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19.Die Fuchsjagd

»Drogen sind ein spezifisches Problem des zwanzigsten Jahrhunderts«, bemerkte Jennings nachdenklich. »Von jeher haben Menschen Pflanzenblätter gekaut, um durch die darin enthaltenen aufputschenden Stoffe wie Kokain, Haschisch oder Nikotin die nüchternen Realitäten des täglichen Lebens zu vergessen. Und niemand hatte je Angst vor Sucht, körperliehen Schäden und einer verkürzten Lebenserwartung. Früher lag die durchschnittliche Lebenserwartung sowieso bei fünfunddreißig Jahren oder darunter.«

»Ich weiß«, seufzte Baranov. »Manchmal denke ich, man sollte den Leuten ihren Willen lassen. Raubüberfälle werden verübt, weil ein Süchtiger dringend Geld für einen >Schuß< braucht, und nicht, weil er sich gerade was gespritzt hatte. Ich möchte nicht unbedingt sterben, weil jemand sein Rauschgift nicht kriegt. Mein Leben ist mir wichtiger als das eines Süchtigen.«

Es kostete mich einige Überwindung, die vornehme Stille des Union Clubs nicht zu verletzen und meine Wut zu zähmen. »In eure Dickschädel geht es vermutlich nicht rein, daß Drogen nicht ausschließlich von Faulenzern, gescheiterten Studenten und Slumbe wohnern genommen werden, was? Das ist eine verdammt oberflächliche Betrachtungsweise. Wir alle, wir und unsere Kinder, sind potentielle Opfer. Im übrigen stehen uns dank unserer tüchtigen Chemiker heutzutage härtere Drogen zur Verfügung, als man sie je in der Geschichte der Menschheit herstellen konnte.«

»Ah, diese liberalen Wirrköpfe!« seufzte Baranov mit verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln. »An allem ist wieder einmal die Gesellschaft schuld. Selbst wenn wir versuchen würden, der Drogensucht ein Ende zu machen, würden wir versagen. Also?«

»Gut, dann versagen wir eben. Aber zuvor müßten wir's erst mal versuchen«, entgegnete ich ernst. »Wenn wir nichts dagegen unternehmen ... «

Aus den Tiefen des Lehnstuhls kam Griswolds dunkle Stimme: »Habt Ihr schon mal was gegen Drogenmißbrauch unternommen? Oder redet ihr nur schlau daher?«

»Und du?« stellte ich die Gegenfrage. »Hast du was dagegen getan?«

»Gelegentlich«, erwiderte Griswold.

»Ach, wirklich?« warf Jennings ein. »Warst du vielleicht mal beim Rauschgiftdezernat der Polizei?«

»Nein, aber ich bin von Beamten des Rauschgiftdezernats konsultiert worden. Man hat mich schon in allen möglichen Angelegenheiten um Rat gefragt, unter anderem auch in Fällen von Drogenmißbrauch. Aber das interessiert - euch ja nicht.«

»Wenn wir dir damit eine Freude machen können, lieber Griswold«, entgegnete ich spöttisch. »Also, erzähl schon.«

Das Problem bei Theorien auf dem Gebiet der Kriminalistik ist, daß sie dem einzelnen Vollzugsbeamten die Arbeit keinesfalls erleichtern -begann Griswold.

Ein Polizist, ein Finanzbeamter oder ein Geheimagent wird seinen Aufgaben nicht dadurch gerecht, daß er über die Auswirkungen sozialer Reformen oder psychiatrischer Gutachten nachdenkt. Jedes Verbrechen stellt ihn vor neue Probleme, denn kein Tatbestand und kein Täter gleicht dem anderen.

Alles läßt sich im Endeffekt auf ein ganz simples Katz- und Mausspiel reduzieren.

Das traf auch im Fall von Lieutenant Hoskins - der Name ist selbstverständlich frei erfunden - zu. Hoskins arbeitete beim Rauschgiftdezernat einer bestimmten Stadt und mußte mit den spezifischen Problemen seines Zuständigkeitsbereichs fertig werden.

Alles begann mit einer allgemeinen Kampagne der Presse, die das Problem einer ständigen wachsenden Drogenkriminalität aufgriff. Der Drogenmißbrauch wurde daraufhin Thema der Bürgermeisterwahl, und der Sieger versprach, mit eisernem Besen zu kehren, mit den skandalösen Verhältnissen aufzuräumen und dafür zu sorgen, daß die Schuldigen hinter Gitter kamen. Der Polizeichef gab öffentlich bekannt, er werde alle ihm zur Verfügung stehenden Einheiten auf das Problem ansetzen.

Konkret war es natürlich Hoskins, der entscheiden mußte, wie Drogenmißbrauch und Drogenhandel bekämpft werden sollten.

Es war einfach, aber nicht sehr wirksam, kleine Fixer zu ergreifen, deren Leben sowieso verkorkst war und die von den Pushers bis aufs Blut ausgesaugt wurden. Ebenso einfach war es, die Pushers zu schnappen, aber was sollte das nützen? Selbst wenn die Beweise zu einer Verurteilung ausreichten: Die Gefängnisse platzten schon aus allen Nähten, und für Neubauten gab es keine Mittel.

Der Drogennachschub mußte bereits viel dichter an der Quelle abgeschnitten werden. Genau das war Hoskins Aufgabe.

Im Lauf der Zeit gelang es ihm, durch mühsame Kleinarbeit das Liefersystem in seiner Stadt zu rekonstruieren. Dabei stellte sich heraus, daß wichtige Lieferungen immer mit dem Auto und von einer bestimmten Person durchgeführt wurden.

Die Methode war ganz einfach. Es wurde nicht einmal der Versuch gemacht, das Rauschgift zu verstecken. Es lag in einem Behälter unter dem Sitz des Fahrers, der gewöhnlich bei Morgengrauen mit dem Auto von A nach B fuhr.

Der Fahrer entpuppte sich als wahrer Verkleidungskünstler. Er wechselte ständig mit Hilfe von Kontaktlinsen, Brillen, den unterschiedlichsten Kleidungsstücken und Masken das Aussehen, und er benutzte nie denselben Wagen oder dieselbe Route zweimal.

Die Polizei gab ihm den Spitznamen der »Fuchs«. Und im Lauf der Zeit reduzierte sich die ganze Angelegenheit auf einen Privatkrieg zwischen Hoskins und dem Fuchs. Das ging sogar so weit, daß für Hoskin die Sache selbst weniger wichtig wurde, als sein Feldzug gegen den Fuchs.

Wir tranken ein Glas Scotch zusammen, als er sich mir anvertraute. Ich bin sicher, er hatte sein Geheimnis nicht preisgeben wollen und hätte seinen persönlichen Feind lieber ohne fremde Hilfe zur Strecke gebracht, aber letzten Endes blieb ihm nichts anderes übrig, als jede Unterstützung anzunehmen, die er bekommen konnte, wenn er siegen wollte.

»Dieser verdammte Kerl scheint zu allem Übel auch noch einen sechsten Sinn zu haben«, berichtete Hoskins. »Wie oft haben wir geglaubt, seine Route erraten zu haben, haben Straßensperren errichtet und sämtliche Autos gefilzt, ohne etwas zu finden. Wenn wir dann endlich aufgaben, hatte er meistens mit seiner Lieferung das Ziel auf anderem Weg ereicht. Er scheint unsere Aktionen schon im voraus zu riechen. Was wir auch tun, er findet immer wieder ein Loch, durch das er uns entschlüpft.

Es wäre ja halb so schlimm, wenn der Mann nach einem komplizierten System vorgehen würde«, fuhr Hoskins fort. »Aber nein, er fährt das Zeug ganz einfach von einem Ort zum anderen. Es ist eine Blamage für uns.«

»Was wissen Sie über ihn?« fragte ich.

»Nichts Genaues. Wir haben zahlreiche Hinweise, aber wir wissen nicht, wie glaubhaft die sind. Er muß mittelgroß sein, das ist alles. Ein Spitzel hat mal behauptet, er hinke leicht und sei farbenblind. Nach dieser Information haben wir den Spitzel nie wieder zu sehen gekriegt. Aus anderer Quelle haben wir erfahren, daß er gebildet sein und wie ein College-Professor reden soll. Die Frage ist nur, wie redet ein College-Professor. Es ist eben alles relativ.«

»Macht er diese Fahrten allein?«

»Ja. In diesem Punkt sind wir sicher«, erwiderte Hoskins. »Er scheint kaum der Typ zu sein, der einem Komplizen vertraut oder mit ihm teilt.«

»Ich dachte nur daran, daß er möglicherweise jemanden braucht, der ihm im Stadtverkehr an den Ampeln hilft, vorausgesetzt er ist wirklich farbenblind.«

Hoskins wehrte müde ab. »Verkehrsampeln sind für Farbenblinde kein Problem, habe ich mir sagen lassen. Sie können zumindest erkennen, welches der drei Lichter aufleuchtet.«

»Hätte er nicht trotzdem Schwierigkeiten gehabt, überhaupt einen Führerschein zu bekommen?«

»Ganz und gar nicht. In unserer Stadt werden die Kandidaten nicht mal auf Farbenblindheit getestet.«

Ich dachte eine Weile nach. Nach einem zweiten Glas Scotch mit Soda sagte ich schließlich: »Läßt es sich denn in etwa vorhersagen, wann und auf welcher Route die Lieferung erfolgen soll?«

»Wir haben einige Anhaltspunkte, minimale Informationen. Manchmal gelingt es uns, seine eventuelle Route und den Zeitpunkt zu erraten. Trotzdem haben wir ihn, wie gesagt, nie gefaßt.«

»Haben Sie nie daran gedacht, daß Ihre Methode mit Straßensperren, heulenden Sirenen und Schwärmen von Einsatzwagen vielleicht ein bißchen zu auffällig ist?«

»Was sollen wir denn sonst tun?«

»Zuerst einmal: keine Einsatzwagen und nur wenige Beamte in Zivil.«

»Was soll das nützen?« erkundigte sich Hoskins skeptisch.

»Postieren Sie einige Beamte an einer bestimmten Kreuzung mit Ferngläsern auf den umliegenden Hausdächern. Zwei Streifenwagen warten einige Straßen weiter und verfolgen jedes verdächtige Fahrzeug, das von den Beobachtern entdeckt wird.«

Hoskins seufzte. »Und woher sollen wir wissen, welches vorbeifahrende Auto das von uns gesuchte ist? Wenn wir den falschen Wagen erwischen, kriegt der Fuchs bestimmt sofort Wind davon und ändert seine Route oder bleibt gleich zu Hause.«

»Nein«, widersprach ich. »Wenn wir zuschlagen, dann werden wir uns den richtigen Wagen schnappen. Zumindest haben wir eine Chance, daß heißt, wenn er tatsächlich farbenblind ist, und wenn Sie meinen Rat befolgen und ihm eine Falle stellen.«

Ich erklärte Hoskins meinen Plan, und er begriff sofort, worauf ich hinauswollte. Aber das lag offen gestanden auch klar auf der Hand.

Wir mußten selbstverständlich warten, bis Hoskins wußte oder zu wissen glaubte, auf welcher Route die Lieferung erfolgen sollte. Sobald es soweit war, mußten wir uns eine Kreuzung aussuchen, die der Fuchs mit aller Wahrscheinlichkeit passieren mußte, und die im frühen Morgengrauen nicht allzu belebt war.

Die Polizei traf zum geeigneten Zeitpunkt ihre Vorbereitungen, und Hoskins und ich warteten mit Ferngläsern auf dem Dach eines nahe gelegenen Hauses.

»Glauben Sie, es funktioniert?« fragte Hoskins.

»Wenn nicht, ist nicht viel verdorben«, erwiderte ich.

Man fühlte sich einsam in der Stille des ersten Morgengrauens, doch unsere Spannung stieg, während unter uns ein Auto nach dem anderen über die Kreuzung rollte. Dann, ungefähr eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, hielt ein Wagen, der sich in nichts von den anderen unterschied, vor der Ampel.

»Jetzt haben wir ihn«, sagte ich.

Die Ampel schaltete um. Der Wagen fuhr weiter. Im nächsten Augenblick versperrten ihm zwei Streifenwagen den Weg. Als der Fahrer aus dem Wagen sprang und zu fliehen versuchte, wußten wir, daß wir recht gehabt hatten. Der Mann wurde verhaftet. Die Polizei stellte den Behälter mit Rauschgift sicher.

Damit war das Drogenproblem in der Stadt natürlich nicht gelöst, aber immerhin war der Nachschub einige Zeitlang empfindlich gestört. Hoskin war überglücklich, denn er hatte den Fuchs besiegt und für etliche Jahre hinter Gitter gebracht.

Griswolds Stimme war immer schläfriger geworden und verstummte schließlich ganz. »He, jetzt wird nicht geschlafen!« schimpfte Jennings sofort. »Wie hast du den Wagen des Fuchs' erkannt?«

Griswold zog die buschigen, weißen Augenbrauen hoch. »Es war ein Wagnis, aber wir haben gewonnen. Wir mußten davon ausgehen, daß, falls der Fuchs wirklich farbenblind war, er das rote Ampellicht vom grünen nur dadurch unterscheiden konnte, daß das eine oben und das andere unten angebracht war. Während wir auf Rot und Grün achteten, achtete er auf Oben und Unten.

Wir haben deshalb die Querstraße an jener Kreuzung gesperrt, damit dort kein anderer Wagen durchkam, die Ampel dann umgedreht angebracht und sie auf Dauer-Grün geschaltet.

Auf diese Weise konnten wir damit rechnen, daß nur ein Farbenblinder anhalten würde, der annehmen mußte, daß die Ampel Rot zeigte.

Als der Fuchs zur besagten Kreuzung kam, hielt er automatisch an und fuhr erst weiter, nachdem wir per Handbedienung die Ampel auf Rot geschaltet hatten. In diesem Augenblick konnten wir sicher sein, den Fuchs endlich in der Falle zu haben.«