126391.fb2 Seite 13 und andere Geschichten aus dem Union Club. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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18.Das Sternzeichen

»In der heutigen Zeitung wird mir eine glückliche Hand in Geldangelegenheiten vorausgesagt«, verkündete Baranov. »Ich habe also sofort mit einem Freund um fünfzig Cents gewettet, daß es am Nachmittag nicht regnet. Und was ist, wie ihr wißt, passiert? Es goß in Strömen. Soll ich die Zeitung verklagen ?«

»Mit dieser Voraussage spielst du vermutlich auf die Zeitungshoroskope an, was?« fragte ich mit vernichtendem Blick, denn ich hatte vorsorglich einen Schirm mitgenommen.

»Glaubst du, ich habe die Wettervorhersage gemeint?« entgegnete Baranov gereizt. »Selbstverständlich rede ich von den Horoskopen. Wer sonst sollte mir eine glückliche Hand in Geldangelegenheiten prophezeien?«

»In der Wettervorhersage hieß es >teilweise bewölkt<«, mischte Jennings sich ein. »Von Regen ist keine Rede gewesen.«

So schnell ließ ich mich jedoch nicht ablenken. »Eine dumme Frage ist noch längst nicht so schlimm wie der Glaube an diesen Hokuspokus. Seit wann ersetzt die Astrologie bei dir den gesunden Menschenverstand?«

»Es macht mir Spaß, die Zeitungshoroskope zu lesen«, verteidigte sich Baranov steif. »Außerdem kann ich mir den Verlust von fünfzig Cents leisten.«

»Die Frage ist allerdings, ob du dir auch diesen geistigen Abstieg leisten kannst«, konterte ich bissig.

Aus Griswolds Lieblingssessel in der Bibliothek des Union Clubs, wo wir uns wie immer versammelt hatten, kam leises Schnarchen. Alle Blicke wanderten in seine Richtung, als er plötzlich die Stellung wechselte, ohne auch nur einen Tropfen aus dem Glas Scotch mit Soda in seiner Hand zu verschütten.

»Über welches Thema wir auch sprechen«, flüsterte ich, »Griswold fühlt sich stets an eine Geschichte erinnert, die er erlebt hat. Aber ich bin sicher, daß er diesmal mit keiner Heldentat aufwarten kann, wenn wir ihn aufwecken und über Astrologie reden.«

»Die Wette nehme ich an«, meldete sich Baranov eifrig. »Ich setze fünfzig Cents. Vielleicht mache ich meinen Verlust wieder wett.«

In diesem Augenblick führte Griswold sein Glas an die Lippen. Ohne die Augen zu öffnen, trank er genüßlich einen Schluck und sagte: »Zufällig kann ich auch eine astrologische Geschichte erzählen. Also rück den halben Dollar heraus.«

Die letzte Bemerkung war an mich gerichtet, und Griswold schlug die Augen auf, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.

»Zuerst will ich die Geschichte hören«, entgegnete ich.

Eine der schwierigsten Aufgaben eines Geheimagenten ist es, andere Agenten anzuwerben -behauptete Griswold. Wie überredet man jemand dazu, sein Land zu verraten, ohne die eigene Position preiszugeben?

Ebenso problematisch ist übrigens die Lage der Person, die angeworben werden soll. Es hat Fälle von vollkommen loyalen Regierungsbeamten - ob nun aus der Zivilverwaltung oder dem Militärdienst - gegeben, die sich anwerben ließen, weil sie tatsächlich nicht begriffen, was gespielt wurde, oder weil sie glaubten, ihr Gesprächspartner mache Witze.

Wenn solche Leute dann, falls überhaupt, ihren ersten Bericht liefern, hat ein Beamter vom Staatsschutz manchmal schon Verdacht geschöpft, so daß ihre Karriere beendet ist, bevor sie überhaupt etwas Illegales getan haben.

Ich habe schon Fälle erlebt, wo der mit der Anwerbung betraute Agent absichtlich Mißtrauen gegen das Opfer gesät hat, um den Armen gegen den eigenen Staat aufzubringen, weil er zu Unrecht verdächtigt worden war. Die betroffene Person läßt sich dann meistens problemlos anwerben.

Der Mann, von dem ich euch erzählen möchte und den ich hier einfach Davis nenne, ist solchen Fußangeln aus dem Weg gegangen.

Er meldete einen ersten Annäherungsversuch durch einen Geheimagenten seinem Vorgesetzten, den wir Lindstrom nennen wollen, schon in einem Stadium, da es sich nur um ein harmloses Gespräch hätte handeln können. Aber die Sache passierte in jenen Jahren, in denen Senator McCarthy die öffentliche Meinung vergiftete und Staatsbeamte in eine Art Hysterie versetzte.

Davis war ein ehrlicher Mann. Obwohl er den Vorfall meldete, weigerte er sich, den Namen des Armeeangehörigen zu nennen, der ihn angesprochen hatte. Er begründete sein Verhalten damit, daß es sich vielleicht doch nur um eine harmlose Unterhaltung gehandelt haben konnte, und er nicht mutwillig die Karriere eines Unschuldigen zerstören wollte.

Diese Haltung brachte Lindstrom in eine prekäre Lage. Falls etwas schiefging, stand auch seine Stellung auf dem Spiel. Aber er war ebenfalls ein ehrlicher Mann, akzeptierte Davis' Vorbehalt, sagte ihm seine Unterstützung zu, und wies ihn an, so lange mitzuspielen, bis er sicher sein konnte, daß der betreffende Mann tatsächlich ein Verräter war. Dann erst sollte er den Namen dieser Person preisgeben.

Es lohnte sich, Davis als Agent anzuwerben. Meine Geschichte spielt in einer Zeit, als Computer allmächtig zu werden begannen, und Davis war einer der wenigen Beamten, die Zugang zu den statistischen Daten der Regierung hatten und damit in der Lage waren, in kürzester Zeit auch ohne Hilfe eines Computers persönliche Angaben über jeden einzelnen von Millionen von Menschen hervorzuzaubern.

Mit Davis hätte man daher das Instrument für eine Erpressungskampagne nie dagewesenen Ausmaßes in der Hand gehabt. Doch Davis, selbst Junggeselle, der sich Egoismus leisten konnte, dachte nur an eines, nämlich an sein Hobby.

Davis beschäftigte sich intensiv mit Astrologie. Allerdings erstellte er weder Horoskope noch sagte er anderen die Zukunft vorher. Sein Interesse war rein wissenschaftlicher Art. Er versuchte herauszufinden, ob sich tatsächlich eine Verbindung zwischen den Tierkreiszeichen und dem Charakter und den Lebensumständen eines Menschen herstellen ließ. Konkret untersuchte er, ob zum Beispiel die unter dem Tierkreiszeichen des Löwen Geborenen zum überwiegenden Teil Sportler waren, oder die Steinbock-Geborenen hauptsächlich wissenschaftliche Berufe ergriffen.

Ich bezweifle, daß er dabei je zu einem brauchbaren Ergebnis gekommen ist. Trotzdem war Davis von seinem Hobby wie besessen. In seiner Abteilung kursierte der Spruch, daß er sich oft nicht die Namen von Menschen merken konnte, wohl aber wußte, unter welchem Tierkreiszeichen sie geboren waren.

Schließlich gelangte Davis zu der Überzeugung, daß der Anwerbungsversuch ernst zu nehmen sei, und beschloß der Sache ein Ende zu machen. Er unterrichtete Lindstrom davon, daß der Mann ihn in seiner Wohnung besuchen würde, um letzte Einzelheiten zu besprechen, und daß er, Davis, Lindstrom gegen Mitternacht persönlich über den Verlauf der Unterhaltung informieren wolle.

Leider hatte Davis keine Erfahrung in diesen Dingen. Der Anwerber ahnte wohl, daß Davis seine Vorgesetzten ins Vertrauen ziehen würde, und wählte den direktesten Weg, ihn daran zu hindern.

Als Davis nicht zu der mitternächtlichen Verabredung mit Lindstrom erschien, fuhr Lindstrom zu dessen Wohnung. Er fand seinen Untergebenen dort mit Messerstichen auf.

Allerdings war Davis noch nicht tot. Der Schwerverletzte öffnete die Augen und starrte Lindstrom mit glasigem Blick an. Davis lag mit dem Oberkörper über einem kleinen Tisch und versuchte mit letzter Kraft nach vier Karteikarten zu greifen, die alle blutbefleckt waren.

»Hätte ... es ... wissen müssen«, brachte Davis mühsam heraus. »Tierkreis ... zeichen ... paßt ... nicht ... zum Namen.« Dann starb er.

Am darauffolgenden Tag gegen Mittag erhielt ich einen Anruf von Lindstrom, der mich bat, sofort zu ihm zu kommen. Ich zögerte, denn ich hatte eigentlich vorgehabt, mir das erste Spiel der Baseball-Mannschaft in meinem nagelneuen Fernsehapparat anzusehen, aber Lindstrom war so aufgeregt, daß ich keine andere Wahl hatte.

Als ich kam, hatte Lindstrom gerade eine Unterredung mit einem jungen Lieutenant, der noch niedergeschlagener wirkte als Lindstrom. An diesem Tag mußte die gesamte Abteilung völlig aus dem Häuschen gewesen sein. Kaum hatte ich Lindstroms Büro betreten, verabschiedete dieser hastig den Lieutenant und rief ihm noch gedankenlos hinterher: »Und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«

Lindstrom wartete, bis der Lieutenant gegangen war, öffnete dann vorsichtig die Tür, vergewisserte sich, daß der Korridor leer war und kehrte dann zu mir zurück.

»Sind Sie sicher, daß wir hier nicht abgehört werden können?« erkundigte ich mich sarkastisch.

»Ich habe alles nach Wanzen abgesucht. Es ist alles in Ordnung«, erwiderte er ernst. Dann berichtete er, was geschehen war.

»Schlimme Sache«, murmelte ich.

»Es ist eine Katastrophe«, entgegnete er. »Einer meiner Leute kannte den Namen eines Verräters unserer Abteilung, und ich habe ihn nicht gezwungen, ihn mir zu nennen. Jetzt habe ich den Mitarbeiter verloren - und den Verräter - und McCarthy wird sicher meinen Kopf fordern.«

»Muß er es denn unbedingt erfahren?«

»Natürlich. Es gibt in dieser Abteilung mindestens eine Person, die ihm ständig Bericht erstattet.«

»Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte?«

»Nein, eigentlich nicht. Die vier Karteikarten auf dem Tisch gehörten Davis. Er benutzte sie für seine Statistik über die möglichen Beziehungen zwischen Tierkreiszeichen und Charakter von Menschen. Das war sein Hobby. Aber lassen Sie mich erklären.« Und das tat er dann auch.

»Und weshalb lagen die vier Karteikarten auf dem Tisch?« erkundigte ich mich, als er geendet hatte.

»Keine Ahnung. Vielleicht haben sie gar keine Bedeutung. Jedenfalls galten sie vier Beamten dieser Abteilung, aber ich weiß nicht, was er damit vorhatte. Allerdings hat er in den letzten Minuten vor seinem Tod vergeblich versucht, nach einer der Karteikarten zu greifen, und dabei etwas von einer Diskrepanz zwischen Namen und Tierkreiszeichen gemurmelt.«

»Aber den Namen hat er nicht genannt?«

»Nein. Er lag im Sterben. Sein letzter Gedanke galt seinem Hobby, der verdammten Astrologie.«

»Dann wissen Sie also nicht, welche der vier Karteikarten er in die Hand nehmen wollte?«

»Nein. Und solange wir unserer Sache nicht sicher sind, stehen alle vier unter Verdacht. Und falls McCarthy sich einschaltet, können diese vier ihre Karriere an den Nagel hängen, Griswold. Sagen Sie, kennen Sie die Tierkreiszeichen?«

»Selbstverständlich. Widder, Stier, Zwilling, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fisch. Es sind zwölf und sie stehen in dieser Reihenfolge. Der Widder beherrscht den Monat, der am einundzwanzigsten März beginnt und dann folgt Monat für Monat ein anderes Tierkreiszeichen, bis sich der Kreis mit dem Fisch wieder schließt.«

»Ja, richtig«, sagte Lindstrom. »Ich hatte mir schon so den Kopf zerbrochen, ob er wohl mit seinen letzten Worten mir doch einen Hinweis geben wollte. Die einzige Möglichkeit wäre die, daß das Tierkreiszeichen, unter dem der Beamte geboren wurde, nicht mit seinem Namen übereinstimmt. Auf den Karteikarten stand außer dem Namen und den persönlichen Daten des jeweiligen Mitarbeiters auch sein Tierkreiszeichen.«

»Gibt es dabei irgendwelche offensichtliche Diskrepanzen ?«

»Nein. Der Zufall will es, daß die vier Beamten ausgesprochen gängige Namen haben. Sie heißen Joseph Brown, John Jones, Thomas Smith und William Clark. Ich kann da beim besten Willen keine Beziehung zu den Tierkreiszeichen herstellen.«

»Ist jeder der vier unter einem anderen Tierkreiszeichen geboren?« erkundigte ich mich.

»Ja.«

»Und was soll ich nun tun?«

Lindstrom sah mich verzweifelt an. »Helfen Sie mir. Ich habe die Karteikarten. Wir haben sie auf Fingerabdrücke untersucht und nur die von Davis gefunden. Sehen Sie sich die Karten bitte an. Vielleicht entdecken sie etwas, das Davis' letzten Worten Sinn gibt.«

»Vielleicht kenne ich die Antwort bereits. Der junge Lieutenant, der bei Ihnen war, als ich kam«, begann ich. »Es ist mir aufgefallen, daß Sie erst mit mir gesprochen haben, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß er fort war. Gehört er zu den vier Beamten, die auf der Liste stehen?«

»Ja. Er heißt Tom Smith.«

»Dann ist er der Mann, den Sie suchen. Nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, ist er in schlechter Verfassung. Rufen Sie ihn zu sich und nehmen Sie ihn im Beisein eines Zeugen ins Kreuzverhör. Ich bin sicher, er gesteht.«

Und er gestand. Wir hatten den Verräter, und die drei Unschuldigen, einschließlich Lindstrom, waren gerettet.

Griswold lehnte sich mit selbstgefälliger Miene zurück. »Griswold, die Geschichte ist erfunden«, sagte ich. »Es ist ganz unmöglich, den Schuldigen auf Grund der wenigen Informationen zu benennen.«

Griswold musterte mich hochmütig. »Für dich vielleicht. Ich habe erzählt, daß es während der ersten Spiele zur Baseball-Meisterschaft passiert ist. Es war also Anfang Oktober. Vom 22. September bis zum 22. Oktober regiert das Tierkreiszeichen Waage. Lindstrom hatte Smith zum Geburtstag gratuliert. Er mußte also unter dem Tierkreiszeichen Waage geboren sein.«

»Na und?« warf ich gereizt ein.

»Davis hatte gesagt, der Name passe nicht zum Tierkreiszeichen. Damit war allerdings nicht der Name des Mannes gemeint. Die Sternzeichen sind Teile des Zodiakus. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Tierkreis. Und wenn wir die Menschen auch zum Tierreich zählen, dann bleibt nur ein Zeichen, das nicht zu Widder, Stier, Krebs, Löwe, Skorpion, Steinbock, Fisch, Zwilling, Jungfrau, Schütze und Wassermann paßt, nämlich die Waage. Sie ist das einzige Sternzeichen, das nicht in den Tierkreis paßt. Da die Karteikarten vier Beamten derselben Abteilung zugeordnet waren, und ich einem Lieutenant begegnet war, der ausgesprochen schlecht aussah und außerdem unter dem Tierkreiszeichen Waage geboren worden war, schloß ich daraus, daß, falls sein Name auf einer der Karteikarten stand, er derjenige sein mußte, der nicht in das Schema paßte. Er war demnach der Mörder. Und wie sich herausstellte, hatte ich recht.«

Ich bezahlte Baranov also den halben Dollar, und der gemeine Kerl steckte ihn auch noch ein.