126107.fb2 Rendezvous mit Rama - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 23

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22. KAPITELFAHRT AUF DER ZYLINDRISCHEN SEE

Als sie den Fuß der Treppe erreichten, wartete ein neuer Schock auf sie. Zuerst hatten sie den Eindruck, als sei etwas durch das Lager gezogen, habe die Ausrüstung durcheinandergeworfen und sogar kleinere Gegenstände aufgesammelt und weggeschleppt. Doch nach einer kurzen Untersuchung wich ihr Schreck einem ziemlich beschämenden Ärger.

Der Übeltäter war lediglich der Wind gewesen; zwar hatten sie vor Verlassen des Lagers alle beweglichen Gegenstände festgezurrt, doch waren bei besonders starken Böen wohl ein paar Seile gerissen. Erst nach mehreren Stunden gelang es ihnen, ihr verstreutes Eigentum wieder einzusammeln.

Sonst waren keine bemerkenswerten Veränderungen zu erkennen. Selbst das Schweigen war wieder nach Rama zurückgekehrt, nun, da die kurzen Frühlingsstürme vorbei waren. Und dort draußen am Rand der Ebene lag eine ruhige See und wartete auf das erste Schiff, das in Millionen Jahren darüberhinfahren würde.

„Sollte nicht ein jungfräuliches Schiff mit einer Flasche Champagner getauft werden?“

„Selbst wenn wir eine an Bord hätten, ich würde eine solche kriminelle Verschwendung nicht erlauben. Außerdem ist es sowieso zu spät. Wir haben das Ding ja schon vom Stapel gelassen.“

„Immerhin, es schwimmt. Sie haben Ihre Wette gewonnen, Jimmy. Ich zahle, sobald wir wieder auf der Erde sind.“

„Es muß einen Namen bekommen. Fällt Ihnen einer ein?“

Der Gegenstand, dem diese wenig schmeichelhaften Bemerkungen galten, tanzte in diesem Augenblick an den Stufen, die in die Zylindrische See hinabführten. Ein kleines Floß, aus sechs leeren Versorgungskanistern zusammengestückelt und von einem Leichtmetallrahmen zusammemgehalten. Die Konstruktion, der Zusammenbau in Camp Alpha und der Transport mit Hilfe abnehmbarer Räder über mehr als zehn Kilometer Ebene hatten mehrere Tage lang die gesamte Mannschaft in Anspruch genommen. Es war ein Einsatz, der sich besser bezahlt machen sollte.

Der Preis war natürlich das Risiko wert. Die rätselhaften Türme New Yorks, die dort fünf Kilometer vor ihnen im schattenlosen Licht glänzten, hatten sie angelockt, seit sie Rama zum erstenmal betreten hatten. Keiner zweifelte daran, daß diese Stadt — oder was immer es sein mochte — das Herzstück dieser Welt war.

Sie mußten New York erreichen, wenn sie auch sonst weiter keinen Erfolg haben würden.

„Wir haben noch immer keinen Namen dafür, Skipper. Was machen wir da?“

Norton lachte, dann wurde er jedoch plötzlich ernst.

„Ich habe einen Namen. Nennt es Resolution.“

„Warum?“

„So hieß eines von Kapitän Cooks Schiffen.

Es ist ein guter Name. Möge sie sich seiner würdig erweisen.“

Es trat ein gedankenschweres Schweigen ein; dann fragte Sergeant Barnes, die am meisten für das geplante Vorhaben verantwortlich war, nach drei Freiwilligen. Alle Anwesenden hoben die Hand.

„Tut mir leid — aber wir haben nur vier Schwimmwesten. Boris, Jimmy, Pieter — ihr habt doch alle bereits ein bißchen Segelerfahrung.

Probieren wir sie also aus.“

Niemand fand es im geringsten eigenartig, daß nun ein Executive Sergeant die Dinge in die Hand nahm. Ruby Barnes besaß als einzige an Bord ein Magisterdiplom, und damit war die Sache erledigt. Sie hatte bei Regatten Trimaranboote über den Pazifik gesteuert, und es war ziemlich unwahrscheinlich, daß ein paar Kilometer ölglattes Wasser ihre Segelkünste überfordern würden.

Von dem Augenblick an, als sie die See zum erstenmal erblickt hatte, war sie entschlossen gewesen, diese Fahrt zu unternehmen. In all den Tausenden von Jahren, in denen der Mensch die Gewässer seiner eigenen Welt befuhr, hatte kein Seemann sich je einer auch nur halbwegs vergleichbaren Situation gegenübergestellt gesehen. Während der vergangenen Tage war ihr ein dummer kleiner Melodiefetzen durch den Kopf gegangen, den sie nicht loswerden konnte: „Wir fahren über die Zylindrische See…“ Nun, genau das würde sie tun.

Ihre Passagiere nahmen ihre Plätze auf improvisierten Klappsitzen ein, und Ruby gab Gas. Der Zwanzigkilowattmotor begann zu surren, die Kettentriebe der Untersetzung verschwammen vor den Augen, und unter den begeisterten Rufen der Zuschauer rauschte die Resolution davon.

Ruby hatte gehofft, es auf fünfzehn Kilometer pro Stunde zu bringen, in Anbetracht der Ladung, doch sie würde sich auch mit allem, was über zehn Kilometer pro Stunde lag, zufriedengeben.

Längs der Uferkliffs hatte man einen Kurs von einem halben Kilometer bestimmt, und sie brauchte fünfeinhalb Minuten für den Rundtrip. Wenn man die Zeit für das Wenden mitberechnete, kam man auf zwölf Stundenkilometer, und damit war sie völlig zufrieden.

Ohne Motorantrieb, doch mit der Hilfe dreier energiegeladener Ruderer, die ihren geschickteren Schlag unterstützten, konnte Ruby ein Viertel dieser Geschwindigkeit erreichen.

Wenn also der Motor ausfallen würde, konnten sie immer noch in ein paar Stunden zur Küste zurückkehren. Aber die Hochleistungsstromzellen konnten genug Energie liefern, um damit diese Welt zu umsegeln; außerdem hatte Ruby zwei Ersatzbatterien mitgenommen, nur um ganz sicherzugehen. Und nachdem sich nun auch die letzten Nebelspuren aufgelöst hatten, war sogar eine so vorsichtige Seglerin wie sie dazu bereit, ohne Kompaß in See zu stechen.

Sie grüßte zackig, als sie an Land stieg.

„Jungfernfahrt der Resolution erfolgreich beendet, Sir. Warten jetzt auf Ihre Befehle.“

„Sehr gut… Admiral. Wann können Sie in See stechen?“

„Sobald wir Proviant geladen und der Hafenmeister uns Starterlaubnis gegeben hat.“

„Dann segeln Sie also bei Tagesanbruch.“

„Aye-aye, Sir.“

Auf einer Seekarte wirken fünf Kilometer Wasser nicht allzu eindrucksvoll, doch ist es etwas ganz anderes, sich mitten darin zu befinden.

Sie waren erst zehn Minuten auf See, doch die fünfzig Meter hohe Klippenwand des Nordkontinents schien bereits erstaunlich weit entfernt. Seltsamerweise schien jedoch New York kaum näher gerückt… Doch schenkten sie dem Land nicht allzuviel Aufmerksamkeit; sie waren noch viel zu stark von der Wunderbarkeit dieses Meeres fasziniert.

Die nervösen Witze, die den Beginn ihrer Fahrt begleitet hatten, waren längst vergessen: dieses neue Erlebnis war einfach überwältigend.

Norton dachte darüber nach, daß Rama jedesmal, wenn er bestimmt meinte, sich an diese Innenwelt gewöhnt zu haben, irgendein neues Wunder produzierte. Wie die Resolution so mit gleichmäßigem Brummen dahinglitt, wirkte es, als sei ihre Besatzung im Tal einer gigantischen Welle gefangen — einer Woge, die sich zu beiden Seiten emporkrümmte, bis sie senkrecht stand, dann überkragte, bis sich die beiden Flanken in einem flüssigen Bogen sechzehn Kilometer über ihren Häuptern zusammenschlossen. Aller Logik und Einsicht zum Trotz vermochte keiner der Seefahrer sich für lange von dem Eindruck freizumachen, daß diese Millionen Tonnen Wasser jede Minute donnernd vom Himmel herabstürzen könnten.

Dennoch fühlten sie im großen und ganzen eigentlich Heiterkeit: eine abenteuerliche Spannung, ohne daß wirklich Gefahr drohte. Es sei denn, daß die See selbst mit neuen Überraschungen aufwartete.

Mit dieser Möglichkeit war unbedingt zu rechnen, denn wie Mercer richtig vermutet hatte, lebte das Meer nun. Jeder Schwapp Wasser enthielt Tausende von kugelförmigen einzelligen Mikroorganismen, ähnlich den frühesten Planktonformen in den Ozeanen der Erde.

Und doch gab es da sehr viele verwirrende Unterschiede: sie hatten keinen Zellkern, und es fehlten ihnen auch viele der anderen Minimalvoraussetzungen, die selbst die allerprimitivsten Lebensformen der Erde aufwiesen. Und obwohl Laura Ernst — die sich neben ihrer Aufgabe als Schiffsärztin nun auch noch als Forscherin betätigte — nachgewiesen hatte, daß diese Zellen tatsächlich Sauerstoff produzierten, gab es doch viel zuwenig davon, als daß durch sie der Zuwachs in der Atmosphäre Ramas erklärt werden konnte. Sie hätten milliardenfach vorhanden sein müssen, nicht bloß zu Tausenden.

Dann stellte Laura fest, daß ihre Zahl rapide schrumpfte, daß sie also während der ersten Stunden der Morgendämmerung auf Rama sehr viel zahlreicher gewesen sein mußten. Es hatte den Anschein, als habe hier eine kurze Explosion von Leben stattgefunden, eine trillionenfach verkürzte Wiederholung der Erdfrühgeschichte.

Nun war dieser Ausbruch möglicherweise erschöpft; die dahintreibenden Mikroorganismen lösten sich auf und gaben dem Meer ihre chemische Fracht wieder zurück.

„Wenn ihr euch schwimmend retten müßt“, hatte Dr. Ernst die Seefahrer gewarnt, „dann laßt den Mund zu. Ein paar Tropfen würden ja nicht viel ausmachen — wenn ihr sie gleich wieder ausspuckt. Aber alle diese unheimlichen organometallischen Salze summieren sich zu einem ziemlich giftigen Paket, und ich würde nicht gern ein Gegenmittel zusammenbrauen müssen.“

Glücklicherweise schien diese Gefahr höchst unwahrscheinlich zu sein. Die Resolution würde auch dann noch schwimmfähig bleiben, wenn einige der Schwimmtanks leckschlagen würden. (Joe Calvert hatte, als man ihm davon erzählte, düster gemurmelt: „Denkt an die Titanic!“) Aber selbst wenn sie sinken sollten, würden die primitiven, aber soliden Schwimmwesten ihre Köpfe über Wasser halten. Laura hatte sich zwar nicht eindeutig dazu äußern wollen, doch vertrat sie den Standpunkt, ein paar Stunden Kontakt mit dem Wasser der See wären wohl nicht lebensgefährlich; allerdings riet sie davon ab, es zu versuchen.

Nach zwanzigminütigem steten Gleiten war New York nicht länger eine ferne Insel. Es gewann Realität, und Einzelheiten, die sie bisher nur durch Teleskope und auf vergrößerten Fotos hatten erkennen können, enthüllten sich als massive, konkrete Gebilde. Es wurde nun plötzlich deutlich, daß die ›City‹ wie so vieles auf Rama eine dreifältige Struktur besaß: sie bestand aus drei identischen kreisförmigen Komplexen oder Hochbauten, die sich über einem langen ovalen Fundament erhoben.

Fotos, die man von der Nabe aus gemacht hatte, ließen darauf schließen, daß jeder Gebäudekomplex in sich wieder in drei gleiche Bestandteile unterteilt war, wie ein Kuchen, den man in Sektoren von Grad aufgeteilt hat.

Dies würde die Explorationsarbeit beträchtlich erleichtern; aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie nur ein Neuntel von New York untersuchen müssen, um das Ganze gesehen zu haben. Selbst das war jedoch noch ein beachtliches Unterfangen: es bedeutete, daß sie mindestens einen Quadratkilometer voller Gebäude und Maschinen zu untersuchen hatten, von denen einige sich Hunderte von Metern in die Luft erhoben.

Die Ramaner hatten allem Anschein nach die Kunst des verdreifachten Überflusses in hohem Maße perfektioniert. Dies zeigte sich an dem Luftschleusensystem, der Treppenkonstruktion an der Nabe, an den künstlichen Sonnen. Und wo es wirklich wichtig wurde, waren sie sogar noch einen Schritt weitergegangen: New York war anscheinend ein Beispiel für ein dreimal dreifaches Übermaß.

Ruby steuerte die Resolution auf das zentral gelegene Gebäude zu, vor dem vom Wasser aus eine Treppenflucht direkt bis zur Krone der Mauer oder des Kais führte, der die Insel umgab.

Es gab sogar einen bequem erreichbaren Vertäuungspoller, an dem Boote festmachen konnten. Ruby wurde ganz aufgeregt, als sie dies sah. Jetzt würde sie keine Ruhe mehr haben, ehe sie nicht eines der Fahrzeuge gefunden hatte, in denen die Ramaner über ihre so außergewöhnliche See fuhren.

Norton setzte als erster den Fuß an Land. Er sah sich nach seinen drei Begleitern um und sagte: „Wartet hier auf dem Floß, bis ich oben auf der Mauer angekommen bin. Wenn ich winke, folgen mir Pieter und Boris. Ruby, Sie bleiben am Ruder, damit wir sofort losziehen können, falls es nötig sein sollte. Wenn mir irgendetwas zustößt, gebt Karl Bericht und befolgt seine Anordnungen. Geht mit Verstand vor — aber keine Heldentaten. Verstanden?“

„Ja, Skipper. Viel Glück!“

Commander Norton glaubte eigentlich nicht an das Glück; er begab sich niemals in eine schwierige Situation, ohne zuvor alle damit verbundenen Faktoren analysiert und sich die Rückzugslinie gesichert zu haben. Doch auch hier zwang ihn Rama einmal mehr, seine so hochgeschätzten Regeln zu durchbrechen. Hier war nahezu jeder Faktor eine Unbekannte — so unbekannt, wie es der Pazifik und das Große Barriereriff vor dreieinhalb Jahrhunderten für seinen Helden gewesen waren… Ja, er konnte wirklich verdammt viel Glück gebrauchen.

Die Treppe war praktisch ein Gegenstück zu jener, die sie am andern Ufer der See herabgestiegen waren; zweifellos beobachteten ihn die Freunde in direkter Linie durch ihre Teleskope von dort drüben. Und direkt oder ›gerade‹ war jetzt sogar der richtige Ausdruck, denn in dieser einen Richtung, parallel zur Achse von Rama, war die See wirklich vollkommen flach.

Es war leicht möglich, daß sie damit das einzige Gewässer des Universums war, auf welches dies zutraf, denn auf allen anderen Welten müssen Meere oder Seen sich der Oberfläche einer Kugel anpassen und haben nach allen Richtungen gleiche Krümmung.

„Fast an der Spitze“, berichtete er für das Logbuch und an seinen gespannt lauschenden Stellvertreter in fünf Kilometer Entfernung.

„Alles noch immer völlig still — Strahlung normal.

Ich halte den Zähler über den Kopf, für den Fall, daß diese Mauer als Schutzschild für irgendwas dient. Und wenn es auf der anderen Seite feindselige Wilde gibt, dann werden sie zunächst darauf schießen.“

Er scherzte natürlich. Und doch — warum ein Risiko eingehen, wenn es sich ebenso leicht vermeiden ließ?

Als er die letzte Stufe erreicht hatte, sah er, daß der flache Damm etwa zehn Meter breit war; die Innenböschung hinab führten abwechselnd Rampen und Treppen zu dem zwanzig Meter tiefer liegenden Grund der City. Er stand wirklich auf der Krone einer hohen Mauer, die New York völlig umkreiste. So konnte er es sich wie von einer Tribüne aus betrachten.

Der Anblick war so verwirrend und vielgestaltig, daß er als erstes einmal mit der Kamera langsam ein Panorama einfing. Dann erst winkte er seinen Gefährten zu und funkte über die See zurück: „Keinerlei Anzeichen von Aktivität — alles still. Kommt rauf — wir fangen mit der Untersuchung an.“