfehlung an die Vollversammlung, die für das Weiterbestehen notwendigen Mittel auf unbeschränkte Zeit bereitzustellen.

Carter überflog den Text und blickte auf. »Danke«, sagte er schlicht.

»Sie brauchen mir nicht zu danken. Meine Empfehlung basiert auf der von Ihnen geleisteten harten Arbeit. Ihre Kolonie hat mich hundertprozentig überzeugt, Dr. Carter.«

»Es freut mich, das zu hören. Zu Anfang schienen Sie über das, was Sie sahen, im Zweifel zu sein.«

»Eine Pose, die Sie nicht erst zu nehmen brauchten.«

»Was ich auch nicht tat. Ich sah Ihnen an, daß die Besichtigung zu Ihrer Zufriedenheit ausfiel. Miß Greer berichtete mir, daß Sie zuweilen vor Begeisterung geradezu strahlten.«