142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 124

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Angélique entwand sich mit einer jähen Bewegung dieser regelrechten Auskultation.

»Aufgeblasener Salbtopf!« schrie sie wütend. »Man hat Euch nicht hierherkommen lassen, um mich abzufingern, sondern damit Ihr Euch dieses Mannes hier annehmt .«

»Hoho, die Marquise!« rief der Große Matthieu aus. »Hoho ... Hohoho ...!«

Seine »Hohos« steigerten sich zu dröhnendem Gelächter, das in den Gewölben widerhallte, während er sich mit beiden Händen den schütternden Bauch hielt. Er war ein Riese mit hochrotem Gesicht, der stets orangefarbene oder pfauenblaue Überröcke trug. Unter dem ringsum mit Federn geschmückten Hut quoll eine üppige Perücke hervor. Wenn er so in die Gaunerwelt hinabstieg, unter die grauen Lumpen und die widerlichen Geschwüre, strahlte er wie die leibhaftige Sonne.

Als er sich ausgelacht hatte, stellte man fest, daß Nicolas Calembredaine zu sich gekommen war. Er hatte sich aufgerichtet, und der verdrossene Ausdruck seines Gesichts sollte vermutlich über seine Verlegenheit hinwegtäuschen. Er wagte nicht, Angélique anzusehen.

»Was gibt’s denn da zu lachen?« grollte er. »Jactance, du Trottel, hast wieder mal das Fleisch anbrennen lassen. Es stinkt nach geröstetem Schwein in dieser Bude.«

»Pah! Du selbst bist das geröstete Schwein«, brüllte der Große Matthieu, während er sich die Lachtränen mit einem karierten Taschentuch aus den Augen wischte. »Und die Polackin auch! Schau sie dir an! Ihr halber Rücken ist schön durchbraten! Hohoho .!«

Und abermals lachte er aus vollem Halse.

In jener Nacht ging es höchst vergnügt zu bei den Gaunern im »Palais de Nesle« gegenüber dem Louvre.

»Schau dir mal den dort an«, sagte La Pivoine zu Angélique, »der da mit seinem in die Stirn gezogenen Hut und hochgeschlagenem Mantelkragen am Ufer herumspaziert ... Weißt du, wen ich meine? Ja? Nun, das ist einer von der Polente.«

»Polente?«

»Na ja, ein Polizeispion, wenn du lieber willst.«

»Woher weißt du?«

»Ich weiß es nicht, ich spür’s.«

Und der ehemalige Soldat fuhr sich über seine knollige, dunkelrote Säufernase, die ihm den Spitznamen »Pfingstrose« eingetragen hatte.

Angélique lehnte mit aufgestützten Ellbogen an der Brüstung der kleinen, gewölbten Brücke, die über die Gräben vor der Porte de Nesle führte. Eine fahle Sonne löste den Nebel auf, der seit ein paar Tagen über der Stadt lag. Das andere Ufer, das des Louvre, war noch unsichtbar. Zerlumpte Kinder angelten Fische in den Gräben, und ein Knecht wusch zwei Pferde am Flußufer, nachdem er sie hatte trinken lassen.

Der Mann, auf den La Pivoine mit dem Ende seines Pfeifenrohrs gedeutet hatte, wirkte wie ein harmloser Spaziergänger, wie ein kleiner Bürger, der sich vor dem Essen noch ein wenig auf der Uferböschung der Seine ergehen will. Er schaute zu, wie der Knecht seine Tiere abrieb, und von Zeit zu Zeit erhob er den Blick zur Tour de Nesle, als interessiere er sich für dieses verfallende Zeugnis einer weit zurückliegenden Epoche.

»Weißt du, wen er sucht?« begann La Pivoine von neuem und blies Angélique seinen Tabaksrauch ins Gesicht.

Sie trat ein wenig zur Seite.

»Nein.«

»Dich.«

»Mich?«

»Ja, dich, die Marquise der Engel.«

Angélique lächelte unsicher.

»Du phantasierst.«

»Was tu ich?«

»Nichts, ich wollte nur sagen, daß du dir Dinge einredest. Niemand sucht mich. Niemand denkt an mich. Ich existiere nicht mehr.«

»Möglich. Aber im Augenblick ist es vor allem der Büttel Martin, der nicht mehr existiert . Du erinnerst dich, bei Ramez, dem Auvergnaten, hat Gros-Sac dir zugerufen: Tummel dich, Marquise der Engel!< Das ist den Kerlen im Ohr geblieben, als sie den Büttel mit aufgeschlitztem Bauch fanden. Marquise der Engel, haben sie sich gesagt, das ist das Banditenweib, das ihn umgelegt hat. Und man sucht dich. Ich weiß es, weil wir andern, die ehemaligen Soldaten, ab und zu mit den Kriegskameraden, die ins Wachkorps des Châtelet eingetreten sind, einen heben gehen. Dabei erfährt man allerlei.«

»Pah!« machte Calembredaines Stimme hinter ih-nen. »Darüber brauchen wir uns keine grauen Haare wachsen zu lassen. Wenn’s drauf ankäme - den Burschen da drüben hätten wir rasch in die Seine befördert. Was können die gegen uns tun? Sie sind kaum hundert, während wir .«

Er machte eine stolze und herrische Bewegung, als sammle er die ganze Stadt um sich. Flußaufwärts war durch den Nebel der Lärm des Pont-Neuf und seiner Marktschreier zu hören.

Eine Kutsche näherte sich der Brücke, und sie traten zur Seite, um sie vorbeizulassen; doch am Ende der Brücke scheuten die Pferde, denn ein Bettler hatte sich vor ihre Hufe geworfen. Es war Pain-Noir, einer der Gauner Calembredaines, ein weißbärtiger Greis, behängt mit dicken Rosenkränzen und PilgerMuscheln.

»Erbarmen!« leierte er. »Habt Erbarmen mit einem armen Pilger, der auf dem Wege nach San Jago de Compostella ist, um ein Gelübde abzulegen, und der nicht mehr die Mittel hat, seine Reise fortzusetzen. Gebt mir ein paar Sols, und ich werde auf dem Grabe des San Jago für Euch beten.«

Der Kutscher versetzte ihm einen heftigen Peitschenhieb.

»Heb dich hinweg, Muschelträger des Teufels!«

Eine Dame streckte den Kopf zum Kutschenfenster heraus. Unter ihrem halbgeöffneten Umhang schimmerte an ihrem Halse schönes Geschmeide.

»Was gibt’s denn, Lorrain? Treibt Eure Pferde an. Ich will zur Komplete in der Abtei von Saint-Ger-main-des-Pres sein.«

Nicolas trat ein paar Schritte vor und legte die Hand auf den Türgriff.

»Fromme Dame«, sagte er und nahm seinen durchlöcherten Hut ab, »wollt Ihr, die Ihr Euch zur Komplete begebt, diesem armen Pilger Eure Opfergabe verweigern, der bis nach Spanien wandert, um zu Gott zu beten?«

Die Dame musterte die unheimliche Gestalt, die da in der Abenddämmerung vor ihr erschien, das unrasierte Gesicht, die unter den Lumpen sichtbaren muskelbepackten Arme, das Schlächtermesser im Gürtel, und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

»Zu Hilfe! Mörder!«

La Pivoine hatte dem Kutscher bereits seinen Degen auf den Bauch gesetzt. Pain-Noir und Flipot, der eine der Jungen, die in den Gräben geangelt hatten, hielten die Pferde fest. Prudent lief herbei. Calembredaine war ins Innere der Kutsche gesprungen und erstickte die Rufe der Frau mit brutaler Hand.

»Dein Halstuch!« rief er Angélique zu. »Schnell, dein Halstuch!« Er riß es ihr aus den Händen und stopfte es der Überfallenen in die Kehle.

»Tummel dich, Prudent! Reiß ihr den Trödel ab! Hol ihr den Zaster raus!«

Die Frau wehrte sich verzweifelt! Prudent mühte sich schwitzend, den Schmuck zu lösen, eine kleine goldene Kette und eine schöne Brosche mit mehreren großen Brillanten.

»Hilf mir, Marquise der Engel«, stöhnte er. »Ich werd’ mit all dem Kram nicht fertig.«

»Tummel dich«, schimpfte Calembredaine, »wir müssen uns beeilen. Sie entschlüpft mir wie ein Aal.«

Angéliques Hände fanden den Verschluß. Es war ganz einfach. Sie hatte ja selbst dergleichen getragen .

»Fahr zu, Kutscher!« rief die spöttische Stimme La Pivoines.

Die Kutsche rollte knarrend und polternd die Rue du Faubourg Saint-Germain hinunter. Der Kutscher, froh, mit der Angst davongekommen zu sein, ließ die Zügel schleifen. Gleich darauf vernahm man aufs neue die Rufe der Frau, der es gelungen war, sich von ihrem Knebel zu befreien.