142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 184

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Unter der dünnen Schminkeschicht, die er aufzulegen pflegte, war das Gesicht des Marquis du Plessis aschfahl.

»Das Kästchen mit dem Gift ...?« flüsterte er. »Ihr also habt es beseitigt!«

»Gewiß.«

»Dirne! Verdammte kleine Dirne! Ich bin immer überzeugt gewesen, daß Ihr etwas wißt. Mein Vater wollte es nicht glauben. Das Verschwinden jenes Kästchens hat ihn bis an sein Lebensende gequält. Und Ihr wart es! Habt Ihr es noch?«

»Ich habe es noch.«

Mit zusammengebissenen Zähnen begann er zu fluchen, und Angélique bereitete der Rosenkranz von Verwünschungen, der da zwischen diesen schönen, frischen Lippen hervorquoll, inniges Vergnügen.

»Laßt mich los«, sagte sie. »Ihr tut mir weh.«

In seinen Augen blitzte es sekundenlang, bevor er sich langsam zurückzog. Die junge Frau erfaßte den Sinn.

»Ja, Ihr möchtet mir gern noch mehr weh tun. Mir weh tun, bis ich auf immer schweige. Aber Ihr würdet dadurch nichts gewinnen, Philippe. Am Tage meines Todes wird man dem König mein Testament übergeben, der darin die notwendigen Aufklärungen finden wird, samt einem Hinweis, wo jene Dokumente versteckt liegen.«

Mit gespielter Behutsamkeit löste sie die goldene Kette von ihrem Handgelenk, deren Glieder Philippes Finger in ihr Fleisch eingepreßt hatten.

»Ihr seid ein Rohling, Philippe«, sagte sie obenhin.

Dann gab sie sich, als schaue sie durchs Fenster. Sie war jetzt ganz ruhig.

Die Sonne näherte sich dem Horizont. Noch war es hell, aber bald würde die Nacht hereinbrechen. Angélique spürte die durchdringende Feuchtigkeit unter dem Dach der Bäume und fröstelte. Ihr Blick kehrte zu Philippe zurück. Weiß und regungslos wie eine Statue saß er da, aber sie bemerkte, daß sein blonder Schnurrbart feucht von Schweiß war.

»Ich habe den Fürsten gern, und mein Vater war ein rechtschaffener Edelmann«, sagte er, in seinen banalen Ton zurückfallend. »Ich meine, man kann ihnen das nicht antun. Wieviel Geld wollt Ihr für diese Dokumente? Ich werde mir welches leihen, wenn es nötig ist.«

»Ich will kein Geld.«

»Was wollt Ihr dann?«

»Ich habe es Euch vorhin gesagt, Philippe. Daß Ihr mich heiratet.«

»Niemals!«

Philippes Weigerung traf sie härter als seine Flüche. War sie ihm denn so zuwider? Immerhin hatten zwischen ihnen andere als nur rein gesellschaftliche Beziehungen bestanden. Hatte er nicht auf ungewöhnliche Weise Umgang mit ihr gesucht? Sogar Ninon hatte eine Bemerkung in diesem Sinne gemacht.

Sie schwiegen eine Weile. Erst als die Kutsche vor der Toreinfahrt des Hôtel d’Aumont hielt, wurde Angélique sich bewußt, daß man nach Paris zurückgekehrt war. Inzwischen war es vollkommen dunkel geworden, und sie sah Philippes Gesicht nicht mehr. Es war besser so.

Sie brachte de Mut auf, in bissigem Ton zu fragen:

»Nun, Marquis, wie weit seid Ihr in Euren Überlegungen gediehen?«

Er rührte sich nicht und schien aus einem üblen Traum zu erwachen.

»Gut, Madame, ich werde Euch heiraten! Seid so gütig, Euch morgen abend in meinem Palais in der Rue Saint-Antoine einzufinden. Ihr werdet dort mit meinem Verwalter die Vertragsbedingungen besprechen.«

Angélique reichte ihm nicht die Hand. Sie wußte, daß er sie verweigern würde.

Sie verschmähte die Mahlzeit, die der Diener ihr servieren wollte, und ging entgegen ihrer Gewohnheit nicht zu den Kindern hinauf, sondern zog sich sogleich in ihr Zimmer zurück.

»Laß mich allein«, sagte sie zu Javotte, die hereinkam, um sie zu entkleiden.

Sie löschte die Kerzen, denn sie hatte Angst, in einem der Spiegel ihr Bild zu erblicken. Lange Zeit lehnte sie regungslos in der Nische des Fensters. Aus dem schönen Garten drangen durch das Dunkel die Düfte fremdländischer Blüten zu ihr herein.

Belauerte sie das schwarze Gespenst des Großen Hinkenden mit der eisernen Maske?

Aber sie versagte es sich, sich umzuwenden, in ihr Inneres zu blicken. »Du hast mich allein gelassen! Was konnte ich da tun?« schrie sie dem Gespenst ihrer Liebe zu. Sie sagte sich, daß sie bald die Marquise du Plessis-Bellière sein würde, aber es lag keine Freude in diesem Triumph. Sie spürte nur, daß es wie ein Riß durch ihr ganzes Sein ging, daß ihr etwas Unwiederbringliches verlorengegangen war.

»Was du da getan hast, ist unwürdig, ist grauenhaft ...!«

Tränen rannen über ihre Wangen, und während sie die Stirn an die Scheiben lehnte, auf denen eine frev-lerische Hand das Wappen des Grafen Peyrac gelöscht hatte, schwor sie sich, daß dies die letzten Tränen der Schwäche sein sollten, die sie jemals vergießen würde.

Als Madame Morens sich am folgenden Abend im Palais der Rue Saint-Antoine einfand, hatte sie einiges von ihrem Stolz zurückgewonnen. Sie war entschlossen, nicht durch nachträgliche Skrupel die Folgen einer Handlung aufs Spiel zu setzen, die zu vollbringen sie soviel Überwindung gekostet hatte.

»Wer A sagt, muß auch B sagen«, hätte Meister Bourgeaud sicherlich festgestellt.

Erhobenen Hauptes betrat sie einen großen Salon, der nur vom Kaminfeuer erleuchtet wurde. Es war niemand im Raum. Sie konnte in Ruhe ihren Mantel ablegen, sich demaskieren und ihre Hände über das Feuer halten. Obwohl sie sich jeglicher Beklemmung erwehrte, spürte sie, daß ihre Hände kalt waren und daß ihr Herz klopfte.

Nach einer Weile hob sich eine Portiere, und ein alter, schlicht in Schwarz gekleideter Mann näherte sich ihr und begrüßte sie ehrerbietig. Angélique hatte keinen Augenblick daran gedacht, daß der Verwalter der du Plessis-Bellière der Sieur Molines sein könne. Als sie ihn erkannte, stieß sie einen Ausruf der Überraschung aus und ergriff spontan seine beiden Hände.

»Oh, Monsieur Molines! Ist das denn möglich: Wie bin ich glücklich, Euch wiederzusehen!«

»Ihr ehrt mich sehr, Madame«, erwiderte er, indem er sich abermals verbeugte. »Wollt gefälligst auf diesem Sessel Platz nehmen.«

Er selbst setzte sich an ein vor den Kamin gerücktes Tischchen, auf dem Schreibtafeln, ein Tintenzeug und ein Sandbecher verteilt waren.

Während er eine Feder zuschnitt, betrachtete ihn Angélique, noch immer verblüfft über diese Erscheinung. Er hatte sich nicht sehr verändert. Seine Züge waren fest geblieben, sein Blick war noch immer lebhaft und prüfend. Nur sein Haar, auf dem ein Käppchen aus schwarzem Tuch saß, war vollkommen weiß geworden. Unwillkürlich stellte sich Angélique neben ihm die robuste Gestalt ihres Vaters vor, der so oft in das Heim des hugenottischen Verwalters gekommen war, um mit ihm über die Zukunft seiner Kinderschar zu beratschlagen.

»Könnt Ihr mir etwas über meinen Vater berichten, Monsieur Molines?«

Er blies die kleinen Hornsplitter vom Tisch, die er abgeraspelt hatte.

»Dem Herrn Baron geht es ausgezeichnet, Madame.«

»Und die Maulesel?«

»Die vom letzten Jahr machen sich sehr gut. Ich glaube, daß der Herr Baron mit diesem kleinen Geschäft recht zufrieden ist.«

Angélique sah sich wieder als unberührtes, ein wenig starrsinniges, aber lauteres junges Mädchen neben Molines sitzen. Er war es gewesen, der ihre Heirat mit dem Grafen Peyrac ausgehandelt hatte. Heute trat er ihr als Philippes Sachwalter gegenüber. Wie eine Spinne, die geduldig Fäden webt, war Molines stets mit ihrem Lebensfaden verknüpft gewesen. Es war beruhigend, ihm hier wieder zu begegnen; es war das Zeichen, daß ihr Leben wieder seine ursprüngliche Richtung einschlug.

»Erinnert Ihr Euch«, sagte sie versonnen, »Ihr wart am Abend meiner Hochzeit in Monteloup bei uns. Ich war schrecklich böse auf Euch. Und dennoch habe ich es Euch zu verdanken, daß ich eine Zeitlang sehr glücklich gewesen bin.«

Der Greis warf ihr einen Blick über seinen dicken Schildpattkneifer zu. »Sind wir hier, um uns in rührselige Betrachtungen über Eure erste Ehe zu verlieren oder um den Vertrag für die zweite auszuhandeln?«

Die junge Frau errötete.