142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 129

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Überstürzt flüsterte er weiter:

»Deine Schultern sind zwei Elfenbeinkugeln. Deine Brüste sind so schön, daß man sie mit nichts anderem als mit ihnen selbst vergleichen kann. Sie sind genau für die Höhlung der Hand eines Mannes geschaffen, und sie tragen eine köstliche kleine Knospe von der Farbe des Rosenholzes, wie man sie überall in der Natur sprießen sieht, wenn es Frühling wird. Deine Schenkel sind weich und wie gedrechselt. Dein Leib ist ein Kissen aus weißer Seide, und es tut wohl, die Wange auf ihm ruhen zu lassen .«

»Nun möchte ich aber doch wissen«, sagte Angélique verärgert, »wieso Ihr das alles beurteilen könnt.«

»Während du schliefst, habe ich dich gründlich betrachtet.«

Angélique setzte sich jäh auf.

»Unverschämter! Lasterhafter Studentenlümmel! Erzlump!«

»Pst! Nicht so laut! Willst du denn, daß die Schiffer uns ins Wasser befördern? Warum regt Ihr Euch überhaupt so auf, schöne Dame? Wenn man einen Edelstein auf seinem Wege findet, ist es nicht mehr als recht und billig, ihn genau zu untersuchen. Man will wissen, ob er echt, ob er wirklich so schön ist, wie es den Anschein hat, kurz, ob er einem gefällt oder ob es besser ist, ihn liegenzulassen. Rem passionis suae bene eligere princeps debet, mundum examinandum.«

»Seid Ihr der Fürst, auf den die Welt schaut?« fragte Angélique sarkastisch.

Er kniff in plötzlicher Verwunderung die Augen zusammen.

»Du verstehst Latein, kleine Gaunerin?«

»Für einen Gauner, wie Ihr einer seid, sprecht Ihr es ganz gut .«

Der Student biß sich vor lauter Verblüffung in die Unterlippe. »Wer bist du?« fragte er sanft. »Deine Füße sind blutig. Du mußt lange gelaufen sein. Was hat dir Angst eingejagt?« Und da sie nicht antwortete: »Du hast da ein Messer, das nicht zu dir paßt. Eine furchtbare Waffe, einen Ägypterdolch. Verstehst du mit ihm umzugehen?«

Angélique warf ihm aus halbgeschlossenen Augen einen maliziösen Blick zu.

»Vielleicht.«

»Au weh!« rief er aus und rückte ein wenig zur Seite.

Er zog einen Halm aus dem Heu und begann an ihm zu kauen. Seine fahlen Augen bekamen einen versonnenen Ausdruck. Bald schien es ihr, als ob er gar nicht mehr an sie denke, als ob sein Geist in unerreichbaren Bezirken umherstreife, vielleicht in den Türmen von Notre-Dame, wo man ihn, wie er gesagt hatte, gefangensetzen würde? In dieser regungslosen und geistesabwesenden Haltung wirkte sein allzu blasses Gesicht weniger jung. Sie entdeckte in den Augenwinkeln jene Spuren des Verwelkens, mit denen das Elend oder die Ausschweifung einen Mann in der Vollkraft seiner Jahre zeichnen kann.

Im übrigen war er alterslos. Der magere Körper in den zu weiten Kleidern wirkte wie entmaterialisiert. Sie hatte Angst, er könne wie eine Vision entschwinden, und sie berührte seinen Arm.

»Wer seid Ihr?« flüsterte sie.

Sein Gesicht belebte sich, und er sah sie mit Augen an, die nicht für das Licht geschaffen zu sein schienen.

»Ich hab’ es dir ja gesagt: Ich bin der Wind. Und du?«

»Ich bin die leichte Brise.«

Er lachte und nahm sie bei den Schultern. »Was tun der Wind und die leichte Brise, wenn sie einander begegnen?« flüsterte er.

Sanft beugte er sich über sie. Sie lag ausgestreckt im Heu, und über ihr, ganz nah, war dieser breite und sinnliche Mund. Ein ganz feiner Zug von Ironie und Grausamkeit spielte um diese Lippen, der ihr angst machte, ohne daß sie recht wußte, warum. Aber der Blick war zärtlich und schalkhaft.

So verharrte er unschlüssig, bis sie selbst, durch diese Lockung magnetisiert, ihn durch eine Bewegung ermunterte. Da senkte er sich über sie und küßte sie lange.

Für Angéliques mißhandelte Sinne war dies wie eine Neuentdeckung. Lang entbehrte Wonnen lebten wieder auf, die von so ganz anderer Art waren als die grobe Sinnenlust, die der ehemalige Knecht ihr verschaffte und an die er sie gewöhnt hatte.

»Vorhin war ich erschöpft«, dachte sie, »und jetzt bin ich es nicht mehr. Mein Körper kommt mir nicht mehr jämmerlich und wertlos vor. So bin ich also noch nicht ganz tot .«

Sie dehnte sich ein wenig im Heu, beglückt über das Erwachen eines subtileren Verlangens, das bald drängend werden würde.

Der Mann hatte sich wieder aufgerichtet und betrachtete sie, auf einen Ellbogen gestützt, mit einem feinen Lächeln. Sie war nicht ungeduldig, sie überließ sich nur der Flamme, die von ihr Besitz ergriff. Gleich würde er sie wieder in seine Arme nehmen. Sie hatten ja Zeit, einen ganzen Pariser Tag lang, der den Halunken gehört, die nichts zu tun haben.

»Merkwürdig«, murmelte er, »du bist raffiniert wie eine große Dame, was zu deinen zerlumpten Kleidern gar nicht paßt.«

Ein ersticktes Lachen kam aus ihrer Kehle.

»Wirklich? Pflegt Ihr Umgang mit den großen Damen, mein Herr Schreiberling?«

»Zuweilen.«

Er kitzelte ihre Nasenflügel mit einer Blüte und erklärte:

»Wenn ich einen hohlen Bauch habe, verdinge ich mich beim Meister Georges, in den Badestuben von St. Nicolas. Dorthin kommen die großen Damen, um sich ein wenig Pfeffer für ihre mondänen Liebeleien zu holen. Oh, freilich bin ich kein solcher Draufgänger wie Beau-Garçon, und die Dienste meines ausgemergelten Körpers werden schlechter honoriert als die eines stämmigen, behaarten Hafenarbeiters, der nach Zwiebeln und Rotwein stinkt. Aber meine Stärke liegt auf anderem Gebiet. Jawohl, meine Liebe. Niemand in Paris besitzt einen solch wohlassortierten Vorrat an schlüpfrigen Geschichtchen wie ich. Man schätzt das sehr, um in Schwung zu kommen. Ich bringe sie zum Lachen, meine schönen Buhlerinnen. Was die Frauen vor allem brauchen, sind Zoten. Soll ich dir die Geschichte vom Hammer und dem Amboß erzählen?«

»Um Gottes willen, nein«, protestierte Angélique.

Er schien gerührt.

»Kleines Menschlein! Komisches kleines Herz! Wie seltsam: Ich bin schon großen Damen begegnet, die Dirnen glichen, aber noch nie Dirnen, die großen Damen glichen. Du bist die erste ... Du bist schön wie ein Traum ... Horch, hörst du das Glockenspiel der Samaritaine auf dem Pont-Neuf? Es ist gleich Mittag. Wollen wir auf den Pont-Neuf gehen und ein paar Äpfel für unser Mittagessen und auch einen Blumenstrauß stehlen, in den du dein kleines Frätzchen stecken wirst? Wir hören dem Großen Matthieu zu, wie er seine Arzneien anpreist, und dem Leierkastenmann, der sein Murmeltier tanzen läßt . Und wir schlagen dem Spitzel ein Schnippchen, der mich sucht, um mich hängen zu lassen.«

»Warum will man Euch hängen?«

»Na . du weißt doch, daß man mich immer hängen will«, erwiderte er verwundert.

»Er ist bestimmt ein bißchen verrückt, aber er ist ulkig«, dachte sie im stillen und reckte sich. Sie wünschte, daß er sie von neuem liebkoste, aber plötzlich schien er an etwas anderes zu denken.

»Jetzt erinnere ich mich«, sagte er. »Ich hab’ dich schon einmal auf dem Pont-Neuf gesehen. Gehörst du nicht zur Bande Calembredaines?«

»Ja, das stimmt, ich gehöre Calembredaine.«

Er wich mit einem Ausdruck komischen Entsetzens zurück.

»Au weh! Wo bin ich da wieder hineingetreten, unverbesserlicher Schürzenjäger, der ich bin! Bist du am Ende gar jene Marquise der Engel, auf die unser Banditenhäuptling so stolz ist?«

»Ja, aber .«

»Da sieht man wieder mal, wohin einen die Gewissenlosigkeit der Weiber bringt!« rief er theatralisch aus. »Konntest du das nicht früher sagen, Unglückselige? Willst du denn unbedingt das kümmerliche Blut fließen sehen, das ich in meinen Adern habe? O weh, Calembredaine! Was für ein Pech! Da habe ich die Frau meines Lebens gefunden, und nun muß sie Calembredaine gehören! Aber was kümmert’s mich! Die herrlichste aller Geliebten ist immer noch das Leben selbst. Adieu, meine Schöne .!«

Er ergriff einen alten, kegelförmigen Hut, wie ihn die Schulmeister trugen, drückte ihn auf seinen blonden Haarschopf und schlüpfte aus der Zille.

»Sei lieb«, flüsterte er noch mit einem Lächeln, »und erzähl deinem Herrn nichts von meinen Keckheiten ... Ja, ich weiß, daß du nichts sagen wirst. Du bist ein Goldstück, Marquise der Engel. Ich werde bis zu dem Tag an dich denken, an dem man mich hängt ... und sogar danach noch ... Adieu!«

Sie hörte ihn durchs Wasser waten, dann sah sie, wie er in der Sonne die Uferböschung hinauflief! In seinem schwarzen Anzug, mit seinem spitzen Hut, seinen dünnen Waden, seinem zerrissenen, im Winde flatternden Mantel glich er einem wunderlichen Vogel.

Bootsleute, die beobachtet hatten, wie er aus der Zille gestiegen war, warfen ihm Steine nach. Er wandte ihnen sein bleiches Gesicht zu und stieß ein schallendes Gelächter aus. Dann verschwand er plötzlich wie ein Traum.