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Ihre blassen Augen waren weit geöffnet, die Pupillen hatten sich stark vergrößert; ihr Körper mit dem Fischschwanz war steil aufgerichtet; die Alte stützte sie.
»Sie beginnt etwas zu sehen«, sagte der Mann. »Das Wasser und die Kristallkugel sind nur Einrichtungen, um ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu konzentrieren. Myla ist sehr gut, obzwar sie manchmal die Vergangenheit mit der Zukunft vermengt.
Das kann unangenehm sein und bringt das Talent in schlechten Ruf. Aber man kann nichts dagegen tun. Ab und zu taucht eben die Zukunft mit auf, und Myla muß sagen, was sie sieht. Letzte Woche sagte sie einem Hadji, daß er in vier Tagen sterben würde.« Der Alte kicherte. »Sie hätten seinen
Gesichtsausdruck sehen sollen.«
»Hat sie auch gesehen, wie er sterben würde?« fragte Barrent.
»Ja. Durch einen Messerstich. Der Ärmste wagte sich die ganzen vier Tage nicht aus dem Haus.«
»Und wurde er getötet?«
»Natürlich. Seine Frau tötete ihn. Sie ist eine zielbewußte Dame, habe ich mir sagen lassen.«
Barrent hoffte, daß Myla ihm seine Zukunft nicht verraten würde. Das Leben war schwierig genug ohne die Voraussagungen eines Mutanten
Sie blickte von dem Glas auf und schüttelte traurig den Kopf.
»Ich kann Ihnen nur sehr wenig sagen. Es ist mir nicht gelungen, den Mord selbst zu erkennen. Aber ich habe einen Friedhof gesehen und darin das Grabmal Ihrer Eltern. Da war ein alter Grabstein, vielleicht zwanzig Jahre alt. Der Friedhof befand sich in den Außenbezirken eines Ortes auf der Erde, der den Namen Youngerstun trägt.«
Barrent dachte angestrengt nach, aber der Name bedeutete ihm nichts.
»Außerdem habe ich einen Mann gefunden«, fuhr Myla fort, »der etwas über den Mord weiß. Er kann Ihnen darüber berichten, wenn er will.«
»Hat dieser Mann den Mord beobachtet?«
»Ja.«
»Ist er derjenige, der mich angezeigt hat?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Myla. »Ich habe die Leiche gesehen. Sein Name war Therkaler. Dicht neben ihm stand ein Mann. Dessen Name ist Illiardi. «
»Befindet er sich hier auf Omega?«
»Ja. Sie können ihn in diesem Augenblick in dem Euphoriatorium in der Little Axe Street finden. Wissen Sie, wo das ist?«
»Ich werde es finden«, sagte Barrent. Er dankte der jungen Frau und bot ihr einen Lohn an, den sie aber ablehnte. Sie sah sehr unglücklich aus. Als Barrent gehen wollte, rief sie: »Seien Sie vorsichtig!«
Barrent blieb an der Tür stehen und fühlte einen eisigen Schauer den Rücken entlangrinnen. »Haben Sie meine Zukunft gelesen?« fragte er.
»Nur ein wenig«, antwortete Myla. »Nur, was in wenigen Monaten geschieht.«
»Was haben Sie gesehen?«
»Ich kann es nicht erklären. Was ich gesehen habe, ist unmöglich.«
»Sagen Sie mir, was es war.«
»Ich sah Sie tot. Und trotzdem waren Sie wieder nicht tot. Sie blickten auf eine Leiche, die in viele kleine Teile zersplittert war.
Und die Leiche waren Sie selbst.«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Myla.
Das Euphoriatorium war ein großes, grell gestrichenes Gebäude, in dem es speziell gemischte Drogen und Betäubungsmittel gab.
Seine hauptsächlichsten Kunden waren Peons und einfache Bürger.
Barrent fühlte sich etwas unbehaglich, als er sich einen Weg durch die Menge bahnte und den Kellner fragte, wo er einen Mann namens Illiardi finden könnte.
Der Kellner deutete in eine Eckloge. Barrent sah einen glatzköpfigen, breitschultrigen Mann, der sich über ein winziges Glas Thanapiquita beugte. Barrent trat auf ihn zu und stellte sich vor.
»Angenehm«, antwortete Illiardi und trug den obligatorischen Respekt eines Residenten zweiter Klasse gegenüber einem Privilegbürger zur Schau. »Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen über die Erde stellen«, begann Barrent.
»Kann mich nicht mehr an viel erinnern«, antwortete Illiardi.
»Aber soweit ich Ihnen zu Diensten sein kann...«
»Erinnern Sie sich an einen Mann mit Namen Therkaler?«
»Ganz gewiß«, antwortete Illiardi. »Dünner Bursche. Schielte.
Eine miese Type!«
»Waren Sie dabei, als er ermordet wurde?«
»Jawohl. Es war das erste, an das ich mich erinnerte, als ich das Schiff verließ.«
»Haben Sie gesehen, wer ihn getötet hat?«
Illiardi starrte ihn erstaunt an. »Das brauchte ich nicht zu sehen.
Ich selbst habe ihn getötet.«
Barrent zwang sich, in ruhigem Ton zu sprechen. »Sind Sie da ganz sicher? Wissen Sie das genau, meine ich?«
»Selbstverständlich weiß ich das genau«, antwortete Illiardi.
»Und ich bringe jeden um, der mir diesen Mord abstreiten will. Ich habe Therkaler getötet, und er hat noch Schlimmeres als das verdient.«
»Als Sie ihn getötet haben - haben Sie mich da zufällig in der Nähe gesehen?« fragte Barrent.