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Commander Norton schlief fest und selig, als ihn sein persönlicher Nachrichtenoffizier aus glücklichen Träumen riß: Er machte mit seiner Familie auf dem Mars Ferien, flog gerade an dem majestätischen schneebedeckten Gipfel von Nyx Olympica vorbei, dem gewaltigsten Vulkan des Sonnensystems. Sein kleiner Sohn Billy hatte ihm gerade etwas zu erzählen begonnen. Jetzt würde er nie mehr erfahren, was es gewesen war.
Der Traum verblaßte; die Wirklichkeit drängte sich ihm in Form der Stimme seines OvD auf, dort oben in seinem Schiff.
„Tut mir leid, Sie aufzuwecken, Skipper“, sagte Kapitänleutnant Kirchoff. „Tripel-A-Priorität vom Hauptquartier.“
„Lesen Sie’s mir vor“, antwortete Norton verschlafen.
„Kann ich nicht. Ist in Kode — nur für den Kommandanten.“
Norton war sofort hellwach. Nur dreimal während seiner ganzen Laufbahn hatte er eine solche Nachricht erhalten, und jedesmal hatte sie Ärger bedeutet. „Verflucht!“ knirschte er.
„Was machen wir jetzt?“
Sein OvD machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. Sie erfaßten das Problem beide vollkommen; es war ein Problem, das in der Schiffsordnung nicht berücksichtigt war. Im Normalfall war der Kommandant eines Raumschiffs nie mehr als ein paar Minuten von der Kommandozentrale entfernt, und dort lag das Buch mit den Kodeschlüsseln in einem nur ihm zugänglichen Safe. Wenn Norton jetzt loszog, würde er vielleicht in vier bis fünf Stunden — völlig erschöpft — sein Schiff erreichen.
Aber so durfte man eine AAA-Priorität nicht erledigen.
„Jerry“, sagte Norton schließlich. „Wer ist in der Kommunikationszentrale?“
„Keiner außer mir. Ich hab’ Sie selbst angerufen.“
„Ist der Aufzeichner ausgeschaltet?“
„Ja. Merkwürdige Sache. Völlig gegen die Vorschriften.“
Norton lächelte vor sich hin. Jerry war der beste Diensthabende Offizier, mit dem er je zusammengearbeitet hatte. Der Junge dachte immer an alles.
„Okay. Sie wissen, wo mein Schlüssel ist.
Rufen Sie zurück.“
Während der nächsten zehn Minuten wartete er so geduldig, wie es ihm nur möglich war, und bemühte sich — ziemlich erfolglos —, an andere Probleme zu denken. Er verschwendete nur höchst ungern geistige Energie, und es war ja ziemlich unwahrscheinlich, daß er erraten könnte, was die eingetroffene Nachricht enthalten würde. Den Inhalt würde er sowieso früh genug erfahren. Dann war der richtige Zeitpunkt gekommen, sich Sorgen zu machen.
Als der OvD zurückrief, stand er offenbar unter beträchtlichem Streß.
„Es ist gar nicht wirklich dringend, Skipper, und eine Stunde mehr macht wirklich keinen Unterschied. Aber ich möchte lieber nicht über Funk gehen. Ich schicke Ihnen die Nachricht durch Boten runter.“
„Aber warum denn — oh, na gut —, ich verlaß mich auf Ihr Urteilsvermögen. Wer bringt es durch die Luftschleusen?“
„Ich komme selbst. Ich melde mich, wenn ich an der Nabe bin.“
„Und damit ist Laura OvD.“
„Nur für eine Stunde, äußerstenfalls. Ich gehe gleich danach wieder zum Schiff zurück.“
Ein Stabsarzt verfügte nicht über die Spezialausbildung, die zur Führung eines Raumschiffs nötig war, ebensowenig wie ein Kommandant in der Lage wäre, eine Operation durchzuführen. In Notfällen hatte man manchmal beide Aufgaben mit Erfolg vertauscht; aber es war nicht ratsam. Nun, eine Vorschrift war heute nacht ja bereits verletzt worden… „Für das Protokoll haben Sie das Schiff keinen Moment verlassen. Haben Sie Laura geweckt?“
„Ja. Sie ist entzückt über die Gelegenheit.“
„Was für ein Glück, daß Ärzte es gewohnt sind, Geheimnisse für sich zu behalten. Ach — übrigens —, haben Sie daran gedacht, die Bestätigung zu senden?“
„Selbstverständlich. In Ihrem Name“.“
„Gut. Ich warte also.“
Aber jetzt war es Norton ganz unmöglich geworden, sich von ängstlichen Erwartungen freizuhalten.
Nicht wirklich dringend — aber ich möchte lieber nicht über Funk gehen… Eins war klar: in dieser Nacht würde der Commander nicht mehr sehr viel Schlaf finden.