142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 134

Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 134

»Nein«, sagte der andere in barschem Ton. »Und wenn ich es wüßte, würde ich es dir nicht sagen. Du bist keine Klientin für ihn.«

Angélique war niedergeschmettert. Seit ein paar Tagen lebte sie nur noch in dem Gedanken, wenn auch nur für eine Sekunde die Gesichter ihrer beiden Kinder zu sehen. Sie hatte sie sich vorgestellt, wie sie vom Spaziergang zurückkommen würden, Cantor auf Barbes Arm, Florimond fröhlich neben ihr einhertrippelnd. Und nun waren auch sie für immer von ihrem Horizont verschwunden!

Es wurde ihr schwindlig vor Schmerz, und sie mußte sich an die Wand lehnen. Der Seifenhändler, der im Begriff war, für die Nacht seine Bude zu verrammeln, und dabei die Unterhaltung mit angehört hatte, sagte zu ihr:

»Liegt dir so viel dran, Maître Fallot zu sprechen? Ist es wegen eines Prozesses .?«

»Nein«, erklärte Angélique und versuchte, sich zu beherrschen, »aber ich . ich hätte gern ein Mädchen gesprochen, das bei ihm in Dienst war, ein Mädchen namens Barbe. Kennt hier in der Gegend niemand die neue Adresse des Herrn Staatsanwalts?«

»Was Maître Fallot und seine Familie betrifft, kann ich dir keine Auskunft geben. Aber Barbe . das wäre möglich. Sie ist nicht mehr bei ihnen. Als ich sie das letztemal zu sehen bekam, arbeitete sie bei einem Bratkoch der Rue de la Vallée-de-Misère, im >Kecken Hahn<.«

»Oh, ich danke Euch vielmals!«

Und schon lief Angélique durch die dunkelnden Straßen. Die Rue de la Vallée-de-Misère hinter dem Chätelet-Gefängnis war das Revier der Bratköche. Tag und Nacht waren hier die schrillen Schreie des Federviehs zu hören, dem die Gurgel durchgeschnitten wurde, und das knarrende Geräusch der sich vor dem Feuer drehenden Spieße.

Die Bratküche zum »Kecken Hahn« war die letzte in der langen Reihe und keineswegs die glänzendste. Im Gegenteil, man hätte bei ihrem Anblick meinen können, die Fastenzeit, die allein die Öfen der Bratköche löscht, die Metzgerläden schließt und die Kuchenbäcker zum Gähnen bringt, habe bereits begonnen.

Angélique betrat einen von zwei oder drei Kerzen kümmerlich erleuchteten Raum. Vor einem Humpen Wein hockte ein beleibter Biedermann, der eine schmutzige Kochmütze trug und offensichtlich sehr viel mehr mit Trinken beschäftigt war als damit, seine Gäste zu bedienen. Diese waren nicht eben zahlreich und bestanden in der Hauptsache aus Handwerkern und einem Reisenden von dürftigem Äußeren. Trägen Schrittes brachte ihnen ein junger, in eine fettige Schürze gewickelter Bursche Gerichte, deren Zusammensetzung sich nur mit Mühe erraten ließ.

Angélique wandte sich an den dicken Koch:

»Habt Ihr hier eine Magd namens Barbe?«

Der Mann deutete lässig mit dem Daumen in die Küche, in deren Hintergrund Angélique Barbe entdeckte. Sie saß vor dem Feuer und rupfte ein Huhn.

»Barbe!«

Die Angerufene hob den Kopf und rieb sich mit dem Arm über die schweißbedeckte Stirn.

»Was willst du, Mädchen?« fragte sie mit müder Stimme.

»Barbe!« wiederholte Angélique.

Die Augen der Magd bekamen einen verwunderten Ausdruck, dann weiteten sie sich plötzlich vor Verblüffung, und sie stammelte:

»Oh, Madame .! Vergebt mir, Madame .!«

»Du darfst mich nicht mehr Madame nennen, das siehst du doch«, sagte Angélique in schroffem Ton. Sie ließ sich auf den Herdstein sinken. Die Hitze war zum Ersticken.

»Barbe, wo sind meine Kinder?«

Barbes dicke Wangen bebten, als hielte sie mühsam die Tränen zurück. Sie schluckte und vermochte endlich zu antworten.

»Sie sind in Pflege, Madame . Außerhalb von Paris, in einem Dorf in der Nähe von Longchamp.«

»Hat meine Schwester Hortense sie nicht bei sich behalten?«

»Madame Hortense hat sie gleich in Pflege gegeben. Ich bin einmal zu jener Frau gegangen, um ihr das Geld zu bringen, das Ihr mir dagelassen hattet. Madame Hortense hatte verlangt, daß ich ihr das Geld übergebe, aber ich habe ihr nicht alles gegeben. Ich wollte, daß das Geld nur den Kindern zugute kommt. Danach hab’ ich nicht mehr zur Amme gehen können. Ich hatte Madame Hortense inzwischen verlassen . Ich habe mehrere Stellen gehabt . Es ist so schwer, sein Brot zu verdienen.«

Sie überstürzte sich im Reden und vermied es, Angéliques Blick zu begegnen. Die letztere dachte nach. Das Dorf Longchamp war nicht sehr weit entfernt. Für die Damen des Hofes war es ein beliebtes Ausflugsziel; sie pflegten dort das Meßamt der Nonnen von der Abtei zu hören .

Nervös und hastig hatte Barbe ihre unterbrochene Arbeit wiederaufgenommen. Angélique spürte, daß jemand sie anstarrte, wandte sich um und erblickte den jungen Burschen mit der Schürze. Er starrte sie offenen Mundes und mit einem Ausdruck, der über die Gefühle, die ihm die hübsche Frau in Lumpen einflößte, keinen Zweifel zuließ. Angélique war an lüsterne Männerblicke gewöhnt, aber diesmal fühlte sie sich gereizt. Sie stand auf.

»Wo wohnst du, Barbe?«

»Hier im Haus, in einer Bodenkammer.«

In diesem Augenblick kam mit schief sitzender Mütze der Wirt des »Kecken Hahns« herein.

»Nun, was treibt ihr da alle?« erkundigte er sich mit mürrischer Stimme. »David, die Gäste rufen nach dir ... Bist du endlich mit dem Federvieh fertig, Barbe? Soll ich mich vielleicht selbst bemühen, damit ihr weitertratschen könnt? Was will überhaupt das Weibsbild da? Los, raus mit dir! Und untersteh dich nicht, mir einen Kapaun zu stehlen .«

»Oh, Meister Bourgeaud!« rief Barbe entrüstet aus.

Aber an diesem Abend war Angélique nicht passiv gestimmt. Sie stemmte die Arme in die Hüften, und der ganze Wortschatz der Polackin kam ihr auf die Lippen.

»Halt die Klappe, dickes Faß! Mich verlangt nicht nach deinen zähen Pappkartonhähnchen. Klapp deine Pupillen zu, liederlicher alter Junggeselle, und dein Schandmaul dazu, wenn du nicht was drauf kriegen willst!«

»Oh, Madame!« schrie Barbe, die sich vor Entsetzen nicht zu fassen wußte.

Angélique nützte die Verblüffung der beiden Männer aus und flüsterte ihr zu:

»Ich warte draußen im Hof auf dich.«

Als bald darauf Barbe mit einem Leuchter in der Hand im Hof erschien, folgte sie ihr über die schadhafte Treppe in die Bodenkammer, die Meister Bourgeaud seiner Magd für ein paar Sols vermietete.

»Es sieht recht armselig aus bei mir«, sagte Barbe verlegen.

»Brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich kenne die Armut.«

Angélique zog ihre Schuhe aus, um die Kühle des Steinbodens zu genießen, und setzte sich auf das Bett, das aus einem auf Brettern und vier Füßen ruhenden Strohsack bestand.

»Ihr dürft Meister Bourgeaud nicht böse sein«, erklärte Barbe. »Er ist kein schlechter Mensch, aber seit dem Tod seiner Frau hat er den Verstand verloren und trinkt nur noch. Der Küchenjunge ist ein Neffe von ihm, den er zu seiner Hilfe aus der Provinz hat kommen lassen, aber er stellt sich nicht sehr geschickt an. Drum geht das Geschäft schlecht.«

»Wenn es dir nicht unangenehm ist, Barbe«, sagte Angélique, »möcht’ ich bei dir über Nacht bleiben. Morgen will ich in aller Frühe aufbrechen und meine Kinder besuchen. Kann ich mit dir das Bett teilen? Es wäre mir sehr lieb.«

»Madame erweist mir eine große Ehre.«

»Ehre«, sagte Angélique bitter. »Schau mich an und rede nicht mehr so.«

Barbe brach in Tränen aus.

»O Madame!« stammelte sie. »Euer schönes Haar ... Euer wunderschönes Haar! Wer bürstet es Euch jetzt?«

»Ich selber . manchmal. Barbe, weine nicht, ich flehe dich an.«

»Wenn Madame mir erlaubt«, flüsterte die Magd, »ich hab’ dort eine Bürste . Ich könnte vielleicht . ausnützen ... daß ich mit Madame zusammen bin .«

»Wenn du willst.«