125774.fb2 Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 28

Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 28

Nach einer Weile sagte Lansing: »Ich glaube, ich sollte Ihnen danken, meine Herren, daß Sie mir das Seil zugeworfen haben.« Bei diesen Worten blickten sie auf. Vier weiße Porzellangesichter starrten Lansing an, Gesichter mit dunklen, brauenlosen Augenhöhlen, aus deren Tiefe schwarze Edelsteine funkelten, Gesichter, mit einem Schlitz anstelle des Mundes und einem Doppelschlitz anstelle der Nase.

Die vier sagten nichts, starrten Lansing nur ausdruckslos an, obwohl er meinte, etwas wie Verärgerung auf den glatten, weißen Gesichtern zu entdecken. Wie polierte Türknäufe, dachte er, auf die irgend jemand Gesichter gemalt hat. Schließlich sagte einer der vier: »Würden Sie bitte zur Seite gehen Sie stehen uns im Licht.«

Lansing trat einen Schritt zurück. Nach einer Weile zog er sich so weit zurück, daß er wieder auf dem Weg stand. Aber da hatten sich die vier Kartenspieler schon wieder in ihr Spiel vertieft.

Mary war nicht in der Stadt gewesen, dachte Lansing. Sonst hätte sie sein Feuer bemerkt. Und hier war sie auch nicht. Er wußte keinen Ort mehr, wo er sie suchen konnte. Trotzdem stapfte er verbissen weiter. Er hatte keine Hoffnung mehr, wollte seine Suche aber auch nicht abbrechen, bevor er nicht jeden Winkel ausgekundschaftet hatte.

Bei Einbruch der Nacht erreichte er das Gasthaus. Die Fenster waren dunkel, kein Rauch quoll aus dem Schornstein. Irgendwo draußen im Wald schrie eine Eule.

Lansing ging zur Tür und drehte am Knauf; er rührte sich nicht. Offensichtlich war die Tür abgeschlossen. Er klopfte, erhielt aber keine Antwort. Er klopfte lauter und hielt dann inne, um zu lauschen, ob er keine Schritte vernähme. Als er nichts hörte, begann er mit beiden Fäusten zu hämmern. Unvermittelt öffnete sich die Tür, und Lansing stolperte über die Schwelle. Mine, der Wirt, stand im Schankraum, eine Hand auf der Klinke, in der anderen einen Kerzenstummel. Er hob die Kerze, damit er den Gast besser sehen konnte.

»Ach Sie sind es«, sagte er. Seine Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton. »Was wollen Sie?« »Ich suche eine Frau. Mary. Erinnern Sie sich an sie?« »Sie ist nicht hier.«

»War sie hier und ist dann wieder abgereist?« »Seit Ihrem Aufbruch habe ich sie nicht mehr gesehen.« Lansing ging an dem Wirt vorbei quer durch den Schankraum und ließ sich auf einen Stuhl am Kamin fallen. Seine Energie war aufgebraucht. Er fühlte sich plötzlich schwach und unnütz. Das war das Ende. Jetzt konnte er nirgendwo mehr suchen. Mine schloß die Tür und folgte ihm. Er stellte die Kerze auf dem Tisch neben Lansing ab.

»Sie können nicht bleiben«, sagte er. »Ich verlasse das Gasthaus. Im Winter ist hier geschlossen.«

»Herr Wirt«, sagte Lansing, »wo bleiben Ihre Manieren? Sie verletzen die Gastfreundschaft. Ich werde heute nacht hierbleiben, und Sie werden mir etwas zu essen beschaffen!« »Ich habe kein Bett für Sie«, erwiderte Mine. »Die Betten sind schon alle für den Winter hergerichtet, und ich werde kein neues beziehen. Wenn Sie wollen, können Sie auf dem Boden schlafen.«

»Gern«, sagte Lansing. »Und wie steht es mit dem Essen?« »Ich habe mir einen Topf Suppe gekocht. Davon können Sie eine Schüssel haben. Außerdem könnte ich Ihnen noch Hammelbraten anbieten, beziehungsweise das, was von dem Braten übrig ist. Ein Brotkanten wird sich wohl auch noch finden lassen.«

»Schön«, sagte Lansing, »das wird reichen.«

»Aber Sie wissen, daß Sie nicht bleiben können. Morgen früh müssen Sie gehen.«

»Ja, ich weiß«, sagte Lansing, zu müde, um zu streiten. Von seinem Platz aus beobachtete er, wie Mine zur Küche schlurfte, in der schwaches Licht brannte. Abendbrot, dachte er, danach der Fußboden zum Schlafen, und morgen früh mußte er wieder fort. Wohin sollte er gehen, wenn er das Gasthaus verlassen hatte? Höchstwahrscheinlich würde er den Weg zurückgehen, am Würfel vorbei und wieder zur Stadt, immer noch auf der Suche nach Mary, aber mit immer geringerer Hoffnung, sie jemals wiederzufinden. Und am Ende bliebe ihm nur noch das Lager am Fluß, wo die anderen Gestrandeten ihr karges Dasein fristeten. Eine trostlose Aussicht, eine, die er sich nicht gern vor Augen führte. Aber ihm blieb wohl keine andere Wahl. Und falls er Mary doch noch fände, was dann? Müßten sie dann gemeinsam im Lager Zuflucht suchen? Ihn fröstelte bei dem Gedanken.

Mine brachte das Essen und stellte es unsanft vor Lansing auf dem Tisch ab. Wortlos drehte er sich um.

»Einen Augenblick«, sagte Lansing. »Ich brauche Verpflegung, bevor ich abreise.«

»Ich kann Ihnen die restlichen Lebensmittel überlassen«, sagte der Wirt, »aber alles andere ist schon weggepackt.« »In Ordnung«, sagte Lansing. »Ich benötige auch in erster Linie Lebensmittel.«

Die Suppe war gut, das Brot alt und hart, aber er tunkte es in die Suppe und aß es. Aus Hammel hatte er sich noch nie etwas gemacht, aus übriggebliebenem kaltem Hammel schon gar nicht. Trotzdem aß er ein paar dicke Scheiben und war dankbar für die Nahrung.

Lansing schlief schlecht. Am nächsten Morgen bereitet Mine ihm widerwillig etwas Haferbrei zum Frühstück. Nachdem Lansing sich einen Mundvorrat zusammengestellt und mit dem Wirt nach kurzem Streit über die Bezahlung einig geworden war, verließ er das Gasthaus und machte sich wieder auf den Weg.

Das Wetter hatte sich verschlechtert. Seit Lansing diese Welt betreten hatte, war es immer schön und sonnig gewesen, doch jetzt war der Himmel bedeckt, und ein scharfer Wind blies von Nordwesten. Hin und wieder gab es kurze Hagelschauer; die Eiskörnchen brannten auf seinem Gesicht.

Er erreichte den Hang, der in den Talkessel hinabführte, in dessen Mitte der Würfel stand. Heute, da Wolken den Himmel bedeckten, wies er eine mattgraue Farbe auf. Die Kartenspieler waren verschwunden.

Lansing erreichte die Talsohle. Mit gesenktem Kopf, den Körper gegen den Wind gestemmt, stapfte er auf den Würfel zu.

Ein Geräusch drang an sein Ohr, wie Rufen. Lansing riß den Kopf hoch, und da war sie, rannte den Pfad herunter auf ihn zu. »Mary!« schrie er und begann zu laufen.

Dann lag sie in seinen Armen und hielt ihn fest umklammert. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie den Kopf hob, um ihn zu küssen.

»Ich habe deinen Zettel gefunden«, sagte sie. »Ich habe mich so beeilt, dich einzuholen.«

»Gott sei Dank, daß du da bist«, sagte er. »Mein Gott - endlich habe ich dich gefunden.«

»Hat die Wirtin dir meinen Brief gegeben?«

»Sie hat deinen Brief erwähnt, aber sie hatte ihn verloren. Wir haben beide danach gesucht. Wir haben das ganze Gasthaus auf den Kopf gestellt, aber wir konnten ihn nicht finden.« »Ich habe dir geschrieben, daß ich zur Stadt zurückgehen und dort auf dich warten wollte. Dann habe ich mich in den Badlands verirrt. Ich bin vom Weg abgekommen und konnte ihn nicht wiederfinden. Tagelang bin ich durch die Gegend gelaufen, ohne zu wissen, wo ich war. Irgendwann bin ich auf einen Berg gestiegen, und plötzlich lag die Stadt unter mir.« »Ich habe dich die ganze Zeit gesucht, seit ich zum singenden Turm zurückgekehrt bin. Sandra ist tot, und.« »Sie war schon tot, als ich aufbrach. Ich wäre geblieben, wenn nicht plötzlich der Heuler aufgetaucht wäre. Er begann mich zu umkreisen, kam jedesmal ein wenig näher. Ich hatte solche Angst - mein Gott, wenn ich nur daran denke! Deshalb bin ich zum Gasthaus aufgebrochen. Er ist mir die ganze Zeit gefolgt. Ich wollte im Gasthaus auf dich warten; ich wußte, daß du mich dort suchen würdest. Aber die Wirtin hat mich rausgeworfen. Ich hatte kein Geld, aus diesem Grund wollte sie mich nicht dabehalten.

Also habe ich dir den Brief geschrieben und bin gegangen. Der Heuler hat sich nicht mehr gezeigt, und ich war guter Dinge, bis ich mich dann verirrt habe.«

Er küßte sie. »Jetzt ist alles gut«, sagte er. »Wir haben uns wiedergefunden.«

»Wo ist Jürgens? Ist er nicht bei dir?«

»Wir haben ihn verloren. Er ist ins Chaos gestürzt.«

»Chaos? Edward, was ist Chaos?«

»Ich werde es dir später erzählen. Wir haben ja viel Zeit. Jorgenson und Melissa sind von ihrer Reise nach Westen zurück, aber sie wollten mich nicht weiter begleiten.« Unvermittelt trat Mary einen Schritt zurück. »Edward«, sagte sie. »Ja, was ist Mary?«

»Ich glaube, ich kenne die Antwort. Es ist der Würfel. Er war es die ganze Zeit.« »Der Würfel?«

»Ich habe darüber nachgedacht, während ich dem Pfad folgte. Ich fragte mich, ob wir etwas übersehen hätten. Etwas, an das wir niemals gedacht hatten. Und dann wußte ich es auf einmal. Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht, es war plötzlich da.« »Du wußtest es? Um Gottes willen Mary.« »Sicher bin ich natürlich nicht, aber ich glaube schon, daß ich recht habe. Erinnerst du dich noch an die flachen Steine, die wir damals gefunden haben, die drei Steinplatten, die in den Sand eingelassen waren? Wir mußten sie erst freilegen, sie waren völlig mit Sand bedeckt.«

»Ja, ich entsinne mich. Gestern saßen die Kartenspieler auf einem.«

»Die Kartenspieler? Warum sollten die denn.«

»Mach dir deswegen jetzt keine Gedanken. Was ist mit den Steinen?«

»Was würdest du dazu sagen, wenn dort noch weitere Steine sind?

Steine, die einen Gehweg zum Würfel bilden? Drei Gehwege. Sie sind so angelegt, daß man sicher zum Würfel gelangen kann, wenn man möchte. Aber sie sind mit Sand bedeckt, deshalb kann man sie nicht sehen.« »Du meinst.«

»Wir wollen nachschauen«, sagte sie. »Wir könnten einen Strauch abschneiden oder einen Ast und sie als Besen benutzen.«

»Ich werde das Kehren besorgen«, sagte er. »Du bleibst hinter mir.«

»In Ordnung«, sagte sie sanft, »ich bleibe hinter dir.«

Sie fanden einen Busch und schnitten einige Zweige ab.

Als sie sich dem Sandkreis näherten, rief Mary: »Das Schild ist umgefallen! Die Warntafel in russischer Sprache. Du hast sie doch so fest eingeschlagen, dennoch ist sie umgestürzt und schon fast wieder ganz mit Sand bedeckt.«

»Hier gibt es irgend jemanden, der sich alle Mühe gibt, den Menschen das Leben schwerzumachen«, bemerkte Lansing. »Briefe gehen verloren, Schilder fallen um, Gehsteige werden zugeschüttet. Mit welchem Stein sollen wir beginnen?« »Ich glaube, das ist egal. Wenn es beim ersten nicht funktioniert, werden wir den nächsten ausprobieren.«

»Falls da tatsächlich andere Steine sind und es tatsächlich einen Gehweg gibt, fängt das Problem erst an, wenn wir den Würfel erreicht haben - was sollen wir dann tun?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Mary.

Lansing trat auf die Steinplatte und hockte sich vorsichtig auf die vordere Kante. Er streckte den Arm weit aus und begann, mit den Zweigen den Sand wegzufegen. Nach kurzer Zeit schimmerte eine zweite Platte durch den Sand. Er wischte heftiger.

»Du hast recht«, rief er aufgeregt. »Hier ist ein zweiter Stein. Warum haben wir nicht früher daran gedacht?« »Ein geistiger Lapsus«, erwiderte Mary. »Jürgens war schwer verletzt worden, dann passierte die Sache mit dern Pastor und dem General. Das hat unser Denkvermögen blockiert. Wir hatten Angst.«