142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

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Sie fügte einen kleinen Vortrag hinzu, in dem von der Freude die Rede war, Kinder zur Welt zu bringen, und von der Erbsünde, die durch die Schuld unserer Urmutter Eva auf den Frauen laste.

»Fügen wir das zum Elend und zum Krieg hinzu«, dachte Angélique.

Während sie so unter ihren Decken ausgestreckt dalag und dem Rieseln des Regens lauschte, empfand sie ein gewisses Wohlbehagen. Sie hatte den Eindruck, an Bord eines Schiffes zu liegen, das sich von bekannten Gestaden entfernte, um einer anderen Bestimmung entgegenzufahren. Von Zeit zu Zeit dachte sie an Philippe und knirschte mit den Zähnen.

Man erzählte ihr, der Marquis und sein Sohn hätten sich in Monteloup nicht lange aufgehalten. Philippe habe sich über die Wanzen beklagt, die ihm beim Schlafen hinderlich gewesen seien.

»Und meine Bittschrift an den König?« hatte der Baron de Sancé in dem Augenblick, da sein illustrer Verwandter den Wagen bestieg, gefragt. »Konntet Ihr sie ihm überreichen?«

»Mein armer Freund, ich habe sie überreicht, doch ich glaube nicht, daß Ihr Anlaß habt, viel zu erwarten. Der kleine König ist gegenwärtig ärmer als Ihr und hat sozusagen kein Dach über dem Kopf.«

Geringschätzig fügte er hinzu:

»Man hat mir erzählt, daß Ihr Euch damit verlu-stiert, schöne Maultiere zu züchten. Verkauft doch einige.«

»Ich werde mir Euren Vorschlag überlegen«, sagte Armand de Sancé mit spürbarer Ironie. »In dieser Zeit ist es für einen Edelmann bestimmt vorteilhafter, arbeitsam zu sein, als auf die Großmut seiner Standesgenossen zu rechnen.«

»Arbeitsam! Pfui! Welch garstiges Wort!« versetzte der Marquis mit einer koketten Handbewegung. »Adieu also, Herr Vetter. Schickt Eure Söhne zur Armee und Eure kräftigsten Bauernlümmel in das Regiment des meinigen. Adieu. Ich küsse Euch tausendmal.«

Die Karosse hatte sich ratternd entfernt, während eine zierliche Hand durch das Türfenster winkte.

Ländliche Stille senkte sich wieder über das alte Schloß. Angélique schaute durch das Fenster in jene Richtung des Wegs, aus der die Reisenden und das Echo der fernen Welt zu erwarten waren: Winterhausierer mit ihren Pelzmützen und ihren mageren Hunden, reiche Händler, die ihre Tiere brachten: Esel oder Pferde.

Der Besuch der Herren von Schloß Plessis wiederholte sich nicht. Es hieß, sie gäben ein paar Feste, dann, sie kehrten mit ihrem nagelneuen Regiment in die Ile-de-France zurück. Rekrutenwerber waren in Monteloup vorbeigekommen.

Im Schloß erlagen Jean-der-Küraß und ein Bauernknecht der Versuchung der den Dragonern des Königs verheißenen glorreichen Zukunft. Die Amme Fantine weinte sehr beim Aufbruch ihres Sohnes.

»Er war nicht schlecht, und nun wird er ein Reitersmann von Eurer Art«, sagte sie zu Wilhelm Lützen.

»Das ist Vererbung, meine Gute. Hatte er nicht einen Haudegen zum mutmaßlichen Vater?«

Um einen Zeitraum zu bezeichnen, gewöhnte man sich daran, »es war vorher« oder »nach dem Besuch des Marquis du Plessis« zu sagen.

Dann kam die Sache mit dem »schwarzen Besucher«.

Angélique befand sich wie gewöhnlich in der Küche. Um sie herum spielten Denis, Marie-Agnès und der kleine Albert. Der Letztgeborene lag in seiner Wiege neben dem Herd. Nach Ansicht der Kinder war die Küche der schönste Raum im Hause. Das Feuer brannte ohne Unterbrechung und fast ohne Rauch, denn der Rauchfang des riesigen Kamins war sehr hoch. Der Schein dieses ewigen Feuers tanzte und spiegelte sich auf dem roten Grunde der kupfernen Kasserollen und Wannen, die die Wände garnierten.

An diesem Abend bereitete Angélique eine Hasenpastete zu. Sie hatte gerade den Teig in Tortenform gebracht und schnitt das Fleisch klein, mit dem er belegt werden sollte. Fantine, die ihr behilflich war, brummte mit argwöhnischer Miene: »Was soll das eigentlich, mein Herzchen? Es ist nicht deine Art, dich um den Haushalt zu kümmern. Findest du am Ende, daß meine Gerichte nicht mehr gut genug sind?«

»Doch, aber man muß auf alles vorbereitet sein.«

»Wieso?«

»Heute nacht«, sagte Angélique, »habe ich geträumt, ich sei Dienstmagd und koche für Kinder. Das hat mir Spaß gemacht, denn ihre kleinen Fratzen waren um den Tisch versammelt und schauten mich aus leuchtenden Augen an. Was soll ich denn tun, wenn ich Dienstmagd werde und unfähig bin, Kuchen für die Kinder meiner Herrschaft zu backen?«

»Wie kannst du dir nur so etwas ausdenken!« rief die Amme ehrlich entrüstet aus. »Du wirst niemals Dienstmagd sein, da du die Tochter von Edelleuten bist. Du wirst einen Baron oder einen Grafen heiraten ... vielleicht gar einen Marquis?« fügte sie lachend hinzu.

Raymond, der im Herdwinkel las, hob den Kopf.

»Deine Zukunftspläne machen sich, wie ich sehe. Man hatte mir gesagt, du wollest Räuberhauptmännin werden?«

»Das eine schließt das andere nicht aus«, erwiderte sie und knetete dabei energisch ihren Fleischteig weiter.

»Hör mal, Angélique, du solltest keine solch ... solch lästerlichen Dinge erzählen!« erklärte plötzlich die gute Pulchérie, die ebenfalls in der Küche Zuflucht suchte, weniger um der Kälte des Salons als den bissigen Bemerkungen ihrer Schwester zu entrinnen.

»Aber ich glaube nicht, daß Angélique so ganz und gar unrecht hat«, sagte Raymond gemessen. »Eine der größten Sünden auf Erden ist der Hochmut, und man sollte keine Gelegenheit auslassen, ihn zu bekämpfen. Sich also erniedrigen und Dienstbotenarbeiten verrichten ist dem Herrn bestimmt wohlgefällig.«

»Du redest Unsinn«, erklärte Angélique bündig. »Ich will mich gar nicht erniedrigen. Ich will einfach fähig sein, Kuchen für Kinder zu backen, die ich gern habe. Wirst du sie essen, Marie-Agnès? Und du, Denis?«

»Ja, ja«, riefen die beiden Kleinen und liefen herzu.

Von draußen vernahm man den Hufschlag eines Pferdes.

»Da kommt euer Vater zurück«, sagte Tante Pulché-rie. »Angélique, ich meine, es wäre schicklich, daß wir im Salon erschienen.«

Doch nach einer kurzen Stille, während deren der Reiter abgestiegen sein mußte, ertönte die Glocke des Portals.

»Ich gehe«, rief Angélique. Sie stürzte davon, ohne an ihre über die mehlbestäubten Arme gekrempelten Ärmel zu denken.

Durch den Regen und den abendlichen Dunst hindurch erkannte sie einen großen, hageren Mann, dessen Umhang vor Nässe triefte.

»Habt Ihr Euer Pferd untergestellt?« rief sie. »Hier erkälten sich die Tiere schnell. Wir haben zuviel Nebel wegen des Moors.«

»Ich danke Euch, Fräulein«, erwiderte der Fremde, indem er seinen breiten Hut abnahm und sich verneigte. »Ich habe mir nach dem Brauch der Reisenden erlaubt, sogleich mein Pferd und mein Gepäck in Euern Stall zu bringen. Da ich mich heute abend von meinem Ziel noch weit entfernt befinde und am Schloß Monteloup vorüberkam, wollte ich für eine Nacht die Gastfreundschaft des Herrn Barons erbitten.«

Aus dem nur mit einem schmalen weißen Kragen besetzten Gewand aus grobem schwarzem Stoff schloß Angélique auf einen Krämer oder einen Bauern im Sonntagsstaat. Freilich verwirrte sie sein Akzent, der nicht der Dialekt des Landes war und ein wenig fremdländisch klang, und überdies die Gewähltheit seiner Rede.

»Mein Vater ist noch nicht zurück, aber setzt Euch nur ans Feuer in die Küche. Ich werde einen Knecht in den Stall schicken, um Euer Pferd zu füttern.«

Sie ging voraus und geleitete den Gast in die Küche, wo eben ihr Bruder Josselin durch die Gesindetür eingetreten war. Kotbespritzt, mit gerötetem und verschmutztem Gesicht, hatte er ein mit dem Wurfspieß erlegtes Wildschwein hinter sich her gezogen.

»Gute Jagd, mein Herr?« fragte der Fremde in höflichstem Ton.

Josselin warf ihm einen unfreundlichen Blick zu und antwortete nur mit einem Brummlaut. Dann setzte er sich auf einen Hocker und streckte die Füße ans Feuer. Bescheiden ließ sich der Gast ebenfalls im Herdwinkel nieder und nahm einen Teller Suppe in Empfang, den Fantine ihm reichte.

Er erklärte, er sei in dieser Provinz beheimatet und in der Gegend von Secondigny geboren, aber da er viele Jahre auf Reisen verbracht habe, vermöge er nun seine eigene Sprache nur noch mit einem starken Akzent zu sprechen. Allerdings werde sich das rasch geben, versicherte er: erst vor einer Woche nämlich sei er in La Rochelle an Land gegangen.

Bei diesen letzten Worten hob Josselin den Kopf und starrte den Fremden mit leuchtenden Augen an.

Die Kinder kamen näher und überschütteten ihn mit Fragen.

»In welchem Land seid Ihr gewesen?«

»Ist es weit?«

»Was für einen Beruf übt Ihr aus?«