125774.fb2 Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 6

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»Ja, in mancher Hinsicht kann man sie als lebendig bezeichnen.« Lansing schwieg. Das Thema begann ihm unbehaglich zu werden.

Was der Wirt eine Straße genannt hatte, war in Wahrheit kaum mehr als ein Trampelpfad. Hin und wieder fand sich im Boden die Spur eines Wagens, aber zum größten Teil war der Pfad von dichtem Gras bewachsen.

Eine Zeitlang verlief der Weg durch dichten Hochwald. Dann lichteten sich die Stämme, und der Pfad führte, leicht ansteigend, hinaus in ein welliges Grasland, in dem sich nur noch vereinzelte Baumgruppen erhoben. Der Tag hatte angenehm warm begonnen, doch zur Mittagsstunde wurde es drückend heiß.

Der General, der immer noch an der Spitze gegangen war, blieb bei einer Baumgruppe stehen und setzte sich ins Gras, den Rücken gegen einen dünnen Stamm gelehnt. Als die anderen herangekommen waren, erklärte er ihnen, warum er sich für eine Marschpause entschieden hatte: »Wegen der Damen schlage ich vor, eine kurze Rast einzulegen. Die Hitze macht ihnen zu schaffen.«

Er zog ein riesiges weißes Taschentuch aus seinem Uniformrock hervor und wischte sich über das schweißnasse Gesicht. Dann langte er nach seiner Feldflasche und ließ sich das Wasser in die Kehle rinnen.

»Wir könnten tatsächlich ein wenig rasten«, stimmte Lansing zu. »Wenn wir uns etwas Zeit nehmen wollen, könnten wir ein Mittagessen zubereiten.«

Der General war sofort einverstanden. »Ausgezeichnete Idee!« rief er.

Jürgens hatte bereits seinen Sack ausgepackt und war nun dabei, Käse und kalten Braten in Scheiben zu schneiden. Er fand eine Keksdose und öffnete sie. »Soll ich etwas Tee machen?« fragte er.

»Dazu reicht die Zeit nicht«, widersprach der Pastor. »Wir sollten uns bald wieder auf den Weg machen.«

»Ich sammle trockenes Holz«, erklärte Lansing. »Dann können wir ein Feuer anzünden, wir sind eben an einem toten Baum vorbeigegangen. Eine Tasse Tee könnte uns wirklich nicht schaden.«

»Das ist doch nicht nötig«, zeterte der Pastor. »Wir brauchen keinen Tee. Käse und Kekse können wir auch im Gehen essen.« »Setzen Sie sich hin!« schnarrte der General. »Setzen Sie sich, und ruhen Sie aus. Man rennt nicht blindwütig los, wenn man einen längeren Marsch vor sich hat.«

»Ich brauche mich nicht auszuruhen«, widersprach der Pfarrer.

»Ich bin nicht müde.«

»Aber die Damen, Herr Pastor.«

»Die Damen halten sich blendend. Sie sind es, der schlapp gemacht hat.«

Sie schimpften weiter aufeinander ein. Lansing ging den Pfad bis zu der Stelle zurück, wo er den abgestorbenen Baum entdeckt hatte. Der Weg war nicht so lang, wie er befürchtet hatte. Wenig später schon hockte er über dem Baum und hackte die Äste in kurze Stücke, damit er sie besser tragen konnte. Es sollte nur ein kleines Feuer werden. Ein Armvoll Holz müßte genügen.

Hinter ihm knackte ein trockener Zweig, und er fuhr herum. Mary stand ein paar Schritte von ihm entfernt. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt«, sagte sie. »Nein, nein. Ich freue mich über ein wenig Gesellschaft.« »Dort oben war es mir zu ungemütlich. Die beiden Streithähne geben keine Ruhe. Es wird eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen ihnen geben, Edward, noch bevor unser Marsch zu Ende ist.«

»Es sind zwei dicköpfige Burschen.« »Sie sind einander sehr ähnlich.«

Er lachte. »Sie würden Sie umbringen, wenn Sie das zu einem von ihnen gesagt hätten. Sie hassen einander.« »Ja, das stimmt. Vielleicht liegt es daran, daß sie sich so sehr ähneln. Vielleicht sehen sie in dem anderen sich selber. Möglicherweise hassen sie sich selbst.«

»Dazu kann ich nichts sagen«, erwiderte Lansing. »Ich bin kein Psychologe.«

»Was sind Sie dann? Ich meine, was lehren Sie?« »Englische Literatur. An meiner Hochschule galt ich als Shakespeare-Experte.«

»Irgendwie kann man es Ihnen ansehen«, bemerkte Mary. »Sie haben ein lehrerhaftes Aussehen.«

»Das müßte reichen«, sagte er und begann, das Holz in seiner Armbeuge zu stapeln. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie. »Nein. Für eine Kanne Tee dürfte das Holz ausreichen.«

»Edward, was werden wir finden? Wonach suchen wir eigentlich?«

»Das weiß ich nicht, Mary. Niemand von uns weiß das. Es gibt keinen Grund, warum wir hier sind. Mir scheint, keiner von uns ist gern hier. Aber dennoch sind wir hierhergekommen, sechs ahnungslose Leute.«

»Ich habe viel darüber nachgedacht«, sagte sie. »In der letzten Nacht habe ich kaum geschlafen, weil mir die Fragen nicht aus dem Sinn gegangen sind. Jemand will, daß wir hier sind. Man hat uns hierhergeschickt. Wir haben nicht darum gebeten.« Lansing erhob sich. Das Holz hatte er mit beiden Armen umfaßt. »Wir sollten uns nicht zuviel Kopfzerbrechen darüber bereiten. Jetzt noch nicht. Vielleicht werden wir in ein oder zwei Tagen schon mehr wissen.«

Gemeinsam gingen sie den Pfad hinunter. Jürgens stapfte ihnen entgegen. Vier Feldflaschen hingen von seiner Schulter herab. »Ich habe eine Quelle gefunden«, erklärte er. »Sie hätten Ihre Flaschen im Lager lassen sollen, dann hätte ich sie ebenfalls füllen können.«

»Meine ist noch fast voll«, erwiderte Mary. »Ich habe nur einmal einen kleinen Schluck genommen.«

Lainsing machte sich daran, das Feuer zu entfachen, während Jürgens Wasser in einen Kessel goß und eine Astgabel neben der Feuerstelle in den Boden trieb.

»Haben Sie eigentlich gewußt, Mr. Lansing«, sagte der Pastor, »daß dieser Roboter für sich selbst auch eine Feldflasche mitführt?«

»Und was stört Sie daran?« fragte Lansing.

»Er trinkt doch gar nicht. Warum mag er dann.?«

»Vielleicht trägt er sie mit sich herum, damit er Ihnen oder dem General Wasser geben kann, wenn Ihre Flaschen leer sind.

Haben Sie sich das einmal überlegt?«

Der Pastor schnaubte verächtlich.

Zornerfüllt sprang Lansing auf. Er starrte den Pfarrer an. »Ich will Ihnen etwas sagen. Und ich werde es Ihnen nur einmal sagen: Sie sind ein Unruhestifter. So jemanden brauchen wir hier nicht. Wenn Sie so weitermachen, werde ich Ihnen eine Lektion erteilen müssen. Haben Sie mich verstanden?« »Hört, hört!« rief der General.

»Und Sie!« Lansing fuhr herum. »Sie halten besser Ihren großen Mund. Sie haben sich selbst zum Führer dieser Gruppe ernannt, aber in der Rolle haben Sie bisher versagt.«

»Ich darf wohl annehmen, daß Sie die Führerrolle beanspruchen?« versetzte der General.

»Wir brauchen überhaupt keinen Anführer, Herr General. Wenn Ihre Arroganz wieder einmal mit Ihnen durchgehen will, müssen Sie sich nur klarmachen, daß wir keinen Führer benötigen.«

Eine dunkle Wolke hing über der kleinen Schar, während sie ihr Essen verzehrte und den Tee trank. Dann brach man wieder auf. Der General ging immer noch an der Spitze, der Pastor folgte dicht hinter ihm.

Sie bewegten sich weiterhin durch eine sanft gewellte Graslandschaft, die nur von einzelnen Baumgruppen unterbrochen wurde. Es war eine liebliche Umgebung, nur die Hitze machte der Gruppe zu schaffen. Der General ging jetzt langsamer als vor der Rast.

Während des ganzen Nachmittags stieg der Pfad leicht an. Wenn man in zahlreichen Windungen einen Hügelrücken überwunden hatte, erhob sich ein neuer, höherer vor den Blicken der Wanderer. Der General war den anderen ein Stück vorausgeeilt. Jetzt blieb er stehen und brüllte der Gruppe etwas zu. Der Pfarrer sprang zu ihm hinauf, und die übrigen folgten, so schnell sie es vermochten.

Das Land fiel zu einer weiten, tiefen Senke ab, und auf dem Grund des Talkessels stand ein Würfel von himmelblauer Farbe. Auch aus der Ferne war deutlich zu sehen, daß es sich um ein Gebilde von mächtigen Ausmaßen handeln mußte. Die Seitenwände waren ebenso wie die Oberseite völlig glatt. Es waren die Größe und die intensive Farbe, die den Würfel zu einem spektakulären Anblick machten. Der Pfad wand sich in Serpentinen den Hügel hinunter. Nachdem er den Talboden erreicht hatte, lief er in gerader Linie auf den Würfel zu, doch kurz bevor er auf den blauen Kubus stieß, wich er ihm in einem weiten Bogen aus. Dann tauchte er in der Ferne hinter dem Würfel wieder auf, um den gegenüberliegenden Hang zu erklimmen.

Sandra seufzte verzückt. »Ist er nicht wunderschön?« Der General murmelte in sich hinein: »Als der Wirt etwas von einem Würfel gefaselt hat, habe ich nicht einen Augenblick lang erwartet, daß er so aussehen würde. Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich erwartet habe. Eine verfallene Ruine vielleicht. Nein, ich habe keine Vorstellung davon gehabt. Ich habe vor allem über die Stadt nachgedacht.«

Der Pastor zog einen schiefen Mund. »Ich kann nicht sagen, daß mir der Anblick gefällt.«

»Ihnen gefällt doch nie etwas«, konterte der General. »Ehe Sie wieder zu streiten anfangen, sollten wir hinabsteigen und uns das Ding aus der Nähe ansehen«, schlug Lansing vor. Es dauerte einige Zeit, bis sie beim Würfel angekommen waren. Sie mußten den Windungen des Pfades folgen, denn der Boden fiel so steil ab und war so tückisch, daß sie es nicht auf geradem Weg versuchen wollten.

Der Würfel stand in der Mitte einer Sandfläche. Diese war kreisrund und von so exakter Form, daß sie künstlich angelegt zu sein schien. Der Sand selbst war weiß und fein wie der im Sandkasten eines Spielplatzes. Ursprünglich mochte die Fläche einmal glatt gewesen sein, doch der Wind hatte ein feines Wellenmuster in den Sand gezeichnet.

Die Würfelflächen ragten hoch in den Himmel hinauf. Lansing schätzte die Kantenlänge des Körpers auf zwanzig Meter oder mehr. In den Flächen gab es keinerlei Unterbrechungen, nichts, das auf ein Fenster oder eine Tür hindeutete. Es waren auch keine Ausschmückungen oder Verzierungen zu entdecken, kein Schriftzug, der den Namen des merkwürdigen Gebildes verriet. Auch aus der Nähe betrachtet verlor die Farbe nichts von ihrer Wirkung. Es war ein Himmelblau von unglaublicher Reinheit. Die Oberfläche der Wände war glatt. Aus Stein bestehen sie gewiß nicht, dachte Lansing. Vielleicht aus Kunststoff. Aber Plastik inmitten dieser Wildnis erschien ihm unpassend. Der Würfel konnte auch aus Keramik sein oder aus allerfeinstem Porzellan.

Ohne daß ein Wort gewechselt wurde, ging die Gruppe um den Würfel herum. Dabei vermieden es alle - als hätten sie eine stumme Übereinkunft getroffen -, auf den Kreis aus Sand zu treten. Als sie wieder auf dem Weg angekommen waren, blieben sie stehen und schauten an dem blauen Kubus hinauf. »Er ist schön«, hauchte Sandra, »schöner noch als aus der Ferne betrachtet. Schöner als alles, was ich jemals sah.« »Imposant, wirklich imposant«, erklärte der General. »Aber kann sich irgend jemand vorstellen, was das ist?« »Es muß eine Funktion haben«, stellte Mary fest. »Die Größe, die Maße sprechen dafür. Wenn es ein reines Symbol wäre, dann wäre es nicht so kolossal. Außerdem hätte man es dann oben auf einen Hügel gestellt, so daß es weithin sichtbar wäre. Man hätte es gewiß nicht hier unten verborgen.« »Es scheint lange niemand hier gewesen zu sein«, bemerkte Lansing. »Im Sand sind keine Spuren zu sehen.« »Der Wind würde alle Spuren, auch frische, schnell verwehen«, entgegnete der General.

»Warum bleiben wir hier stehen und starren ihn an?« wollte Jürgens wissen. »Haben wir etwa Angst vor dem Würfel?« »Ja, vielleicht ist das der Grund, warum wir hier stehen«, sagte der General. »Es ist offensichtlich, daß der Würfel das Werk einer hochentwickelten Rasse ist. Er sieht nicht so aus, als sei er von irgendwelchen Heiden zur Verehrung eines Götzen errichtet worden. Die Logik sagt, daß solch ein außerordentliches Gebilde auf irgendeine Art gesichert worden ist. Sonst wären gewiß alle Wände mit Kritzeleien beschmiert.« »Aber da ist nichts zu sehen«, bestätigte Sandra. »Nirgendwo der kleinste Fleck.«