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»Ich habe die Augen zugemacht und meinen Händen freien Lauf gelassen«, antwortete Foeren. »Das erste, was ich feststellte, war, daß sie an dem Schloß der Zellentür herumfummelten und es öffneten.« Er hob die Hände wieder hoch und blickte sie bewundernd an. »Verdammt kluge Teufel!«
»Das Schloß öffneten?« fragte Barrent. »Aber ich dachte, Sie wären ein Fälscher.«
»Na ja, Fälschungen waren meine Spezialität. Aber ein Paar geschickte Hände können alles mögliche tun. Schätze, daß man mich eben gerade bei einer Fälschung erwischt hat. Aber genausogut hätte ich auch ein Geldschrankknacker sein können. Für einen einfachen Fälscher sind meine Hände zu begabt.«
»Sie haben mehr über sich herausgefunden als ich«, sagte Barrent.
»Ich habe nur einen Traum, auf den ich mich stützen kann.«
»Immerhin etwas«, erwiderte Foeren. »Es muß doch Möglichkeiten geben, mehr herauszufinden. Aber im Moment ist das Wichtigste: Wir sind auf Omega.«
»Zugegeben«, stimmte Barrent mit säuerlicher Miene zu.
»Was ist daran so übel?« sagte Foeren. »Haben Sie denn nicht gehört, was der Mann sagte? Dieser Planet gehört uns!«
»Bei einer durchschnittlichen Überlebensdauer von drei Erdjahren«, erinnerte ihn Barrent.
»Das ist wahrscheinlich nur Gerede, um uns einzuschüchtern«, entgegnete Foeren. »Ich glaube es noch lange nicht, erst recht nicht, wenn es ein Wachtposten sagt. Die große Sache ist doch die, daß wir einen eigenen Planeten besitzen. Sie haben doch gehört, was die sagten: Die Erde lehnt uns ab. Zum Teufel mit der Erde! Wer braucht sie schon? Hier haben wir unseren eigenen Planeten. Einen ganzen Planeten für uns allein, Barrent!
Wir sind frei!«
»Stimmt genau, Kameraden«, mischte sich ein anderer ein. Er war klein, hatte flinke Augen und war fast aufdringlich freundlich.
»Ich heiße Joe«, sagte er. »Eigentlich ist mein richtiger Name Joao; aber ich ziehe die Kurzform vor - wegen der Zeitersparnis. Meine Herren, ich hörte zufällig Ihre Unterhaltung mit an, und ich muß gestehen, ich stimme mit unserem rothaarigen Freund völlig überein. Bedenken Sie doch nur einmal die Möglichkeiten! Die Erde hat uns verstoßen? Ausgezeichnet! Ohne sie stehen wir uns weit besser! Hier sind wir alle gleich, freie Männer in einer freien Gesellschaft. Keine Uniformen, keine Wachen, keine Soldaten.
Nur reuige frühere Verbrecher, die in Frieden leben wollen.«
»Wobei hat man Sie geschnappt?« fragte Barrent.
»Ich soll ein Kreditschleicher gewesen sein«, antwortete Joe.
»Leider muß ich gestehen, daß ich mir darunter überhaupt nichts vorstellen kann. Aber vielleicht fällt es mir später noch ein.«
»Es könnte ja sein, daß die Behörden eine Art System haben, das Gedächtnis wieder aufzufrischen«, bemerkte Foeren
»Behörden?« stieß Joe entrüstet aus. »Was meinen Sie damit Behörden! Dies ist unser Planet. Hier sind wir alle gleich. Folglich kann es auch keine Behörden geben. Nein, Freunde, diesen ganzen Humbug haben wir auf der Erde zurückgelassen.
Hier-«
Er unterbrach sich. Die Barackentür war aufgegangen; ein Mann kam herein. Anscheinend war er schon länger Einwohner von Omega, denn er trug nicht die graue Gefängnisuniform. Er war dick und in grellen gelben und blauen Farben gekleidet. An
dem Gürtel, der um seine enorme Taille gebunden war, trug er eine Pistole und ein Messer. Er blieb im Eingang stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, und starrte auf die Neuankömmlinge.
»Nun?« sagte er. »Erkennt ihr Neuen etwa keinen Quaestor?
Aufstehen! «
Keiner der Männer rührte sich
Das Gesicht des Quaestors wurde rot. »Schätze, ich muß euch ein bißchen Respekt beibringen.«
Noch bevor er die Waffe aus dem Gurt gezogen hatte, rappelten sich die Männer hoch. Der Quaestor blickte sie fast bedauernd an und stieß die Waffe zurück.
»Das erste, worüber ihr euch am besten gleich im klaren seid«, erklärte der Quaestor, »ist der Rang, den ihr auf Omega einnehmt. Ihr seid Peons, und das heißt soviel, als wärt ihr nichts.
Nichts! Verstanden?«
Er hielt einen Moment inne und fügte dann hinzu: »Und jetzt aufgepaßt, Peons! Ich werde euch über, eure Pflichten aufklären.«
»Ihr Neuen müßt euch zuallererst darüber im klaren sein«, begann der Quaestor, »was ihr selbst seid. Das ist äußerst wichtig.
Und ich sage euch noch einmal, was ihr seid. Ihr seid Peons. Ihr seid das letzte vom letzten. Ihr habt keine Stellung - keine Rechte. Niedriger als ihr ist niemand - außer den Mutanten, und das sind keine richtigen Menschen. Irgendwelche Fragen?«
Der Quaestor wartete. Als niemand etwas sagte, fuhr er fort:
»Ich habe klargestellt, was ihr seid. Jetzt will ich kurz aufführen, wie sich die Rangordnung auf Omega fortsetzt. Als erstes möchte ich betonen, daß jeder auf Omega wichtiger ist als ihr.
Aber nicht alle sind gleich viel wichtiger. Direkt über euch steht der Resident, der aber kaum mehr zählt als ihr. Darüber rangiert der freie Bürger. Zum Zeichen seines Ranges trägt er einen grauen Ring am Finger; seine Kleidung ist schwarz. Auch er ist nicht besonders bedeutend. Mit einigem Glück können einige von euch freie Bürger werden.
Als nächstes kommen die Privilegklassen, die sich alle durch verschiedene Symbole ihrer Rangordnung unterscheiden, wie etwa durch den goldenen Ohrring, der die Hadji-Klasse kennzeichnet.
Mit der Zeit werdet ihr alle von selbst die Zeichen und Vorrechte der verschiedenen Ränge und Stufen kennenlernen. Vielleicht sollte ich noch die Priester erwähnen. Obgleich sie nicht zu den Privilegklassen gehören, sind ihnen gewisse Freiheiten und Rechte eingeräumt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Zustimmendes Gemurmel erklang in der Baracke. »Und jetzt komme ich darauf, wie sich jeder zu verhalten hat, wenn er jemandem von höherem Rang begegnet. Als Peons seid ihr verpflichtet, einen freien Bürger in respektvoller Form mit vollem Titel zu grüßen. Mit Mitgliedern der Privilegklassen dürft ihr nur sprechen, wenn man euch dazu auffordert, dabei müßt ihr die Augen gesenkt halten und die Hände falten. Ihr dürft euch von einem privilegierten Bürger nicht entfernen, ohne von ihm die Erlaubnis dazu erhalten zu haben. In seiner Gegenwart dürft ihr unter gar keinen Umständen sitzen. Verstanden? Es gibt noch viele andere Dinge zu lernen. Mein Stand als Quaestor beispielsweise gehört zum Rang der freien Bürger, er bezieht aber einige Freiheiten der Privilegklassen mit ein.«
Der Quaestor ließ den Blick über die Männer gleiten, um sich zu vergewissern, ob sie ihn verstanden hatten. »Die Baracken dienen euch vorläufig zur Unterkunft. Ich habe einen Plan aufgestellt, der festhält, welche von euch fegen müssen, welche waschen und so weiter. Fragen beantworte ich jederzeit gerne.
Dumme oder unverschämte Fragen werden mit Verstümmelung oder Tod bestraft. Vergeßt nie, daß ihr die Niedrigsten der Niedrigen seid. Wer sich das stets vor Augen hält, kann vielleicht am Leben bleiben.«
Einen Augenblick hielt der Quaestor inne, dann fuhr er fort:
»Während der nächsten Tage werden euch die verschiedensten Arbeiten zugeteilt werden. Manche werden in die Germanium-Bergwerke geschickt, andere kommen zur Fischerflotte, und andere wieder werden in den verschiedensten Handelszweigen untergebracht werden. In der Zwischenzeit aber steht es euch frei, euch in Tetrahyde umzusehen.«
Als ihn die Männer verständnislos anblickten, fügte er erklärend hinzu: »Tetrahyde ist die Stadt, in der ihr euch befindet. Es ist die größte Stadt auf Omega.« Er dachte einen Augenblick nach
»Genauer gesagt, es ist die einzige Stadt auf Omega.«
»Was bedeutet der Name Tetrahyde?« fragte Joe.
»Woher soll ich das wissen?« antwortete der Quaestor stirnrunzelnd. »Ich nehme an, es ist einer jener alten Namen, die immer wieder auftauchen. Jedenfalls - seht euch vor, wenn ihr ausgeht.«
»Warum?« fragte Barrent.
Der Quaestor grinste. »Das, Peon, ist etwas, was du selbst schnell genug herausfinden wirst.« Er drehte sich um und verließ die Baracke.
Barrent ging zum Fenster. Von hier aus konnte er einen verlassenen Platz überblicken und dahinter einige Straßen von Tetrahyde. »Willst du ausgehen?« fragte Joe.