126107.fb2 Rendezvous mit Rama - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 28

Rendezvous mit Rama - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 28

27. KAPITELELEKTRISCHER WIND

Als Jimmy sich auf den Heimweg machte, schien ihm das Nordende Ramas unglaublich weit entfernt zu sein. Sogar die drei gigantischen Treppenkonstruktionen waren kaum als ein undeutliches Y auszumachen, das in die Kuppel am anderen Ende der Welt geritzt war.

Das Band der Zylindrischen See war eine breite, bedrohliche Barriere, die nur darauf zu warten schien, ihn zu verschlingen, falls wie bei Ikarus die zerbrechlichen Schwingen versagen sollten.

Doch der ganze Herweg war problemlos verlaufen, und wenn er sich nun auch ein wenig müde fühlte, war er doch überzeugt, daß er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Er hatte noch nicht einmal seine Nahrungs- und Wasserration angerührt und war viel zu aufgeregt gewesen, eine Ruhepause einzulegen. Auf dem Rückflug würde er es sich leichter und bequemer machen. Auch munterte ihn der Gedanke auf, daß der Heimflug im Zweifelsfall um zwanzig Kilometer kürzer sein würde, denn solange er die See hinter sich brachte, konnte er überall auf der Nordebene notlanden. Das wäre zwar unangenehm, weil er damit einen langen Fußmarsch auf sich nehmen und — viel schlimmer noch — seine Libelle zurücklassen müßte, aber er gewann dadurch einen sehr beruhigenden Sicherheitsfaktor hinzu.

Er stieg jetzt immer weiter zum Mittelstachel empor; die sich verjüngende Nadel des Großen Horns erstreckte sich aber noch immer einen Kilometer hoch über ihm, und ab und zu kam ihm der Gedanke, daß dies die Achse sei, um die sich diese ganze Welt drehte.

Er hatte die Spitze des Großen Horns nahezu erreicht, als er sich eines seltsamen Gefühls bewußt wurde: ein Gefühl wie eine böse Vorahnung, ja tatsächlich, ein körperliches und seelisches Unbehagen hatte ihn überkommen.

Plötzlich erinnerte er sich an einen Satz, auf den er einmal gestoßen war, und das machte die Dinge auch nicht leichter: „Was rührt mich denn so an, als trät’ ich einem übers Grab?“

Zunächst verwarf er das Gefühl mit einem Achselzucken und trat gleichmäßig weiter in die Pedale. Er hatte gewiß nicht die Absicht, der Nabenkontrolle etwas so Ungreifbares wie ein leichtes Gefühl des Unwohlseins zu berichten, doch als dieses Gefühl zunehmend schlimmer wurde, war er doch versucht, es zu tun. Es konnte doch wohl nicht psychologisch bedingt sein; aber wenn es so war, hatte sein Gehirn sehr viel mehr Einfluß, als er wußte. Denn er konnte jetzt ganz deutlich spüren, wie er eine Gänsehaut bekam… Plötzlich ernsthaft beunruhigt, hielt er mitten in der Luft an, um die Lage zu überdenken.

Das Ganze wurde dadurch noch seltsamer, daß ihm dieses Gefühl schwerer Deprimiertheit nicht völlig fremd war: er hatte es früher bereits erlebt, aber er konnte sich nicht erinnern, wann.

Er blickte sich um. Nichts hatte sich verändert.

Der gewaltige Stachel des Großen Horns lag ein paar hundert Meter über ihm, das andere Ende Ramas als eine Art Himmel weit darüber. Acht Kilometer unter ihm dehnte sich das verwirrende Flickwerk des Südkontinents, der voller Wunder sein mußte — niemals wieder würde ein Mensch sie zu sehen bekommen.

Aber die Landschaft, so äußerst fremdartig und doch inzwischen schon vertraut sie ihm erschien, bot keine Erklärung für sein Unbehagen.

Etwas berührte kitzelnd seine Hand. Eine Sekunde lang glaubte er, ein Insekt habe sich dort niedergelassen, und er wischte es, ohne hinzusehen, mit der anderen Hand fort. Er hatte die instinktive Bewegung kaum halb beendet, als ihm bewußt wurde, was er da tat, und er hielt inne. Er kam sich idiotisch vor. Schließlich hatte man noch nie ein Insekt auf Rama entdeckt… Er hob die Hand vor die Augen und untersuchte sie. Er war verwirrt, weil das kitzelnde Gefühl noch immer anhielt. Dann bemerkte er, daß jedes einzelne Härchen sich senkrecht aufgestellt hatte. Den ganzen Unterarm hinauf sah er das gleiche — und als er prüfend mit der Hand über den Kopf strich, machte er dort dieselbe Entdeckung.

Das war also das Problem. Er befand sich innerhalb eines fürchterlich starken elektrischen Feldes, und dieses Gefühl der Schwere und Bedrückung war das gewesen, das manchmal auf der Erde einem Gewitter vorangeht.

Die plötzliche Erkenntnis seiner gefährlichen Lage versetzte Jimmy in beinahe panische Angst. Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte er sich in echter körperlicher Gefahr befunden.

Wie alle Astronauten hatte er bedrückende Augenblicke mit schwerbeweglicher Ausrüstung erlebt, hatte erlebt, daß er sich aufgrund von Fehleinschätzungen oder Unerfahrenheit in einer gefährlichen Lage geglaubt hatte. Aber in keinem Fall hatten diese Episoden länger als ein paar Minuten gedauert. Meistens war er sogar fähig gewesen, sofort darüber zu lachen.

Diesmal gab es offenbar kein rasches Entrinnen.

Er fühlte sich allein und verlassen mitten in einem plötzlich feindselig gewordenen Himmel, umringt von titanischen Kräften, die jeden Moment ihre Wut entfesseln konnten. Und seine Libelle — die ja ohnehin schon zerbrechlich genug war — kam ihm nun noch unstofflicher vor als Spinnwebfäden. Der erste Stoß des sich zusammenbrauenden Sturms würde sie in winzige Fetzen zerreißen.

„Kontrolle Nabe“, meldete er sich beunruhigt.

„Um mich herum baut sich eine statische Ladung auf. Ich fürchte, es kann jeden Moment ein Gewitter losbrechen.“

Er hatte es kaum gesagt, als hinter ihm ein Lichtblitz aufzuckte. Als er bis zehn gezählt hatte, kam der erste knatternde Donner. Drei Kilometer — also damit war das hinten oder unten rund um die Kleinen Hörner. Er blickte zurück und sah, daß jede der sechs Nadeln zu flammen schien. Elektrische Strahlenbüschel von hundert Metern Länge tanzten über den Spitzen, als wären sie riesige Blitzableiter.

Und was da hinten passierte, konnte ja auch in viel größerem Ausmaß an der steilen Spitze des Großen Horns geschehen. Das Beste, was er tun konnte, war wohl zu versuchen, so weit wie möglich von diesem gefährlichen Gebilde fortzukommen und die freie Luft zu erreichen.

Er begann erneut in die Pedale zu treten.

Er beschleunigte, so rasch er konnte, ohne die Libelle einer allzu großen Belastung auszusetzen.

Gleichzeitig verringerte er die Höhe; selbst auf die Gefahr hin, daß er damit in einen Bereich höherer Schwerkraft eintrat, war er nun bereit, ein derartiges Risiko einzugehen.

Acht Kilometer waren viel zu weit vom Boden entfernt, als daß er sich ruhig hätte fühlen können.

Die unheimliche schwarze Spitze des Großen Horns war noch immer frei von sichtbaren Entladungen, aber Jimmy zweifelte nicht daran, daß sich dort oben ein furchtbares Kraftfeld aufbaute. Ab und zu grollte hinter ihm noch der Donner und rollte widerhallend weiter rund um die Welt. Plötzlich fiel Jimmy ein, wie merkwürdig es doch sei, daß ein derartiger Sturm bei völlig klarem Himmel auftrat.

Dann wurde ihm klar, daß es sich ja überhaupt nicht um ein meteorologisches Phänomen handle. Tatsächlich konnte es ja einfach eine unbedeutende Energiestreuung von einer tief in der Südkappe Ramas versteckten Quelle sein. Aber warum ausgerechnet jetzt? Aber was noch wichtiger war, was würde als nächstes geschehen?

Er befand sich nun weit über der Spitze des Großen Horns und hoffte, bald außerhalb der Streuweite irgendwelcher blitzartiger Entladungen zu sein. Doch jetzt tauchte ein neues Problem auf: die Luftturbulenzen nahmen zu, es fiel ihm immer schwerer, die Libelle unter Kontrolle zu halten. Ein Wind schien aus dem Nichts entstanden zu sein, und wenn die Flugbedingungen sich stark verschlechterten, war das zerbrechliche Rahmenwerk seines Luftrades ernstlich in Gefahr. Er trampelte verbissen weiter und versuchte, das Leitwerkschütteln durch Anpassung der Antriebsstärke und Gewichtsverlagerung seines Körpers auszugleichen.

Da die Libelle ja praktisch wie sein vergrößerter Körper war, hatte er damit bis zu einem gewissen Grad Erfolg; aber die schwachen Protestgeräusche, die vom Haupt-Tragholm zu ihm drangen, gefielen ihm gar nicht, ebensowenig wie die Tatsache, daß die Flügel sich bei jedem Windstoß verbogen.

Und noch etwas beunruhigte ihn: ein schwaches sausendes Geräusch, das allmählich stärker wurde und aus der Richtung des Großen Horns zu kommen schien. Es klang, als ströme Gas unter hohem Druck aus einem Ventil.

Jimmy überlegte, ob das eventuell irgendwie mit den Turbulenzen zusammenhing, mit denen er zu kämpfen hatte. Was immer auch die Ursache sein mochte, er hatte jetzt noch mehr Grund zur Beunruhigung.

In Abständen berichtete er — knapp und ziemlich außer Atem — über diese Phänomene an die Nabenkontrolle. Dort konnte ihm zwar bestimmt keiner Anweisungen geben oder etwa Hinweise darauf, was möglicherweise weiterhin passieren würde, aber es war doch beruhigend, die Stimmen seiner Freunde zu hören, selbst wenn sich allmählich die Furcht in Jimmy festsetzte, daß er sie nie wiedersehen würde.

Die Turbulenzen nahmen immer noch zu. Er hatte beinahe den Eindruck, als trete er in einen Düsenstrom ein. Einmal hatte er das getan, als er einen Rekord brechen wollte. Er war damals auf der Erde mit einem Hochfluggleiter aufgestiegen. Doch was, zum Teufel, konnte denn innerhalb Ramas einen Düsenstrom bewirken?

Das war die richtige Frage, die er sich da gestellt hatte, denn sobald er sie in Worte gefaßt hatte, wußte er auch die Antwort.

Das Geräusch, das er gehört hatte, kam von dem elektrischen Wind, der die hochgradige Ionisierung forttrug, die sich rings um das Große Horn aufbauen mußte. Geladene Luft strömte von dort längs der Achse Ramas nach außen, und weitere Luft strömte in das Niederdruckgebiet dahinter. Er blickte auf diese riesige und nun doppelt bedrohliche Nadel zurück und versuchte die Begrenzung der steifen Brise auszumachen, die von ihr ausging. Wahrscheinlich war es taktisch am besten, wenn er nach Gehör flog und sich so weit wie möglich von diesem unheimlichen Zischen und Fauchen entfernte.

Rama nahm ihm die Wahl ab. Hinter ihm brach ein flammender Flächenblitz auf und füllte den ganzen Himmel. Er hatte gerade noch Zeit zu sehen, wie er sich zu sechs Feuerbändern aufspaltete, die vom Großen Horn zu den sechs kleineren Hörnern reichten. Dann packte ihn die Explosion.