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»Euer Urteil werdet Ihr unfehlbar bekommen, glaubt es mir, falls Ihr nicht bezahlt .«

»Wie sollen wir denn zahlen, wenn wir nichts haben!« rief Gontran, da er merkte, daß der Greis ängstlich wurde. »Ihr seid ja Gerichtsvollzieher - kommt nur herein, dann werdet Ihr sehen, daß die Schnapp-hähne abermals einen Hengst, zwei Eselinnen und vier Kühe geraubt haben und daß der größte Teil der Summe, die Ihr für fällig erklärt, aus den Abgaben der Pächter meines Vaters besteht. Er war bisher bereit, für sie zu zahlen, weil diese armen Bauern es nicht konnten, aber er ist nicht dazu verpflichtet. Im übrigen haben unsere Bauern beim letzten Überfall im Verhältnis noch mehr gelitten als wir, und begreiflicherweise kann mein Vater nach dieser Plünderung Eure Forderung nicht begleichen .«

Der Beamte ließ sich durch vernünftige Worte eher besänftigen als durch die Beleidigungen des alten Edelmanns. Während er mißtrauische Blicke auf Wilhelm warf, näherte er sich ein wenig und erklärte in sanfterem und fast mitleidigem, aber bestimmtem Ton, er könne nur die von der Fiskal Verwaltung empfangenen Anweisungen übermitteln. Die einzige Möglichkeit, die Pfändung hinauszuzögern, sei nach seiner Ansicht, daß der Baron ein Gesuch an den Provinzialintendanten nach Poitiers richte.

»Unter uns«, fügte der Gerichtsbeamte hinzu - ein Ausdruck, der dem alten Baron eine Grimasse des Ekels entlockte -, »unter uns möchte ich Euch sagen, daß meine direkten Vorgesetzten nicht befugt sind, Euch Nachlaß oder Befreiung zu gewähren. Da Ihr aber dem Adelsstand angehört, werdet Ihr sicherlich sehr hochgestellte Persönlichkeiten kennen. Drum nehmt meinen freundschaftlichen Rat an und handelt entsprechend!«

»Es liegt mir nicht im Sinn, Euch als meinen Freund zu bezeichnen!« bemerkte Baron de Ridouët scharf.

»Ich habe das gesagt, damit Ihr es Euerm Herrn Sohn wiederholt. Alle Welt lebt ja im Elend! Glaubt Ihr, es macht mir Vergnügen, auf jedermann wie ein Schreckgespenst zu wirken und überall mehr Fußtritte einzuheimsen als ein räudiger Hund? Damit Gott befohlen und nichts für ungut!«

Er setzte seinen Hut wieder auf und ging humpelnd davon, wobei er bekümmert den beim Geraufe zerrissenen Ärmel seines Uniformrocks untersuchte.

In entgegengesetzter Richtung entfernte sich, ebenfalls humpelnd, der alte Baron. Ihm folgten wortlos Gontran und Angélique.

In den Salon zurückgekehrt, begann der Großvater auf und ab zu gehen, und die Kinder wagten lange nicht zu reden. Endlich erklang die Stimme des Mädchens im abendlichen Dämmerlicht.

»Sag, Großvater, wenn die Räuber uns unsern ehrlichen Namen gelassen haben, hat ihn jetzt eben dieser schwarze Kerl nicht mit sich fortgenommen?«

»Geh zu deiner Mutter«, sagte der Greis, dessen Stimme plötzlich bebte. Er ließ sich unbeholfen in seinen abgeschabten Ohrenstuhl nieder und sprach kein Wort mehr.

Als Armand de Sancé von dem Empfang erfuhr, den man dem Steuereintreiber bereitet hatte, seufzte er und strich sich lange über das kleine graue Bärtchen, das er nach Art Ludwigs XIII. unter der Lippe trug.

Um seine vielköpfige Brut großzuziehen, hatte dieser Sohn eines mittellosen Aristokraten auf alle Vergnügungen seines Standes verzichten müssen. Er reiste selten, jagte nicht einmal mehr, im Gegensatz zu den Landjunkern in der Nachbarschaft, die kaum wohlhabender waren als er, sich aber über ihre mißliche Lage hinwegtrösteten, indem sie Hasen und Wildschweine hetzten.

All seine Zeit widmete Armand de Sancé der Pflege seiner kleinen Landwirtschaft. Er war kaum besser gekleidet als seine Bauern, und gleich ihnen haftete ihm ein kräftiger Geruch nach Dünger und Pferden an. Er liebte seine Kinder. Und danach seine Maulesel. Eine Zeitlang hatte der Edelmann davon geträumt, ein kleines Gestüt dieser Lasttiere einzurichten, die weniger empfindlich als Pferde und ausdauernder als Esel sind.

Aber nun hatten ihm die Schnapphähne seinen besten Hengst und zwei Eselinnen weggenommen. Das war ein Unglück, und er dachte hin und wie-der daran, seine letzten Maulesel und die Parzellen zu verkaufen, die bisher für ihre Aufzucht bestimmt gewesen waren.

Am Tage nach dem Besuch des Beamten schnitt Baron Armand sorgfältig einen Gänsekiel zurecht und ließ sich vor seinem Schreibtisch nieder, um ein Gesuch an den König abzufassen, durch das er von seinen jährlichen Steuern befreit zu werden hoffte.

In diesem Brief legte er seine Verhältnisse dar. Zunächst entschuldigte er sich, nur neun lebende Kinder anführen zu können, doch würden weitere gewiß noch zur Welt kommen, denn »seine Frau und er seien noch jung und zeugten sie gerne«.

Er fügte hinzu, er habe einen gebrechlichen und rentelosen Vater zu erhalten, der unter Ludwig XIII. bis zum Obersten aufgerückt sei. Er selbst sei Hauptmann und zur Beförderung vorgeschlagen gewesen, habe jedoch den Dienst des Königs verlassen müssen, weil sein Sold als Offizier der Königlichen Artillerie, siebzehnhundert Livres im Jahr, »ihm nicht die Möglichkeit verschafft habe, sich im Dienst zu erhalten«. Er erwähnte außerdem, daß zwei alte Tanten ihm zur Last fielen, »die mangels Mitgift weder einen Mann noch ein Kloster gefunden hätten und notgedrungen, schlichte Verrichtungen leistend, dahinwelkten«. Daß er vier Dienstboten habe, darunter einen alten, ausgedienten Soldaten ohne Pension, den er zu seiner Bedienung brauche. Zwei seiner älteren Söhne seien im Kollegium und beanspruchten daher fünfhundert Livres allein für ihre Erziehung.

Eine Tochter solle ins Kloster eintreten, aber dafür seien wiederum dreihundert Livres erforderlich. Er schloß mit der Feststellung, er bezahle seit Jahren die Steuern seiner Pachtbauern, damit sie auf ihrem Boden bleiben könnten, und dennoch sei er dem Fiskus gegenüber verschuldet, der 875 Livres, 19 Sols und 11 Deniers allein für das laufende Jahr fordere. Nun, seine Gesamteinkünfte beliefen sich jährlich auf knapp viertausend Livres, und damit müsse er neunzehn Personen ernähren und standesgemäß leben. Am Ende erbat er von der königlichen Huld den allergnädigsten Erlaß der geforderten Steuern, eine Beihilfe oder ein Darlehen von wenigstens tausend Livres, und überdies ersuchte er, man möge, falls man für Amerika oder Indien Truppen werbe, als Fähnrich seinen ältesten Sohn berücksichtigen, der in der obersten Klasse bei den Patres sei, denen er jedoch bereits das Kostgeld für das zurückliegende Jahr schulde.

Er fügte hinzu, er seinerseits sei stets bereit, jeden beliebigen Posten zu übernehmen, der sich mit dem Adelsstand vereinbaren lasse, sofern er alle seine Leute ernähren könne, was ja sein Landbesitz, selbst wenn er ihn verkaufen würde, nicht mehr erlaube ...

Nachdem er diese lange Bittschrift, die ihn mehrere Stunden Arbeit kostete, mit Sand gelöscht hatte, schrieb Armand de Sancé noch ein paar Worte an seinen Gönner und Vetter, den Marquis du Plessis de Bellière, den er beauftragte, diese Bittschrift mit einigen Empfehlungen dem König selbst oder der Königin-Mutter zu übergeben.

Er schloß in höflichstem Tone: »Ich hoffe, Euch bald wiederzusehen und Gelegenheit zu finden, Euch gefällig zu sein, sei es mit Maultieren, deren ich sehr schöne habe, sei es mit Kastanien, Käse und Quark für Euren Tisch.«

Ein paar Wochen später hätte der arme Baron Armand de Sancé eine neue Verdrießlichkeit auf seine Liste setzen können. Eines Abends nämlich, als der erste Schnee sich ankündigte, vernahm er den Hufschlag eines Pferdes auf dem Weg, dann auf der alten Zugbrücke.

Die Hunde bellten im Hof. Angélique, die Tante Pulchérie mit einer Nadelarbeit in ihrem Zimmer festzuhalten vermocht hatte, stürzte ans Fenster. Sie erblickte ein Pferd, von dem zwei lange, magere, schwarzgekleidete Reiter abstiegen, während ein mit Koffern beladenes Maultier, von einem Bauernjungen geführt, auf dem Pfad erschien.

»Tante! Hortense!« rief sie. »Schaut doch nur. Ich glaube, es sind unsere Brüder Josselin und Raymond.«

Die beiden Mädchen und die alte Dame stiegen eilends die Treppe hinunter und erreichten den Salon, als die Schüler eben ihren Großvater und Tante Jeanne begrüßten. Die Dienstboten liefen aus allen Richtungen herbei. Einige waren unterwegs, um den Baron auf den Feldern und die Baronin im Gemüsegarten zu suchen.

Die Jünglinge reagierten recht mißmutig auf diesen Empfangstrubel. Sie waren fünfzehn und sechzehn Jahre alt, aber man hielt sie häufig für Zwillinge, denn sie waren von gleicher Größe und ähnelten einander. Beide hatten die gleiche blasse Gesichtsfarbe, graue Augen und schwarzes, struppiges Haar, das über die einst weißen, nun zerknitterten und schmutzigen Kragen ihrer Schülertracht hing. Nur ihr Ausdruck war verschieden. Josselins Züge ließen auf Brutalität, die Raymonds auf Zurückhaltung schließen.

Während sie einsilbig die Fragen ihres Großvaters beantworteten, legte die höchst beglückte Amme ein schönes Tischtuch auf und brachte Pasteten, Brot, Butter und eine Schüssel mit den ersten Kastanien. Die Augen der Jünglinge leuchteten. Unverweilt setzten sie sich zu Tisch und aßen mit einer Gier, die Angélique in Staunen versetzte.

Sie stellte freilich fest, daß sie mager und blaß und daß ihre Anzüge aus schwarzem Serge an den Ellbogen und Knien reichlich fadenscheinig waren.

Sie sprachen mit gesenkten Augen. Keiner von beiden schien sie wiedererkannt zu haben, und gleichwohl erinnerte sie sich, daß sie früher mit Josselin Vogelnester ausheben gegangen war, so wie sie es jetzt mit Denis tat.

Raymond trug am Gürtel ein ausgehöhltes Horn. Sie fragte ihn, was das sei.

»Da kommt die Tinte hinein«, gab er in schroffem Ton zur Antwort.

»Ich habe meines weggeworfen«, sagte Josselin.

Vater und Mutter erschienen mit den Leuchtern.

Der Baron war trotz aller Freude ein wenig beunruhigt.

»Wie kommt es, daß ihr da seid, meine Söhne?« erkundigte er sich. »Ihr seid zwar im Sommer nicht erschienen, aber ist der Winteranfang nicht eine ungewöhnliche Ferienzeit?«

»Wir sind im Sommer nicht gekommen«, erklärte Raymond, »weil wir keinen Sol hatten, um ein Pferd zu mieten, ja nicht einmal, um die Postkutsche zu nehmen, die von Poitiers nach Niort fährt.«

»Und wenn wir jetzt hier sind, so nicht deshalb, weil wir mehr Geld haben .«, fuhr Josselin fort.

»Sondern weil die Patres uns hinausgeworfen haben«, schloß Raymond.

Im Salon herrschte betretenes Schweigen.

»Heiliger Dionysius«, rief der Großvater aus, »was für eine Dummheit habt ihr begangen, ihr Herren, daß man euch einen solchen Schimpf angetan hat?«

»Keine, aber seit nahezu zwei Jahren haben die Augustiner kein Pensionsgeld für uns bekommen, und sie gaben uns zu verstehen, andere Schüler, deren Eltern freigebiger seien, brauchten unsere Plätze .«

Baron Armand begann auf und ab zu gehen, was bei ihm immer ein Zeichen starker Erregung war.

»Das ist ja gar nicht möglich«, sagte er. »Wenn ihr euch nichts zuschulden kommen ließt, können euch die Patres nicht mir nichts, dir nichts vor die Tür setzen. Ihr seid Edelleute! Das wissen die Patres doch.« Das Gesicht Josselins, des Älteren, bekam einen hämischen Ausdruck: »Jawohl, das wissen sie ganz genau, und ich kann Euch sogar die Worte des Ökonomen wiederholen, die er uns als Wegzehrung mitgab. Er hat gesagt, die Adligen seien die schlechtesten Zahler, und wenn sie kein Geld hätten, so sollten sie eben auf das Latein und die Wissenschaften verzichten.«

Der alte Baron richtete mühsam seinen gebrechlichen Oberkörper auf.

»Es fällt mir schwer zu glauben, daß ihr die Wahrheit sprecht«, sagte er. »Denkt doch daran, daß Kirche und Adel eine Einheit sind und daß die Schüler die künftige Blüte des Staats darstellen. Die guten Patres wissen das besser als jeder andere!«

Der zweite Junge, Raymond, der Priester zu werden gedachte, erwiderte mit halsstarrig auf den Boden gerichtetem Blick: »Bei den Patres hat man uns gelehrt, daß Gott die Seinen zu erwählen weiß, und vielleicht hat er uns nicht für würdig befunden ...«

»Klapp deine Possensammlung zu, Raymond«, sagte sein Bruder. »Das ist wahrhaftig nicht der Augenblick, sie aufzuschlagen. Wenn du ein Bettelmönchlein werden willst - bitte! Ich aber, ich bin der Älteste und teile Großvaters Ansicht: Die Kirche schuldet uns Achtung, uns Adligen! Wenn sie uns indessen Söhne von Bürgern und Krämern vorzieht - soll sie doch! Sie gräbt sich ihr eigenes Grab und wird zugrunde gehen!«

Die beiden Barone fuhren zu gleicher Zeit hoch.

»Josselin, du hast kein Recht, so zu lästern!«