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New York hatte wieder einmal einen verregneten Sommer. Ein grauer Tag folgte dem anderen. Niemals gelang es der Sonne, mehr als ein paar Stunden auf die hohen Häuser der Stadt zu sehen. Irgendwie schien es, als sei auf der ganzen Welt mit einem Male das Wetter schlecht geworden. Die großen Ebenen im mittleren Westen verdörrten unter sengender Sonne. Am Äquator fiel Schnee, und überall an den Küsten rollten unheimlich drohend schwere Wasser gegen die Wellenbrecher einer früheren Generation. Immer wieder hörte man, daß übergroße Eisberge sich von der Eiskappe am Nordpol lösten, und selbst ungeübte Stadtbewohner konnten beobachten, daß die Schar der Zugvögel von Jahr zu Jahr spärlicher wurde. Aus Asien kamen Berichte über schäumende Aufstände, und aus London hieß es, daß die allgemeine Kriminalität zunehme.
Shawn Rogers hatte New York an einem solchen regnerischen Tag verlassen. Während er über die Autobahn nach Westen fuhr, konnte er hören, wie seine Reifen über dem nassen Asphalt sangen.
Fast fünf Jahre lang hatte er seinen Mann nicht mehr gesehen. Wie er sich wohl fühlte?
Natürlich hatte er jeden Tag die Berichte seiner Agenten gelesen, die seit fünf Jahren ihren Mann nicht aus den Augen gelassen hatten. Sie waren überall: sie brachten ihm die Milch, seine Brötchen und arbeiteten für ihn schweißtriefend auf den Feldern. Am Ende eines jeden Monats hatte sein Sekretär ihm eine kleine Zusammenfassung vorgelegt; ohne daß er auch nur die geringsten Anhaltspunkte gegen oder für eine Identität Martinos hatte finden können.
Rogers zog seine Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln nach oben. Wie er wohl die Nachricht auffassen würde, die er ihm jetzt brachte?
Er brachte seinen Wagen wenige Schritte von der Farm entfernt zum Stehen. Er kannte sie ganz genau: seine Leute hatten sie mal photographiert.
Das Haus sah jetzt gut gepflegt aus; es hatte einen neuen Anstrich bekommen und neue Fensterläden. Ein kleiner frischgemähter Rasen lag davor mit tiefgeschnittenen Hecken an seinen Rändern. Hinter dem Haus sah man die Scheune; sie machte einen sauberen, soliden Eindruck. Dazwischen lag der Küchengarten, dessen Beete den ordnenden Sinn einer geometrischen Exaktheit verrieten. Rogers trat durch das Tor in den Garten. Ein Hund kam auf ihn zu und beschnupperte ihn brummend. Regen lief in Strömen über seinen glatten Rücken. Mit ein paar schnellen Schritten durchquerte Rogers den aufgeweichten Vorplatz und sprang auf die nächstgelegene Tür zu. Als er sie erreicht hatte, stand er vor seinem Mann, der, noch in seinen Arbeitskleidern, im gleichen Augenblick in die Tür getreten war.
Sein Gesicht schien verändert. Kleine Kratzer bedeckten seine ehemals glatte Oberfläche und brachen das Licht mehr, als sie es reflektierten. Seine Augen waren immer noch stechend und scharf. Seine Stimme dagegen war trockener geworden, und er schien nur sehr mühsam Worte hervorbringen zu können.
»Herr Rogers.«
»Hallo, Herr Martino.«
»Kommen Sie herein.« Der Mann trat etwas zur Seite, um seinen Gast vorbeizulassen.
»Danke. Ich weiß, daß ich eigentlich hätte anrufen sollen, aber ich wollte sicher gehen, daß wir uns genügend lange unterhalten könnten.« Rogers blieb einen Augenblick stehen. »Ich habe Ihnen nämlich etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, wenn Sie mir etwas Zeit opfern wollen.«
Der Mann nickte. »Hm. Ich habe zwar noch eine Menge Arbeit, aber ich glaube, daß es Ihnen nichts ausmacht, wenn Sie mitkommen und mir dabei erzählen. Ich habe übrigens gerade mein Mittagessen fertiggekocht. Wollen Sie etwas mitessen?«
»Danke.« Rogers zog seinen Regenmantel aus und gab ihn dem Mann, der ihn auf einen Haken hinter der Küchentür hängte.
»Wie geht es Ihnen, Herr Martino?«
»Gut. Dort steht ein Stuhl. Setzen Sie sich. Ich hole das Essen.« Von einem Bord holte er zwei Teller und stellte sie auf den Tisch.
Rogers saß steif auf seinem Stuhl und sah sich gelangweilt in dem Raum um.
Die Küche war sauber und zweckmäßig eingerichtet. An den Fenstern waren Vorhänge, und auf dem Boden lag neuer Linoleum. Nirgends sah er schmutzige Teller oder anderes ungewaschenes Geschirr. Selbst das Spülbecken sah aus, als würde es jeden Tag mindestens einmal geschrubbt. Überall herrschte Ordnung: die sauberen Teller standen hintereinander wie horizontal gelandete fliegende Untertassen.
Rogers versuchte sich vorzustellen, wie der Mann das wohl alles schaffte: Waschen, Bügeln, Gardinen aufhängen und alle die vielen anderen kleinen und großen Dinge eines Haushaltes. Es war offensichtlich, daß hier ein straffer Geist die Dinge ordnete. Nirgendwo schien Zelt verloren.
Der Mann brachte das Essen: Kartoffeln, Rote Beete und für jeden ein dickes Stück Schweinelende. »Nehmen Sie Kaffee? Ich habe gerade frischen gebraut.«
»Ja. Ich trinke ihn schwarz.«
»Wie Sie wollen.« Das Metall seiner künstlichen Hand knirschte an dem Henkel der Tassen. Der Mann sah beschäftigt aus und unnahbar, als er sich setzte und zu essen begann. Er aß schnell und schien irgendwie ungeduldig; er wollte mit dem Essen fertig werden, um sich erneut in die Arbeit stürzen zu können. Rogers fand keine Gelegenheit, ihn anzusprechen, und mußte wohl oder übel versuchen, ebenso schnell, zu essen wie sein Gegenüber.
Als er mit dem Essen fertig war, stand er auf, räumte den Tisch ab und trug das Geschirr in das Abwaschbecken. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir spülen helfen würden. Dann sind wir schneller fertig.«
»Gewiß, gern.« Rogers trocknete gewissenhaft die Teller und Messer ab, die der Mann ihm zügig hintereinander reichte. Fünf Minuten später verließen sie die Küche und traten in den schmalen Flur.
»Bin gleich zurück«, sagte der Mann. Er war in einen Nebenraum gegangen und hatte eine Schublade geöffnet. Er kam mit einer langen Verbandsrolle zurück und begann sogleich, etwas umständlich, aber nicht ungeübt, seinen Metallarm einzuwickeln. An den beiden Enden befestigte er Sicherheitsnadeln. Dann holte er eine kleine Ölkanne aus dem Schrank und tränkte den bandagierten Arm in seiner ganzen Länge. »Es bleibt mir nichts anderes übrig«, sagte er zu Rogers. »Wenn ich es nicht tue, setzt sich Staub und Schmutz in die Gelenke und leiert sie aus.«
»Ich verstehe.«
»Ich bin fertig, wollen wir gehen?«
Rogers folgte seinem seltsamen Gastgeber durch den Regen hinüber zur Scheune. Wieder kam der Hund und schnupperte an seinem Mantel. »Geh’ in deine Hütte, du dummer Kerl. Du wirst ja ganz naß. Geh’, Prinz, geh’.« Der Hund wandte sich ab und verschwand hinter dem Haus.
»Er heißt Prinz? Ein schöner Hund. Welche Rasse?«
»Bastard. Er schläft in einer Tonne hinter dem Haus.«
»Er schläft nicht im Haus?«
»Er soll ein Wachhund sein.« Der Mann sah Rogers an. »Ein Hund, wissen Sie, ist ein Hund. Wenn ein Mann keinen anderen Freund hat als einen Hund, so besagt das, daß er mit seinen eigenen Leuten nicht auskommt.«
»Nicht unbedingt. Sie haben den Hund doch gern?«
»Ja.«
»Schämen Sie sich dessen?«
»Versuchen Sie, mich schon wieder zu jagen?«
Rogers sah zu Boden. »Entschuldigen Sie, Herr Martino.«
Sie hatten die Scheune erreicht. In der Mitte stand ein Traktor, daneben eine Schüssel mit altem Getriebeöl. Der Mann ging gleich an die Arbeit, ohne sich weiter um Rogers zu kümmern. Er breitete eine grüne Persenning aus und legte seine Werkzeuge fein säuberlich nebeneinander. »Ich muß das Getriebe heute noch reparieren«, sagte er. »Ich habe den Traktor aus zweiter Hand gekauft, und der Bursche, der ihn vor mir gehabt hat, hat die Gänge derartig ruiniert, daß ich sie jetzt schon auswechseln muß. Morgen will ich einige Felder eggen.«
Er lag schon unter dem Traktor und löste die Schrauben der Ölwanne. Ob er noch an Rogers dachte war nicht zu erkennen.
Rogers war der Verzweiflung nahe. Er wurde des Stehens müde und suchte nach einer Sitzmöglichkeit. Er fand eine alte Kiste, die er neben dem Traktor aufbaute. Jetzt konnte er den Mann arbeiten sehen. Obwohl er schon am Morgen das Öl abgelassen hatte, tropfte es immer noch in langen, zähen Strähnen aus der Wanne. Rogers konnte sehen, daß der Mann seinen Mund und seine Augenöffnungen geschlossen hatte und nach Gefühl arbeitete. Schmutziges Öl lief breiig über seinen Metallkopf.
Rogers beobachtete den Mann zehn Minuten lang, dann endlich kroch dieser unter dem Fahrzeug hervor und öffnete seinen Augenschacht.
»Ich bin hierher gekommen, um Sie zu fragen …«
»Einen Augenblick —«. Der Mann war aufgestanden und zu einer kleinen Werkbank gegangen, die an der Seite der Scheune aufgebaut war. Er hielt das Getriebe gegen das Licht und fluchte. »Ein Mensch hat kein Recht, eine Maschine zu kaufen, wenn er nicht gewillt ist, sie auch richtig zu behandeln. Dieses Getriebe ist eine saubere Konstruktion, und niemand sollte normalerweise Schwierigkeiten damit haben. Keine Maschine wird Sie je enttäuschen, wenn Sie sie richtig behandeln, wenn Sie sie dazu brauchen, wozu sie gebaut wurde. Man muß sie nur verstehen. Das ist alles. Es gibt kaum eine Maschine, die ein normaler Mensch nicht verstehen kann. Leider glauben die meisten, daß man für eine Maschine kein Verständnis aufzubringen braucht. Was ist schon eine Maschine? Ein paar Metallstücke, die man jederzeit ersetzen kann.
Aber ich will Ihnen mal etwas sagen, Herr Rogers —« Er sah quer durch die Scheune auf seinen Gast. »Selbst so schenken Sie Maschinen keine Beachtung. Maschinen sprechen nicht. Sie sagen Ihnen nicht, was ihnen fehlt. Sie tun nichts anderes, als das, wofür sie gemacht wurden. Sie stehen da und arbeiten, während Sie im Inneren bereits angefangen haben, auseinanderzufallen. Vielleicht sind es nur noch ein paar Stunden bis sie aufhören, ein Feld zu pflügen, Wasser zu pumpen oder Elektrizität zu erzeugen. Vielleicht fliegen sie im nächsten Augenblick auseinander. Und davor haben die Menschen Angst. Ein wenig zuerst und dann immer mehr. Sie mißtrauen ihnen und behandeln sie schlecht. So ist es kein Wunder, wenn die Fabrikanten von heute nur noch Schund auf den Markt bringen. Es ist eine Schande.«
Er legte das alte Getriebe auf die Werkbank und brachte ein neues zum Traktor.
»Herr Martino«, begann Rogers.
»Ja?« fragte der Mann und legte sich auf die Persenning.
Rogers wußte auf einmal nicht mehr, wie er es dem Mann sagen sollte.
»Herr Martino, ich bin hier als der offizielle Vertreter der Regierung der Alliierten Nationen. Ich habe die Aufgabe, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten.«
Der Mann knurrte vor sich hin. Er lag wieder unter dem Fahrzeug und paßte vorsichtig das neue Getriebe in sein Gehäuse.
»Offen gestanden«, fuhr Rogers verlegen fort, »glaube ich, daß die hohen Herren nicht recht gewußt haben, wie sie vor Sie treten sollten. Jetzt stehe ich hier und weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
»Niemand weiß das so richtig«, sagte der Mann. »Aber was wollen die Alliierten Nationen von mir?«
»Was ich eigentlich sagen wollte, war, daß ich sehr wahrscheinlich nicht die richtige Formulierung finden würde und daß Sie mein Stottern nicht voreingenommen machen sollte.«
Der Mann gab einen ungeduldigen Laut von sich. »Kommen Sie zum Thema, Herr.« Mit sehr viel Gefühl schob er ein Zahnrad auf die Welle und griff nach dem nächsten.
»Wie Sie wissen, verschlechtert sich die allgemeine Weltlage von Tag zu Tag mehr.«
»Ja.« Er kroch noch tiefer unter den Traktor. »Und was hat das mit mir zu tun?«
»Herr Martino, die Alliierten Nationen haben das K-88-Projekt wieder aufgenommen. Sie würden es begrüßen, wenn Sie wieder daran arbeiten würden.«
Der Mann unter dem Traktor griff nach einem Schraubenschlüssel. Er begann den Boden der Wanne mit sehr viel Sorgfalt anzuschließen.
Rogers wartete. Nach einer Weile sagte der Mann: »Besser ist also gescheitert.«
»Darüber weiß ich nichts, Herr Martino.«
»Er muß gescheitert sein. Es tut mir leid für ihn, er hat wirklich geglaubt, daß er recht hatte. Wissen Sie, es ist etwas Eigenartiges mit den Wissenschaftlern. Man glaubt, sie seien objektiv und lostgelöst von kindlichem Glauben. Man glaubt, sie formulierten ihre Erkenntnisse auf Grund schlüssiger Beweise. Aber dem ist nicht so. Manchmal sind sie vernarrt in eine Idee nur deshalb, weil es ihre Idee ist.« Er hatte seine Arbeit unter dem Traktor beendet und begann hervorzukriechen. »So, das haben wir geschafft.« Er rollte seine Werkzeuge wieder in die Persenning, nahm das Abfallöl und trug beides zur Werkbank hinüber.
Mit einer großen Dose frischen Öles kam er zurück. Bedächtig stieß er zwei Löcher in das weiße Blech und schüttete den dickflüssigen Inhalt in den hervorstehenden Abfüllstutzen. »Jetzt kann ich meine Felder morgen früh eggen. Es ist nämlich höchste Zeit, daß der Boden aufgelockert wird. Er wird sonst hart und brüchig, verstehen Sie?«
»Wollen Sie mir nicht sagen, ob Sie das Angebot annehmen oder nicht?«
Der Mann stieg in den Führersitz des Traktors. Vorsichtig schob er einen Gang nach dem anderen in seine Lage. Er prüfte gewissenhaft ihren Kontakt und ihr Spiel, er erst als er wußte, daß er eine gute Arbeit geleistet hatte, drehte er sich zu Rogers um und sagte: »Haben die Herren sich dazu entschlossen, in mir Martino zu sehen?«
»Ich glaube, ja.« Rogers sprach langsam. »Außerdem brauchen sie jemand wie Sie sehr dringend. Ich kann mir vorstellen, daß Sie annehmen, daß Sie einer solchen Aufgabe gewachsen sind, selbst wenn Sie nicht Martino sind. Es sieht so aus, als sei das K-88-Projekt außerordentlich wichtig für sie. Sie haben eine Menge guter Techniker, aber Genies findet man halt nicht alle Tage.«
Der Mann stieg langsam vom Traktor. Sein Schutzverband war schwarz und von Öl verklebt. Er holte einen Kanister Benzin, öffnete ihn und begann den Verband abzuwickeln. Rogers verzog seine Nase; er konnte den scharfen Geruch des Brennstoffes nicht vertragen.
»Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie es wohl gekommen ist, daß Sie überzeugt wurden, daß ich ich bin.« Er wusch den Verbad sauber und hängte ihn über einen Nagel zum Trocknen. »Und — wie würden Sie sicher sein, daß ich keine Dummheiten machte, das heißt, wenn ich nicht Martino bin?«
»Man würde Sie sehr genau bewachen.«
»Ja, verstehe. Das wäre mir gleichgültig. Ich habe mich ja auch an Ihre Leute hier gewöhnt.« Mit einem kleinen Gefäß spülte er etwas Benzin über seinen künstlichen Arm. Dann nahm er eine harte, kurzhaarige Bürste von der Wand und begann mit methodischer Sorgfalt die Gelenke zu reinigen. Man konnte sehen, daß er das oft zu tun pflegte. Rogers hätte zu gern gewußt, welche Seele in diesem Mann wohnte, der nie böse oder bitter wurde und der noch nicht einmal jetzt, da man wieder zu ihm kam, triumphierte. »Aber ich kann es nicht tun«, sagte er. Er hatte begonnen, die Gelenke einzuölen.
»Warum nicht?« Rogers glaubte zu sehen, daß der Mann leicht schwankte.
Er zuckte die Achseln. »Ich bin zu lange aus dem Geschäft heraus.« Der Verband war trocken, und er legte ihn wieder an. Er versuchte, Rogers nicht in die Augen zu sehen.
»Schämen Sie sich, Herr Martino?«
Er trat auf die andere Seite des Traktors, als ob es dort sicherer sei.
»Was ist mit Ihnen, Herr Martino?«
Der Mann lehnte sich verträumt gegen den Traktor und sah hinaus durch die offene Scheunentür. »Es ist ein gutes Leben hier draußen. Ich bearbeite mein Land und bringe Stück für Stück mein Eigentum wieder in Ordnung. Sie wissen ja, wie es zu Anfang hier aussah. Es war eine Menge Arbeit. Mir fehlen noch zehn Jahre, dann werde ich es so haben, wie ich es haben möchte.«
»Bis dahin werden Sie tot sein.«
»Ich weiß. Aber ich kümmere mich nicht darum. Ich denke noch nicht einmal daran. Wissen Sie …«, er schlug mit der Hand auf die Motorhaube. »Wissen Sie, ich arbeite den ganzen Tag, und da bleibt wenig Zeit zum Denken. Landarbeit ist so eng mit Werden und Vergehen verbunden, daß man sich nichts mehr dabei denkt. Jeden Tag muß man das wieder gut machen, was sich über Nacht verändert hat. Man muß düngen und bewässern, entsalzen und entwässern, und wieder und wieder etwas reparieren; denn beständig frißt der Boden alles, was man darauf tut, in sich hinein. Und jetzt kommen Sie, und wollen mich hier fortholen.« Er schlug mit der Hand auf den Traktor. »Ich bin kein Physiker. Ich bin ein Farmer. Was Ihr von mir wollt, kann ich nicht mehr.«
Rogers atmete tief. »Gut. Ich werde es den Leutchen da oben sagen.«
Der Mann war wieder ruhig. »Und was werden Sie dann tun? Werden Ihre Leute weiter hierherum schnüffeln?«
Rogers nickte »Es geht nicht anders. Ich werde Sie bis an Ihr Grab beobachten. Es tut mir leid.«
Der Mann zuckte mit der Hand. »Ja, natürlich. Ich habe mich schon daran gewöhnt. Schließlich habe ich nichts, was man nicht sehen dürfte.«
Das stimmt, dachte Rogers, du bist harmlos. Und ich überwache dich, also bin ich nutzlos. Ob ich wohl eines Tages auch auf einer Farm leben werde, so am anderen Ende der Straße?
Oder wagst du Bursche es nicht, die Aufgabe zu übernehmen? Hast du bei aller Perfektion diesen kleinen Fehler?
Wieder einmal war der alte Zweifel in ihm aufgestiegen. Wieder einmal hatte er sich eine der ewig sinnlosen Fragen gestellt. Immer diese Fragen und nie Antworten:
»Martino«, platzte er heraus. »Sind Sie Martino?«
Der Mann drehte seinen Kopf. Er glühte unter der schmierigen Ölschicht. Eine Weile sagte er nichts; sein Kopf ging hin und her, als suche er etwas, das er schon lange verloren hatte. Dann strafften sich seine Schultern, und mit einer Stimme, die sich eines stolzen und schwierigen Ereignisses zu erinnern schien, sagte er: »Nein!«