Als vor drei Millionen Jahren das geologische Zeitalter Pliozän zu Ende ging, gab die Erde ein anderes Bild ab als heute. Aus der Vogelperspektive gesehen hatten die Kontinente schon ungefähr die Form, die wir kennen, aber es gab keine Polkappen und – was für uns von entscheidender Bedeutung ist – keine Landverbindung zwischen Nord- und Südamerika. Aus diesem Grund herrschte damals auch ein ganz anderes Klima.
Vor dem Entstehen Zentralamerikas waren die Landmassen im Norden und Süden so lange voneinander getrennt gewesen, dass man wirklich von zwei verschiedenen Kontinenten sprechen muss, auf denen sich unabhängig voneinander völlig andersartige Tier- und Pflanzengattungen entwickelten.
Könnte sich ein Zeitreisender in die Mitte des Pliozäns versetzen lassen, fände er eine Welt vor, die nicht nur reich an den verschiedensten Lebensformen war, sondern auch in einer Weise gesund, wie wir es uns heute kaum vorstellen können.
Menschen haben in einer solchen Zeit nie gelebt, in der sich die Welt eines vollkommenen klimatischen Gleichgewichts erfreute, was eigentlich auch ihr Normalzustand ist. Die kurze Periode der relativen Stabilität, die wir im Laufe der von uns erfassten geschichtlichen Zeit erfahren haben, hat sich im Rahmen einer Katastrophe eingestellt. Sie ist nur eine von vielen Pausen, die sich zwischen grausamen eisigen Äonen ergeben haben.
Seit drei Millionen Jahren befindet sich die Erde in einem unbarmherzigen Zyklus, in dem Eiszeiten und kurze Wärmeperioden einander abwechseln. Ein Blick auf die Welt in der Periode vor der jetzigen kommt der Vision von einem Garten Eden gleich.
Die Erholung von der Katastrophe, die die Saurier zerstörte, hatte lange gedauert, aber 10 Millionen Jahre danach, am Ende des Paleozäns, wimmelte es auf der Erde wieder von Leben. Mächtige rhinozerosähnliche Wesen mit sechs stumpfen Hörnern streiften über weite Savannen. Gejagt wurden sie von höchst eigenartigen Raubtieren mit Hufen und spitzen Zähnen – Fleisch fressenden Pferden.
Vor 40 Millionen Jahren setzte auf der Erde ein ungemein langer Abkühlungsprozess ein. Das warme, lebensfreundliche Eozän endete und wurde abgelöst durch das kühle, trockene Oligozän. Allerdings verlief der Übergang fast unmerklich. Große Verwerfungen blieben aus. Vor 11 Millionen Jahren bot sich andererseits sehr wohl ein enormer Unterschied dar.
Im Oligozän tauchten nach und nach neue Wesen auf. Das in unseren Augen Groteske, das die Tiere aus den Anfängen dieser großen Evolutionsepoche charakterisierte, wich effizienteren und erfolgreicheren Tieren. Man fragt sich, ob einige von den Urtieren – lächerliche Ausgeburten wie das gigantische Baluchuherium, ein unansehnlicher und entsetzlich schwerfälliger Fleischberg – angesichts ihrer Mühen bei Fortbewegung und Nahrungsaufnahme ein auch nur halbwegs erträgliches Leben geführt haben können. In den Anfangsjahren des Zeitalters der Säugetiere muss die Welt von enttäuschtem Brüllen, Blöken, Kläffen und Knurren widergehallt haben, wenn diese Wesen ihren unmöglichen Körper herumwälzten.
In dem Maße, in dem Grasland den Dschungel ersetzte, tauchten nach und nach zukunftsträchtigere Gattungen auf, deren Körper weitaus stabiler waren und uns von der heutigen Tierwelt her schon ziemlich vertraut sind.
Und die Abkühlung hielt an. Es war ein steter, langsamer Wandel, der auf eine langfristige Verringerung der Sonneneinstrahlung zurückgeführt wird. Man kann das nicht beweisen, aber andere Phänomene, die über einen so langen Zeitraum hinweg auf die Erde hätten einwirken können, sind kaum denkbar.
Dann, vor etwa sechs Millionen Jahren, im Pliozän, bahnte sich ein in der Erdgeschichte seltenes Ereignis an. Der antarktische Kontinent, der langsam in Richtung Südpol gedriftet war, begann eine Eiskappe zu bilden. Obgleich Meereis oft polare Gewässer zudeckte, war es eher die Ausnahme, dass auch Festland darunter verschwand.
Während der Kontinent vereiste, sank der Meeresspiegel so tief, dass das Mittelmeer erst ein Binnenmeer wurde und dann austrocknete. Beschleunigt wurde dieser Prozess durch das Versiegen der Flüsse, die es bis dahin gespeist hatten. So breitete sich im ganzen Mittelmeergebiet Dürre aus.
Infolgedessen verschwanden auch die afrikanischen Wälder, die Heimat unserer Vorgänger, der Primaten. Damit begann der lange Weg hin zum Menschen.
Das Wesen, das diesen Wandel bewältigen musste, war wahrscheinlich ein Proto-Affe, der Paranthropus robustus, der sich schnell über ganz Afrika ausbreitete.
In die gleiche Zeit fiel auch eine Periode geologischer Unruhe. Weltweit wurden Vulkane aktiv. Auch das führte zu Umwälzungen, allerdings zu keinen heftigen, sodass kein Massenaussterben folgte.
Der Vulkanismus wiederum bedingte ein aus geologischer Sicht höchst bedeutsames Ereignis, das wir, die Autoren, erdgeschichtlich für noch wichtiger halten als die Ankunft des Menschen.
Infolge der vulkanischen und plattentektonischen Aktivitäten erhob sich Zentralamerika aus dem Meer. Und es blockierte die so überaus wichtige Zirkulation der Meeresströmungen um den Äquator, die über Jahrmillionen zur Stabilisierung des Weltklimas beigetragen hatte.
Die erste Folge war, dass nordamerikanische Raubtiere wie der Säbelzahntiger Smilodon, eine der fürchterlichsten Katzen, die je auf der Erde gejagt haben, nach Südamerika wanderten und in einem wahren Blutrausch die Wälder ausplünderten. So verschwand im Laufe von mehreren 100 000 Jahren eine Reihe von außergewöhnlich plumpen Pflanzenfressern wie zum Beispiel das Nothrotherium, das offenbar so beweglich wie eine riesige Landschildkröte war, allerdings keinen schützenden Panzer besaß.
Die geografische Veränderung der Welt trug mit zum vermutlich größten Klimawandel der letzten 60 Millionen Jahre bei und läutete das große Aussterben ein, in dessen Verlauf schließlich wir auf der Bildfläche erschienen.
Unser Zweig der Primatenfamilie hat auf den unablässigen Druck einer Umwelt im Chaos reagiert und ist immer anpassungsfähiger und intelligenter geworden. In Afrika wich der Paranthropus höher entwickelten Primaten. Vor ungefähr drei Millionen Jahren begann der Australopithecus africanus durch die sich ausdehnende Steppe zu streifen. Der Australopithecus war ein Jäger, der es wohl auch verstand, Werkzeuge zu benutzen; er gilt als der Urahn der Menschheit. Er jagte wahrscheinlich in Gruppen, in denen eine hierarchische Struktur herrschte. Sein Verstand war dem des heutigen Schimpansen überlegen, aber das brauchte er auch, denn in seiner Welt herrschten harte Bedingungen. Dürre und ständiger Wandel setzten ihr zu, und um ihn herum starben Gattungen reihenweise aus.
Wegen der zentralamerikanischen Landbrücke wurden die Meeresströmungen in eine Nord-Süd-Richtung gezwängt. Damit begann ein neuer Wärmeaustausch zwischen den Tropen und der Arktis. Er brachte Wetter mit sich, wie es schon sehr lange nicht mehr auf der Erde geherrscht hatte.
Die erste Folge war offenbar ein massives Waldsterben, weil der Kohlendioxidgehalt in der Luft beträchtlich abnahm. Nach einer Million Jahre betrug er nur noch die Hälfte und sank weiter. Das bedeutete, dass die Atmosphäre entsprechend weniger Wärme speichern konnte. Zugleich bedingte die Umleitung der Ozeanströmungen ein heftigeres und wechselhafteres Klima. Die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten wurden dramatisch, und die riesigen Laubwälder, die sich bis in die Arktis erstreckten, wichen einer Taiga mit deren charakteristischen Nadelbäumen.
Die Winter wurden länger. Nord- und Südpol waren nun ganzjährig von Schnee bedeckt. Im Norden kroch das Eis südwärts voran und begrub die letzten Reste des alten Laubwaldes unter sich. Den Tieren wurde damit der Zugang zu ihrer Nahrung abgeschnitten, ein Kampf ums nackte Überleben brach aus. Vor dem Eis erstreckte sich über Tausende von Quadratkilometern die Taiga. Dort erwiesen sich Bären, die groß genug waren, um Menschen zu zerfetzen, als die vorherrschende Raubtierart.
Blizzards und Hurrikane wurden zu etwas Alltäglichem, und auch Tornados dürften über den Ebenen gewütet haben. In dieser Zeit ist wohl kein Supersturm von der Art aufgetreten, die den Übergang von einer Eiszeit zu einer Wärmeperiode markiert. Der blieb einer nicht allzu fernen Zukunft vorbehalten, und zwar unserer Zeit, in der er selten, aber mit verheerenden Folgen toben sollte.
Seit drei Millionen Jahren schmilzt und schrumpft die Eisdecke wieder, aber sobald dieser Vorgang unterbrochen wird und das Eis zurückkehrt, schnellt die Aussterbequote in die Höhe. Für den Südpol gilt das allerdings nicht. Auf dem antarktischen Kontinent kann sich das Eis nicht nach Norden hin ausdehnen, denn dort ist es von Meer umgeben. Das ändert freilich nichts daran, dass auch in der südlichen Hemisphäre die Gletscher in Neuseeland und Südamerika in Kälteperioden dramatisch anwachsen.
Die Welt befindet sich gegenwärtig in einer Phase, in der sich lange Eiszeiten und kurze Wärmeperioden abwechseln. Seit deren Beginn stehen sämtliche Lebewesen unter enormem Überlebensdruck. Vor etwa 50000 Jahren begannen alte Gattungen schneller auszusterben, als neue nachfolgen konnten.
Von schwierigen und sich ständig wandelnden Bedingungen bedroht, haben die Hominiden einen schnellen Evolutionsprozess durchlaufen. In dieser geologisch gesehen kurzen Zeitspanne hat es eine Serie von mindestens sechs Hominidengattungen gegeben, und jede hat sich besser auf den Umgang mit Werkzeugen verstanden als die vor ihr. Insbesondere Homo erectus, der Vorgänger des Homo sapiens, stellte, was Intelligenz betrifft, einen gewaltigen Sprung nach vorne dar. Wie wir bereits erörtert haben, belegen kürzlich gemachte Funde in Deutschland, dass der Homo erectus nicht nur Werkzeuge benutzte, sondern es beim Schnitzen von Lanzen zu wahrer Meisterschaft brachte. Darüber hinaus – Funde in Indonesien legen das nahe – war er in der Lage, über die Meere zu segeln.
Seit unseren Anfängen benutzen wir unsere Denkfähigkeit, um auf den Druck durch die Umwelt zu reagieren. Um überleben zu können, haben wir alle möglichen handwerklichen Fertigkeiten erlernt, vom Funkenschlagen mit Flintsteinen bis hin zum Nähen von Fellen, der Herstellung von Benzin oder der Isolierung mit Baustoffen. Wir sind Gelehrte, Architekten und Ingenieure geworden und haben komplexe Gesellschaften aufgebaut. Das alles haben wir als Reaktion auf die verschiedensten Formen des Drucks durch unsere Umwelt getan.
Im Augenblick liegt unser Problem darin, dass wir zu erfolgreich sind. Das führt dazu, dass unser Erfolg nun ebenfalls ein Bedrohungsfaktor geworden ist. Unsere Intelligenz hat es uns ermöglicht, uns bis über das natürliche Gleichgewicht hinaus zu vermehren, und ein Ungleichgewicht bleibt in der Natur nicht lange bestehen. Sofern das gegenwärtige Bevölkerungswachstum unverändert anhält, wird unser Planet in der Mitte dieses Jahrhunderts doppelt so vielen Menschen Nahrung, Kleidung und Schutz bieten müssen wie heute.
Auch wenn gesellschaftliche Einflüsse die Vermehrung leicht bremsen, haben sich die Menschen bereits jetzt in derart gigantischem Ausmaß verbreitet, dass selbst ein Wachstum von nur einem Prozent unweigerlich zu einer Katastrophe führt. Schlimmer noch, je wohlhabender wir werden, desto mehr verbraucht der Einzelne. Wir werden also nicht nur mehr, sondern nehmen uns auch mehr von der Erde. Und während unsere Zahl zunimmt, gehen wir weit über die Zerstörung anderer Arten durch maßloses Jagen hinaus: Wir vernichten sie, weil wir immer mehr Raum für uns in Anspruch nehmen.
Die neuen Zentren der Menschen wirken sich ähnlich aus wie die Lavaströme in der Zeit der Saurier – sie decken fruchtbare Erde mit einer harten, steinigen Schicht zu. Und wie die in der Vorzeit weltweit lodernden Brände nach dem Einschlag des Kometen, der das Ende der Saurier bedeutete, jagen heute wir riesige Mengen an Abgasen in die Atmosphäre.
Daraus ergibt sich logischerweise die Frage: Was können wir tun, um eine Naturkatastrophe noch zu verhindern? So wie nichts mehr die Auswirkungen des Kometeneinschlags auf die Saurier aufhalten konnte, haben wir es nicht in der Hand, die Folgen unseres Tuns für unsere Mit-Kreaturen und uns selbst gänzlich rückgängig zu machen. Doch wir können Strategien entwickeln, die das Desaster lange genug hinauszögern, um es uns zu ermöglichen, effektive Maßnahmen zu ergreifen, die die – noch – über unsere Welt herrschenden natürlichen Prozesse überlagern.
Trotz alledem bleiben wir freilich zusammen mit sämtlichen übrigen Lebewesen dem gewaltigen Zyklus unterworfen, der diesen Planeten beherrscht. Menschliches Tun allein hat den sich anbahnenden Klimawandel nicht herbeigeführt. Die gleiche Form der Veränderung hat sich bisher am Ende jeder Erwärmungsperiode ereignet, seit mit dem Entstehen der zentralamerikanischen Landbrücke die Meeresströmungen umgeleitet wurden und der Zyklus von Überhitzung und Unterkühlung entstand, in dem wir heute gefangen sind.
Aber wie ist es möglich, dass die Erde sich in nur drei Millionen Jahren so radikal verändern konnte – von blühender Artenvielfalt und stabiler Umwelt zu der jetzt herrschenden aberwitzigen Situation, in der ein tödlicher natürlicher Zyklus Milliarden von Lebensformen einschließlich der intelligentesten seiner Geschöpfe in eisigem Griff hält?
Um das zu klären, müssen wir noch etwas tiefer in die jüngsten Klimaveränderungen eintauchen, in die plötzliche Rückkehr der Kälte, die sich als roter Faden durch dieses Buch zieht, die Katastrophe, die sich vor ungefähr 8000 Jahren ereignete. Wenn es so etwas wie Superstürme gibt, dann könnte damals sehr wohl einer zugeschlagen haben. Er war vielleicht nicht mächtig genug, um das Eis zurückzubringen, aber beim nächsten Mal kommen wir womöglich nicht mehr so leicht davon.