125774.fb2 Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

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»Ja, das bin ich«, brummte Lansing.

»Die Dame«, begann die Frau, »hatte kein Geld.«

»Verdammt!« schrie Lansing. »Ich werde ihre Rechnung schon bezahlen. Was diesen Brief angeht, sind Sie ganz sicher, daß er nicht mehr da ist?«

»Ganz sicher, mein Herr.«

Lansing saß niedergeschlagen im Sessel, trank und beobachtete die Wirtin beim Feuermachen.

»Werden Sie über Nacht bleiben?« fragte sie.

»Ja, das habe ich vor«, erwiderte er. »Morgen früh reise ich wieder ab.«

Wohin konnte Mary gegangen sein, fragte er sich. Zurück zum singenden Turm, um dort auf ihn zu warten? Oder quer durch die Badlands wieder zur Stadt? Nein, nicht zur Stadt, dachte er, dorthin sicher nicht. Obwohl, ganz unmöglich war auch das nicht.

Nein, es war sogar recht gut möglich. Vielleicht hatte sie sich an etwas erinnert, das wert war, näher untersucht zu werden. Irgendein Aspekt, der beim erstenmal übersehen worden war. Die Frage war nur, warum sie nicht hier auf ihn gewartet hatte. Sie mußte doch wissen, daß er ihr folgen würde.

Er saß grübelnd am Feuer und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Als die Wirtin hereinkam und ihm sein Abendbrot brachte, hatte er seine Entscheidung gefällt. Zunächst würde er zum singenden Turm zurückgehen, und wenn Mary nicht dort war, würde er wieder von vorn anfangen - vom Turm zurück zum Gasthaus und dann zur Stadt. Wenn Mary auch dort nicht war, dann weiter zurück bis zum Würfel. Ihm war eingefallen, daß Mary immer gedacht hatte, die Antwort müsse beim Würfel zu finden sein.

28

Lansing war nur noch ein paar Stunden vom Turm entfernt, als ihm die anderen beiden, Jorgenson und Melissa, auf dem Pfad entgegenkamen.

»Mein Gott«, sagte Jorgenson, »bin ich froh, daß wir Sie treffen. Beim Turm war niemand.«

»Niemand außer Sandra, und die war tot«, sagte Melissa. »Wo sind die anderen beiden?« fragte Jorgenson. »Jürgens ist im Chaos verschwunden«, berichtete Lansing, »und wo Mary ist, weiß ich selbst nicht. Sie haben auch kein Anzeichen von ihr entdeckt?«

»Nein, absolut nichts«, erwiderte Jorgenson. »Wo, glauben Sie denn, könnte sie sein?«

»Sie ist im Gasthaus gewesen. Ich dachte, sie würde vielleicht zum Turm zurückkehren. Da sie das offensichtlich nicht getan hat, nehme ich an, sie ist zur Stadt aufgebrochen.« »Sie müßte doch eine Nachricht für Sie hinterlassen haben«, warf Melissa ein. »Sie beide sind ja eng befreundet.« »Sie hat auch einen Brief hinterlassen«, sagte Lansing. »Aber er ist verschwunden. Die Wirtin kann ihn nicht mehr finden. Ich habe ihr, bevor ich aufgebrochen bin, noch suchen geholfen.« »Sonderbar«, meinte Jorgenson.

»Ja, sehr sonderbar. Hier scheint sich alles gegen uns verschworen zu haben.«

»Was ist mit Jürgens geschehen?« fragte Melissa. »Ich konnte ihn gut leiden. Er war eine gute Seele.«

Lansing erzählte es ihnen knapp, dann fragte er: »Was ist im Westen? Haben Sie dort irgend etwas gefunden?« »Wir haben nichts entdeckt«, sagte Jorgenson. »Wir sind ein paar Tage länger geblieben, als wir ursprünglich vorhatten, weil wir hofften, doch noch etwas zu finden. Das Land dort ist sehr karg, keine echte Wüste, aber fast eine. Wir hatten Sorgen wegen des Wassers, sind aber zurechtgekommen.« »Nur leeres Land«, sagte Melissa. »Sie können meilenweit schauen, aber es ist nichts zu sehen.«

»Schließlich kamen wir an den Rand der Hochebene, durch die wir gereist waren«, begann Jorgenson von neuem. »Wir wußten natürlich nicht, daß wir eine Hochebene überquerten. Aber dann fiel das Land steil ab, und dort unten war Wüste, wirkliche Wüste. Sand, sonst nichts. Sie erstreckte sich, so weit das Auge reichte, und war, falls das möglich ist, leerer als das Land, das wir vorher durchquert hatten. Also sind wir umgekehrt.«

»Chaos im Norden und nichts im Westen«, faßte Lansing zusammen. »Bleibt noch der Süden. Aber ich werde nicht nach Süden gehen. Ich gehe in die Stadt zurück, ich glaube, daß Mary dort ist.«

»Es ist schon fast Abend«, sagte Jorgenson. »Sollten wir nicht lieber ein Lager aufschlagen? Wir brechen morgen auf, und heute abend entscheiden wir in Ruhe, was wir tun wollen.« »Meinetwegen«, erwiderte Lansing. »Zum Turm zurückzukehren hat keinen Sinn, weil Sie ja gerade von dort kommen. Erzählen Sie mir von Sandra. Haben Sie sie begraben?« Melissa schüttelte den Kopf. »Wir haben darüber gesprochen, aber wir konnten es nicht. Es erschien uns nicht richtig. Wir beschlossen, sie nicht anzurühren. Sie sieht fast aus wie eine Mumie. Ich glaube, sie ist so gestorben, wie sie es sich gewünscht hat. Wir hielten es für das beste, sie so zu lassen, wie sie war.«

Lansing nickte. »Ich habe fast die gleichen Überlegungen angestellt. Ich habe mich sogar gefragt, ob sie überhaupt gestorben ist, denn als ich sie ansah, schien es mir beinahe so, als ob sie nur fortgegangen sei, als ob ihr Geist und ihre Lebenskraft an einen anderen Ort gezogen wären und den Körper als wertlose Hülle zurückgelassen hätten.«

»Ich glaube, Sie haben recht«, sagte Melissa. »Sandra war anders als wir, sie war keine von uns. Was für uns richtig ist, mußte für sie nicht richtig sein.«

Sie machten Feuer, kochten Kaffee und etwas zu essen und verzehrten es am Feuer hockend. Der Mond ging auf, die Sterne funkelten, und die Nacht war einsam.

Lansing hielt seinen Becher in beiden Händen, nippte von Zeit zu Zeit und dachte an Chaos und an Jürgens, besonders an Jürgens. Hatte es wirklich keine Möglichkeit gegeben, den Roboter zu retten, fragte er sich. Hätte es nicht doch einen Weg gegeben, wenn er nur schnell genug reagiert hätte? Vielleicht hätte er seinen Freund noch erreichen und auf sicheren Grund zerren können? Aber Lansing wußte keine Antwort auf diese Frage, wußte nicht, wie er sich hätte verhalten sollen. Dennoch konnte er sich nicht dagegen wehren, daß sich ein Schuldgefühl seiner bemächtigte und ihn zu quälen begann: Er war dabeigewesen, als Jürgens verunglückte, und sicherlich hätte er irgend etwas dagegen unternehmen können. Er hatte sich natürlich Mühe gegeben, er hatte sich auf den unsicheren Hang gewagt, aber das war eben nicht das richtige gewesen. Es hatte nicht gereicht. Er hatte versucht, Jürgens zu helfen, und war gescheitert. Und Scheitern war mit Schuld schon nahe verwandt.

Was war mit Jürgens geschehen? Wohin war er gegangen, wo mochte er jetzt sein? Er, Lansing, hatte auch in diesem Punkt versagt, hatte nicht beobachtet, wohin sein Freund verschwunden war, hatte ihm diesen letzten Freundschaftsdienst verweigert! Er war damals zu emsig darauf bedacht gewesen, sein eigenes Leben zu retten. Und doch, er hätte verfolgen sollen, was mit dem Roboter geschah. Es schien, als sollte die Schuld niemals enden, dachte Lansing bitter. Wie ein Mensch sich auch verhalten mochte, er lud doch immer Schuld auf sich.

Die Vermutung lag nahe, daß Jürgens keine Möglichkeit gehabt hatte, seinen Sturz zu bremsen oder abzufangen. Er war also den Abhang hinuntergerutscht bis zu dem Punkt, wo der Sand in den donnernden schwarzen Vorhang von Chaos mündete (was immer Chaos auch sein mochte). Und was war danach geschehen? Wie lauteten Jürgens' letzte Worte? Das Ende aller Dinge. Dort versinkt das Universum, von der Schwärze verschlungen. Hatte Jürgens etwas gewußt, oder hatte er nur so dahergeredet? Lansing würde es niemals erfahren.

Es war schon sonderbar, dachte Lansing, auf welche Weise die einzelnen Gruppenmitglieder verschwunden waren. Der Pastor war durch eine Tür gegangen. Der General war von der Apparatur, die leise vor sich hin sang, übernommen (mitgenommen?) worden. Sandra war von dem singenden Turm ausgesaugt worden. Jürgens war ins Chaos gerutscht. Und Mary - Mary war fortgegangen. Aber bis jetzt war Mary noch nicht verschwunden, jedenfalls nicht auf die Weise wie die anderen. Für Mary gab es immer noch Hoffnung.

»Lansing, was ist mit Ihnen los?« fragte Jorgenson unvermittelt. »Sie wirken so gedankenverloren.« »Ich habe darüber nachgedacht, was wir morgen unternehmen sollen«, sagte Lansing.

Das war zwar gelogen, aber eine Antwort, die Jorgenson zufriedenstellen würde.

»Ich dachte, wir gehen zur Stadt zurück«, sagte Jorgenson, »das haben Sie doch selbst vorgeschlagen.«

»Sie wollen mich begleiten?« fragte Lansing.

»Ich will nicht in die Stadt«, schrie Melissa. »Ich bin schon einmal dort gewesen und.«

»Sie wollen nicht in die Stadt, und Sie wollen nicht nach Norden«, sagte Jorgenson. »Langsam bleiben Ihnen kaum noch Möglichkeiten zur Auswahl. Wenn Sie noch lange so weitermachen, dann ziehe ich ohne Sie weiter, bei Gott, das verspreche ich Ihnen. Ständig jammern und zetern Sie herum.« »Ich glaube, wir könnten Zeit sparen, wenn wir querfeldein marschieren«, sagte Lansing. »Was meinen Sie mit querfeldein?«

»Schauen Sie«, sagte Lansing. Er setzte die Kaffeetasse ab und glättete mit der Hand den Boden. Dann begann er, mit dem Zeigefinger eine Landkarte zu zeichnen. »Als wir die Stadt verlassen haben, sind wir dem Pfad durch die Badlands gefolgt. Wir sind im großen und ganzen nach Norden gezogen, ein paar Grad West vielleicht. Danach aber, vom Gasthaus zum Turm, sind wir direkt nach Westen gewandert. Es kommt mir so vor, als müßte es einen kürzeren Weg geben.«

Lansing hatte eine Linie gezeichnet, die den Weg durch die Badlands darstellen sollte, und eine zweite, fast im rechten Winkel dazu, die die Strecke vom Gasthaus zum Turm wiedergab. Jetzt verband er Turm und Stadt durch eine dritte. »Wenn wir so gehen«, sagte er, »haben wir eine kürzere Strecke zurückzulegen. Ein Dreieck, sehen Sie? Anstatt an den Schenkeln entlangzuwandern, sollten wir lieber der Basis folgen. Direkt nach Südosten.« »Aber dann müssen wir durch unbekanntes Gebiet gehen«, protestierte Jorgenson. Wir könnten uns in den Badlands verirren.

»Die Himmelsrichtung können wir mit dem Kompaß bestimmen«, erwiderte Lansing. »Außerdem ist es gut möglich, daß wir gar nicht durch die Badlands kommen. Vielleicht erstrecken sie sich nicht so weit nach Westen. Es wäre der kürzere Weg!«

»Ich weiß nicht«, sagte Jorgenson.

»Aber ich. Es ist der Weg, den ich nehmen werde. Wollen Sie mitkommen?«

Jorgenson zögerte lange, ehe er antwortete: »Ja, wir kommen mit.«

In aller Frühe brachen sie am nächsten Morgen auf. Nach ungefähr einer Stunde überquerten sie den Fluß, der sich zwei oder drei Kilometer stromabwärts mit dem Badlands-Fluß vereinigte. Sie fanden eine seichte Furt, so daß sie kaum naß wurden. Der Charakter der Landschaft änderte sich allmählich. Vom Fluß aus stieg das Land sanft an. Langgezogene Hügelketten erstreckten sich parallel zum Fluß, und jede Hügelkette war höher als die vorausgegangene. Nach und nach verlor die Landschaft den kargen, wüstenartigen Charakter, die Sandstriche wurden seltener, Grasstreifen häufiger. Bäume tauchten auf, und nach jedem Höhenzug wurden sie größer und zahlreicher. In manchen Tälern bahnten sich winzige Bächlein mit klarem, sprudelndem Wasser ihren Weg durch das Geröll. Gegen Ende des Tages erklommen sie einen Höhenzug, der deutlich höher war als alle vorhergehenden. Vor den Wanderern erstreckte sich ein Tal, viel größer und saftiger als die anderen, die sie durchquert hatten. Es war eine grüne Senke mit üppigem Baumbestand, und tief unten sahen sie einen Fluß von respektabler Größe. In einiger Entfernung, gegen Westen hin, kräuselten sich dünne Rauchfahnen zum Himmel empor. »Menschen!« rief Jorgenson. »Da unten müssen Menschen sein.«

Er wollte vorauseilen, aber Lansing hielt ihn fest.

»Was ist los?« fragte Jorgenson.

»Wir werden nicht losrennen.«

»Aber ich sage Ihnen, dort sind Menschen.«

»Das glaube ich auch. Trotzdem werden wir nicht losrennen. Und anschleichen werden wir uns auch nicht. Sie sollen sehen, daß wir hier sind, und die Möglichkeit haben, uns in Ruhe zu beobachten.«

»Sie wissen wohl über alles Bescheid«, sagte Jorgenson höhnisch.

»Über alles nicht«, erwiderte Lansing, »nur über angemessenes Verhalten. Entweder wir geben ihnen die Chance, uns zu begutachten, oder wir schleichen in weitem Bogen um das Lager herum.«

»Ich finde, wir sollten hingehen«, sagte Melissa. »Vielleicht ist Mary dort. Oder jemand, der etwas über sie weiß!« »Das halte ich für unwahrscheinlich«, sagte Lansing. »Ich bin fest davon überzeugt, daß sie zur Stadt zurückgegangen ist. Sie hatte gar keine Gelegenheit, hier vorbeizukommen.« »Wir werden hingehen«, sagte Jorgenson mit einem feindseligen Klang in der Stimme. »Vielleicht ist dort unten jemand, der weiß, was hier eigentlich gespielt wird. Die ersten Informationen, seit wir diese Welt betreten haben.« »Also gut«, sagte Lansing, »wir gehen zu ihnen.« Sie stiegen den Hügel hinab, bis sie das Tal erreichten, und näherten sich langsam dem Rauch. Irgend jemand mußte sie gesehen haben, denn man rief ihnen eine Warnung zu. Die drei blieben abwartend stehen. Kurz darauf erschien eine kleine Gruppe von etwa zehn Leuten, die ihnen durch das Tal entgegenkam. Die Gruppe hielt an, drei Männer traten vor und gingen auf die Neuankömmlinge zu.

Lansing, der vor Jorgenson und Melissa stand, sah sich die drei genau an. Einer der Männer war alt, sein Haar und Bart waren weiß. Die anderen beiden waren jünger - einer war ein Jüngling mit blondem Bart und Haaren, die ihm bis auf die Schultern reichten, der andere ein düsterer Geselle mit schwarzem Haar und dunklem Teint. Er trug keinen Bart, aber die Stoppeln auf seinem Kinn ließen erkennen, daß er sich seit Tagen nicht rasiert hatte. Die Kleidung der drei war zerlumpt. Ellenbogen und Knie waren durchgescheuert und die zahlreichen Risse und Löcher nur notdürftig zusammengeflickt. Der alte Mann trug ein Hemd aus Kaninchenfellen.