125774.fb2 Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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»Sie scheinen überhaupt kein sehr neugieriger Mensch zu sein«, stellte der Pastor fest. »Über allgemeine Dinge wissen Sie weniger als irgendein Mensch, dem ich je begegnet bin: Sie wissen nicht, in welchem Land wir uns befinden. Sie wissen nicht, warum wir hier sind und was wir hier tun sollen.« »Ich habe die Wahrheit gesagt«, versicherte Mine. »Ich weiß von all diesen Dingen nichts, und ich habe nie danach gefragt.« »Liegt das vielleicht daran, daß es niemanden gibt, den Sie fragen könnten, den wir fragen könnten?«

»Ja, so verhält es sich tatsächlich«, sagte Mine. »Wir sind also ohne Kenntnisse und ohne Anweisungen hier ausgesetzt worden«, erklärte Mary. »Irgend jemand muß sich doch etwas dabei gedacht haben, als er uns hierhergeholt hat. Können Sie sich denn überhaupt nicht vorstellen.«

»Ich habe wirklich keine Ahnung, gnädige Frau. Ich kann Ihnen nur soviel sagen: Vor Ihnen sind schon andere Gruppen an diesem Ort zusammengekommen und von hier aus aufgebrochen. Sie sind einer alten Straße gefolgt, um zu erkunden, was sie auf dem Weg erwartete.« »Es hat also schon andere Gruppen gegeben?« »Ja, gewiß. Viele waren es. Allerdings vergeht immer eine lange Zeit zwischen dem Aufbruch einer Gruppe und der Ankunft der nächsten.«

»Kehren sie hierher zurück?«

»Selten. Höchstens einmal ein versprengter Teilnehmer.« »Was geschieht, wenn so jemand zurückommt?« »Das weiß ich nicht. Im Winter ist das Lokal geschlossen.« »Was ist mit dieser alten Straße, die Sie eben erwähnt haben?« fragte der General. »Können Sie uns mehr darüber sagen? Wohin mag sie führen? Was kann man an ihren Rändern finden?«

»Ich kenne nur Gerüchte. Es gibt Gerüchte von einer Stadt und einem Würfel.« »Nur Gerüchte?« »Mehr nicht.«

»Ein Würfel?« fragte Lansing.

»Ich habe Ihnen alles gesagt«, beteuerte der Wirt. »Mehr weiß ich nicht. Doch nun muß ich auf ein Thema zu sprechen kommen, das ich ungern anschneide. Aber es läßt sich nicht umgehen.«

»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte der Pastor. »Es geht um die Bezahlung. Ich beherberge und beköstige Sie. Außerdem unterhalte ich einen kleinen Gemischtwarenladen, in dem Sie Reiseproviant und andere Dinge kaufen können, bevor Sie sich auf den Weg machen.«

»Ich habe kein Geld bei mir«, erklärte der General. »Ich habe nur selten Bargeld in den Taschen. Wenn ich gewußt hätte, daß ich hierherkommen würde, hätte ich mir welches eingesteckt.« »Ich besitze nur ein paar kleine Scheine und etwas Münzgeld«, jammerte der Pastor. »In meinem Heimatland sind die Geistlichen sehr arm.«

»Ich könnte einen Scheck ausstellen«, schlug Mary vor. »Es tut mir leid, aber ich nehme nur solides Bargeld an, keine Schecks.«

Sandra Carver schaltete sich ein. »Ich begreife überhaupt nicht, worum es hier geht: Bargeld? Schecks?«

Der General sah sie erstaunt an. »Sie werden doch wohl schon einmal von Geld gehört haben?« »Nein, noch nie. Bitte sagen sie mir: Was ist Geld?« Der General antwortete mit geduldiger Miene. »Es handelt sich um Symbole aus Papier oder Metall. Sie stehen für einen bestimmten Wert. Man bezahlt damit für Waren oder Dienstleistungen. Sie müssen doch gewiß auch für das, was Sie benötigen, bezahlen, Kleidung und Essen zum Beispiel. Sie müssen es kaufen.«

»Wir kaufen nichts«, erwiderte sie, »wir geben. Ich gebe meine Gedichte und Lieder. Andere geben mir Kleidung und Nahrung, wenn ich sie benötige.«

»Eine perfekte kommunistische Gesellschaft«, stellte Lansing fest.

»Ich verstehe nicht, warum sie alle so überrascht und verwirrt dreinschauen«, sagte Jürgens. »Was Sandra eben beschrieben hat, ist die vernünftigste Form, eine Gesellschaft zu organisieren.«

»Das kann ja nur bedeuten, daß Sie auch kein Geld besitzen«, sagte der General.

Er wandte sich an den Wirt. »Tut mir leid, alter Junge. Anscheinend haben Sie Pech mit uns.«

»Einen Moment, bitte«, rief Lansing. Dann sprach er Mine an: »Kommt es gelegentlich vor, daß nur ein Mitglied einer Gruppe Geld bei sich hat? Geld, das die Agentur, von der diese Unternehmung veranstaltet wird, bereitgestellt hat?« »Das kommt vor«, antwortete Mine. »Ehrlich gesagt, es ist fast immer so.«

»Warum haben Sie uns das nicht gleich gesagt?«

Der Wirt leckte sich die Lippen. »Man weiß ja nie« sagte er.

»Man muß immer auf der Hut sein.«

»Darf ich annehmen, daß Sie der Schatzmeister unserer Truppe sind, Mr. Lansing?« fragte der Pastor.

»Es scheint so«, erwiderte Lansing. Er zog eine Goldmünze aus der Tasche und warf sie dem Wirt zu. »Reines Gold«, sagte er, wobei er sich keineswegs sicher war, ob er die Wahrheit sprach. »Wieviel ist das Geldstück wert?«

»Wenn Sie noch zwei solche Münzen dazugeben, reicht es für das Abendessen, die Übernachtungen und das Frühstück.« »Ich glaube, er will Sie übers Ohr hauen, Mr. Lansing«, warnte der Pfarrer.

»Das Gefühl habe ich auch«, erwiderte Lansing. »Ich schätze, daß eine Münze für alles reichen würde. Aber aus reiner Großzügigkeit werde ich Ihnen zwei geben, aber nicht mehr.« Der Wirt setzte eine Elendsmiene auf. »Meine Kosten sind gestiegen, die Arbeit wächst mir über den Kopf.« »Diese gebe ich Ihnen noch.« Lansing hielt die zweite Münze hoch. »Aber das muß genügen.«

»Einverstanden«, sagte Mine. »Ich kann nur hoffen, daß die nächste Gruppe großzügiger sein wird.«

Der Pastor murmelte: »Es ist zuviel. Da bin ich mir sicher.« Lansing warf die Münze, und der Wirt fing sie mit seiner weichen, fettgepolsterten Hand.

»Vielleicht habe ich ihm zuviel gegeben«, sagte Lansing zum Pfarrer, »aber ich möchte nicht, daß er denkt, wir wollten ihn betrügen.«

Der Wirt erhob sich schwerfällig aus seinem Stuhl. »Wenn Sie sich zurückziehen wollen, rufen Sie mich. Ich werde Ihnen dann die Zimmer zeigen.«

Als er gegangen war, sagte Mary: »Was für eine seltsame Art, die Expedition zu finanzieren. Sie hätten einfach schweigen können, Edward, und das Geld für sich behalten.« »Damit wären wir nicht weit gekommen. Der Wirt wußte, daß einer von uns das Geld bei sich hat.« »Wenn man die Sache mit dem Geld betrachtet, wird es ganz deutlich, daß uns irgend jemand hierhergeschickt hat.« »Oder irgend etwas.«

»So ist es, oder irgend etwas. Wir sollen hier etwas Bestimmtes tun. Dafür hat man uns sogar finanziert.«

»Aber warum sagt man uns nicht, was man von uns erwartet?« »Wer weiß? Wir haben es mit merkwürdigen Wesen zu tun.« Der General schaltete sich ein. »Mr. Lansing, es mag uns vielleicht nichts angehen, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, uns zu sagen, wie Sie zu dem Geld gekommen sind?« »Nein, es macht mir nichts aus«, versicherte Lansing. »Zuerst einmal muß ich Sie fragen, ob Sie schon einmal einen Glücksspielautomaten gesehen haben.«

Keiner der Anwesenden kannte einen solchen Apparat. »Tja, dann«, begann Lansing, »dann werde ich Ihnen eine Geschichte von einem Studenten, von Spielautomaten und von einem exzentrischen Freund erzählen.«

Er berichtete ihnen, was sich zugetragen hatte, und sie hörten ihm gespannt zu.

»Eine komplizierte Geschichte, das muß ich zugeben«, sagte der General, als Lansing geendet hatte.

»Während der ganzen Zeit hatte ich das Gefühl, daß meine Schritte von außen gesteuert wurden«, erklärte der Professor. »Dennoch habe ich mich auf alles eingelassen. Meine Neugier war zu groß.«

»Möglicherweise war Ihre Neugier gut für uns«, sagte der General. »Sonst stünden wir anderen nun völlig ohne Geld da.« »Ist es nicht seltsam, wie unterschiedlich die Wege waren, auf denen wir hierhergelangten«, bemerkte Sandra. »Ich habe der Musik gelauscht, und Sie wurden von diesen Spielautomaten verlockt.«

»Auch ich wurde durch etwas verlockt«, erklärte Mary. »Bei mir war es eine Blaupause. Ein Technikerkollege hat sie mir gezeigt. Er sagte, es gebe eine Stelle darin, die er nicht verstehe. Er hat darauf bestanden, daß ich mir die Sache ansehe, und er hat mit dem Finger auf die Stelle gezeigt, die ich genau betrachten sollte. Ich hatte so ein seltsames Zeichen noch nie gesehen, und ich habe mich abgemüht, einen Sinn darin zu erkennen. Plötzlich stand ich mitten in einem Wald. Ich sehe eine merkwürdige Übereinstimmung darin, daß sowohl Edward als auch ich von einem Menschen in die Falle gelockt wurden - in seinem Fall war es ein Student, in meinem ein Ingenieur. Das spricht dafür, daß die fremde Macht, die uns das angetan hat, Agenten auf unseren Welten besitzt.«

»Eine Zeitlang habe ich gedacht, wir stammten beide aus der gleichen Kultur, aus der gleichen Welt«, sagte Lansing zu Mary. »Unsere Gesellschaften scheinen einander sehr ähnlich zu sein. Aber als ich ein bestimmtes Wort sagte, habe ich Sie angeschaut, und ich konnte feststellen, daß Sie sehr überrascht waren. Sie wissen offenbar nicht, was kommunistisch bedeutet.« »Ich kenne das Wort«, erwiderte sie. »Der Zusammenhang, in dem Sie es verwendeten, hat mich überrascht. Bei Ihnen klang es so, als ob es tatsächlich eine kommunistische Gesellschaft geben könnte.« »In meiner Welt gibt es sie.«

»In dem, was mir geschah, hatte kein Mensch seine Hand im Spiel«, sagte der Pastor. »Ich habe das himmlische Licht gesehen. Mein Leben lang habe ich das Licht gesucht. Manchmal habe ich gespürt, daß ich ihm sehr nahe gekommen war, aber immer wieder ist es mir entglitten. Doch eines Tages, ich stand gerade in einem Steckrübenfeld, da sah ich es, heller und reiner, als ich es mir je erträumt hatte. Ich habe meine Arme gehoben, um es anzubeten. Da wurde es noch heller und größer. Dann bin ich in es hineingestürzt.«

»Nach allem, was ich gehört habe, kann es nur eine Erklärung geben«, sagte der General. »Jeder von uns stammt aus einer anderen Welt. Ich glaube nicht, daß es noch weiterer Beweise bedarf. Eure Zeugnisse reichen völlig aus. Also werden Sie mir gewiß verzeihen, wenn ich nicht erzähle, durch welch merkwürdige Umstände ich hierherverschlagen wurde.« »Ich habe kein Verständnis für Ihr Schweigen«, versetzte der Pastor. »Wir anderen haben offen gesprochen.« »Nein, es ist schon in Ordnung, wenn der General sein Geheimnis bewahren will«, fuhr Lansing dazwischen. »Er hat das Recht dazu.«

»Aber in einer Schar von Brüdern.«

»Wir sind keine Brüder, Herr Pfarrer. Es sind zwei Frauen unter uns. Auch in dem Sinne, in dem Sie das Wort gebrauchten, sind wir keine Brüder. Ich zumindest zweifle daran.« »Wenn wir es sind«, sagte Jürgens, der Roboter, »werden wir es auf der Straße, die vor uns liegt, beweisen können.« »Wenn wir über diese Straße gehen«, wandte der Pastor ein. »Ich für meinen Teil werde es auf jeden Fall tun«, polterte der General. »In dieser Kneipe würde ich in kurzer Zeit vor Langeweile sterben. Der habgierige Wirt hat von einer Stadt gesprochen. In einer Stadt werden wir gewiß bessere Unterkünfte und Zerstreuung finden. Nicht zuletzt können wir dort mehr erfahren als in diesem Schweinestall.« »Er hat auch einen Würfel erwähnt«, sagte Sandra. »Ich frage mich, was er damit gemeint haben mag. Was mag sich hinter dieser schlichten Bezeichnung verbergen?«

8

Ihr Aufbruch verzögerte sich bis in den späten Vormittag. Es dauerte überraschend lange, bis das Frühstück aufgetragen war, und danach gab es ein langes Gefeilsche um die Gegenstände, die die Gruppe für die Reise einkaufen wollte: Essen, Kleidung, Wanderschuhe, Schlafsäcke, Messer, Beile, Streichhölzer, Kochgerät und andere Ausrüstungsstücke. Der General hatte unbedingt ein Gewehr kaufen wollen, und er geriet außer sich, als er erfuhr, daß der Wirt keine Schußwaffen feilbot. »Das ist unglaublich!« wetterte er. »Wer hätte je von einer Expedition gehört, die ohne ausreichenden Schutz aufbricht.« Der Wirt versuchte ihn zu besänftigen: »Es gibt keinerlei Gefahren am Wege. Sie haben nichts zu befürchten.« »Woher wollen Sie das wissen?« schnauzte der General. »Wenn wir Sie nach anderen Dingen gefragt haben, waren Sie ahnungslos wie ein Säugling. Wenn Sie also keine Ahnung haben, wie können Sie behaupten, daß es keine Gefahren gibt?« Als es daran ging, die Ausrüstung zu bezahlen, hatte Lansing eine mühselige Feilscherei zu überstehen. Der Wirt schien entschlossen, sich für den entgangenen hohen Übernachtungspreis schadlos zu halten. Bei den Verhandlungen erhielt Lansing die kräftige Unterstützung des Pastors, der davon überzeugt war, daß jedermann ihn betrügen wolle. Endlich, als die Transaktion zur allgemeinen Unzufriedenheit abgeschlossen war, machte sich die Gruppe auf den Weg. Der General ging voran, dicht gefolgt vom Pastor. Dann folgten Mary und Sandra; Jürgens und Lansing bildeten die Nachhut. Jürgens trug einen schweren Sack voller Nahrungsmittel. Er war der einzige, der fast nichts benötigte - kein Essen und keinen Schlafsack, denn er schlief und aß nicht. Auch brauchte er keine Kleidung, aber er hatte einen Gürtel umgelegt, in dem ein Campingbeil und ein Messer steckten.

»Ich muß immer wieder an die ersten Worte denken, die Sie zu mir gesagt haben.« Lansing wandte sich an den Roboter, der neben ihm herging. »Sie haben mich gefragt, ob ich verrückt sei. Sie sagten, Sie sammelten Verrückte. Aber später haben Sie erzählt, daß es in Ihrer Welt nur noch sehr wenige Menschen gibt. Wenn es sich tatsächlich so verhält.« »Ich habe nur einen kleinen Witz gemacht, einen schlechten Scherz«, erwiderte der Roboter. »Jetzt tut es mir schrecklich leid, mich so ausgedrückt zu haben. Ich sammle nicht wirklich Menschen. Es handelt sich hier vielmehr um Verrückte, die ich in der Literatur gefunden habe.«

»Sie fertigen eine Liste von diesen Charakteren an?« »Nein, ich tue mehr als das, Mr. Lansing. Ich fertige Miniaturmodelle von ihnen an. Ich stelle sie so dar, wie sie im wirklichen Leben ausgesehen haben könnten.« »Also sind Sie ein Puppensammler?«

»Was ich besitze, geht über eine Puppensammlung hinaus. Die Figürchen bewegen sich, und sie sprechen auch. Sie führen kleine Spielszenen auf. Es ist sehr amüsant. Sie haben mich schon viele Stunden lang ausgezeichnet unterhalten. Außerdem erhoffe ich mir von ihrem Verhalten Einblicke in das Wesen des Menschen.«

»Mechanische Puppen?«

»Man könnte sie vielleicht so nennen. Im wesentlichen sind sie mechanisch, aber sie enthalten auch biologische Teilsysteme.« »Das ist ja unerhört«, bemerkte Lansing erschrocken. »Sie erschaffen lebende Wesen.«