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3
Lansing verließ den Fahrstuhl im Erdgeschoß und eilte auf die Eingangstür zu. Gerade als sie den Club verlassen wollten, hatte Andy an einem anderen Tisch einen Bekannten erspäht. Er war zu ihm hinübergegangen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Da war Lansing geflohen. Allerdings hatte er sich Mühe gegeben, seinen Ausreißversuch nicht zu offensichtlich anzulegen. Doch nun war Eile geboten. Mit dem nächsten Aufzug könnte Andy kommen, dann mußte Lansing außer Sicht- und Reichweite sein. Wenn Andy ihn erwischte, würde er ihn gewiß irgendwohin zum Abendessen schleppen. Auf halbem Weg zur Tür blieb Lansing stehen. Am Ende der Treppe zu seiner Rechten befand sich der Ratskeller, und wenn Jackson nicht gelogen hatte, war es von dort nicht weit bis zu dem ominösen Glücksspielautomaten. Lansing steuerte die Treppe an.
Während er die Stufen hinabstieg, ging er mit sich ins Gericht. Sicher gab es überhaupt keine Abstellkammer, und wenn es eine gab, stand kein Automat darin. Lansing fragte sich, wie Jackson nur auf die Idee gekommen sein konnte, eine solche Geschichte aufzutischen. Vielleicht wollte Jackson ihn damit provozieren, das wäre dem Studenten durchaus zuzutrauen, aber was hätte er schon davon? Gelegentlich wurde einem Professor ein Streich gespielt. Es gab Fakultätsmitglieder, die es geradezu herausforderten, daß man sie zum besten hielt. Meist handelte es sich dabei um hochnäsige Tröpfe, denen ein kleiner Dämpfer nur guttun konnte. Lansing jedoch hatte sich immer um ein gutes Verhältnis zu den Studenten bemüht. Es mochte sein, daß er hie und da für zu weich gehalten wurde. Wenn er über seine Beziehung zu Jackson nachdachte, so konnte er sich nicht an irgendwelche Schwierigkeiten mit ihm erinnern. Jackson war nicht eben ein auffällig fleißiger Student gewesen, aber das galt für viele andere auch. Lansing hatte immer versucht, seinen Schüler mit Höflichkeit und Achtung zu behandeln. Hin und wieder hatte er versucht, ihm kleine Hilfen zu geben, aber Jackson war nicht der Mann, der solche Versuche zu schätzen wußte.
Es waren nur wenige Gäste im Ratskeller. Die meisten von ihnen hatten sich um einen Tisch in der Ecke versammelt. Der Mann hinter der Theke war in ein Gespräch mit zwei Studenten vertieft. Lansing wurde von niemandem beachtet, als er den Raum betrat.
Neben der Theke gab es eine Tür, genau wie es Jackson beschrieben hatte. Lansing durchquerte das Zimmer mit entschlossenen Schritten. Der Türknopf ließ sich leicht drehen. Lansing stieß die Tür auf, trat hindurch, schloß sie wieder und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie.
Eine einzelne, kahle Glühbirne hing von der Decke herab. Der Raum machte einen unbenutzten Eindruck. Vermutlich hatte er tatsächlich einmal als Abstellkammer gedient. Leere Limonade-kartons waren an einer Wand gestapelt, ein paar Aktenregale und ein alter Schreibtisch standen mitten im Zimmer. Die Möbel sahen aus, als hätte sie jemand hastig und ohne viel Nachdenken hier abgestellt.
In der hinteren Ecke stand der Spielautomat.
Lansing holte tief Luft. Bis jetzt stimmte alles, was Jackson erzählt hatte. Immerhin war es möglich, daß er über die Kammer und den Automaten die Wahrheit gesagt hatte, der Rest aber dennoch erlogen war. Da stand ein Automat genau an der beschriebenen Stelle. Das mußte nicht heißen, daß auch alles andere stimmte.
Das Licht war schwach. Lansing durchquerte die Kammer mit übertriebener Vorsicht. Er wollte auf keinen Fall mit dem Fuß an irgendein Hindernis stoßen und zu Boden gehen. Vor dem Automaten blieb er stehen. Der Kasten sah genauso aus wie ein ganz gewöhnlicher Geldautomat. Hunderte solcher Apparate konnte man in allen Ecken des Campus finden. Alle warteten sie auf Vierteldollars, die irgendwann im Wohltätigkeitsfonds landeten und dann den Armen und Bedürftigen im Lande zugeführt wurden.
Lansing griff in seine Hosentasche und suchte nach der passenden Münze. Er fand endlich einen Vierteldollar und schob ihn in den Einwurfschlitz des Automaten. Die Maschine verschluckte das Geld mit der gewohnten Gier. Während sie das tat, flackerten ihre Lichter auf. Sie beleuchteten die Walzen mit den bunten Symbolen, die daraufgedruckt waren. Der Automat kicherte leise. Ein vertrauliches, gedämpftes Glucksen, so als ob er mit Lansing ein fröhliches Geheimnis teilte. Lansing zog den Hebel nach unten - mit übertriebenem Kraftaufwand. Die Walzen begannen sich wie rasend zu drehen, bunte Lämpchen flackerten. Schließlich hielten die Walzen an, und es geschah - nichts. Genau wie bei einem ganz gewöhnlichen Spielautomaten, dachte Lansing. Sie sind alle gleich. Sie verschlucken dein Geld, dann lachen sie dich aus.
Da begann die Maschine zu sprechen.
»Was, mein Herr, wünschen Sie?« fragte sie.
»Äh... das weiß ich nicht genau«, stotterte Lansing. »Eigentlich habe ich gar keinen Wunsch. Ich wollte nur einmal sehen, ob es dich tatsächlich gibt.«
»Das ist schade«, sagte der Automat. »Ich habe vieles zu geben.
Sind Sie sicher, daß Sie nichts benötigen?«
»Wenn ich ein wenig Zeit zum Nachdenken hätte.«
»Das ist nicht möglich«, erwiderte der Automat. »Die Menschen kommen mit einer festen Absicht zu mir. Ich kann nicht zulassen, daß sie hier herumtrödeln.«
»Entschuldigung«, sagte Lansing. »Wie dem auch sei«, entgegnete der Kasten, »ich bin so konstruiert, daß ich Ihnen für Ihre Münze unbedingt etwas bieten muß. Irgend etwas muß ich Ihnen geben. Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen.« Und so erzählte der Kasten Lansing eine schmutzige Geschichte von sieben Männern und einer Frau, die auf eine einsame Insel verschlagen worden waren. Es war eine widerwärtige Erzählung, voller Brutalität und ekelhaften Obszönitäten, ohne irgendeine erkennbare Moral.
Als der Automat geendet hatte, schwieg Lansing voller Abscheu.
»Hat Ihnen meine Geschichte nicht gefallen?« fragte der Automat.
»Nein, nicht besonders«, antwortete Lansing »Hm, dann habe ich gepatzt«, stellte der Kasten fest. »Mir scheint, ich habe Sie falsch eingeschätzt. So darf ich Sie nicht gehen lassen. Für Ihr Geld müssen Sie etwas bekommen, das Sie für wertvoll erachten.«
Er gab einen hustenden Laut von sich, und aus seinem Innern fiel ein metallener Gegenstand in die Auswurföffnung. »Na los«, drängte der Automat. »Nun nehmen Sie ihn schon!« Lansing zog das metallene Ding aus der Öffnung. Es sah aus wie ein Hotelschlüssel. Eigentlich waren es zwei Schlüssel, die an einem bedruckten Plastikplättchen befestigt waren. Auf dem Plättchen standen eine Nummer und eine Adresse. »Ich begreife nicht.« sagte Lansing.
»Dann hören Sie mir zu. Achten Sie genau auf meine Worte! Hören Sie zu?«
Lansing wollte etwas erwidern, aber er geriet ins Stottern. Endlich versicherte er: »Ich höre zu.«
»Gut. Jetzt bitte gebannte Aufmerksamkeit! Sie begeben sich zu dieser Adresse. Wenn Sie während der normalen Geschäftszeiten dorthin gehen, wird die Eingangstür offen sein. Wenn Sie den Ort zu einer anderen Zeit aufsuchen, können Sie die Eingangstür mit dem größeren Schlüssel öffnen. Der kleinere Schlüssel gehört zu dem Zimmer mit der Nummer einhundertsechsunddreißig. Konnten Sie mir bis jetzt folgen?« Lansing schluckte. »Ja.«
»Wenn Sie die Tür von Zimmer einhundertsechsunddreißig öffnen, werden Sie ein Dutzend Spielautomaten sehen, die entlang einer Wand aufgereiht sind. Sie gehen zum fünften von links. Zum fünften. eins, zwei, drei, vier, fünf - und stecken einen Dollar hinein. Damit wird eine bestimmte Transaktion abgeschlossen. Wenn Sie das getan haben, gehen Sie zu Nummer sieben und stecken einen Dollar hinein...»«»Ich stecke also einen Dollar hinein«, sagte Lansing. »Soll ich auch den Hebel ziehen?«
»Natürlich betätigen Sie den Hebel. Haben Sie noch nie an einem Automaten gespielt?« »Doch, ich denke schon.«
»Wiederholen Sie noch einmal, was ich gesagt habe! Ich muß mich vergewissern.«
Lansing wiederholte die Anweisungen des Automaten. »Schön«, lobte der Kasten. »Versuchen Sie, das alles im Gedächtnis zu behalten. Ich würde vorschlagen, Sie gehen bald dorthin. Dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, daß Sie die Anweisungen vergessen. Sie werden zwei Silberdollar benötigen. Haben Sie zufällig welche bei sich?« »Nein, ganz sicher nicht.«
»Na gut«, sagte der Automat. »Hier, bitte sehr. Wir möchten Ihnen bei dem, worum wir Sie gebeten haben, keine Hindernisse in den Weg legen. Wir sind sehr darauf bedacht, daß Sie die Prozedur so genau wie möglich durchführen.« Etwas klimperte in der Öffnung des Kastens. »Nun, was ist?« fragte der Automat. »Warum stecken Sie sie nicht ein?«
Lansing beugte sich vor und zog die beiden Dollarmünzen heraus. Er ließ sie in die Hosentasche gleiten. »Sind Sie sicher, daß Sie alles behalten haben. Sie haben keine Fragen mehr?«
»Doch, eine Frage hätte ich schon: Was soll das Ganze?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau spezifizieren«, erwiderte der Automat. »Damit würde ich gegen die Bestimmungen verstoßen. Aber ich kann Ihnen versichern, alles, was geschieht,
wird Ihnen zu außerordentlichem Vorteil gereichen.«
»Und wie habe ich mir das vorzustellen? Was gereicht mir zum Vorteil?«
»Das wäre alles, Professor Lansing. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen.«
»Woher weißt du meinen Namen? Ich habe mich dir nicht vorgestellt.«
»Sie mußten sich nicht vorstellen«, erklärte die Maschine. »Ich kannte Sie schon vorher.«
Damit schaltete sich der Automat aus. Er verstummte, seine Lichter erloschen.
Lansing holte aus und versetzte dem Kasten einen Tritt. Einen Tritt, der nicht nur diesem einen Automaten galt, sondern auch all den anderen Kästen, die im Laufe der Jahre sein Geld verschluckt und ihn ausgelacht hatten.
Der Automat trat zurück und traf ihn am Fußknöchel. Lansing hatte nicht gesehen, wie der Apparat getreten hatte, aber er hatte es getan. Der Professor wich langsam zurück. Der Kasten war dunkel und stumm.
Dann wandte Lansing sich um und humpelte durch die Kammer davon.
4
Daheim in seinem Appartement setzte sich Lansing ans Fenster und starrte hinaus in die Nacht. In der Hand hielt er ein gefülltes Whiskyglas. Diese ganze Angelegenheit ist einfach zu lächerlich, dachte er. Das konnte es einfach nicht geben, und doch wußte er, daß sich alles tatsächlich zugetragen hatte. Zur Bestätigung brauchte er nur in die Tasche zu greifen und die beiden Dollarstücke durch die Finger gleiten zu lassen. Seit Jahren hatte er keinen Silberdollar mehr besessen, geschweige denn zwei zur gleichen Zeit. Er zog die Münzen aus der Tasche, um sie zu untersuchen. Beide waren jüngeren Datums, stellte er fest. Vor Jahren schon hatten Spekulanten und Sammler alle Münzen mit einem interessanten Silberanteil auf die Seite geschafft. Die beiden Schlüssel an dem Plastikplättchen lagen noch auf der Tischplatte, wo er sie abgelegt hatte. Er streckte die Hand nach ihnen aus, doch dann zog er sie wieder zurück, ohne die Schlüssel berührt zu haben. Noch immer hielt er das Glas in der Hand. Er ging alle Ereignisse des Tages in Gedanken noch einmal durch und stellte zu seinem Erstaunen fest, daß er ein unangenehmes, schuldbewußtes Gefühl dabei hatte, so als ob er etwas Verbotenes getan hätte. Er versuchte, sich über die Gründe für seine Empfindungen klarzuwerden. Es schien jedoch keinen Grund zu geben, einzig eine Tatsache: Sein Besuch im Ratskeller war keine, völlig normale Handlung gewesen. In seinem ganzen Leben war er noch niemals heimlich irgendwohin geschlichen, er hatte einfach keine Zeit für solche Unternehmungen gehabt. An seinem Eindringen in die Abstellkammer aber haftete der Ruch von etwas Verstohlenem, Heimlichem, von etwas, das nicht ganz zum würdigen Stand eines Fakultätsmitglieds passen wollte. Immerhin arbeitete Lansing an einer zwar kleinen, aber in vieler Hinsicht respektablen Hochschule.
Aber das war noch nicht alles, dachte Lansing. Die Heimlichkeit, das leichte Schuldgefühl waren nicht alles. Ihm wurde allmählich klar, daß er einen Aspekt bis jetzt - auch vor sich selbst - bewußt unterdrückt hatte. Es gab einen Gedanken, dem er sich nicht stellen wollte, vor dem er immer wieder zurückzuckte. Lansing zwang sich zu einem Eingeständnis: Er hatte den Verdacht, daß ihn jemand zum Narren halten wollte. Diese Formulierung war allerdings nicht völlig zutreffend. Wenn es sich bei der Sache nur um einen infantilen Studentenstreich gehandelt hätte, dann wäre sie mit seinem heimlichen Besuch in der Abstellkammer beendet gewesen. Aber der Automat hatte mit ihm gesprochen. Auch das mußte noch nicht viel besagen. Jemand konnte den Spielautomaten mit einem Tonband ausgestattet haben, und er, Lansing, hatte es eingeschaltet, als er den Hebel betätigte.
Aber so einfach lagen die Dinge nicht. Die Maschine hatte nicht einfach nur geredet, sie hatte sich mit ihm unterhalten. Kein Student konnte ein Band so präparieren, daß es ein logisches Gespräch enthielt. Und der Dialog war durchaus logisch gewesen. Lansing hatte Fragen gestellt, und der Automat hatte ihm geantwortet. Er hatte ihm außerdem präzise Anweisungen gegeben.
Also hatte Lansing sich das alles nicht nur eingebildet, es war auch kein Studentenulk. Die Maschine hatte sogar seinen Fußtritt erwidert. Der Knöchel schmerzte noch immer ein wenig, allerdings brauchte Lansing jetzt nicht mehr zu humpeln. Wenn es aber kein Streich gewesen war, ein genial geplanter Streich, was, um Himmels willen, war es dann? Lansing hob das Glas an die Lippen und trank den Whisky in einem Zug aus, etwas, was er noch nie zuvor getan hatte. Er schlürfte Whisky mit Bedacht und stürzte ihn niemals hinunter. Was Alkohol betraf, hatte er kein großes Stehvermögen. Er stand vom Sessel auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Doch das nützte ihm nichts; es half ihm nicht beim Nachdenken. Er stellte das leere Glas auf der Kommode ab, ging zum Sessel zurück und setzte sich wieder hinein. Also gut, sagte er zu sich, nun wollen wir damit aufhören, uns etwas vorzumachen. Man soll sich nicht vor sich selbst in Schutz nehmen. Wenn man sich lächerlich gemacht hat, muß man der Tatsache ins Auge sehen. Steigen wir also vom hohen Roß, und versuchen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Es hatte alles mit dem Studenten Jackson angefangen. Wäre Jackson nicht gewesen, hätten sich auch die anderen Dinge nicht ereignet. Ganz am Anfang hatte eigentlich Jacksons Referat gestanden. Eine gute Arbeit, eine außerordentlich gescheit formulierte Studie, besonders für einen Mann wie Jackson -wenn man einmal von den falschen Quellenangaben absah. Hätte Jackson nicht diese merkwürdigen Zitate verwendet, Lansing hätte ihm niemals den Zettel in sein Postfach gelegt. Nein, vielleicht hätte er ihn dennoch um eine Unterredung gebeten. Möglicherweise hätte er gespürt, daß Jacksons Arbeit nicht ohne fremde Hilfe entstanden war. Lansing dachte einen Moment lang über diese Möglichkeit nach, dann sagte er sich, daß er Jackson wahrscheinlich nicht zu sich bestellt hätte. Wenn Jackson mogeln wollte - was ging ihn, Lansing, das an? Letztlich betrog Jackson doch nur sich selbst. Es hätte keinen Sinn gehabt, über den Betrugsversuch als solchen zu sprechen. Mehr als ein fruchtloses Streitgespräch wäre dabei nicht herausgekommen, denn schließlich hätte er Jacksons Täuschungsversuch nicht beweisen können. Für Lansing gab es nur eine logische Schlußfolgerung: Er sollte zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt werden. Die Sache war äußerst geschickt eingefädelt worden, entweder von Jackson selbst oder von jemandem, der Jackson als Werkzeug benutzte. Jackson war nicht gerissen und nicht energisch genug, um ein solches Vorhaben allein durchzuführen. Allerdings konnte sich Lansing in diesem Punkt nicht sicher sein. Bei jemandem wie Jackson konnte man nie ganz sicher sein. Wenn Lansing tatsächlich zu bestimmten Handlungen verleitet werden sollte, was war der Sinn dieser Unternehmung? Auf diese Frage schien es keine Antwort zu geben. Nichts ergab einen Sinn, überhaupt nichts.
Vielleicht wäre es das beste, wenn er die ganze Angelegenheit vergessen würde und nichts mehr unternähme. Aber konnte er das überhaupt? Konnte er sich zu dieser Art Untätigkeit zwingen? Bis zum Ende seiner Tage würde er sich fragen, was es mit der Sache auf sich gehabt habe. Den Rest seines Lebens würde er sich den Kopf darüber zerbrechen, was wohl geschehen wäre, wenn er die Adresse auf dem Schlüsselanhänger aufgesucht und die Anweisungen des Automaten ausgeführt hätte.
Lansing stand auf, suchte nach der Whiskyflasche, fand sie und hielt ihren Hals über das Glas. Aber er schenkte sich nicht ein. Er stellte die Flasche wieder zurück und trug das Glas zum Spülstein in der Küche. Aus dem Kühlschrank holte er ein Makkaroni-Fertiggericht und schob es in den Backofen. Bei dem Gedanken an eine weitere Rindfleisch-Makkaroni-Mahlzeit überkam ihn leichte Übelkeit, aber was blieb ihm schon übrig? An einem solchen Tag konnte man doch nicht von ihm erwarten, daß er sich zum Abendessen ein Feinschmeckermenü bereitete.
Er ging zur Haustür, um die Abendzeitung hereinzuholen. Nachdem er es sich in einem schweren Sessel gemütlich gemacht hatte, überflog er die Titelseite. Es gab wenig Neuigkeiten. Der Kongreß wurstelte noch immer an einer neuen Bestimmung über den privaten Waffenbesitz, und der Präsident hatte wieder einmal in düsteren Farben geschildert, was dem Land drohte, wenn der Kongreß den erhöhten Rüstungsetat nicht bewillige. Der Fernsehbeirat schlug Alarm wegen der Gewaltdarstellung in den Medien. Man hatte drei neue krebserregende Substanzen entdeckt. Mr. Dithers hatte Dagwood schon wieder entlassen. Nun, das hatte der kleine Frechling sich selbst zuzuschreiben. Auf der Leserbriefseite gab jemand seiner Empörung über ein Kreuzworträtsel Ausdruck. Er hatte es offenbar nicht lösen können.
Als das Fertiggericht heiß genug war, schlang Lansing es in sich hinein. Es war eßbar, das mußte genügen. Zum Nachtisch verzehrte er ein Stück ältlichen Kuchen, danach blieb er bei seiner Kaffeetasse am Küchentisch sitzen. Während er die zweite Tasse trank, erkannte er endlich, was ihn in der Küche festhielt: Er gab sich große Mühe, etwas vor sich herzuschieben, was er auf jeden Fall tun würde. Er schob es vor sich her, weil er sich nicht sicher war, ob er es tatsächlich tun sollte. Immer noch nagten Zweifel in seinem Innern. Aber Zweifel oder nicht, er würde es tun! Das war keine Frage. Wie sollte er weiterleben, wenn er sich bis ans Ende seiner Tage fragen müßte, ob er vielleicht etwas versäumt habe.