125732.fb2 Planet der Verbrecher - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 29

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»Omega, den Gefangenenplanet. Sie haben sicher davon gehört.«

»Ich glaube, ja«, antwortete Wonderson vorsichtig. »Vielleicht hätte ich besser sagen sollen, daß es fast keine Verbrecher mehr gibt. Ich schätze, ein paar Typen, die von Geburt an verbrecherisch veranlagt sind, gibt es immer. Aber die kann man leicht als solche erkennen. Im übrigen sollen es nicht mehr als zehn oder zwölf im Jahr sein - bei einer Bevölkerung von beinahe zwei Milliarden.« Er setzte ein breites Grinsen auf. »Meine Chance, einem zu begegnen, ist außerordentlich gering.«

Barrent mußte an das Gefangenenschiff denken, das beständig zwischen Omega und der Erde hin- und herfuhr, seine menschliche Fracht auslud und unermüdlich neue herb ei schaffte. Er fragte sich, woher Wonderson seine Statistiken bezog. Und noch mehr wunderte er sich darüber, wo die Polizei steckte. Seit er das Raumschiff verlassen hatte, war ihm keine einzige Militäruniform begegnet. Er hätte gern danach gefragt, aber es schien ihm klüger, dieses Thema abzubrechen

»Vielen Dank für den Kredit«, sagte er statt dessen. »Ich werde so bald als möglich mit dem Geld wiederkommen.«

»Natürlich«, antwortete Wonderson und schüttelte ihm herzlich die Hand. »Aber lassen Sie sich ruhig Zeit. Es eilt ja nicht.«

Barrent dankte ihm noch einmal und verließ den Laden

Jetzt hatte er einen Beruf. Und wenn die anderen Leute genauso dachten wie Wonderson, hatte er auch unbegrenzten Kredit. Er befand sich auf einem Planeten, der dem ersten Eindruck nach eine Utopie zu sein schien. Allerdings wies diese Utopie auch gewisse Widersprüche auf. Er hoffte, in den nächsten Tagen mehr darüber zu erfahren.

Einen Häuserblock weiter entfernt fand er ein Hotel. Er mietete sich ein Zimmer für eine Woche - auf Kredit.

Am Morgen darauf fragte sich Barrent zu der nächstgelegenen Zweigstelle der öffentlichen Bibliothek durch. Er brauchte historische Informationen. Wenn er die Entwicklung der Zivilisation auf der Erde kannte, konnte er sich bessere Vorstellungen davon machen, was ihn erwartete und worauf er achtgeben mußte., Die Kleidung eines Meinungsforschers, die er jetzt trug, gewährte ihm Zutritt zu den sonst nicht zugänglichen Büchergestellen; wo die Geschichtsbücher aufbewahrt wurden. Aber die Bücher selbst enttäuschten ihn. Die meisten behandelten die alte Geschichte, von den urzeitlichen Anfängen bis zum Aufkommen der Atomkraft. Flüchtig blätterte er sie durch. Während des Lesens erinnerte er sich an verschiedene Dinge, die er früher einmal gewußt haben mußte, und daher konnte er schnell von den alten Griechen über das Römische Reich, Karl den Großen, das Mittelalter, die Normannenkriege bis zum Dreißigjährigen Krieg überwechseln; danach überflog er kurz die Napoleonische Ära.

Sorgfältiger studierte er die Weltkriege. Das Buch endete mit der Explosion der ersten Atombombe. Die anderen Bücher auf dem Regal enthielten nur ergänzende Bemerkungen zu den verschiedenen Stadien, die er schon kennengelernt hatte.

Nach längerem Suchen fand Barrent ein dünnes Werk mit dem Titel >Das Nachkriegs-Dilemma, Teil 1< von Arthur Whittler. Es begann dort, wo die Geschichtsbücher aufgehört hatten, mit den Explosionen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki.

Barrent setzte sich und begann mit einem sorgfältigen Studium.

Er erfuhr von dem Kalten Krieg der Jahre um 1950, in denen mehrere Nationen im Besitz von Wasserstoffbomben waren

Schon damals, so schrieb der Autor, existierten die Ursprünge einer massiven und lächerlichen Übereinstimmung in den Nationen der Welt. In Amerika herrschte eine wahnwitzige Furcht vor dem Kommunismus. In Rußland und China wiederum herrschte eine wahnwitzige Furcht vor dem Kapitalismus. Eine neutrale Nation nach der anderen wurde entweder ins eine oder ins andere Lager gezogen. Zum Zweck der inneren Sicherheit bedienten sich alle Länder raffinierter Propagandamethoden. Jedes Land glaubte, eine starre Anlehnung an bereits erprobte Doktrinen beibehalten zu müssen, um überleben zu können

Der Druck auf das Individuum, sich der Norm anzupassen, wurde härter und tückischer. Die Gefahren des Krieges waren vorüber. Die vielen Gesellschaften der Erde begannen allmählich in einen einzigen Superstaat zusammenzufließen. Aber der Zwang zur Anpassung wurde immer größer, anstatt nachzulassen.

Diese Notwendigkeit hatte ihren Ursprung in der ständig anwachsenden Bevölkerungszahl und in den vielen Problemen der Vereinheitlichung über nationale und ethnische Grenzen hinweg. Unterschiedliche Meinungen konnten äußerst gefährlich sein; zu viele Gruppen hatten jetzt schon Zugang zu den tödlichen Wasserstoffbomben. Unter diesen Umständen konnte ein abweichendes Benehmen nicht geduldet werden.

Endlich erreichte man den großen Zusammenschluß. Die Eroberung des Weltraums ging weiter, von der Mondrakete über den Planetenraumer zum Sternenschiff. Aber die Institutionen der Erde erstarrten immer mehr. Eine Zivilisation, die noch unbeweglicher war als die des europäischen Mittelalters, bestrafte jede Opposition gegen bestehende Gebräuche, Traditionen und Glaubensregeln. Die Verletzung der sozialen Grundregeln wurde als großes Verbrechen betrachtet, genauso schwer wie Mord oder Totschlag. Und genauso wurde es auch bestraft. Dazu wurden konsequent sämtliche antiquierten Einrichtungen wie Geheimpolizei, Staatspolizei, Spitzel und dergleichen benutzt.

Jedes mögliche Mittel wurde für das an Wichtigkeit alles übertreffende Ziel der Vereinheitlichung angewandt.

Für die Nonkonformisten gab es Omega.

Die Todesstrafe war schon lange vorher abgeschafft, aber man besaß weder genug Platz noch Mittel, um mit der ständig anwachsenden Verbrecherzahl fertig zu werden, die die Gefängnisse überall überforderte. Endlich entschlossen sich die Führer der Welt dazu, die Verbrecher auf eine abgeschiedene Gefangenenwelt zu deportieren, eine Methode, die die Franzosen in Guayana und Neu-Kaledonien und die Engländer in Australien und noch früher auch in Nordamerika angewandt hatten. Da es ganz unmöglich schien, Omega von der Erde aus zu regieren, machten die Behörden gar nicht erst den Versuch. Sie vergewisserten sich nur, daß keiner der Gefangenen entfliehen konnte.

Das war das Ende von Band 1. Eine Notiz am Schluß kündigte an, daß der zweite Band eine Studie über die zeitgenössische Erde enthalten würde. Er sollte den Titel »Der Zustand der Zivilisation« tragen. Dieser zweite Band befand sich nicht im Regal.

Barrent fragte den Bibliothekar danach und erhielt die Auskunft, daß er im Interesse der öffentlichen Sicherheit vernichtet worden war. Barrent verließ die Bibliothek und ging in den kleinen Park. Er ließ sich auf einer Bank nieder, starrte vor sich hin und dachte angestrengt nach. Er hatte erwartet, eine Erde zu finden, wie sie in dem Buch von Whittler beschrieben war. Er war auf einen Polizeistaat vorbereitet gewesen, auf strenge Sicherheitsmaßnahmen, eine unterdrückte Bevölkerung und eine ständig wachsende Atmosphäre von Unruhe. Aber das gehörte anscheinend der Vergangenheit an. Bis jetzt hatte er noch nicht einen einzigen Polizisten gesehen. Keine Sicherheitsmaßnahmen schienen getroffen zu sein, und die

Menschen, denen er begegnet war, sahen nicht im mindesten bedrückt aus. Ganz im Gegenteil. Dies schien eine völlig andere Welt...

Außer daß Jahr für Jahr die Raumschiffe nach Omega flogen, mit ihren Ladungen Gefangener, denen man die Erinnerung geraubt hatte. Wer verhaftete sie? Wer verurteilte sie? Was für eine Gesellschaft brachte sie hervor?

Die Antworten auf diese Fragen mußte er selbst herausfinden.

Früh am nächsten Morgen begann Barrent mit seinen Nachforschungen. Seine Methode war einfach. Er klingelte an Haustüren und stellte Fragen. Er warnte alle seine Opfer davor, daß seine Fragen mit Tricks oder Unsinn durchsetzt sein könnten, dessen Zweck es war, die allgemeine Bewußtseinsbasis zu testen. Auf diese Weise, fand Barrent, konnte er überhaupt alles über die Erde erfragen, konnte widerstreitende Meinungen vernehmen, und das alles, ohne sich selbst eine Blöße zu geben

Allerdings bestand noch immer die Gefahr, daß irgendein Beamter seine Ausweise zu sehen wünschte oder daß letzten Endes doch noch die Polizei auftauchte, wenn er sie am wenigsten erwartete. Aber dieses Risiko mußte er eingehen. Von der Orange Esplanade ausgehend, bewegte sich Barrent nordwärts und machte bei jedem Haus halt. Die Ergebnisse waren recht unterschiedlich, wie ein ausgewähltes Beispiel seiner Arbeit zeigt:

(Bürgerin A. L. Gotthreid, Alter 55, Beruf: Haushälterin. Eine starke Frau, die sich sehr aufrecht hielt, höflich, ohne viel Humor.) »Sie möchten meine Meinung über Klassen und Stände hören? Habe ich Sie richtig verstanden?«

»Jawohl.«

»Ihr Meinungsforscher wollt immer alles mögliche über Klassen und Stände wissen. Man sollte meinen, daß ihr inzwischen schon alles erfahren habt, was es darüber zu erfahren gibt.

Aber meinetwegen. Heutzutage gibt es nur noch eine Klasse, da alle gleich sind. Nämlich die Mittelklasse. Dann bleibt also nur noch die eine Frage, zu welchem Teil der Mittelklasse man gehört. Zu dem oberen, dem mittleren oder dem unteren.«

»Und wonach richtet sich das?«

»Nach allen möglichen Dingen. Nach der Art, wie jemand ißt, spricht, sich kleidet, wie man sich in der Öffentlichkeit benimmt.

Nach dem Auftreten. Nach der Kleidung. Man kann einen Angehörigen der oberen Mittelklasse immer an seiner Kleidung erkennen. Ein Irrtum ist da ausgeschlossen.«

»Ich verstehe. Und die untere Mittelklasse?«

»Erstens einmal fehlt denen, die ihr angehören, eine gewisse schöpferische Energie. Zum Beispiel tragen sie Fertigkleidung, ohne sich die Mühe zu machen, diese auf irgendeine Weise zu verschönern. Das gleiche trifft bei ihren Häusern zu. Einfache, phantasielose Verzierungen tun's eben nicht, das möchte ich hier sagen. Solche Leute empfängt man nicht bei sich zu Hause.«

»Vielen Dank, Bürgerin Gotthreid. Und in welche Rangstufe würden Sie sich einreihen?« (Mit einem ganz geringen Zögern:) »Oh! Darüber habe ich mir eigentlich noch nie Gedanken gemacht - obere Mittelklasse, glaube ich.«

(Bürger Dreister, Alter 43, Beruf: Schuhverkäufer. Ein schlanker, ruhiger Mann, für sein Alter jung aussehend.) »Ja, Sir. Myra und ich haben drei schulpflichtige Kinder. Alles Jungen.«

»Können Sie mir in etwa sagen, worin ihre Schulausbildung besteht?«

»Sie lernen lesen und schreiben und gute Bürger zu werden

Schon jetzt bereiten sie sich auf einen Beruf vor. Der Älteste übernimmt einmal mein Geschäft - die Schuhe. Die ändern beiden gehen bei einem Gemüsehändler und in einem

Kurzwarengeschäft in die Lehre. Aus dieser Branche stammt die Familie meiner Frau.

Sie lernen auch ihren Stand zu bewahren und die allgemeinen Methoden, um sich im Gesellschaftssystem nach oben zu arbeiten.

Das ist das wichtigste, was sie in den öffentlich zugänglichen Schulklassen lernen.«

»Und gibt es denn auch andere Klassen, die nicht öffentlich sind?«

»Ja, natürlich gibt es noch die geheimen Klassen. Jedes Kind nimmt daran teil.«

»Und was lernen sie in den geheimen Unterrichtsstunden?«

»Das weiß ich nicht. Sie sind geheim, wie ich schon sagte.«

»Sprechen denn die Kinder nie darüber?«

»Nein, sie reden über alles mögliche, aber nicht darüber.«