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40. KAPITELDER SABOTEUR

Der Skooter war von allen unnötigen Gegenständen befreit worden; jetzt war er nur noch ein offenes Rahmenwerk, das die Antriebs-, Lenkungs- und Lebenserhaltungssysteme zusammenhielt.

Selbst der Sitz für den Kopiloten war entfernt worden, da jedes Kilogramm an Extramasse mit Aktionszeit hätte bezahlt werden müssen.

Dies war einer der Gründe dafür gewesen, wenn auch nicht der einzige, warum Rodrigo darauf bestanden hatte, allein zu gehen. Die Aufgabe war dermaßen einfach, daß kein zweites Paar Hände eingesetzt werden mußte, und das Gewicht eines zweiten Passagiers würde mehrere Minuten Flugzeit gekostet haben. So wie es jetzt war, konnte der Skooter mit mehr als einem Drittel G beschleunigen; er konnte die Strecke von der Endeavour zu der Rakete in vier Minuten überwinden. Damit blieben sechs Minuten übrig, und das sollte eigentlich ausreichen.

Rodrigo blickte nur einmal zurück, nachdem er das Raumschiff verlassen hatte. Er sah, daß es sich, wie geplant, von der Mittelachse abgesetzt hatte und nun sacht über der wirbelnden Scheibe des Nordendes davonschwebte. Wenn er die Bombe erreichte, würde zwischen ihr und der Endeavour die Masse Ramas liegen.

Er ließ sich Zeit mit dem Flug über die Nordpolebene.

Hier brauchte er sich noch nicht zu beeilen, da ihn die Kameras der Bombe noch nicht ausmachen konnten. Also konnte er Treibstoff sparen. Dann trieb er über den gebogenen Rand der Welt hinaus — und dort lag das Raketengeschoß vor ihm. Es blitzte hell in einem Sonnenlicht, das sogar noch schärfer war als jenes auf seinem Ursprungsplaneten.

Rodrigo hatte bereits die Lenkautomatikknöpfe gedrückt. Er aktivierte die Sequenz: der Skooter trudelte auf seinen Gyros und hatte innerhalb weniger Sekunden vollen Schub erreicht.

Zuerst schien ihn das plötzliche Gewicht erdrücken zu wollen, dann gewöhnte Rodrigo sich daran. Immerhin hatte er innerhalb Ramas ein zweifach höheres Gewicht ertragen — und schließlich war er auf der Erde geboren, wo es dreimal höher war.

Die gewaltige gekrümmte Außenwand des fünfzig Kilometer langen Zylinders fiel langsam unter ihm zurück, als der Skooter sich direkt auf die Rakete ausrichtete. Aber es war unmöglich, Ramas Größe abzuschätzen, da er so völlig glatt und strukturlos war — dermaßen ohne bestimmte Züge, daß es schwerfiel zu sagen, ob er wirklich rotierte.

Einhundert Sekunden Aktionszeit waren vergangen; Rodrigo näherte sich der Halbwegmarke.

Die Rakete lag noch immer zu weit entfernt, als daß man Einzelheiten hätte erkennen können, doch wirkte sie nun viel leuchtender vor dem jettschwarzen Himmel. Es war merkwürdig, daß keine Sterne zu sehen waren — nicht einmal die schimmernde Erde oder die blendende Venus; die dunklen Filter zum Schutz seiner Augen vor dem tödlich grellen Glanz machten dies unmöglich. Rodrigo hatte die Vermutung, daß er dabei war, einen Rekord zu brechen; wahrscheinlich hatte nie zuvor ein Mensch so nahe der Sonne außerhalb eines Raumschiffs gearbeitet. Er hatte Glück, daß die Sonnenaktivität gering war.

Bei zwei Minuten und zehn Sekunden begann das Wendelämpchen zu blinken, der Schub fiel auf Null, der Skooter drehte sich um hundertachtzig Grad herum. Sofort kam wieder voller Schub, doch jetzt bremste er das Fahrzeug mit der gleichen irren Geschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde rapide ab — ja eigentlich noch schneller, da er ja fast die Hälfte der Antriebsmasse verloren hatte. Die Rakete lag noch fünfundzwanzig Kilometer weit weg; noch zwei Minuten, und er würde sie erreicht haben. Er hatte eine Höchstgeschwindigkeit von fünfzehnhundert Stundenkilometern geschafft — für einen Skooter war das absoluter Irrsinn, und wahrscheinlich brach er damit einen weiteren Rekord.

Aber schließlich war sein Unternehmen kaum als eine Routine-EVA zu bezeichnen, und er wußte haargenau, was er tat.

Die Rakete wuchs immer mehr; jetzt konnte er auch die Hauptantenne sehen, die unbeirrbar auf den fernen Planeten Merkur gerichtet stand. Während der letzten drei Minuten waren die Bilder seiner Annäherung mit Lichtgeschwindigkeit über ihren Leitstrahl gesendet worden. Nun würde es noch zwei Minuten dauern, bevor die Signale den Merkur erreicht hatten.

Was würden die Hermianer tun, wenn sie ihn sahen? Es würde Bestürzung herrschen, ganz ohne Frage; sie würden natürlich sofort wissen, daß er mit der Bombe mehrere Minuten früher Kontakt aufgenommen hatte, ehe sie überhaupt wissen konnten, daß er unterwegs war. Wahrscheinlich würde ein Wachtposten im Dienst seine Vorgesetzten informieren — das würde weitere Zeit in Anspruch nehmen. Doch selbst im denkbar schlimmsten Fall — selbst wenn der Diensthabende Offizier autorisiert sein sollte, die Bombe zu zünden, und wenn er unmittelbar auf den Auslöseknopf drückte — würde es noch weitere fünf Minuten dauern, bis das Signal eintraf.

Obgleich Rodrigo keine Wette darauf eingehen mochte — die Kosmo-Christen waren alles andere als Spielernaturen —, war es doch ziemlich sicher, daß eine solche sofortige Reaktion nicht erfolgen werde. Die Hermianer würden zögern, ein Aufklärungsfahrzeug von der Endeavour zu vernichten, auch wenn sie seinen Absichten mißtrauten. Sie würden ohne Zweifel zunächst einmal den Versuch unternehmen, irgendwie Kontakt aufzunehmen. Und auch das würde eine Verzögerung bedeuten.

Außerdem gab es einen noch plausibleren Grund: die Hermianer würden nicht eine Gigatonnenbombe für einen armseligen Skooter verschwenden. Und es würde eine nutzlose Verschwendung sein, wenn die Bombe zwanzig Kilometer von ihrem vorgesehenen Ziel detonierte. Sie würden das Ding erst bewegen müssen. Also, er hatte wirklich massig Zeit… aber er würde vorsichtshalber mit dem Schlimmsten rechnen.

Er würde vorgehen, als werde der Auslöseimpuls in der kürzestmöglichen Zeitspanne eintreffen — also innerhalb von fünf Minuten.

Während der Skooter sich die letzten paar hundert Meter heranschlich, verglich Rodrigo rasch die Einzelheiten, die er nun wahrnehmen konnte, mit dem, was er auf den Fotos aus weiter Entfernung gesehen hatte. Was zuvor nur ein Sortiment von Bildern gewesen war, verwandelte sich nun in hartes Metall und glatten Kunststoff. Es war nicht länger etwas Abstraktes, sondern eine tödliche Wirklichkeit.

Die Rakete war ein Zylinder von etwa zehn Metern Länge und drei Metern Durchmesser — durch einen seltsamen Zufall waren dies beinahe die gleichen Proportionen wie die Ramas.

Sie war an dem Rahmenwerk der Trägerrakete durch offene Verstrebungen von kurzen T-Stützen befestigt. Aus irgendeinem Grund — wahrscheinlich wegen dem Schwergewichtspunkt der Masse — stand die Bombe rechtwinkelig zur Achse der Trägerrakete, wodurch das angemessen bedrohliche Bild eines Hammers entstand.

Und tatsächlich war es ja auch ein Hammer.

Einer, der schwer genug war, eine ganze Welt zu zertrümmern.

Von beiden Enden der Bombe gingen Kabelstränge aus, liefen über den zylindrischen Teil und verschwanden durch das Rahmenwerk im Innern des Fahrzeugs. Hier waren die gesamte Kommunikation und Kontrolle konzentriert.

Die Bombe selbst besaß keinerlei antennenartiges Gebilde. Rodrigo brauchte nur diese zwei Kabelstränge zu unterbrechen, und nichts als harmloses unentzündbares Metall würde übrigbleiben.

Obwohl er genau damit gerechnet hatte, erschien es ihm nun doch ein wenig zu leicht.

Er warf einen Blick auf seine Uhr: noch dreißig Sekunden, ehe die Hermianer Kenntnis von seiner Existenz erhalten konnten, selbst wenn sie gesehen hatten, wie er um die Nordbegrenzung Ramas herumgebogen war. Es standen ihm also mit absoluter Gewißheit fünf Minuten Zeit zur Verfügung, in denen er ohne Störung arbeiten konnte, und eine neunundneunzigprozentige Wahrscheinlichkeit, daß er länger Zeit hatte.

Sobald der Skooter völlig zum Stillstand gekommen war, verankerte Rodrigo ihn an dem Gerippe des Geschosses, so daß beide wie eine einheitliche starre Konstruktion wirkten. Dies kostete ihn nur ein paar Sekunden. Sein Werkzeug hatte er sich bereits vorher ausgesucht, und er kletterte sofort aus dem Pilotensitz. Der steife, starkisolierte Raumanzug hinderte ihn nur leicht in seinen Bewegungen.

Als erstes untersuchte er eine kleine Metallplakette, die die Inschrift trug: DEPARTMENT ENERGIETECHNIK ABTLG. D.

47, SUNSET BOULEVARD VULCANOPOLIS, 17464 AUSKÜNFTE ÜBER: MR. HENRY K. JONES Rodrigo erlaubte sich den Verdacht, daß in ein paar Minuten Mr. Henry Jones außerordentlich viel zu tun haben würde.

Die kräftige Drahtschere wurde rasch mit den Kabelsträngen fertig. Als die ersten Kabel getrennt waren, hatte Rodrigo höchstens beiläufig an das höllische Feuer gedacht, das da nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt gefesselt lag. Wenn sein Eingreifen dieses Höllenfeuer zum Aufflammen brächte — er würde es nie merken.

Er blickte wieder auf seine Uhr. Er hatte weniger als eine Minute gebraucht, und das bedeutete, daß er genau nach Zeitplan arbeitete.

Nun kam das zweite, das Sicherheitskabel, an die Reihe — und wenn das erledigt war, konnte er sich auf den Heimweg machen, direkt unter den Augen der empörten und frustrierten Hermianer.

Er hatte gerade begonnen, den zweiten Kabelstrang anzugehen, als er in dem Metall, das er berührte, ein ganz schwaches Zittern verspürte.

Erschreckt blickte er zurück auf die Trägerrakete. Der charakteristische blauviolette Schein einer aktivierten Rückstoßdüse waberte um einen der Kontrolljets. Die Bombe machte sich zu einer Richtungsänderung bereit.

Die Nachricht vom Merkur war kurz und vernichtend.

Sie traf zwei Minuten später ein, nachdem Rodrigo um die Krümmung Ramas verschwunden war.

AN COMMANDER ENDEAVOUR VON MERKUR SPACE CONTROL, INFERNO WEST. SIE HABEN EINE STUNDE ZEIT NACH ERHALTEN DIESER NACHRICHT, SICH VON RAMA ZU ENTFERNEN. SCHLAGEN VOR, MAXIMALBESCHLEUNIGUNG LÄNGS DER ROTATIONSACHSE, BESTÄTIGUNG DES EMPFANGS ERBETEN. ENDE.

Norton las die Durchschrift mit völlig ungläubigem Erstaunen, dann packte ihn der Zorn. Er mußte sich gegen den kindischen Impuls wehren, den Hermianern einfach zurückzufunken, daß seine gesamte Mannschaft sich innerhalb von Rama aufhalte und daß es Stunden dauern werde, sie alle zu evakuieren. Doch damit würde nichts gewonnen sein — außer daß man vielleicht den guten Willen und die Nerven der Hermianer auf die Probe stellte. Und warum hatten sie sich so wenige Tage vor dem Perihelion zu handeln entschlossen? Norton fragte sich, ob der ständig zunehmende Druck der öffentlichen Meinung mittlerweile so stark geworden sein konnte, daß die Verantwortlichen auf dem Merkur sich entschließen mußten, den (weitaus größeren) Rest der menschlichen Rasse mit einem Fait accompli zu konfrontieren.

Diese Erklärung schien nicht so recht plausibel, denn eine derartige sensible Bereitschaft des Eingehens auf Massenbedürfnisse war durchaus untypisch für die Merkur-Bürokratie.

Norton hatte nicht die kleinste Möglichkeit, Rodrigo zurückzurufen, denn er und sein Skooter lagen jetzt im Funkschatten Ramas und damit außer Kontakt, bis sie wieder auf Sichtlinie waren. Und das würde erst der Fall sein, wenn die Mission Rodrigos erfolgreich beendet — oder fehlgeschlagen war.

Norton blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten.

Er hatte immer noch reichlich Zeit: ganze fünfzig Minuten. Inzwischen war er sich über die wirkungsvollste Antwort an den Merkur klargeworden: Er würde die Nachricht völlig ignorieren und abwarten, welche Schritte die Hermianer als nächstes unternehmen würden.

Als die Bombe sich zu bewegen begann, war Rodrigos erstes Gefühl nicht Furcht im körperlichen Sinn gewesen; es war etwas viel Verheerenderes. Er glaubte felsenfest daran, daß das Universum strengen Gesetzen unterliege, die nicht einmal GOTT selbst durchbrechen konnte — ganz zu schweigen von den Hermianern.

Keine Nachricht konnte schneller als das Licht reisen; und er, Boris Rodrigo, hatte einen fünfminütigen Vorsprung gegenüber allem, was die Hermianer möglicherweise unternehmen konnten.

Das, was jetzt hier geschah, mußte ein Zufall sein — ein gespenstischer, vielleicht sogar ein tödlicher Zufall, aber nicht mehr. Irgendwie mußte zufällig ein Kontrollsignal an die Rakete abgegangen sein, während er die Endeavour verlassen hatte, und während er fünfzig Kilometer weit vorangekommen war, hatte die Nachricht achtzig Millionen Kilometer Raum überwunden.

Aber vielleicht handelte es sich ja auch nur um eine automatische Richtungsänderung, um einem Überhitzungsprozeß irgendwo in der Trägerrakete entgegenzuwirken. Es gab nämlich Stellen, an denen die Oberflächentemperatur nahezu fünfzehnhundert Grad betrug, und Rodrigo hatte sich die größte Mühe gegeben, sich so weit als möglich im Schatten zu halten.

Eine zweite Turbine stieß einen Feuerstrahl aus und korrigierte die Drehung der ersten.

Nein — dies war nicht bloß thermale Berichtigung.

Die Bombe justierte sich und wies nun direkt auf Rama zu… Es war zwecklos zu fragen, warum. Besonders in diesem Augenblick war dies zwecklos.

Aber es gab etwas, das zu seinen Gunsten sprach: das Geschoß war ein Mechanismus mit langsamer Beschleunigung. Ein Zehntel G war das Äußerste, was es erreichen konnte. Er konnte also weitermachen.

Er überprüfte die Halterungen seines Skooters an dem Halterungsgerüst der Bombe und überprüfte zum drittenmal die Sicherheitsleine, die seinen Raumanzug mit dem Skooter verband. Langsam stieg in ihm kalter Zorn auf, und er bestärkte ihn eigentlich nur in seiner Entschlossenheit. Sollte dieses Manöver etwa bedeuten, daß die Hermianer die Bombe ohne vorherige Warnung zünden würden? Daß sie der Endeavour keine Chance geben würden zu entkommen? Dies schien einfach unglaublich.

Es wäre nicht nur ein Akt erstaunlicher Brutalität, sondern eine Wahnsinnstat, die den Rest der Bevölkerung des Sonnensystems gegen die Hermianer einnehmen würde.

Und wieso hatten sie es für nötig befunden, die Garantien ihres eigenen Gesandten nicht einzuhalten?

Wie immer auch die Pläne der Hermianer aussehen mochten, sie würden nicht verwirklicht werden.

Die zweite Nachricht vom Merkur stimmte mit der ersten haargenau überein. Sie traf zehn Minuten nach dieser ein. Also hatten sie den Termin verlängert — und Norton hatte noch immer eine Stunde Zeit. Außerdem hatten sie offensichtlich abgewartet, bis eine Antwort von der Endeavour sie erreichen konnte, ehe sie ihre Warnung wiederholten.

Allerdings kam nun ein weiterer Faktor ins Spiel: inzwischen mußten sie Leutnant Rodrigo gesehen haben und hatten ein paar Minuten Zeit gehabt, ihre Entscheidungen zu treffen.

Inzwischen konnten die Befehle vom Merkur bereits auf dem Weg sein — sie konnten in jeder Sekunde eintreffen.

Norton hatte das Gefühl, er sollte sich besser bereitmachen, jeden Augenblick abzusetzen, denn der Rumpf Ramas, der den Himmel füllte, konnte sekundenschnell zu glühen beginnen: in einer vergänglichen Pracht, die die Sonne bei weitem überstrahlen würde.

Als der Hauptschub ansetzte, war Rodrigo bereits sicher verankert. Kaum zwanzig Sekunden später erstarb der Jetstrahl wieder. Rodrigo rechnete im Geiste rasch durch: Delta-V konnte nicht höher als fünfzehn Stundenkilometer gewesen sein. Die Bombe würde über eine Stunde brauchen, um Rama zu erreichen.

Vielleicht wurde sie ja auch nur genauer ausgerichtet, um ein rascheres Ergebnis zu garantieren.

Wenn dies zutraf, dann war das eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Allerdings hatten sich die Hermianer dafür zuviel Zeit gelassen.

Rodrigo warf wieder einen Blick auf seine Uhr, obwohl er mittlerweile ein präzises Zeitgefühl entwickelt hatte und sich eigentlich gar nicht mehr auf seiner Uhr vergewissern mußte.

Auf dem Merkur würden sie jetzt sehen, wie er zielstrebig auf ihre Bombe zusteuerte. Jetzt war er weniger als zwei Kilometer von ihr entfernt, und es gab für die Hermianer sicher nicht den geringsten Zweifel, was Leutnant Rodrigo beabsichtigte.

Und wahrscheinlich fragten sie sich beunruhigt, ob er seine Aufgabe bereits durchgeführt hatte.

Rodrigo hatte mit dem zweiten Kabelstrang so wenig Schwierigkeiten wie mit dem ersten.

Wie alle guten Handwerker hatte auch er seine Werkzeuge gut ausgewählt. Die Bombe war jetzt entschärft. Oder — um präzise zu sein — sie konnte nicht mehr durch Fernsteuerung gezündet werden… Allerdings gab es noch eine andere Möglichkeit, und Boris Rodrigo durfte sich nicht erlauben, sie zu übersehen. Es gab jetzt zwar keine äußeren Kontaktzündungen mehr, doch es konnte eingebaute geben, die durch Aufprall aktiviert werden würden. Die Hermianer waren noch immer in der Lage, die Flugbahn ihrer Trägerrakete zu bestimmen, und sie konnten sie zu einem Zusammenstoß mit Rama manövrieren, wann immer sie wollten. Rodrigos Aufgabe war noch immer nicht völlig beendet.

In fünf Minuten würde man ihn in einer Kontrollkabine irgendwo auf dem Merkur auf den Bildschirmen sehen, wie er an der Außenseite ihrer Rakete entlangkroch, die schlichte Drahtschere in der Hand, die die gewaltigste Waffe, die die Menschheit jemals zum Einsatz bringen wollte, wirkungslos gemacht hatte.

Fast fühlte Boris sich versucht, der oder den Kameras zuzuwinken, doch es schien ihm dann doch ein wenig würdelos: immerhin war er gerade dabei, Geschichte zu machen, und Millionen von Menschen würden künftig diese Szene im Fernsehen verfolgen. Das hieß, sofern es die Hermianer nicht vorzogen, in einem Anfall von Pikiertheit die Bänder zu vernichten.

Und er könnte es ihnen nicht einmal verdenken.

Er war jetzt an der Verankerung der Interspace- Antenne angekommen und hantelte sich Meter für Meter bis zu ihrem Ende, der großen Rundstrahlantenne, vor. Seine zuverlässige Drahtschere wurde auch mit dem multiplen Infosystem leicht fertig und kappte die Kabel ebenso leicht wie die Laser-Ortungsmechanismen.

Als er den letzten Draht durchgeschnitten hatte, begann die Antenne langsam zu kreisen.

Diese überraschende Bewegung verwirrte ihn einen Moment, doch dann wurde ihm klar, daß er die automatische Fixierung auf den Merkur unterbrochen haben mußte. Fünf Minuten später würden die Hermianer jeden Kontakt mit ihrem Sklaven verloren haben. Denn dieser Sklave war jetzt nicht nur aktionsunfähig, er war auch blind und taub geworden.

Rodrigo kletterte langsam wieder in seinen Skooter zurück. Er löste die Verankerung und wendete das Fahrzeug, bis die Vorderstoßstangen gegen die Rakete gepreßt waren, und zwar so dicht an ihrem Masseschwerpunkt wie möglich.

Dann zog er den Schub auf volle Kraft, soviel die Zellen nur hergaben, und hielt ihn dort etwa zwanzig Sekunden lang.

Da der Skooter es mit einer Masse zu tun hatte, die die seinige um ein Mehrfaches überstieg, reagierte er sehr langsam. Als Rodrigo den Antrieb auf Null drosselte, nahm er zugleich eine sorgfältige Analyse des Geschwindigkeitsvektors der Bombe vor.

Jetzt würde das Geschoß weit an Rama vorbeizielen.

— Außerdem könnte man es künftig nach Belieben wieder orten. Schließlich handelte es sich um ein äußerst wertvolles Stück Ausrüstung.

Und Leutnant Rodrigo war ein Mann von nahezu pathologischer Ehrlichkeit. Er wollte den Hermianern keinesfalls die Chance bieten, ihn der Veruntreuung ihres Eigentums zu beschuldigen.