142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 120

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Im gelblichen Schein der Laternen sah sie zwei Mönche Arm in Arm sich nähern. In dem einen erkannte sie sofort Conan Becher. Der andere, ein dicklicher und geschwätziger Bursche, erging sich, wild gestikulierend, in langen lateinischen Reden. Er schien angetrunken zu sein, denn von Zeit zu Zeit drängte er seinen Begleiter torkelnd an eine Hausmauer und schwankte unter einem Schwall von Entschuldigungen gleich darauf in die Gasse zurück.

Angélique hörte den scharfen Stimmklang des Alchimisten. Auch er sprach lateinisch, aber im Ton erbitterten Widerspruchs. Als er auf der Höhe des Torbogens ankam, rief er empört auf französisch aus: »Nun hab’ ich aber wirklich genug, Bruder Am-boise. Eure Theorien über die Taufe mit Fleischbrühe sind einfach ketzerisch! Ein Sakrament kann nichts taugen, wenn das Wasser, mit dem man es erteilt, durch unreine Elemente wie tierische Fette entweiht ist. Eine Taufe mit Fleischbrühe! Welche Blasphemie! Warum nicht gar mit Rotwein? Das könnte Euch so passen, Euch, der Ihr ihn so zu lieben scheint.«

Und mit einem Stoß machte sich der hagere Franziskaner vom Arm des Bruders Amboise frei. Der dicke Mönch stammelte im weinerlichen Ton des Betrunkenen:

»Vater, Ihr bekümmert mich . Ach, ich hätte Euch so gern überzeugt!«

Plötzlich begann er wie ein Wahnsinniger zu schreien:

»Ha! Ha! Deus coeli!«

Und tauchte blitzschnell im Schatten des Torwegs neben Angélique unter.

»Nun macht ihn fertig. Zeigt, was ihr könnt«, flüsterte er, indem er vom Lateinischen in die Sprache der Rotwelschen überging.

Conan Becher hatte sich umgewandt.

»Was ist denn nun wieder los mit Eu.«

Er hielt inne und spähte ängstlich forschend die Gasse entlang.

»Bruder Amboise«, rief er, »Bruder Amboise, wo seid Ihr?«

Sein mageres Gesicht verzerrte sich, seine Augen quollen hervor, und man hörte ihn keuchen, während er ein paar Schritte weiterging und sich immer wieder verängstigt umsah.

»Huhuhu!«

Der Zwerg Barcarole machte sich durch sein unheimliches Nachtvogelgekrächze bemerkbar. Vom knarrenden Ladenschild herab sprang er wie eine riesige Kröte mit einem elastischen Satz dem Mönch vor die Füße. Becher fuhr entsetzt zurück und preßte sich an die Mauer.

»Huhuhu!« machte der Zwerg von neuem.

Er führte einen höllischen Tanz vor seinem angstschlotternden Opfer auf und erging sich in wilden Kapriolen, grotesken Verbeugungen, Grimassen und obszönen Gesten.

Dann tauchte eine zweite scheußliche Kreatur aus dem Dunkel und schlug ein grausiges Gelächter an.

Es war ein Buckliger mit verkrüppelten Beinen, der sich nur in einem grotesken Watschelgang vorwärtsbewegen konnte. Auf der Stirn saß ihm eine bizarre, rote Fleischwucherung.

Das Röcheln, das aus der Kehle des Mönches drang, hatte nichts Menschliches mehr. »Haaah! Die bösen Geister!« wimmerte er.

Sein magerer Körper krümmte sich, er sank auf dem schmutzigen Pflaster in die Knie. Sein Gesicht wurde aschfahl. Langsam hob er die knochigen Hände und stammelte: »Erbarmen . Peyrac!«

Wie ein Dolchstoß drang der von der verhaßten Stimme ausgesprochene Name in Angéliques Herz. Sie schrie wild auf:

»Tötet ihn! Tötet ihn!«

Doch mit einemmal brach der Körper des Mönchs zu Füßen der Mauer zusammen, und als Calembredaine in der lastenden Stille hinzutrat, konnte er nur noch seinen Tod feststellen.

»Dabei haben wir ihn nicht einmal berührt«, sagte Barcarole. »Wir haben nur Grimassen geschnitten, um ihm Angst zu machen.«

»Das ist euch nur zu gut gelungen. Er ist vor Angst gestorben. Verschwinden wir. Hier gibt’s für uns nichts mehr zu tun.«

Als man den Mönch Becher am nächsten Morgen leblos und ohne jegliche Spur einer Verletzung auffand, erinnerten sich die Pariser der Worte jenes Hexenmeisters, der auf der Place de Grèves verbrannt worden war: »Conan Becher, in einem Monat sehen wir uns vor dem Gericht Gottes wieder .«

Man schaute auf dem Kalender nach und stellte fest, daß der Monat um war. Und die Bewohner der in der Nähe des Zeughauses gelegenen Rue de la Cerisaie erzählten unter vielfachen Bekreuzigen von den seltsamen Schreien, die sie am Abend zuvor aus ihrem ersten Schlaf geschreckt hatten.

Man mußte dem Totengräber, der den verfluchten Mönch begrub, den doppelten Lohn zahlen. Und auf den Grabstein setzte man die Inschrift:

»Hier ruht Pater Conan Becher, Franziskaner, der am letzten Tage des Monats Februar 1661 durch die bösen Geister den Tod fand.«

Die Bande Nicolas Calembredaines, des berühmten Banditen, beschloß die Nacht in den Schenken. Alle Spelunken zwischen dem Zeughaus und dem Pont-Neuf erhielten ihren stürmischen Besuch. Sie hatten eine Frau mit leichenblassem Gesicht und aufgelöstem Haar bei sich und gaben ihr fleißig zu trinken. Die Nacht war nicht mehr schwarz. Sie war rot, rot wie der Wein, sie leuchtete und lohte wie eine Feuersbrunst!

»Untergang! Das ist der Untergang .!« Das war alles, was Angélique zu denken vermochte, bis Nicolas sie auf seine Arme nahm und mit ihr in die Gasse hinaustrat.

Die Nacht war kalt, doch an Nicolas’ Brust fühlte sie sich warm und geborgen. Von seiner Lagerstätte zwischen den Füßen des Bronzepferdes aus sah der Schmutzpoet vom Pont-Neuf den großen Banditen vorübergehen, die weiße Gestalt auf seinen Armen so mühelos tragend, als sei es eine Puppe.

Als Calembredaine den großen Saal im Erdgeschoß der Tour de Nesle betrat, war ein Teil seiner Bande vor dem Feuer versammelt. Eine Frau sprang kreischend auf und stürzte ihm entgegen.

»Schuft! Hast dir ‘ne andere genommen . Die Kameraden haben mir’s gesagt. Ausgerechnet, während ich mich mit einer Horde liederlicher Musketiere rumschlagen mußte . Aber ich werd’ dich wie ein Schwein abstechen - und sie auch!«

Gelassen ließ Nicolas die erschöpfte Angélique auf einen Sitz gleiten. Dann hob er seine mächtige Faust, und das Mädchen wich zurück.

»Hört mir mal alle gut zu«, sagte Nicolas Calembredaine. »Die hier« - er deutete auf Angélique - »gehört mir und niemandem sonst. Wer sie anrührt oder Händel mit ihr sucht, bekommt es mit mir zu tun. Ihr wißt, was das bedeutet! Was die Marquise der Polacken betrifft .«

Er packte das Mädchen an ihrem Mieder und schleuderte sie mit einem kraftvollen und verächtlichen Stoß in eine Gruppe von Kartenspielern.

». so könnt ihr mit ihr machen, was ihr wollt.«

Sodann wandte sich Nicolas Merlot, der zum Wolf gewordene einstige Hirte, derjenigen zu, die er immer geliebt hatte und die das Schicksal ihm zurückgab.

Er nahm sie wieder in seine Arme und begann, die Treppe des Turms hinaufzusteigen. Er ging langsam, um nicht zu schwanken, denn der Weindunst umnebelte sein Gehirn. Das gab diesem Aufstieg fast etwas Feierliches.

Ganz oben angekommen, öffnete Nicolas Calembredaine durch einen Fußtritt den Raum mit dem Diebesgut. Dann trat er zum Mantellager, ließ Angélique wie ein Paket darauffallen und rief:

»Nun zu uns beiden.«

Die grobe Geste und das triumphierende Lachen des Mannes rissen Angélique aus der dumpfen Gleichgültigkeit, in die sie in der letzten Schenke verfallen war. Ernüchtert fuhr sie hoch und lief ans Fenster, wo sie sich an die Gitterstäbe klammerte, ohne recht zu wissen, weshalb.

»Was soll’s?« schrie sie wütend über ihre Schulter zurück. »Was meinst du mit deinem >Zu uns beiden<, du Dummkopf? Bildest du dir etwa ein, du würdest mein Geliebter werden, du, Nicolas Merlot?«

Mit zwei Schritten stand er düster-drohend vor ihr.

»Ich bilde es mir nicht ein«, sagte er trocken, »ich bin dessen gewiß.«

»Abwarten.«

»Es gibt nichts abzuwarten.«