142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

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»Ja ... ich habe ihn gesehen ... Er ist oft in die Gegend gekommen. Er ist ein so häßlicher Mann, daß die Mädchen davonlaufen, wenn er auf seinem schwarzen Pferd vorbeireitet. Er hinkt wie der Leibhaftige und ist böse wie er . Man sagt, er ziehe die Frauen durch Liebestränke und seltsame Lieder in sein Schloß ... Diejenigen, die ihm folgen, sieht man nie wieder, oder sie werden verrückt ... Ha! Ha! Ha! Ein hübscher Gatte, Mademoiselle de Sancé!«

»Du sagst, er hinkt?« wiederholte Angélique, deren Hände erstarrten.

»Ja, er hinkt, er hinkt! Fragt, wen Ihr wollt, man wird Euch zur Antwort geben: das ist der Große Hinkefuß des Languedoc.«

Er lachte und ging zu seinem Maultier, wobei er das Hinken imitierte.

Angélique gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Zwischen den Weißdornhecken hindurch flüchtete sie vor der hohnlachenden Stimme, die immer wieder rief: »Er hinkt! Er hinkt!«

Sie erreichte den Schloßhof von Monteloup fast gleichzeitig mit einem Reiter, der hinter ihr über die alte Zugbrücke ritt. An seinem schweiß- und staubbedeckten Gesicht und seinen lederverstärkten Kniehosen erkannte man sofort, daß er ein Bote war.

Zuerst begriff niemand, was er wollte, denn sein Akzent war so ungewöhnlich, daß es einer gewissen Zeit bedurfte, bis man merkte, daß er Französisch sprach. Dem herbeieilenden Baron de Sancé übergab er ein Schreiben, das er einem kleinen eisernen Behälter entnommen hatte.

»Mein Gott, morgen kommt Monsieur d’Andijos«, rief der Baron höchst aufgeregt aus.

»Wer ist denn dieser Herr?« fragte Angélique.

»Ein Freund des Grafen. Monsieur d’Andijos soll dich ehelichen .«

»Was, der auch?«

». in Stellvertretung, Angélique. Laß mich meine Sätze vollenden, Kind. Potz Sakerment, wie dein Großvater zu sagen pflegte, ich möchte wissen, was die Nonnen dich gelehrt haben, wenn sie dir nicht einmal den Respekt beibrachten, den du mir schuldest. Graf Peyrac schickt seinen besten Freund, um sich von ihm bei der ersten Eheschließungszeremonie vertreten zu lassen, die hier in der Kapelle von Monteloup stattfinden wird. Die zweite Trauung wird in Toulouse erfolgen. Dieser wird deine Familie leider nicht beiwohnen können. Der Marquis de Valérac wird dir bis ins Languedoc das Geleit geben. Diese Leute aus dem Süden sind eilfertig. Ich wußte sie unterwegs, habe sie aber nicht so früh erwartet.«

»Ich sehe, es war höchste Zeit, daß ich ja gesagt habe«, murmelte Angélique bitter.

Am Tage darauf, kurz vor Mittag, füllte sich der Hof mit dem Lärm knarrender Kutschenräder, Pferdege-wieher, durchdringenden Rufen und lebhaftem Stimmengewirr.

Der Süden landete in Monteloup. Der Marquis d’Andijos, sehr braun, mit »Dolchspitzen«-Schnurr-bart und feurigen Augen, trug eine weite Kniehose aus gelber und orangefarbener Seide, die mit Grazie sein Lebemanns-Embonpoint verbarg.

Er stellte seine Gefährten vor, die Trauzeugen sein würden: den Grafen Carbon-Dorgerac und den kleinen Baron Cerbaland.

Man führte sie in den Speisesaal, wo die Familie de Sancé auf Bocktischen ihre besten Schätze ausgebreitet hatte: Wabenhonig, Obst, gestockte Milch, gebratene Gänse, Weine von Chaillé.

Die Ankömmlinge kamen vor Durst um. Doch nach dem ersten Schluck wandte sich der Marquis d’Andijos um und spuckte wohlgezielt auf die Fliesen.

»Beim heiligen Pankratius, Baron, Eure PoitouWeine ziehen mir den Mund zusammen. Was Ihr mir da eingeschenkt habt, ist ja ein teuflischer Krätzer. Heda, Gaskogner, bringt die Fäßchen!«

Seine ungeschminkte Art, sein singender Akzent, sein Knoblauchatem belustigten Baron de Sancé aufs höchste. All das weckte die Erinnerung an eine Zeit, in der selbst bei Hofe unter Edelleuten derbe Umgangsformen üblich gewesen waren. So hatte er in Poitiers mit eigenen Augen gesehen, wie der über das unschickliche Dekolleté einer jungen Dame schok-kierte König Ludwig XIII. ein ganzes Glas Rotwein über den Tisch hinweg in das »Weihwassergefäß des Teufels« spie. Während das arme überschwemmte Mädchen sich erhob, um in einem anstoßenden Raum in Ohnmacht zu sinken, hatte der Pater Vassaut, dieser verdammte Hofjesuit, mit ernster Miene erklärt, seiner Ansicht nach sei »dieser Busen diesen Schluck wert«[1]!

»Diese Geschichte kennen wir auswendig«, flüsterte die kleine Marie-Agnès, wobei sie Angélique mit dem Ellbogen anstieß. Aber das Mädchen hatte nicht die Kraft zu lächeln. Seit dem vorhergehenden Abend hatte sie sich mit Tante Pulchérie und der Amme dermaßen abgemüht, das alte Schloß in einen präsentablen Zustand zu versetzen, daß sie sich lahm und wie zerbrochen fühlte. So war es am besten: keine Kraft mehr zum Denken zu haben. Sie hatte ihr elegantestes, in Poitiers verfertigtes Kleid angetan, das wiederum grau, aber immerhin mit einigen kleinen blauen Schleifen auf dem Mieder versehen war: das graue Entchen unter den von bunten Bändern schillernden Edelleuten. Sie wußte nicht, daß ihr warmes Gesicht, fest und zart wie eine eben reif gewordene Frucht, das aus einem großen, steifen Spitzenkragen hervorblühte, allein schon ein blendender Schmuck war. Die Blicke der drei vornehmen Herren kehrten immer wieder zu ihr zurück - in einer Bewunderung, die ihr Temperament ihnen kaum zu verbergen gestattete. Sie begannen ihr zahlreiche Komplimente zu machen, die sie infolge ihrer raschen Sprechweise und wegen jenes unwahrscheinlichen Akzents, der auch das plumpste Wort adelte, nur zur Hälfte verstand.

»Werde ich mein ganzes Leben lang solche Reden anhören müssen?« fragte sie sich verdrossen.

Währenddessen rollten die Lakaien große Fässer in den Saal, die auf Schemel gehoben und alsbald angestochen wurden.

»Saint-Emilion«, sagte Graf Carbon-Dorgerac, der aus Bordeaux stammte, »Sauternes, Médoc .«

An Apfelmost und Krätzer gewöhnt, kosteten die Bewohner von Schloß Monteloup nun mit Bedacht die angekündigten Sorten. Aber bald wurden Denis und die drei Kleinsten allzu vergnügt. Der berauschende Duft stieg ihnen in den Kopf. Angélique fühlte sich immer aufgeräumter werden. Sie sah ihren Vater lachen und nach alter Sitte und unbekümmert um seine abgetragene Leibwäsche den Rock öffnen. Doch schon knöpften auch die Edelleute ihre kurzen, ärmellosen Wämser auf; einer von ihnen nahm sogar seine Perücke ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, und setzte sie danach ein wenig schief wieder auf.

Marie-Agnès packte ihre Schwester am Arm und schrie ihr gellend ins Ohr:

»Angélique, komm doch schnell! Schau dir nur die märchenhaften Dinge in deinem Zimmer an .!«

Sie ließ sich mitschleppen.

In den großen Raum, in dem sie so lange mit Hortense und Madelon geschlafen hatte, waren mächtige Laden aus Eisen und gegerbten Fellen gebracht worden, die man damals »Garderobe« nannte. Diener und Mägde hatten sie geöffnet und breiteten ihren Inhalt auf dem Boden und auf einigen beinlahmen Sesseln aus. Auf dem monumentalen Bett erblickte Angélique ein Kleid aus grünem Taft, der die gleiche Farbe wie ihre Augen hatte. Eine Spitze von ungewöhnlicher Feinheit garnierte das mit Fischbein verstärkte Mieder, und der Brusteinsatz war gänzlich mit Diamanten und Smaragden in blumenförmiger Anordnung bestickt. Das gleiche Blumenmuster wies auch der schwarze Samt der Mantille auf. Diamantenagraffen rafften ihn an den Seiten des Rockes hoch.

»Euer Hochzeitskleid«, sagte der Marquis d’Andijos, der ihnen gefolgt war. »Graf Peyrac hat unter den Stoffen, die er aus Lyon kommen ließ, lange nach einer zu Euern Augen passenden Farbe gesucht.«

»Er hat sie nie gesehen«, protestierte sie.

»Molines hat sie ihm genauestens beschrieben: >Das Meer<, hat er gesagt, >wie man es vom Ufer aus erblickt, wenn die Sonne bis zum Sand in seine Tiefen taucht.«

»Dieser Sapperments-Molines!« rief der Baron aus. »Ihr wollt mir doch nicht glauben machen, daß er ein solcher Poet ist! Ich habe Euch im Verdacht, Marquis, daß Ihr die Wahrheit verbrämt, um die Augen einer jungen Braut strahlen zu sehen, die sich über eine solche Aufmerksamkeit ihres Verlobten geschmeichelt fühlt.«

»Und dies hier! Und das! Schau doch, Angélique!« rief Marie-Agnès, deren Gesichtchen vor Aufregung glühte, immer wieder aus.

Mit ihren kleinen Brüdern Albert und Jean-Marie hob sie die feine Wäsche hoch, öffnete die Schachteln, in denen Bänder und Spitzenzeug ruhten, oder Fächer aus Pergament und Federn. Da gab es weitere schlichte, aber höchst elegante Kleider, Handschuhe, Gürtel, eine kleine goldene Uhr und tausend andere Dinge, von denen Angélique nicht einmal ahnte, wozu sie dienten, wie etwa eine kleine Perlmutterdose, in der sich eine Auswahl »Fliegen« aus schwarzem Samt auf gummierter Unterlage befanden.

»Es gehört zum guten Ton«, erklärte Graf Carbon-Dorgerac, »daß Ihr diese kleinen Schönheitspflästerchen an irgendeiner Stelle Eures Gesichts anbringt.«

»Mein Teint ist nicht so weiß, daß ich Anlaß hätte, ihn noch zu betonen«, sagte sie, indem sie die Dose wieder schloß.

Angesichts einer solchen Überfülle zögerte sie, sich dem instinktiven Entzücken einer jungen Frau hinzugeben, die sich zum erstenmal ihrer Freude an Schmuck und schönen Dingen bewußt wird.

»Und was dies hier betrifft«, fragte der Marquis d’Andijos, »sträubt sich dagegen auch Euer Teint?«

Er öffnete ein flaches Kästchen, und in dem Raum, in dem sich Mägde, Lakaien und Knechte drängten, erhoben sich Ausrufe der Bewunderung, die in ein allgemeines Gemurmel übergingen.

Auf dem weißen Atlas schimmerte eine dreifache Reihe von Perlen reinsten, ein wenig golden glänzenden Lichts. Nichts konnte besser zu einer jungen Braut passen. Ohrringe vervollständigten das Ganze, wie auch zwei Reihen kleinerer Perlen, die Angélique zuerst für Armbänder hielt.

»Das ist ein Haarschmuck«, erklärte der Marquis d’Andijos, der trotz seines Wanstes und seiner Kriegerallüren über die Nuancen der Eleganz völlig im Bilde zu sein schien. »Ihr richtet damit Eure Haarkrone auf. Allerdings kann ich Euch nicht genau sagen, auf welche Weise.«

»Ich werde Euch den Kopf putzen, Madame«, mischte sich eine große und kräftige Magd ein, indem sie herantrat.

Wenn auch jünger, glich sie doch auffallend der Amme Fantine Lozier. Dieselbe von weit zurückliegenden Invasionen herrührende sarazenische Flamme hatte der einen wie der andern die Haut verbrannt. Schon warfen sie einander aus ihren gleichfalls dunklen Augen feindselige Blicke zu.

»Das ist Marguerite, die Milchschwester des Grafen Peyrac. Diese Frau hat in den Diensten der großen Damen von Toulouse gestanden und ist ihren Herrinnen oftmals nach Paris gefolgt. Sie wird künftig Eure Kammerfrau sein.«

Geschickt nahm die Magd das schwere, goldkäfer-farbene Haar hoch und schloß es in das Perlengeflecht ein. Dann löste sie mit unbarmherziger Hand die kleinen, bescheidenen Steine von Angéliques Ohr, die Baron de Sancé seiner Tochter zu ihrer Erstkommunion geschenkt hatte, und brachte den prächtigen Schmuck an. Sodann kam das Halsband an die Reihe.

»Eigentlich müßte der Busen weiter entblößt sein«, rief der kleine Baron Cerbaland, dessen Augen, schwarz wie Brombeeren nach dem Regen, die anmutigen Formen des Mädchens zu erraten suchten.

Der Marquis d’Andijos versetzte ihm ohne Umstände einen Stockhieb auf den Kopf.

Endlich kam ein Page mit einem Spiegel hereingestürzt, und Angélique erblickte sich in ihrem neuen Glanz. Alles an ihr schien zu leuchten, selbst ihre glatte, an den Backenknochen schwach rosig gefärbte Haut. Ein plötzliches Glücksgefühl keimte in ihr auf

und teilte sich ihren Lippen mit, die sich zu einem reizenden Lächeln öffneten.

»Ich bin schön«, sagte sie zu sich.