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2.

Lucas Martino wurde im Krankenhaus der kleinen Stadt, nahe der Farm seines Vaters, geboren. Seine Mutter starb bei der Geburt, und so war er der einzige und älteste Sohn von Matteo, Serafino Martino, Farmer in Milano bei Bridgetown, New Jersey. Er erhielt den Namen seines Onkels, der den Eltern das Geld zur Überreise in die Vereinigten Staaten und zum Ankauf der Farm gegeben hatte.

Milano in New Jersey war eine Ansammlung von Tomatenfeldern, Pfirsichgärten und Hühnerfarmen. Sein Mittelpunkt war ein Kaufhaus, in dem es alles gab und das zugleich die Post war. Etwa eine Meile nach Norden verlief die Bundesstraße Philadelphia-Atlantic-City. Im Westen sah man die Eisenbahnschienen, die Camden mit Cape May verbanden. Die Grundlinie dieses Dreiecks bildete eine andere Bundesstraße. Sie führte von der Jersey-Küste bis zum Delaware. Bridgetown lag am Schnittpunkt dieser Verkehrswege, aber Milano inmitten dieses Dreiecks. Auf keiner Seite waren es mehr als fünf Minuten bis zu dem, was die meisten Menschen die Welt nennen — und trotzdem war es weit genug.

Ein halbes Jahrhundert früher war das ganze Gebiet mit Wein bepflanzt gewesen, und die Malaga Processing Corporation hatte Hunderte von Arbeitskräften aus Italien importiert. Siedlungen entstanden, Dörfer und Farmen. Die Hauptsprache war Italienisch.

Als eine längere Weinflaute einsetzte, verließen viele Farmer ihre Grundstücke. Einige von ihnen wurden von neuen Einwanderern übernommen. Die meisten waren Bauern in ihrem Heimatland gewesen, und nach einiger Zeit gelangte Milano wieder zu etwas Wohlstand.

Es war ein gutes Land, und Matteo Martino fand es selten notwendig, nach Bridgetown zu fahren. Er hatte alles in nächster Nähe: die Fabrik, die seine Tomaten in Säfte verwandelte und in Dosen verpackte, das Warenhaus und seine Felder.

Der junge Lucas war ein kräftiger Bursche mit braunen Augen und fast blondem Haar. Sein Vater nannte ihn oft Tedeschino, was soviel wie »Kleiner Deutscher« bedeutet. Schon früh wurde Lucas zu Arbeiten auf dem Feld oder im Garten herangezogen; er hatte bald einen festen Aufgabenkreis, den er gerne und eifrig erledigte. Als er etwas älter war, zeigte ihm sein Vater, der vor seiner Übersiedlung nach Amerika in den Fiat-Werken gearbeitet hatte, wie man ein Auto repariert und Maschinen in Ordnung hält. Lucas zeigte großes Interesse an diesem Unterricht.

Da er keine Geschwister hatte und während des Tages selten Gelegenheit fand, sich mit seinem Vater zu unterhalten, wuchs er zu einem frühreifen, etwas zurückhaltenden jungen Mann heran. Er fühlte sich trotzdem nicht einsam. Schließlich hatte er mehrmals genug Arbeit und dachte außerdem sehr früh bereits in Bildern, die zwar aus Einzelheiten bestanden, am Ende sich aber zu einem Ganzen zusammenfügten. Gleichaltrige Freunde hatte er nicht; und so lernte er bald den Entwicklungsweg eines jungen Menschen an sich beobachten — er registrierte alles sehr genau, ordnete es ein und ließ keine Kleinigkeit außer acht.

Auch in der Grundschule fand er nur wenig Freunde. Er kehrte mittags zum Essen heim und ließ abends nach Schluß der Schule selten eine Minute unausgenutzt. Er hatte viel Arbeit, und er tat sie gern. Er war ein guter Schüler und bekam ausgezeichnete Zensuren, außer in Englisch, das er zwar fließend sprach, aber für das er nicht allzu viel Interesse aufbrachte. Es genügte jedoch, um auf die höhere Schule von Bridgetown zu kommen.

Er fuhr jeden Tag vierundzwanzig Meilen mit dem Schulbus. Und es blieb nicht aus, daß der etwas zurückgezogene, aber ständig wissensdurstige junge Bursche sich in Gesellschaft seiner Kollegen langsam veränderte. Bald hatte er keine Schwierigkeiten mehr mit der englischen Grammatik. Ein Junge namens Morgan zeigte ihm, wie man rauchte. Ein anderer, Kovacs, erzählte ihm etwas über die Struktur und den Aufbau von Musik, ein dritter nahm ihn mit auf den Fußballplatz. Den stärksten Eindruck aber hinterließ Edmund Starke, ein kleiner, untersetzter Mann mit randloser Brille und schüchternem Blick. Starke war sein Physiklehrer.

Lucas Martino hatte die Welt entdeckt.