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Der Supersturm wäre der sichtbarste Teil des Klimawandels, der uns schleichend aus unserer gegenwärtigen milden Periode in eine neue Eiszeit versetzt. Aber er wäre nicht der Anfang dieses Vorgangs. Vieles müsste geschehen, damit eine solche Katastrophe ausbrechen könnte, und es müsste eine Kettenreaktion geben. Das ist der Grund, warum der Sturm – wenn er sich denn überhaupt ereignet – so selten auftritt.
Die Kettenreaktion spielt sich so ab: Der Treibhauseffekt muss eingetreten sein, und er muss einen solchen Extremwert erreichen, dass die Arktis zu schmelzen beginnt. Von dem frei gewordenen Süßwasser muss ins arktische Meer eine Menge abfließen, die ausreicht, um es so stark zu erwärmen, dass der Temperaturunterschied zu den tropischen Gewässern verringert wird. Infolge der Angleichung der Temperaturen schwächt sich die Strömung ab.
Kann kein warmes Wasser mehr bis in die arktischen Gewässer vordringen, sinkt deren Temperatur. Das bedeutet die Unterbrechung der Luftzirkulation. Kalte Luft, die bisher hoch über der Arktis gebunden war, senkt sich und treibt südwärts ab. Weil zugleich warme Luft aus dem Süden nach Norden geströmt ist, kommt es zu einem Zusammenprall der Luftmassen. Verschlimmert wird die Situation durch die extreme Kälte der Stratosphäre. Je größer die Gegensätze bei der Kollision, umso gewalttätiger wird der Sturm toben.
Wenn all diese Voraussetzungen eintreten, sind verheerende Unwetter die zwangsläufige Folge. Es ist nicht auszuschließen, dass sie sich zu einem Supersturm ausweiten. Die Spuren, die vor 8000 Jahren entstanden sind, weisen darauf hin, dass die globale Erwärmung ein Ausmaß erreicht hatte, das der heutigen Entwicklung entspricht. Damals kam es zu einer plötzlichen Schmelze in der Arktis, und eine Flut von Süßwasser ergoss sich ins Meer. Auch heute ist laut australischen Ozeanologen in riesigen Bereichen der Weltmeere das Wasser schon weniger salzhaltig, und die Arktis verliert im Durchschnitt 80000 Quadratkilometer Eis pro Jahr.
Die Arktis schmilzt also bereits, und nach Lage der Dinge ist es nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis eine intensive Sommerschmelze eine Entwicklung einleitet, die einen Supersturm begünstigt.
Wenn der Sturm sich nach vier bis sechs Wochen verzogen hat, wird die nördliche Hemisphäre verheerende Schäden erlitten haben. Ein beträchtlicher Teil der nördlichen Halbkugel wird von Schnee bedeckt sein, und weite Gebiete werden unter einer hart gefrorenen, dicken Eisdecke liegen. Je nach der Jahreszeit, in der der Supersturm auftritt, wird er entweder eine neue Eiszeit einleiten, oder aber die bei einer Schmelze abfließenden Wassermassen lösen eine Flut biblischen Ausmaßes aus.
Wie weit sind wir davon entfernt? Dieses Szenario käme so schrecklich und unvermittelt über uns, dass wir uns die Folgen kaum ausmalen können. Und tatsächlich könnte es nur noch eine Frage von wenigen Jahren sein. Allein schon deshalb sollten wir uns das, was zurzeit geschieht, genau anschauen. Und wenn wir etwas ändern können, dann sollten wir schleunigst herausfinden, was es ist und wie wir es am besten angehen.
Als Erstes müssen wir die gegenwärtige Situation erfassen. Schon heute zeichnet sich eine Reihe von Phänomenen ab, die das Vorspiel zu einem Supersturm darstellen können. Zuallererst ist dabei die Antarktis betroffen. In einem Supersturm spielt sie zwar nicht unmittelbar eine Rolle, aber wenn von den schmelzenden Polkappen gewaltige Mengen an Süßwasser ins antarktische Meer fließen, wird dort das Wasser schlagartig bedeutend wärmer. Die um diese Zeit ohnehin geschwächte Sogkraft aus dem Norden wird dann kaum noch ausreichen, um die Zirkulation der ozeanischen Strömungen in dem Maße, wie wir es gewohnt sind, in Gang zu halten.
Gleichzeitig sind parallel zum Abnehmen der Ozonschicht über der Antarktis dramatische Veränderungen an der Eismasse beobachtet worden. Bereits 1988 lösten sich riesige Eisberge von dem Larsen-Schelfeis nahe der Landspitze von Südamerika. Und das war erst der Anfang. Bis 1998 ist die Hälfte des Schelfs Stück für Stück ins Meer gerutscht, und die andere Hälfte droht ebenfalls zu schmelzen.
1994 brach ein besonders großer Teil des Larsen-Schelfeises ab, eine Scholle von 34 Kilometern Breite und 70 Kilometern Länge. »Wir haben zwar vorausgesagt, dass das Schelf in den nächsten zehn Jahren auseinander bricht«, bemerkte dazu der argentinische Glaziologe Rodolfo Del Valle, »aber jetzt ist es schon nach weniger als zwei Monaten so weit.«
Die weitere Entwicklung in der Antarktis hat Del Valles schlimmste Befürchtungen noch in den Schatten gestellt. Im Februar 1998 löste sich eine 580 Quadratkilometer große Eisscholle vom Larsen-B-Schelf. Das veranlasste Dr. Ted Scambos vom National Snow and Ice Center in Boulder, Colorado zu der Mutmaßung, dass der Verlust eines derart massiven Teils die Umgebung extrem destabilisiert. Wörtlich sagte er: »Dinge, die jahrhundertelang stabil waren, sind es nicht mehr.« Als im März 1998 eine weitere Eismasse ins Meer stürzte, schrumpfte das Larsen-B-Schelf auf ein historisches Minimum. »Das könnte der Anfang vom Ende sein«, bilanzierte Scambos.
Die Zeitschrift The British Antarctic Survey hat einen ungewöhnlichen Rückzug des antarktischen Schelfeises im Verlauf der letzten fünf Jahre festgestellt. Im Januar 1995 hatte sich das Larsen-A-Schelf nach einem Verlust von beinahe 3000 Quadratkilometern Packeis vollständig aufgelöst. Jeder Quadratmeter Eis, der schmilzt, mindert den Salzgehalt des Meerwassers, und gerade vom Salzgehalt hängt die so wichtige Zirkulation der ozeanischen Strömungen ab. Ein Abnehmen des Salzgehalts in den arktischen und antarktischen Gewässern, in die die Strömungen münden, ist besonders gefährlich.
Der Grund für diese Entwicklung könnte nicht einleuchtender sein: Beide Pole erwärmen sich, und zwar schnell. Seit 1940 ist die jährliche Durchschnittstemperatur in der Antarktis um etwa zwei Grad gestiegen, in der Arktis sogar um beinahe drei Grad.
Sollten die dickeren Schelfeise der Antarktis wie das Ross oder das Filchner-Ronne auseinander brechen, würden sie den Meereshaushalt mit Unmengen von Süßwasser belasten.
Wenn die Schelfeise an den Rändern des Kontinents weiter schmelzen und zerfallen, ist ebenfalls mit einem erhöhten Abfluss zu rechnen.
Sowohl das reale Geschehen in der Antarktis als auch die Prognosen einer globalen Erwärmung lassen vermuten, dass das irgendwann tatsächlich der Fall sein wird. Doch als unmittelbare Bedrohung betrachten es die wenigsten unter den Experten. Ob sie die Lage richtig einschätzen, wird sich erweisen. Allerdings fand sich 1985 so gut wie kein Wissenschaftler, der einen auch nur annähernd so großen Verlust von Eis voraussagte, wie wir ihn heute erleben.
In einem Beitrag für die Nature-Ausgabe vom 23. Juni 1998 befasste sich Dr. Michael Oppenheimer mit der westantarktischen Eisplatte. Darin kam er zu dem Schluss, es bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Eisplatte irgendwann abschmelzen würde. Die Folge wäre die Überflutung weiter Küstengebiete auf dem gesamten Globus. Bezeichnenderweise befänden sich gerade dort zwei Dutzend der größten Städte der Welt mit mehr als einer Milliarde Einwohnern. Nun, immerhin in einem Punkt verbreitete der Aufsatz Optimismus: Demnach gilt es als nicht sehr wahrscheinlich, dass das in den nächsten fünfhundert Jahren geschieht. Allerdings lagen Dr. Oppenheimers Prognosen noch nicht die Entwicklungen in der Polarregion zugrunde, die heute beobachtet werden.
Im Juli 1998 dann erschien in Nature ein beunruhigender Bericht über einen der Gletscher, die für die Stabilität der westantarktischen Eisplatte von zentraler Bedeutung sind. Laut Dr. E. J. Ringot vom Jet Propulsion Laboratory schrumpft der Pine Island Glacier, der in die Amundsensee mündet, seit nun bereits vier Jahren. Der Kardinalpunkt – der Punkt, ab dem sich das Eis vom Festland löst und zu treiben beginnt – ist zwischen 1992 und 1996 um über einen Kilometer zurückgewichen. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, wird der Gletscher am Ende auseinander brechen und sehr schnell ins Meer abfließen. Das ist höchst beunruhigend, denn dieser große Gletscher gilt in der Wissenschaft als einer der Garanten für die Stabilität der westantarktischen Eisplatte. Wenn er wegfällt, könnte hinter ihm noch sehr viel mehr Eis abschmelzen. Weil Gletscher andererseits für ihre Unberechenbarkeit berüchtigt sind, kann gegenwärtig niemand sagen, wie groß die Gefahr tatsächlich ist. Es spricht allerdings wenig dafür, dass dieser Gletscher noch fünfhundert Jahre überleben wird. Für sein baldiges Auseinanderbrechen gibt es dagegen eine Fülle von Hinweisen.
Mit entscheidend für den Erhalt unseres gegenwärtigen Klimas sind zwei Faktoren: die Stabilität des Nordatlantikstroms und die Temperatur in der oberen Atmosphäre. Je größer die Temperaturunterschiede zwischen der oberen und der unteren Atmosphäre, desto extremer das Wetter. Und, wie wir gesehen haben, sinken die Temperaturen in der oberen Atmosphäre zurzeit rapide ab, weil die Treibhausgase die Wärme mehr und mehr daran hindern, nach oben zu entweichen.
Bedingungen, die letztlich zu einem Klimawandel führen werden, bauen sich jetzt gerade überall auf.
Wenden wir uns nun dem arktischen Packeis zu, bei dem Wissenschaftler 1997 und 1998 einen in dieser Form noch nie da gewesenen Schwund beobachteten. In Sibirien begannen Gebäude einzustürzen, als der Permafrostboden auftaute und Grundsteine absackten. In Alaska starben Millionen von Bäumen ab, weil Schmelzwasser ihre Wurzeln überflutete.
Im September 1998 erklärte die National Oceanic and Atmospheric Administration, dass der vorangegangene Monat weltweit der heißeste August seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und der achte Rekordaugust in einer ununterbrochenen Folge von »heißesten Monaten« gewesen war. Dem Bericht zufolge lagen 1998 die Durchschnittstemperaturen weltweit um 0,6 Grad Celsius über den Normalwerten. In Paris meldete das Thermometer im August beinahe 40 Grad, und Neu Delhi führte die Weltstädte mit einem Spitzenwert von 46 Grad an. Überall gab es einen weit größeren Temperaturanstieg, als 1995 selbst die radikalsten Erwärmungsmodelle vorausgesagt hatten. 1998 ging als das bisher wärmste Jahr in die Geschichte ein, und 1999 bestätigte sich, dass die Temperaturen viel schneller anstiegen, als man nur wenige Jahre zuvor vermutet hatte.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass wir in eine sich verselbständigende globale Erwärmung schlittern. In einem solchen Szenario verliert die Erde schließlich die Fähigkeit, genügend Wärme abzustrahlen, und die Atmosphäre kapselt sich in einem Prozess unaufhaltsamer Erwärmung ab. Binnen weniger Jahre erreichen die Temperaturen einen Punkt, von dem an die Umwelt, wie wir sie kennen, zusammenbricht und die Erde wegen der dann radikal zunehmenden Erwärmung letztlich nicht mehr in der Lage ist, Menschen oder andere höhere Lebensformen zu ernähren. Bevor es so weit kommt, ist freilich davon auszugehen, dass das Klima sein Gleichgewicht wieder findet. Anhand von grönländischen Eishöhlen ließ sich feststellen, dass es vor der letzten plötzlichen Abkühlung schon einmal ein unvermitteltes Ansteigen der arktischen Temperaturen um über 15 Grad gegeben hat, das wahrscheinlich auf ein oder zwei Jahre beschränkt war.
Was unser Wetter bestimmt, sind die ozeanischen Strömungen, genauer gesagt, die Art und Weise, wie sie zirkulieren und Wärme über diesen Planeten verteilen. Wenn sich die großen ozeanischen Strömungen verändern, wandelt sich mit ihnen auch das Wetter. Und bei plötzlichen Veränderungen in diesen Strömungen reagiert das Klima nicht minder schnell. 1997 berichtete Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimaforschung, dass der Golfstrom durch erhöhte Süßwasserzufuhr in den Nordatlantik bereits geschwächt ist. »Die Nordatlantikströmung hat eine bestimmte Toleranzschwelle. Wird sie überschritten, kann der Zyklus abrupt zusammenbrechen.« Seinen weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, dass dies im 22. Jahrhundert der Fall sein könnte. Doch, so warnt er, »es könnte auch viel früher geschehen«.
Unsere Modelle zur globalen Erwärmung beruhen auf der Menge an Kohlendioxid, die die Menschheit in die Luft entweichen lässt. Dieses Gas wird vom Menschen erzeugt – der Betrieb von Maschinen, die auf Verbrennung beruhen, Erzeugung von Strom mit Kohle und Öl usw. – und mindert die Fähigkeit der Luft, Wärme nach außen abzugeben, die sie von der Sonne absorbiert.
Der Mensch erzeugt gegenwärtig jährlich etwa so viel Kohlendioxid, wie beim Ausbruch eines kleinen Vulkans entsteht, aber anders als Vulkane hören wir nie auf, Gase auszuspucken. Keines unserer Modelle sieht eine ungeplante Reduktion des Kohlendioxidausstoßes vor, und ausnahmslos zeigen sie alle, dass der Gasanteil in der Atmosphäre rapide zunimmt, eine Entwicklung, die sich im 20. Jahrhundert ununterbrochen fortgesetzt hat.
Allerdings begann der Ausstoß von Kohlendioxid auf einer sehr niedrigen Stufe. Sein Gehalt in der Atmosphäre war in den letzten drei Millionen Jahren unglaublich niedrig. Gemessen an dem, was sich auf der Erde abspielt, ist er immer noch so gering, dass er so gut wie keine isolierende Wirkung hat. Ja, in der gesamten geologischen Geschichte sind die Werte nur einmal niedriger gewesen. Das war vor 300 Millionen Jahren, lange vor dem Zeitalter der Saurier, als die Grundbedingungen den heutigen sehr ähnlich waren. Damals spannte sich über das heutige Südafrika eine gewaltige Eisdecke, und das Weltklima war rau und kalt.
Wann immer in der Vorzeit die Eisbedingungen zurückkehrten, stiegen zuvor die Werte der Treibhausgase an, um danach jäh abzufallen. In ihrem damaligen Sinken spiegelt sich womöglich der plötzliche Klimawandel wider, den wir hier erörtern.
Momentan befinden wir uns irgendwo auf dem Weg zu diesem Wandel. Die Temperaturen in der Stratosphäre fallen. Die Oberflächentemperaturen dagegen steigen, vor allem in der Arktis.
Anfang 1999 meldeten Wissenschaftler, die ein Jahr an Bord des kanadischen Eisbrechers Des Groseilliers verbracht hatten, dass die Eiskappe am Nordpol unerwartet schnell schmolz – und dass die Zerstörung des nördlichen Eises offenbar noch schlimmere Folgen hat als das, was im Süden geschieht.
Im Rahmen des an Bord der Des Groseilliers geführten Projekts SHEBA (Surface Heat Budget of the Arctic), an dem sich insgesamt 170 Wissenschaftler beteiligten, wurde anhand von Messungen ermittelt, in welchem Zustand sich die Arktis befindet. Ihr Ergebnis bestätigt, was wir in diesem Buch festgestellt haben: Vermehrte Eisschmelze führt zu einem verminderten Salzgehalt im benachbarten Meer, und das bedeutet zunehmende Labilität des Eises in kurzen Er-wärmungs- und Kältephasen.
In den 1970er Jahren war das arktische Eis im Durchschnitt drei Meter dick. Was dann 1997 geschah, hat der Leiter des SHEBA-Projekts, Donald K. Perovich, so beschrieben: »Unser erstes Problem bestand darin, eine Scholle zu finden, die dick genug war. Wir stießen auf keine Proben, die dicker als eineinhalb bis zwei Meter waren.« Mit anderen Worten: In nur zwanzig Jahren hat das Eis beinahe die Hälfte seiner Masse eingebüßt.
Das Arktische Meer, das flach und damit anfällig für rasche Veränderungen ist, wenn es von Süßwasser überflutet wird, stellte sich als wärmer und salzärmer heraus, als es 22 Jahre zuvor gewesen war. Das bedeutet, dass eine beträchtliche Eismenge vor dem Anlaufen von SHEBA geschmolzen war. Seit März 1999 neigt eine Reihe von Wissenschaftlern zu der Vermutung, dass in wenigen Jahren ein großer Teil des arktischen Eises zumindest in den Sommermonaten offenes Meer sein wird. Und allem Anschein nach wird es binnen weiterer 25 Jahre bis zu 70 Prozent seiner Masse verlieren.
Und damit noch nicht genug! Im März 1999 ließ außerdem die Zeitschrift Science verlauten, dass die grönländische Eisfläche schrumpft. Wie in der Antarktis bedeckt das Eis auf Grönland festen Boden. Sein Schmelzen wird darum ein Ansteigen des Meeresspiegels zur Folge haben. Schlimmer noch, es könnte zum gleichen Eisbruch wie in der Antarktis kommen, und das Eindringen gewaltiger Süßwassermengen in die Ozeane würde verheerende Überschwemmungen auf der ganzen Welt nach sich ziehen.
In bis dahin unvermessenen Teilen der östlichen Eisplatte von Grönland hatte das Eis in den vorangegangenen fünf Jahren pro Jahr beinahe 20 Zentimeter eingebüßt. Näher bei der Küste betrug der Verlust im Schnitt 80 Zentimeter. Offenbar fließen die Grönlandgletscher weit schneller als erwartet ins Meer. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Abrutschens der gesamten Schnee- und Eismasse.
Dr. Gerard Bond vom Lamont-Doherty Observatory der Columbia University hat bestätigt, dass der durch die Schmelze von immer mehr Eisbergen bedingte Abfluss von Süßwasser ins Meer die ozeanischen Strömungen so beeinträchtigen und zum Versiegen bringen würde, wie wir es beschrieben haben. Dr. George Alley erklärte dazu, es bestünde die Möglichkeit, »dass noch mehr Süßwasser im Atlantik den Wandel gewaltig beschleunigen würde«. Laut der New York Times vom 5. März 1999 zog er in diesem Zusammenhang einen Vergleich mit dem Umlegen eines Lichtschalters: »Ein leichter Druck mag das System vielleicht noch nicht zum Laufen bringen, aber sobald der Druck einen gewissen Punkt erreicht, geht es schlagartig los.«
Den Prozess, der dann in Gang gesetzt wird, haben wir ausführlich anhand von Beispielen aus der Vergangenheit erörtert, die allesamt darauf hinweisen, dass es schon öfter plötzliche Klimaveränderungen gegeben hat.
Und die Lage könnte ernster sein, als viele vermuten. »Die Wissenschaftler haben keine Ahnung, wie nahe der Schalter dem Umkippen ist«, warnte Dr. Alley.
Fassen wir zusammen. Für einen plötzlichen Klimawandel und den Supersturm liegen bereits folgende Voraussetzungen vor:
1. Die Luft an der Erdoberfläche lässt wegen des Treibhauseffektes immer weniger Wärme entweichen. Infolge dessen kühlt die obere Atmosphäre immer stärker ab. Je extremer die Temperaturunterschiede, desto heftiger das Wetter.
2. Der Arktische Ozean wird salzärmer und wärmer. Gleichzeitig schmilzt das Polareis, und der Abfluss von den Eisbergen nimmt zu.
3. Das antarktische Treibeis schmilzt ebenfalls und über flutet den Südatlantik mit Süßwasser.
4. Die ozeanischen Strömungen werden schwächer.
Worauf läuft all das hinaus? Wann kommt der Supersturm tatsächlich?
Wir wissen es nicht. Nur, wenn der Klimaschalter kippt, dann geschieht alles sehr schnell.
Wenn ein Wärmeeinbruch genügend arktisches Eis schnell genug zum Schmelzen bringt, ist die Bühne für den Zusammenbruch der nordatlantischen Strömung bereitet. Und wenn das geschieht, tritt auch das klimatische Chaos ein, über das wir in diesem Buch spekuliert haben. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge ist diese Situation unausweichlich. Der Supersturm kommt, nur weiß niemand, wann.
Wird er so heftig sein, dass er eine neue Eiszeit auslöst, oder wird er nur eine große Katastrophe mit sich bringen? Auch das vermag niemand zu beurteilen. Können wir etwas dagegen unternehmen? Zum Glück, ja.