142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 168

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»Doch, aber sie haben ihn entmannt.«

»Wie? Was sagst du? Wen haben sie .?«

»Meister Bourgeaud. Als er Linot schreien hörte, ist er aus der Küche gekommen. Er sagte: >Messeigneurs! Nicht doch! Messeigneurs!< Aber sie sind über ihn hergefallen. Sie lachten und verprügelten ihn und riefen: >Alter Säufer! Dickes Faß!< Wider meinen Willen hab’ ich schließlich lachen müssen. Und dann hat einer gesagt: >Ich erkenne ihn, er ist der ehemalige Wirt des »Kecken Hahns« ...< Ein anderer sagte: >Für einen Hahn bist du nicht sonderlich keck, ich werde einen Kapaun aus dir machen.< Er nahm ein großes Fleischmesser, sie alle fielen von neuem über ihn her und haben ihm . was abgeschnitten.«

Der Junge machte eine Bewegung, die keinen Zweifel über die Art der Verstümmelung zuließ, deren Opfer der arme Bratkoch geworden war.

»David haben sie eins mit dem Degen über den Kopf gegeben, als er sie aufhalten wollte, und wir andern haben uns schleunigst aus dem Staube gemacht.«

Die Rue de la Vallée-de-Misère bot beinahe den üblichen Anblick. Sie war, wie immer in dieser Karnevalszeit, sehr belebt, und aus den von zahlreichen Gästen besetzten Bratstuben erscholl fröhlicher Gesang und Gläserklirren. An ihrem Ende jedoch hatte sich vor der »Roten Maske« eine ungewöhnliche Anhäufung von weißen Gestalten mit hohen Mützen zusammengefunden. Die benachbarten Bratköche und ihre Küchenjungen standen, mit Spicknadeln und Bratenwendern bewaffnet, aufgeregt gestikulierend vor der Schenke.

»Wir wissen nicht, was wir tun sollen!« rief einer von ihnen Angélique zu. »Diese Teufel haben die Tür mit Bänken verrammelt. Und sie haben eine Pistole .«

»Man muß die Polizei holen.«

»David ist schon hingelaufen, aber .«

Der Wirt vom »Gerupften Kapaun«, dem Nachbarlokal der »Roten Maske«, fuhr mit gedämpfter Stimme fort:

». er wurde in der Rue de la Triperie von Lakaien aufgehalten. Sie erzählten ihm, die Gäste, die sich im Augenblick in der >Roten Maske< befänden, seien sehr hochmögende Edelleute, Persönlichkeiten aus der nächsten Umgebung des Königs. Die Polizei werde ein komisches Gesicht machen, wenn sie sich in diese Geschichte hineingezogen sähe. David ist trotzdem zum Châtelet gelaufen, aber die Lakaien hatten bereits die Wachen verständigt, und er bekam zur Antwort, daß er gefälligst selbst sehen solle, wie er mit seinen Gästen fertig werde.«

Aus der Schenke zur »Roten Maske« drang fürchterlicher Lärm: viehisches Gelächter, johlender Gesang und ein so wildes Geschrei, daß sich den biederen Bratköchen die Haare unter ihren Mützen sträubten.

Da auch vor den Fenstern Tische und Bänke aufgetürmt worden waren, konnte man nicht erkennen, was im Innern vorging, aber das Klirren zerschmetterten Geschirrs war zu hören und von Zeit zu Zeit der trockene Knall einer Pistole. Offenbar nahmen sich die Herren die schönen Karaffen aus kostbarem Glas zum Ziel, mit denen Angélique ihre Tische und den Kaminsims geschmückt hatte.

Angélique entdeckte David. Er war ebenso bleich wie seine Schürze und trug eine Binde um die Stirn, durch die Blut sickerte.

Stammelnd vervollständigte er den Bericht Flipots über die grausigen Saturnalien: Die Edelleute hatten sich von Anfang an sehr herausfordernd benommen.

Sie waren sichtlich schon bei ihrer Ankunft betrunken gewesen.

Zuerst hatten sie eine Schüssel mit fast kochend heißer Suppe über den Kopf eines der Küchenjungen gestülpt. Dann hatte man die größte Mühe gehabt, sie aus der Küche zu vertreiben, wo sie sich Suzannes hatten bemächtigen wollen, die wahrhaftig eine wenig verlockende Beute darstellte. Schließlich war die Geschichte mit Linot passiert, dessen reizendes Gesicht üble Gelüste in ihnen geweckt hatte .

»Komm«, sagte Angélique und packte den Jüngling beim Arm. »Wir müssen nachschauen. Ich gehe durch den Hof.«

Zwanzig Hände suchten sie zurückzuhalten.

»Bist du denn verrückt? Sie werden dich aufspießen! Das sind doch Wölfe ...!«

»Vielleicht kommen wir noch zurecht, um Linot und Meister Bourgeaud zu retten.«

»Warte. Wir gehen hinein, wenn sie zu schnarchen anfangen.«

»Bis dahin werden sie alles zerschlagen und in Brand gesteckt haben!«

Sie riß sich los, trat mit David in den Hof und von dort in die Küche. David hatte, bevor er mit den übrigen Dienstboten geflüchtet war, die in die Gaststube führende Tür sorgsam verriegelt. Angélique stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. So waren wenigstens die hier untergebrachten beträchtlichen Vorräte nicht der Zerstörungswut der Elenden zum Opfer gefallen.

Mit Hilfe des jungen Mannes schob sie einen Tisch an die Wand, kletterte hinauf und spähte durch das in halber Höhe angebrachte Fenster in die verwüstete Gaststube, deren Fußboden zerbrochenes Geschirr und beschmutzte Tischtücher bedeckten. Die Schinken und Hasen waren von den Haken gerissen und mit kräftigen Fußstößen durch den Raum getrieben worden. Die obszönen Worte ihrer Lieder, ihre Flüche, ihre Lästereien waren jetzt deutlich zu verstehen.

Die meisten von ihnen hockten um einen Tisch am Kamin. Ihre Haltung und die immer schläfriger klingenden Stimmen verrieten, daß sie bald einnicken würden. Der Anblick der lallend klaffenden Münder unter den schwarzen Masken hatte etwas Unheimliches. Ihre prächtigen Gewänder waren von Wein und Soße und vielleicht auch von Blut befleckt.

Angélique bemühte sich, die Körper Linots und des Bratkochs zu entdecken, aber der hintere Teil der Stube lag im Halbdunkel, da die Leuchter umgeworfen worden waren.

»Wer hat sich zuerst an Linot vergriffen?« fragte sie leise.

»Der kleine Mann dort an der Ecke des Tischs, der mit den vielen rosafarbenen Bändern am grünen Rock. Der hat den Anstoß gegeben und die andern ermuntert.«

Im selben Augenblick richtete sich der Bezeich-nete mühsam auf, hob sein Glas und rief mit Fistelstimme:

»Ihr Herren, ich trinke auf das Wohl Asträas und Asmodis, der Hüter der Freundschaft!«

»Oh, diese Stimme!« rief Angélique und zuckte unwillkürlich zurück. Sie hätte sie unter Tausenden erkannt. Es war die Stimme, die sie zuweilen noch immer in ihren schlimmsten Alpträumen hörte: »Madame, Ihr werdet sterben .!«

So war er es also - immer er. Hatte ihn denn die Hölle auserkoren, in Angéliques Leben den Dämon des Bösen zu verkörpern?

»Der ist es auch, nicht wahr, der Linot den ersten Degenstich versetzt hat?«

»Ja, und danach der Große dort hinten in der roten Kniehose.«

Auch der brauchte seine Maske nicht abzunehmen, damit sie ihn wiedererkannte. Der Bruder des Königs! Der Chevalier de Lorraine! Und nun wußte sie, daß sie jede dieser maskierten Gestalten mit ihrem Namen benennen konnte!

Plötzlich begann einer der Trunkenbolde, die Stühle und Schemel ins Feuer zu werfen. Ein anderer ergriff eine Flasche und warf sie durch den Raum. Sie zerbarst im Feuer. Es war Branntwein. Eine mächtige Flamme schoß in die Höhe und erfaßte alsbald die Möbel. Ein Höllenfeuer prasselte im Kamin, und glühende Holzteile fielen auf den Boden.

Angélique sprang vom Tisch herunter. »Sie werden das Haus in Brand setzen. Man muß ihnen Einhalt gebieten!«

Aber der Gehilfe hielt sie fest. »Ihr dürft nicht hineingehen. Sie werden Euch umbringen!«

Sie rangen eine Weile verbissen und stumm, und da der Zorn und die Angst vor dem Feuer ihre Kraft verzehnfachten, gelang es ihr, sich loszureißen und David zurückzustoßen. Überdies schien der gute Junge in der Berührung mit diesem so ersehnten Körper seine ganze Energie zu verlieren.

Um nicht erkannt zu werden, setzte Angélique ihre Maske auf, dann schob sie entschlossen die Riegel zurück und öffnete geräuschvoll die Küchentür. Das plötzliche Auftauchen dieser in einen schwarzen Umhang gehüllten und so seltsam maskierten Frau rief unter den Zechern einige Verblüffung hervor.

»Oh, die rote Maske!«

»Ihr Herren«, rief Angélique mit bebender Stimme, »habt Ihr den Verstand verloren? Fürchtet Ihr den Zorn des Königs nicht, wenn die Kunde von Euren Verbrechen zu ihm dringt .?«

An dem betretenen Schweigen erkannte sie, daß sie das einzige Wort ausgesprochen hatte, das in die umnebelten Köpfe der Trunkenbolde zu dringen und dort einen Funken Klarsicht zu erzeugen vermochte: der König!

Sie nutzte ihren Vorteil und wagte sich beherzt weiter vor. Ihr Ziel war, bis zur Feuerstätte zu gelangen und die brennenden Möbel herauszuholen, um die Glut zu mindern und damit der Gefahr eines Kaminbrandes zu begegnen.

Doch da erblickte sie unter dem Tisch den verstümmelten Körper Meister Bourgeauds. Neben ihm lag mit aufgerissenem Leib und schneeweißem Engelsgesicht der Knabe Linot. Ihrer beider Blut vermischte sich mit den Weinlachen, die sich überall gebildet hatten.

Das Grausige dieses Anblicks lähmte sie für eine Sekunde, und wie ein Dompteur, der, von panischer Angst ergriffen, einen Moment seine Raubtiere aus den Augen läßt, verlor sie die Gewalt über die Meute. Das genügte, sie aufs neue zu entfesseln.

»Eine Frau! Eine Frau!«

»Das ist’s, was wir brauchen!«

Eine brutale Hand fuhr auf ihren Nacken nieder. Sie erhielt einen heftigen Schlag gegen die Schläfe. Es wurde ihr schwarz vor Augen. Sie wußte nicht mehr, wo sie war .