125774.fb2 Poker um die Zukunft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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Der General ignorierte die Bemerkung.

Jürgens war ein Stück den Weg hinabgehumpelt. Jetzt kehrte er um. Er hatte es endlich gelernt, die Krücke richtig zu gebrauchen und sein steifes Bein mit Schwung nach vorn zu werfen. Allerdings kam er weiterhin nur langsam voran. Der General wandte sich an Lansing: »Haben Sie beobachtet, was mich angegriffen hat?«

»Nein, ich habe nichts gesehen. Es ging alles unheimlich schnell.«

Der Pfarrer hatte sich an der Wand entlanggetastet und war nun an dem Punkt angelangt, wo er zuerst die Wand erreicht hatte. Von dort aus konnte er seiner alten Fährte folgen. Vorsichtig tat er seinen ersten Schritt. Dabei stocherte er hektisch im Sand herum.

»Ein guter Mann«, kommentierte der General. »Er hält sich genau an meine Befehle.«

Atemlos beobachtete die Gruppe den Pastor bei seinem zögernden Vormarsch. Inzwischen hatte sich Jürgens zu ihnen gesellt. Auch er ließ den Pastor nicht aus den Augen, bis dieser endlich sicheren Boden erreicht hatte. Sichtlich erleichtert schleuderte der Pfarrer seinen Stock zur Seite und ging zu den Wartenden hinüber.

»So, und nun, nachdem wir das hinter uns haben«, sagte der General, »sollten wir am besten ins Lager gehen und einen neuen Plan ausarbeiten.«

»Was sollen wir mit einem neuen Plan?« fragte der Pastor. »Wir sollten zusehen, daß wir von hier fortkommen. Dies ist ein gefährlicher Ort. Scharf bewacht, wie wir eben gesehen haben. Ich verspüre nicht den geringsten Wunsch, mich noch länger hier aufzuhalten. Also schlage ich vor, wir ziehen sofort zur Stadt weiter. Dann werden wir sehen, was uns dort erwartet. Ein freundlicherer Empfang als hier, hoffe ich.« »Ich schließe mich Ihrer Ansicht an«, sagte der General. »Auch ich sehe wenig Sinn darin, noch länger hierzubleiben.« »Aber die Tatsache, daß der Würfel bewacht wird«, wandte Mary ein, »deutet auf etwas Wertvolles hin, etwas, das eine Bewachung lohnt. Wir sollten nicht so schnell aufgeben.« »Möglicherweise können wir ja später zurückkehren«, erwiderte der General. »Zunächst einmal sollten wir uns die Stadt ansehen.«

Der Pfarrer und der General gingen in Richtung auf das Lager davon. Sandra folgte ihnen.

Mary sah Lansing an. »Ich glaube, sie machen einen Fehler«, sagte sie. »Hier gibt es irgend etwas von Bedeutung. Vielleicht erwartet man von uns, daß wir es herausfinden.« »Das Problem ist nur, wir wissen nicht, was wir finden könnten«, entgegnete Lansing. »Nicht einmal, wonach wir suchen sollen. Wir befinden uns nur in einer schwierigen Lage, das ist alles, was ich weiß.« »So geht es mir auch.«

Jürgens kam herbeigehumpelt und stellte sich zu ihnen. »Nun, wie kommen Sie zurecht?« fragte Lansing. »Es geht«, erwiderte der Roboter, »aber ich komme nur sehr langsam voran. Trotz der Krücke werde ich wohl kaum jemals wieder meine alte Schnelligkeit und Behendigkeit erreichen.« »Ich kann die Hoffnung des Generals nicht teilen«, sagte Mary nachdenklich. »Was können wir von einer Stadt schon erwarten falls es überhaupt eine gibt.«

»Das kann man nie wissen«, meinte Jürgens. »Wir müssen die Dinge auf uns zukommen lassen.«

»Laßt uns ins Lager zurückgehen und eine Kanne Kaffee kochen«, schlug Lansing vor. »Wir wollen alles noch einmal in Ruhe besprechen. Ich für meinen Teil finde den Würfel sehr vielversprechend. Wenn wir ihn uns nur genau genug ansehen, dann werden wir irgendwann einen Hinweis entdecken, der uns bis jetzt verborgen geblieben ist. Der Würfel muß eine Bedeutung haben. Es muß einen Grund dafür geben, warum er sich hier, mitten in der Wildnis, befindet. Wenn ich doch nur irgendeine Vorstellung davon hätte, zu welchem Zweck er dienen mag!«

»Ich kann Ihnen nur zustimmen«, sagte Mary. »Ich hasse Situationen, deren Bedeutung ich nicht durchschauen kann.« »Also gehen wir ins Lager und reden mit den anderen«, wiederholte Lansing seinen Vorschlag.

Im Lager angekommen, stellten sie fest, daß die anderen einen Entschluß gefaßt hatten.

»Wir haben Kriegsrat gehalten«, verkündete der General. »Unter sechs Augen. Wir haben beschlossen, uns in zügigem Tempo zur Stadt zu begeben. Der Roboter würde uns aufhalten, daher sind wir der Ansicht, man sollte ihn zurücklassen. Er kann sich allein durchschlagen. Möglicherweise hat er uns schon bald wieder eingeholt.«

»Das ist ein schmutziger Plan!« rief Mary empört. »Jürgens hat bisher volle Last getragen, zum großen Teil Nahrungsmittel. Essen für Sie, denn er selbst benötigt es nicht. Beim Lageraufschlagen durfte er Ihnen helfen! Die Feldflaschen durfte er tragen und auffüllen! Sie haben ihn akzeptiert - wenn nicht als Mensch, so doch als Diener. Und nun, wo er einen Schaden erlitten hat, wollen Sie ihn einfach zurücklassen?« »Er ist nichts weiter als ein Roboter«, näselte der Pastor. »Kein Mensch, sondern eine Maschine.«

»Offenbar ist er wertvoll genug, um an diesem Unternehmen teilzuhaben«, sagte Mary. »Ganz gleich, worum es bei der Unternehmung gehen mag. Er wurde genauso sorgfältig ausgesucht wie jeder einzelne von uns. Wer immer uns ausgewählt haben mag, er wollte jedenfalls, daß Jürgens dabei ist.« »Wie ist es mit Ihnen, Lansing?« fragte der General. »Bisher haben Sie kein Wort gesagt. Wie denken Sie über die Sache?« »Ich bleibe bei Jürgens«, antwortete Lansing. »Ich weigere mich, ihn zu verlassen. Wenn ich mich verletzt hätte und mit Ihnen nicht mehr Schritt halten könnte, wäre er es nämlich, der bei mir bliebe. Das weiß ich genau.«

»Auch ich lasse den Roboter nicht im Stich«, erklärte Mary. »Sie handeln panisch - oder doch zumindest unklug! In diesem Land sollten wir unsere Kräfte nicht zersplittern. Warum haben Sie es so eilig, in die Stadt zu kommen?«

»Was sollen wir hier?« fragte der General zurück. »Hier gibt es nichts Interessantes mehr zu sehen. Vielleicht hat die Stadt mehr zu bieten.«

»Dann ziehen Sie los und schauen es sich an!« versetzte Mary. »Edward und ich werden hier bei Jürgens bleiben.« Jürgens meldete sich zu Wort: »Gnädige Frau, ich möchte nicht der Anlaß zu einer Meinungsverschiedenheit sein.« »Halten Sie sich da raus!« knurrte Lansing. »Das ist allein unsere Entscheidung. Sie haben kein Stimmrecht.« »Tja, dann wäre wohl alles gesagt«, resümierte der General. »Wir werden jetzt aufbrechen, und Sie beide folgen uns mit dem Roboter nach.«

»Wollen Sie tatsächlich mit dem General und dem Pastor gehen, Sandra?« fragte Mary.

»Es gibt keinen Grund, warum ich gemeinsam mit Ihnen hierbleiben sollte«, erwiderte die Dichterin. »Wie der General schon sagte, hier ist nichts mehr zu erwarten. Der Würfel ist zwar von großer Schönheit.«

»Das wissen wir noch gar nicht. Daß wir hier nichts mehr erfahren werden, meine ich.«

»Doch, das wissen wir«, widersprach der Pastor. »Wir haben lange genug darüber geredet. Wir sollten jetzt die Nahrungsmittel aufteilen, die der Roboter getragen hat.« Er ging auf Jürgens' Packsack zu, aber Lansing verstellte ihm den Weg. »Nicht so eilig«, sagte er. »Der Sack gehört Jürgens, und Jürgens bleibt bei uns.« »Aber wir wollen doch gerecht teilen!«

Lansing schüttelte den Kopf. »Wenn Sie uns verlassen wollen, müssen Sie schon mit dem Proviant auskommen, den Sie mit sich führen. Mehr gibt es nicht.«

Der General trat einen Schritt vor und fragte: »Was versprechen Sie sich davon?«

»Ich will sichergehen, daß Sie in der Stadt auf uns warten. Sie werden uns nicht davonlaufen. Wenn Sie etwas von dem Proviant wollen, werden Sie auf uns warten müssen.« »Wir könnten es uns mit Gewalt nehmen, das wissen Sie?« »Davon bin ich noch nicht überzeugt«, entgegnete Lansing. »In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht die Hand gegen einen Menschen erhoben, aber wenn Sie mich dazu zwingen, werde ich es mit Ihnen beiden aufnehmen!«

Jürgens humpelte heran und stellte sich neben Lansing. »Auch ich habe noch nie einen Menschen geschlagen. Aber wenn Sie meinen Freund angreifen, werde ich ihm beistehen.« Mary wandte sich an den General. »Ich denke, Sie treten jetzt besser den Rückzug an. Ein streitbarer Roboter könnte ein unangenehmer Gegner sein.« Der General öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch dann verzichtete er darauf. Er ging zu seinem eigenen Rucksack, warf ihn über die Schulter und schob die Arme durch die Tragegurte.

»Auf geht's!« rief er seinen beiden Gefährten zu. »Wir wollen uns auf den Weg machen!«

Die Zurückbleibenden sahen der kleinen Gruppe nach, bis sie hinter einem Hügelkamm verschwunden war.

12

Sie traten einen neuen Rundgang um den Kubus an. Dabei hielten sie sich dicht beieinander. Seit die anderen gegangen waren, fühlten sie sich sehr einsam. Mit großer Sorgfalt wanderten ihre Blicke über die Würfelflächen, immer auf der Suche nach einer geringen Farbabweichung, nach irgendeinem Anhaltspunkt. Wenn Linien zu sehen waren, so entpuppten sie sich immer wieder als Schatten, hervorgerufen durch einen ungewohnten Einfallswinkel des Sonnenlichts. Irgendwann fanden sie drei Steinplatten, die bisher unentdeckt geblieben waren. Die Platten befanden sich an der Außenseite der Sandfläche. Sie waren auf der Oberseite völlig eben und von einer dünnen Sandschicht bedeckt. Die Breite einer solchen Platte mochte etwa einen Meter betragen. Jede von ihnen erstreckte sich ungefähr einen halben Meter weit in den Sandstreifen hinein. An den Steinen war nichts Ungewöhnliches. Nachdem sie von der Sandschicht befreit waren, konnte man lediglich feststellen, daß ihre Oberseite auffällig glatt war. Es waren keine Werkzeugspuren an dem Gestein zu entdecken. Wenn sie jemand aus einem Felsen herausgeschlagen hatte, so hatte er sich offenbar geschickt der vorhandenen Gesteinssprünge bedient. Wie tief die Steine in den Boden eingesunken waren, ließ sich nicht feststellen. Es gelang Lansing und Jürgens nicht, die Platten zu bewegen, auch wenn sie sich gemeinsam abmühten. Sie beratschlagten darüber, ob sie versuchen sollten, eine Steinplatte mit dem Campingspaten auszugraben, doch sie beschlossen, auf den Versuch zu verzichten. Der Kreis wurde von einem unbekannten Ding bewacht, das gefährlich und schnell zuschlagen konnte. Die Vorsicht überwog die Neugier des Menschen und des Roboters. Die Steine waren etwa im gleichen Abstand voneinander in den Boden eingelassen. Sie teilten den Kreis um den Würfel in drei gleiche Teile.

»Gewiß sind sie nicht zufällig so angeordnet worden«, erklärte Mary. »Es muß eine Absicht dahinterstecken.«

»Vielleicht hat es nur ästhetische Gründe«, erwiderte Lansing.

»Freude an der Symmetrie?«

»Das mag sein, aber ich bezweifle es.«

»Ein Zauberzeichen«, schlug Jürgens vor. »Vielleicht reagieren sie auf magische Rituale oder Gesänge.«

»Wenn es sich tatsächlich so verhält«, entgegnete Mary, »haben wir keine Chance.«

In der Nähe des Wegs fanden sie den Stecken, den der Pastor fortgeworfen hatte. Lansing hob ihn auf.

»Sie wollen doch wohl nicht versuchen, in den Sandkreis einzudringen?« fragte Mary erschrocken. »Wenn ich Sie wäre, würde ich das lieber bleibenlassen.«

»So etwas Närrisches habe ich nicht vor«, erwiderte Lansing. »Mir ist nur eben etwas eingefallen. Als ich versuchte, Jürgens zur Hilfe zu eilen, bin ich mit dem Fuß an etwas hängengeblieben. Ich möchte gern herausfinden, was das war.« »Vielleicht sind Sie einfach nur gestolpert.«

»Schon möglich, aber ich erinnere mich dunkel daran, irgendwo mit den Zehen angestoßen zu sein.«

Bald hatten sie die Spuren im Sand gefunden. Die Fußabdrücke des Roboters, die des Pastors und auch die Stelle, wo Lansing in den Sand gestürzt war. Vom Rand des Kreises aus begann Lansing im Sand zu stochern. Schon nach kurzer Zeit stieß die Stange auf einen harten Gegenstand. Es gelang Lansing, den Stecken unter den Fund zu schieben. Die Ecke eines Brettes kam zum Vorschein. Nach ein paar Versuchen hatte Lansing es so weit gelockert, daß er es zum Rand des Kreises schieben konnte. Es handelte sich um eine Tafel, an deren einem Ende ein schmales Brett (war es ein Ständer?) befestigt war. Mary griff danach, zog es aus dem Sandkreis und drehte es um. Es war mit großen Schriftzeichen bedeckt. Lansing beugte sich über das Brett.

»Das sieht aus wie kyrillische Buchstaben«, sagte er. »Könnte es sich um Russisch handeln?«

»Es ist Russisch«, erwiderte Mary. »Die erste Zeile mit den großen Buchstaben ist eine Warnung, glaube ich. Sie liest sich wie >Gefahrenzone<.«

»Woher wissen Sie das? Sprechen Sie Russisch?«

»Ein wenig, aber dieses Russisch hier unterscheidet sich von dem, das ich gelernt habe. Einige Buchstaben kommen mir falsch vor. Die erste Zeile ist eine Gefahrenwarnung, da bin ich mir jetzt sicher, aber die kleine Schrift darunter kann ich nicht entziffern.«

»Das Schild hat wahrscheinlich hier am Weg gestanden«, bemerkte Lansing, »so daß jeder Vorübergehende es sofort sehen konnte. Aber dann ist es irgendwann umgefallen oder umgestoßen worden, und der Wind hat es mit Sand bedeckt.

Wenn ich nicht darüber gestolpert wäre, hätte man es niemals wieder gefunden.«

»Ich wünschte, ich könnte den Text besser lesen«, seufzte Mary. »Mein Russisch ist ziemlich begrenzt. Es reicht, um eine Fachzeitung durchzuarbeiten, aber das ist auch schon alles. Viele Ingenieure bei uns können Russisch; diese Sprache ist fast schon obligatorisch. Die Russen sind ein technisch sehr versiertes Volk. Da lohnt es schon die Mühe, ihre Veröffentlichungen zu studieren. Natürlich gibt es einen freien Gedankenaustausch, aber.«