142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 145

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Der Lakai stieg die Treppe hinunter, und auch er fühlte sich wie Meister Bourgeaud entehrt.

Ein wenig später kam Barbe mit Florimond und Cantor auf dem Arm die Treppe herauf. Als sie das Zimmer betrat, bliesen Linot und Flipot mit vollen Backen in ein prächtig knisterndes Holzfeuer.

»Laß sie ruhig hier, wo es jetzt so schön warm ist«, sagte Angélique, »und geh an deine Arbeit. Barbe, du bist doch nicht böse, daß ich mit meinen Kleinen zu dir gekommen bin?«

»O Madame, ich bin ja glücklich darüber!«

»Und du mußt auch diese armen Kinder aufnehmen«, sagte Angélique, indem sie auf Rosine und die beiden Knaben wies. »Wenn du wüßtest, woher sie kommen!«

»Madame, mein ärmliches Zimmer steht zu Eurer Verfügung.«

»Baaarbe ...!«

Meister Bourgeaud brüllte unten im Hof. Die ganze Nachbarschaft hallte wider von seinem Geschrei. Nicht nur, daß sein Haus von Bettelvolk mit Beschlag belegt worden war, jetzt verlor auch noch seine Magd den Kopf.

Einen Spieß mit sechs Kapaunen hatte sie mir nichts, dir nichts verbrennen lassen ... Und was war denn das, dieser Funkenregen, der dort oben aus dem Kamin stob? Einem Kamin, in dem seit fünf Jahren kein Feuer mehr gebrannt hatte. Alles würde in Flammen aufgehen! Das war der Ruin. Ach, warum war auch die Meisterin Bourgeaud gestorben!

Das von Madame de Soissons geschickte Kochgeschirr enthielt Rindfleisch, Suppe und schöne Gemüse. Auch zwei Brote und ein Topf mit Milch waren dabei.

Rosine ging hinunter, um am Brunnen im Hof einen Eimer Wasser zu holen, das sie später auf den Feuerböcken heiß werden ließ. Angélique wusch ihre beiden Kinder und hüllte sie in neue Hemden und warme Decken. Nie mehr würden sie hungern und frieren ...!

Cantor lutschte an einem Hühnerknochen, den er in der Küche aufgelesen hatte, und plapperte vor sich hin, während er mit seinen Füßchen spielte. Florimond schien sich noch nicht so recht erholt zu haben. Er schlummerte ein und wachte schreiend wieder auf. Er zitterte, und sie wußte nicht, war es vor Fieber oder vor Angst. Doch nach seinem Bade schwitzte er ausgiebig und sank endlich in friedlichen Schlaf.

Angélique schickte Linot und Flipot hinaus und wusch sich ihrerseits in dem Kübel, dessen sich die Magd zu bedienen pflegte.

»Wie schön du bist!« sagte Rosine bewundernd zu ihr. »Ich kenne dich nicht, aber sicher bist du eins der Liebchen von Beau-Garçon.«

Angélique rieb sich energisch den Kopf und stellte fest, daß es wirklich sehr einfach war, sich die Haare zu waschen, wenn man keine mehr hatte.

»Nein, ich bin die Marquise der Engel.«

»Oh, du bist das!« rief das Mädchen verblüfft aus.

»Ich hab’ so viel von dir reden hören. Stimmt es, daß Calembredaine gehenkt worden ist?«

»Ich weiß es nicht, Rosine. Schau, wir sind in einer sehr schlichten und sehr ehrbaren kleinen Stube. Dort an der Wand hängen ein Kruzifix und ein Weihwassergefäß. Wir dürfen von alldem nicht mehr reden.«

Sie streifte ein grobes Leinenhemd über, einen Rock und ein Mieder aus dunkelblauem Wollstoff, die zu der Fracht des Karrens gehört hatten. Die unförmigen, derben Kleidungsstücke waren viel zu weit für Angéliques schmale Taille, aber sie waren sauber, und sie empfand es als große Erleichterung, ihre Lumpen von sich werfen zu können.

Dem Köfferchen, das sie samt dem Affen Piccolo in der Rue du Val d’Amor abgeholt hatte, entnahm sie einen kleinen Spiegel. In diesem Köfferchen befanden sich alle möglichen interessanten Dinge, auf die sie Wert legte, unter anderem ein Schildpattkamm, mit dem sie sich kämmte. Ihr Gesicht mit den abgeschnittenen Haaren kam ihr fremd vor.

»Haben dir die Büttel die Perücke gestutzt?« fragte Rosine.

»Ja ... Pah, das wächst nach. O Rosine, was hab’ ich denn da?«

»Wo?«

»In meinen Haaren. Schau.«

Rosine beugte sich über sie.

»Es ist eine weiße Strähne«, sagte sie.

»Eine weiße Strähne!« wiederholte Angélique entsetzt. »Aber das ist doch nicht möglich. Gestern hab’ ich noch keine gehabt. Ich weiß es ganz sicher.«

»Das passiert eben so. Vielleicht heut nacht?«

»Ja, heute nacht.«

Angéliques Beine versagten den Dienst, und sie mußte sich auf Barbes Bett setzen.

»Rosine . Bin ich alt geworden?«

Das Mädchen kniete vor ihr nieder und sah sie ernst an, dann streichelte sie ihre Wange.

»Ich glaube, nicht. Du hast keine Runzeln, deine Haut ist glatt.«

Angélique ordnete ihr Haar, so gut es gehen wollte, und versuchte, die unglückselige Locke unter den andern zu verbergen. Dann band sie ein schwarzseidenes Tuch um den Kopf.

»Wie alt bist du, Rosine?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht vierzehn, vielleicht auch fünfzehn.«

»Jetzt erinnere ich mich an dich. Ich habe dich eines Nachts auf dem Friedhof der Unschuldigen Kindlein gesehen. Du gingst im Zug des Großen Coesre, und deine Brüste waren bloß. Es war im Winter. Hast du nicht gefroren?«

Rosine richtete ihre großen, dunklen Augen auf Angélique, ein stiller Vorwurf lag in ihnen. »Du hast es selbst gesagt. Wir wollen nicht mehr davon sprechen«, flüsterte sie.

In diesem Augenblick trommelten Flipot und Linot an die Tür. Vergnügt kamen sie herein. Barbe hatte ihnen heimlich eine Pfanne, ein Stück Speck und eine Schüssel mit Teig zugesteckt. Es würde Speckpfannkuchen geben.

An diesem Abend gab es in Paris kaum einen Ort, an dem es fröhlicher herging als in der kleinen Stube hoch über der Rue de la Vallée-de-Misère. Angélique buk die Pfannkuchen, und Linot zupfte auf der Bettlerleier Thibault-le-Veilleurs. Die Polackin war es gewesen, die das Instrument in einem Straßenwinkel gefunden und dem Enkel des alten Musikanten übergeben hatte. Niemand wußte, was aus diesem bei der großen Schlägerei geworden war.

Ein wenig später kam Barbe mit ihrem Leuchter herauf. Sie erzählte, daß kein Gast mehr in der Bratstube gewesen sei und Meister Bourgeaud verärgert seine Tür abgeschlossen habe. Um das Unglück des Gastwirts vollzumachen, habe man ihm auch noch die Uhr gestohlen. Kurz, sie sei viel früher frei als gewöhnlich. Als sie mit ihrem Bericht zu Ende war, fiel ihr Blick auf eine wunderliche Sammlung von Gegenständen, die auf dem Kasten ausgebreitet war, in dem sie ihre Habseligkeiten verstaute. Da waren zwei Tabakreiben, eine gestickte Börse mit einigen Geldstücken, Knöpfe, ein Haken, und mitten drin.

»Aber ... das ist ja die Uhr Meister Bourgeauds!« sagte sie verdutzt.

»Flipot!« rief Angélique.

Flipot wich ihrem Blick aus.

»Ja, ich war’s«, gab er zu. »Als ich wegen des Teigs in die Küche ging.« Angélique packte ihn beim Ohr und schüttelte ihn gehörig.

»Wenn du wieder zu mausen anfängst, verflixter kleiner Taschendieb, dann setz’ ich dich vor die Tür, und zu kehrst zu Jean-Pourri zurück.«

Zerknirscht schlich sich der Junge in eine Ecke des Raums, legte sich nieder und schlief bald darauf ein. Linot folgte seinem Beispiel und nach ihm Rosine, die sich auf dem Strohsack zusammenkauerte. Auch die Kleinen waren längst wieder eingeschlummert.

Vor dem Feuer blieben nur Barbe und Angélique wach. Man hörte kaum ein Geräusch, denn das Zimmer ging nach einem Hof und nicht nach der Straße, die sich zu dieser Stunde mit Zechern und Spielern zu bevölkern begann.

»Es ist noch nicht spät. Eben schlägt es neun Uhr vom Châtelet«, sagte Barbe.