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Der kleine Betrüger schüttelte den Kopf. »Ich glaube, daß ich hier besser aufgehoben bin.«
»Foeren, wie steht's mit dir?«
»Mir ist das auch nicht geheuer«, erwiderte Foeren. »Scheint mir besser, erst mal ein bißchen in der Nähe der Baracken zu bleiben.«
»Lächerlich«, sagte Barrent. »Die Stadt gehört jetzt auch uns.
Kommt denn niemand mit?«
Foeren blickte sich unsicher um und zog die breiten Schultern in die Höhe, während er den Kopf schüttelte. Auch Joe zuckte die Achseln und lehnte sich auf seinem Bett zurück. Die anderen blickten nicht einmal auf.
»Also gut«, sagte Barrent. »Ich werde euch nachher Bericht erstatten.« Er wartete noch einen Augenblick, ob nicht doch noch jemand seine Meinung änderte, dann ging er zur Tür hinaus.
Tetrahyde bestand aus einer Ansammlung von Gebäuden auf einer schmalen Halbinsel, die in ein ruhiges graues Meer hinausragte. Gegen das Landinnere zu war die Halbinsel durch eine hohe Steinmauer begrenzt. Darin waren Tore und Schilderhäuschen eingelassen. Das größte Gebäude der Halbinsel war die Arena, die einmal im Jahr für die Spiele verwendet wurde. Daneben standen einige Regierungsgebäude.
Barrent schritt durch die schmalen Straßen; er blickte sich neu gierig nach allen Seiten um, um sich ein Bild von seiner neuen Heimat zu machen. Die gewundenen, ungepflasterten Straßen und die dunklen, vom Wetter gezeichneten Häuser rührten an irgend etwas Unfaßbares in seiner Erinnerung. Er hatte einen Ort wie diesen schon einmal auf der Erde gesehen, aber er konnte ihn sich nicht genauer vorstellen. Dieser Gedanke verfolgte ihn, aber soviel er sich anstrengte, er konnte sich an nichts Konkretes erinnern
Nachdem er an der Arena vorbei war, kam er in den Hauptgeschäftsteil von Tetrahyde. Voller Interesse las er die Inschriften über den Läden: DOKTOR OHNE LIZENZ -
ABTREIBUNGEN WERDEN SOFORT VORGENOMMEN. Und ein Stück weiter: UNBESTELLTER ANWALT
POLITISCHE PROTEKTION!
Das alles erschien Barrent seltsam. Er ging weiter und kam an Läden vorbei, die gestohlene Waren anpriesen, und dann zu einem, an dem stand: ACHTUNG! HIER ARBEITEN MUTANTEN! HIER WIRD IHRE VERGANGENHEIT AUF DER ERDE AUFGEDECKT!
Barrent war versucht einzutreten. Aber er erinnerte sich daran, daß er kein Geld besaß. Und Omega schien ihm ganz danach auszusehen, als hätte Geld hier einen hohen Wert.
Er ging eine Seitenstraße hinunter, an mehreren Restaurants vorbei und gelangte zu einem großen Gebäude. GIFTINSTITUT, las er:
GUTE KONDITIONEN, KUNDENFREUNDLICHE ZAHLUNGSFRISTEN.
PROMPTE BEDIENUNG GARANTIERT ODER GELD ZURÜCK. Und auf der nächsten Tür: MÖRDERINNUNG, TELEFON 452.
Wegen der Rede des Uniformierten auf dem Schiff hatte Barrent angenommen, daß das Leben auf Omega dazu bestimmt war, die Kriminellen zu rehabilitieren. Nach den Aufschriften der Läden zu urteilen, war das keineswegs der Fall; oder wenn, dann ging diese Rehabilitierung höchst sonderbare Wege. Tief in Gedanken versunken, ging er weiter.
Dann bemerkte er plötzlich, daß die Leute einen großen Bogen um ihn machten. Sie starrten ihn an und duckten sich in Hauseingänge.
Eine ältere Frau rannte entsetzt davon
Stimmte etwas nicht mit ihm? Lag es an seiner Gefängnisuniform?
Unwahrscheinlich - denn die Leute von Omega hatten viele
davon gesehen. Aber was war es denn?
Die Straße war jetzt fast ausgestorben. Ein Ladeninhaber in seiner Nähe ließ hastig ein Gitter vor seiner Auslage herab.
»Was ist los?« fragte ihn Barrent. »Was geht hier vor?«
»Bist du von Sinnen?« antwortete der Mann. »Heute ist doch Landungstag! «
»Ich verstehe nicht.«
»Landungstag!« wiederholte der Ladeninhaber. »Der Tag, an dem das Schiff mit den Gefangenen landet. Mach, daß du zurück in deine Baracke kommst, du Idiot!«
Er ließ das letzte Stahlgitter herab und verschloß es. Barrent fühlte plötzlich Angst in sich aufsteigen. Irgend etwas stimmte nicht. Er mußte so schnell wie möglich zurück in das Lager. Es war dumm von ihm gewesen, nicht mehr über die Gebräuche von Omega zu erfragen, bevor er...
Drei Männer kamen auf ihn zu. Sie waren gut gekleidet, jeder trug im linken Ohr den goldenen Ohrring eines Hadjis. Alle drei waren bewaffnet.
Barrent wollte in die andere Richtung davongehen, als einer der Männer rief: »Halt, Peon!«
Barrent sah, daß die Hand des Mannes in gefährlicher Nähe der Waffe war. Er blieb stehen. »Was ist los?« fragte er.
»Landungstag«, antwortete der Mann. Er sah seine Freunde an. »Wer ist zuerst dran?«
»Wir werden es auslosen.«
»Hier ist eine Münze.«
»Nein, lieber knobeln.«
»Fertig? Eins, zwei, drei!«
»Er gehört mir«, sagte der Hadji zur Linken. Seine Freunde traten zurück, als er den Revolver zog.
»Halt!« schrie Barrent. »Was geht hier vor?« »Ich werde dich erschießen«, erklärte der Hadji.
»Aber warum?«
Der Mann lächelte. »Weil das ein Vorrecht eines Hadjis ist.
Am Landungstag haben wir das Recht, jeden neuen Peon nieder zuknallen, der die Baracken verläßt.«
»Aber das hat mir niemand gesagt!«
»Natürlich nicht«, antwortete der Mann. »Wenn ihr neuen Leute das wüßtet, würde am Landungstag doch keiner mehr die Baracken verlassen. Und das würde den ganzen Spaß verderben.« Er legte an
Barrent reagierte fast automatisch. Er warf sich zu Boden und hörte ein zischendes Geräusch; dicht hinter ihm zeichnete sich auf der Backsteinfront ein verbrannter Fleck, ab.
»Jetzt bin ich dran«, sagte einer der beiden anderen
»Tut mir leid, mein Lieber. Aber ich glaube, ich komme zuerst.«
»Das Alter hat den Vorrang, mein Freund. Mach Platz!«
Bevor der nächste richtig zielen konnte, war Barrent auf die Füße gesprungen und rannte davon. Für den Augenblick kam ihm die stark gewundene Straße zu Hilfe, aber er konnte die Schritte seiner Verfolger dicht hinter sich hören. Sie liefen mit ruhiger Gelassenheit, als wären sie ihrer Beute sicher. Barrent beschleunigte seine Schritte und bog in eine Seitengasse ein, bemerkte aber sofort, daß das ein Fehler gewesen war. Er war in eine Sackgasse geraten. Die Hadjis kamen immer näher.