126107.fb2 Rendezvous mit Rama - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 35

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34. KAPITELSEINE EXZELLENZ BEDAUERT…

„Wie Sie alle wissen, meine Herren“, sagte der Marsbotschafter, „hat sich seit unserer letzten Sitzung sehr viel Neues ereignet. Wir haben vieles zu diskutieren — und zu entscheiden.

Aus diesem Grund bin ich besonders betrübt darüber, daß unser geschätzter Kollege vom Merkur heute nicht unter uns weilt.“

Letzteres traf nicht ganz zu. Dr. Bose war nämlich keineswegs besonders betrübt darüber, daß Seine Exzellenz der Botschafter des Merkur abwesend war. Es hätte die Sache, sehr viel genauer getroffen, wenn man ihn besorgt genannt hätte. Sein ganzer Diplomateninstinkt sagte ihm, daß irgend etwas im Gange sei, und obgleich er über hervorragende Informationsquellen verfügte, hatte er keinerlei Hinweis erhalten können, worum es sich handelte.

Der Entschuldigungsbrief des Botschafters war höflich, aber vollkommen nichtssagend gewesen. Seine Exzellenz hatte bedauert, daß dringliche und unvermeidbare Geschäfte ihn daran hinderten, persönlich und per Video an der Sitzung teilzunehmen. Es fiel Dr. Bose schwer, sich etwas Dringenderes oder Wichtigeres vorzustellen als Rama.

„Zwei Mitglieder haben eine Erklärung abzugeben.

Ich möchte zunächst Professor Davidson bitten.“

Erregtes Tuscheln ging durch die Reihen der übrigen Wissenschaftler. Die meisten von ihnen hatten das Gefühl gehabt, daß dieser Astronom mit seinem wohlbekannten kosmischen Standpunkt nicht der rechte Mann für den Stuhl des Vorsitzenden des Space Advisory Council sei.

Er erweckte zuweilen den Eindruck, daß die Aktivitäten des intelligenten Lebens eine bedauerliche Belanglosigkeit im majestätischen Universum der Sterne und Galaxien darstellten und daß es von schlechtem Stil zeuge, wenn man dem zu große Aufmerksamkeit schenke.

Damit hatte sich der Astronom bei Exobiologen wie Dr. Perera nicht gerade beliebt gemacht, denn dieser vertrat den genau entgegengesetzten Standpunkt. Für ihn und seine Kollegen bestand der einzige Zweck des Universums darin, Intelligenz hervorzubringen, und deshalb neigten sie manchmal dazu, höhnisch über rein astronomische Erscheinungen zu sprechen.

„Bloße tote Materie“, lautete einer ihrer Lieblingsausdrücke.

„Eure Exzellenz, Herr Botschafter“, begann der Astronom. „Ich habe das merkwürdige Verhalten Ramas während der letzten Tage analysiert und möchte Ihnen meine Schlußfolgerungen unterbreiten. Einige davon sind äußerst aufregend.“

Dr. Perera blickte überrascht auf, setzte aber dann eine undurchsichtige Miene auf. Ihm war alles sehr recht, was Professor Davidson aufregte.

„Zunächst einmal war da diese bemerkenswerte Kette von Ereignissen, als dieser junge Leutnant zur südlichen Hemisphäre flog. Die elektrischen Entladungen als solche sind zwar spektakulär, aber ohne Bedeutung; man kann leicht beweisen, daß sie relativ wenig Energie enthielten. Doch sie trafen mit einer Rotationsveränderung Ramas zusammen und mit einer seiner Fluglagen — das heißt seiner Orientation im Raum. Und dies muß ein enormes Energiequantum beansprucht haben; die Entladungen, die Mr. — hmpf — Mr. Pak beinahe das Leben gekostet hätten, waren lediglich ein Nebeneffekt — vielleicht eine Störung, die durch diese gigantischen Blitzableiter am Südpol neutralisiert werden mußte.

Daraus ziehe ich folgende zwei Schlüsse.

Wenn ein Raumschiff — und wir müssen Rama als solches bezeichnen, trotz der fantastischen Ausmaße — seine Fluglage ändert, dann bedeutet dies gewöhnlich, daß es seine Flugbahn zu ändern vorhat. Wir müssen deshalb die Ansicht jener ernst nehmen, die überzeugt sind, daß Rama sich wahrscheinlich darauf vorbereitet, ein Planet unserer Sonne zu werden und nicht wieder zu den Sternen zurückzukehren.

Wenn dies der Fall ist, dann muß die Endeavour zwangsläufig bereit sein, augenblicklich abzulegen — heißt das bei Raumschiffen so? — , falls dies plötzlich nötig sein sollte. Sie könnte sich in schwerer Gefahr befinden, solange sie noch körperlich mit Rama in Verbindung steht.

Ich nehme an, daß Commander Norton sich dessen bereits wohlbewußt ist, doch ich denke, wir sollten ihm eine zusätzliche Warnung senden.“

„Vielen Dank, Professor Davidson. Ja, Dr. Solomons?“

„Ich möchte dazu einiges bemerken“, sagte der Wissenschaftshistoriker. „Rama scheint eine Rotationsänderung durchgeführt zu haben, ohne irgendwelche Düsen oder Reaktoreinrichtungen eingesetzt zu haben. Mir scheint dies nur zwei mögliche Erklärungen zuzulassen.

Die erste wäre, daß Rama im Innern Gyroskope oder etwas Entsprechendes besitzt. Sie müßten riesig sein. Wo sind sie?

Die zweite Möglichkeit — und das würde unsere gesamte Physik über den Haufen werfen — wäre, daß Rama über ein reaktionsloses Antriebssystem verfügt: über den sogenannten Space Drive, den Professor Davidson so sehr in Zweifel zieht. Wenn dies der Fall ist, dann könnte Rama zu nahezu allem in der Lage sein.

Wir würden sein Verhalten auf keinen Fall vorherberechnen können, noch nicht einmal im groben physikalischen Bereich.“

Die Diplomaten waren von diesem Gefecht offensichtlich ein wenig verwirrt, doch der Astronom ließ sich nicht darauf ein. Er hatte für einen Tag seine Fühler weit genug vorgereckt.

„Ich halte mich an die physikalischen Gesetze, wenn Sie gestatten, und zwar so lange, bis ich gezwungen bin, sie aufzugeben. Wenn wir in Rama auf keine Gyroskope gestoßen sind, dann haben wir vielleicht nicht gut genug nachgesehen oder nicht am richtigen Ort.“

Botschafter Bose merkte, daß Dr. Perera ungeduldig wurde. Normalerweise stürzte sich der Exobiologe so begeistert wie nur irgendeiner in Spekulationen; doch diesmal verfügte er zum erstenmal über ein paar feste Tatsachen. Sein Wissenschaftszweig, der so lange gedarbt hatte, war über Nacht zu üppiger Blüte gelangt.

„Gut, gut — wenn es sonst dazu keine Kommentare mehr gibt — mir ist bekannt, daß Dr.

Perera einige wichtige Informationen hat.“

„Danke, Euer Exzellenz. Wie Sie alle gesehen haben, ist es uns endlich gelungen, ein Exemplar einer ramanischen Lebensform in die Hand zu bekommen, und wir haben weitere Formen aus der Nähe beobachten können.

Stabsärztin Kapitänleutnant Ernst, die Ärztin der Endeavour, hat einen ausführlichen Bericht über das spinnenähnliche Geschöpf geschickt, das sie seziert hat.

Ich muß gleich an dieser Stelle sagen, daß einige ihrer Ergebnisse verwirrend sind und daß ich in jeder anderen Situation mich geweigert haben würde, sie ernst zu nehmen.

Die Spinne ist definitiv organisch, allerdings unterscheidet sich ihre Chemostruktur von der unseren in vieler Hinsicht. Sie enthält beträchtliche Mengen leichter Metalle. Trotzdem zögere ich, sie als ein Tier zu bezeichnen, und zwar aus mehreren wesentlichen Gründen.

Erstens besitzt sie anscheinend weder Mundöffnung noch Magen, noch Eingeweide — also kein System der Nahrungsaufnahme! Gleichfalls keine Vorrichtungen zur Aufnahme von Sauerstoff, keine Lungen, kein Blut, keine Fortpflanzungsorgane… Sie fragen sich vielleicht, was dieses Wesen denn nun eigentlich hat. Nun, einmal eine einfache Muskulatur, die die drei Beine und die drei peitschenähnlichen Tentakel oder Fühler kontrolliert. Dann gibt es ein Gehirn — sogar ein ziemlich kompliziertes, das in der Hauptsache mit der bemerkenswert hochentwickelten triokularen Sehfähigkeit des Geschöpfes befaßt ist. Aber achtzig Prozent des Körpers bestehen aus einer Wabenstruktur großer Zellen, und dies war es, was Frau Dr. Ernst eine so unangenehme Überraschung bereitete, als sie mit ihrer Sektion begann.

Unter glücklicheren Umständen hätte sie es wohl sofort erkannt, denn es handelt sich um die einzige ramanische Struktur, die tatsächlich auch auf der Erde vorkommt — wenn auch nur bei einer Handvoll von Meerestieren.

Der weitaus größte Teil der Spinne ist einfach eine Batterie, ziemlich ähnlich denen, die man in Elektrozellen und Rochen findet. Doch in unserem Fall dient diese Batterie anscheinend nicht der Verteidigung. Sie ist die Energiequelle dieses Geschöpfs. Und darum besitzt es keine Vorrichtungen zur Nahrungs- und Sauerstoffaufnahme; es braucht derartige primitive Einrichtungen nicht. Ganz nebenbei würde dies bedeuten, daß sich dieses Wesen in einem Vakuum vollkommen zu Hause fühlen würde… Wir haben also ein Geschöpf, das seinen Aufgaben und Zielen nach nichts weiter ist als ein mobiles Auge. Es verfügt über keine Greiforgane, und diese Tentakeln sind viel zu schwächlich.

Wenn man mir eine genaue Beschreibung gegeben hätte, würde ich es einfach als Erkundungsinstrument bezeichnet haben.

Sein Verhalten trifft zweifellos auf diese Bezeichnung zu. Diese Spinnen tun nämlich nichts anderes, als herumzulaufen und Dinge zu betrachten. Das ist alles, was sie tun können… Die anderen Tiere dagegen sind verschieden.

Der Krebs, der Seestern, die Haie — alle in Ermangelung besserer Bezeichnungen — vermögen offenbar ihre Umgebung zu manipulieren und scheinen auf die verschiedenartigsten Funktionen spezialisiert zu sein. Ich nehme an, daß auch sie mit Elektrobatterien arbeiten, da sie wie die Spinne anscheinend keine Mundöffnungen besitzen.

Ich bin sicher, daß Sie die biologischen Probleme richtig erkennen, die sich aus alldem ergeben.

Konnten sich derartige Geschöpfe auf natürlichem Wege entwickeln? Ich glaube dies wirklich nicht. Sie scheinen entworfen zu sein wie Maschinen, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen haben. Wenn ich sie beschreiben müßte, würde ich sagen, es sind Roboter — biologische Roboter —, etwas, wofür es auf der Erde keine Entsprechung gibt.

Wenn Rama ein Raumschiff ist, dann sind sie vielleicht Mitglieder der Besatzung. Aber wie sie geboren werden — oder geschaffen —, das kann ich Ihnen nicht sagen. Doch ich vermute, daß die Antwort drüben in New York liegt.

Wenn Commander Norton und seine Leute lange genug warten können, werden sie vielleicht in zunehmendem Maß auf immer kompliziertere Wesen mit unvorhersehbarem Verhalten stoßen. Irgendwann dürften sie dann vielleicht auch auf die Ramaner selbst stoßen — die wirklichen Schöpfer jener Welt. Und, meine Herren, wenn das eintritt, dann wird es überhaupt keinen Zweifel mehr geben…“