142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 154

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Sie waren um den Tisch herumgegangen, und Angélique bemerkte, daß die winzigen Füße Dona Teresitas kaum über den Rand des Sessels hingen, auf dem sie hockte. Es war die Zwergin der Königin.

Angélique raffte mit zwei Fingern ihren Rock und vollführte einen kleinen Knicks, um die Achtung zu bezeigen, die sie vor dieser hochgestellen Dame empfand.

Mit einer Kopfbewegung bedeutete die Zwergin der jungen Frau, sich auf einen zweiten Schemel zu setzen, und fuhr fort, langsam ihre Mixtur zu rühren. Barcarole war auf den Tisch gesprungen. Er zerknackte und knabberte Haselnüsse, während er seiner Gefährtin in spanischer Sprache Geschichten erzählte.

Ein schöner Windhund näherte sich, um Angélique zu beschnuppern, und legte sich dann zu ihren Füßen nieder. Von jeher hatten sich Tiere in ihrer Nähe wohl gefühlt.

»Das ist Pistolet, der Windhund des Königs«, stellte Barcarole vor, »und hier sind Dorinde und Mignonne, die Hündinnen.«

Es war still und gemütlich in diesem Winkel des Palasts, in dem sich die beiden Knirpse zwischen zwei Kapriolen zu einem Schäferstündchen trafen. Angélique sog neugierig den aus dem Kochgeschirr aufsteigenden Duft in die Nase. Es war ein undefinierbarer, angenehmer Geruch, bei dem Zimt und Piment vorherrschten. Sie betrachtete die Ingredienzen die auf dem Tisch lagen: Haselnüsse und Mandeln, ein Bündchen roten Piments, einen Topf mit Honig, einen zur Hälfte zerkleinerten Zuckerhut, Näpfe mit Anis- und Pfefferkörnern, Dosen mit pulverisiertem Zimt. Endlich bohnenförmige Gebilde, die sie nicht kannte.

Völlig ihrer Beschäftigung hingegeben, schien die Zwergin nicht geneigt, sich sonderlich um den Gast zu bemühen.

Indessen entlockte ihr Barcaroles übermütiges Geplauder schließlich ein Lächeln.

»Ich habe ihr gesagt, daß du mich verjüngt findest und daß ich das den Wonnen verdanke, die sie mir bereitet. Meine Liebe, du kannst mir’s glauben, ich sitze hier dick in der Wolle! Aber freilich, ich verbürgerliche. Zuweilen beunruhigt mich das. Die Königin ist eine herzensgute Frau. Wenn sie gar zu traurig ist, ruft sie mich zu sich, tätschelt mir die Wangen und sagt: >Ach, mein guter Junge! Mein guter Junge!< Ich bin an so was nicht gewöhnt. Ich kriege vor Rührung Tränen

in die Augen - kannst du dir das bei mir vorstellen?«

»Warum ist die Königin traurig?«

»Meiner Treu, sie beginnt zu ahnen, daß ihr Mann sie betrügt!«

»Dann stimmt es also, was man erzählt: daß der König eine Favoritin hat?«

»Bei Gott, er versteckt sie, seine La Vallière, aber die Königin wird schon noch dahinterkommen. Arme kleine Frau! Sie ist nicht sonderlich schlau und kennt das Leben nicht. Weißt du, mein Täubchen, wenn man genauer zusieht, unterscheidet sich das Dasein der Fürsten gar nicht so sehr von dem ihrer bescheidenen Untertanen. Sie tun einander Übles an und streiten sich in der Ehe genau wie unsereins. Man muß sie sehen, die Königin von Frankreich, wenn sie abends auf ihren Gatten wartet, der sich währenddessen mit einer andern verlustiert. Wenn es etwas gibt, auf das wir Franzosen stolz sein können, so ist es die Potenz unseres Herrn auf dem Gebiet der Liebe. Vor noch gar nicht langer Zeit ist Seine Majestät einmal von mittags bis vier Uhr früh bei seiner Mätresse geblieben. Sechzehn Stunden! Hast du Töne? Die Königin wartete vor dem Kamin mit ihrer Hofdame, Madame de Chevreuse. Als der König eintrat, sagte er ärgerlich:

>Was macht Ihr da?<

>Sire, ich habe auf Euch gewartet<, erwiderte die Königin, Tränen in den Augen.

>Ihr habt auf mich gewartet? Nun ja, das kommt wohl öfters vor. Aber worüber beklagt Ihr Euch?

Schlafe ich nicht jede Nacht in Eurem Gemach?<

>In meinem Gemach wohl ...<, unterbrach die Königin mit verdrossener Miene, >aber .<

>Ich verstehe . Was wollt Ihr, Madame? Selbst die Könige bekommen nicht alles auf Kommando. Legt Euch also mit Euren kleinen Kümmernissen schlafen^

Die Königin warf sich ihm zu Füßen und sagte: >Ich werde Euch immer lieben, was Ihr mir auch antun mögt.<

Worauf die Hofdame diskret das Weite suchte. Unser Freibeuter legt sich neben seine Marquise. Aber, ja prosit! Die kleinen Wünsche der Königin kamen höchst ungelegen nach dem sechzehnstündigen Aufenthalt bei Mademoiselle de la Vallière, den Seine Majestät gerade hinter sich hatte. Fünf Sekunden danach schnarchte er dröhnend. Und sie hörten wir leise weinen.«

»Schlaft ihr im Gemach der Königin?« fragte Angélique neugierig.

»Die Hunde schlafen auch dort. Sind wir etwas anderes als Haustiere? Und ich mit meinem Männerhirn in meinem komischen kleinen Körper, ich vergnüge mich damit, die Herzen der Großen zu ergründen. Willst du noch eine Geschichte hören?«

»Du bist geschwätzig wie ein Höfling. Sag mir lieber, was Dona Teresita da so andachtsvoll braut. Es verbreitet einen wunderlichen Geruch, den ich nicht zu benennen weiß.«

»Aber das ist die Schokolade der Königin.« Aufs höchste interessiert, stand Angélique auf und warf einen Blick in die Kasserolle. Sie sah ein schwärzliches Produkt von zäher Konsistenz, das nichts sonderlich Einladendes hatte. Über Bacarole als Mittelsperson knüpfte sie ein Gespräch mit der Zwergin an, die ihr erklärte, man brauche für dieses Meisterwerk, das herzustellen sie im Begriff war, hundert Kakaobohnen, zwei Pfefferkörner, eine Prise Anis, eine Kampescheschote, zwei Drachmen Zimt, zwölf Mandeln, ebenso viele Haselnüsse und ein Klümpchen Zucker. »Das scheint mir ja eine komplizierte Geschichte zu sein«, sagte Angélique enttäuscht. »Schmeckt es wenigstens gut? Könnte ich es probieren?«

»Die Schokolade der Königin probieren! Eine Ruchlose, eine Gaunerin, wie du eine bist! Welche Schamlosigkeit!« rief der Zwerg mit geheuchelter Entrüstung aus.

Obwohl auch die Zwergin die Sache höchst gewagt fand, geruhte sie, Angélique mit einem goldenen Löffel eine Probe des besagten Gebräus zu reichen. Es brannte im Munde und war sehr süß. Aus Höflichkeit sagte Angélique, es sei vorzüglich.

»Die Königin kann ihre Schokolade nicht mehr entbehren«, erläuterte Barcarole. »Sie braucht mehrere Tassen am Tag, aber man bringt sie ihr heimlich, denn der König und der ganze Hof machen sich über ihre Leidenschaft lustig. Im Louvre nehmen nur Ihre Majestät und die Königin-Mutter, die ebenfalls Spanierin ist, das Getränk zu sich.«

»Wo kann man sich die Kakaobohnen verschaffen, die zu seiner Herstellung erforderlich sind?«

»Die Königin läßt sie eigens aus Spanien kommen, durch Vermittlung des Botschafters. Man muß sie rösten, zerstoßen und entölen.«

Er fuhr in geringschätzigem Tone fort:

»Ich verstehe nicht, wie man wegen solcher Scheußlichkeit so viel Theater machen kann!«

In diesem Augenblick trat hastig ein kleines Mädchen in den Raum und verlangte in sich überstürzendem Spanisch die Schokolade für Ihre Majestät. Angélique erkannte Philippa wieder. Es wurde behauptet, sie sei ein uneheliches Kind König Philipps IV von Spanien, und die Infantin Maria-Theresia habe den Säugling in den Gängen des Eskorial gefunden und aufziehen lassen. Das Mädchen war unter dem spanischen Gefolge gewesen, das die Bidassoa überquert hatte.

Angélique erhob sich und nahm Abschied von Dona Teresita. Der Zwerg begleitete sie zu einer kleinen Pforte, die zum Seinequai führte.

»Du hast mich nicht gefragt, was aus mir geworden ist«, sagte Angélique, als sie sich eben trennen wollten.

Plötzlich schien es ihr, als habe sich der Zwerg in einen Kürbis verwandelt, denn sie sah von ihm nur noch den riesigen Hut aus orangefarbenem Atlas. Barcarole starrte zur Erde.

Angélique hockte sich auf die Schwelle, um mit dem kleinen Mann auf gleicher Höhe zu sein und ihm in die Augen sehen zu können.

»Gib mir Antwort!«

»Ich weiß, was aus dir geworden ist. Du hast Calembredaine fallenlassen und bist die Beute deiner schönen Gefühle geworden.«

»Man könnte meinen, du wirfst mir etwas vor. Hast du nicht von der Schlacht auf dem Jahrmarkt in Saint-Germain reden hören? Calembredaine ist verschwunden. Mir ist es geglückt, aus dem Châtelet zu entrinnen. Rodogone ist in der Tour de Nesle.«

»Du gehörst nicht mehr zur Gaunerzunft.«

»Du auch nicht.«

»Oh, ich gehöre noch immer zu ihr. Ich werde immer zu ihr gehören. Sie ist mein Königreich«, erklärte Barcarole in seltsam feierlichem Ton.

»Wer hat dir all das über mich gesagt?«

»Cul-de-Bois.«

»Du hast ihn wiedergesehen?«

»Ich habe ihm gehuldigt. Er ist jetzt unser Großer Coesre. Du weißt es, denk’ ich.«

»Allerdings.«

»Ich habe einen prallen Beutel mit Louisdoren ins Becken geworfen. Huhu, meine Liebe! Ich war der schmuckste Bursche der Versammlung.«