142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 38

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»Ich mußte doch für meinen Vater die Befreiung vom Wegezoll für die Maultiere erwirken. Oh, das ist eine lange Geschichte«, sagte sie lachend, »und ich weiß jetzt, daß Ihr indirekt in sie verwickelt wart. Aber ich würde mit Vergnügen von neuem Dummheiten solcher Art begehen, nur um noch einmal die entsetzten Gesichter dieser hochnäsigen Leute zu sehen.«

Als sie ihm von ihrem Scharmützel mit dem Fürsten erzählt hatte, schüttelte ihr Gatte den Kopf.

»Ich wundere mich geradezu, daß ich Euch noch lebendig neben mir sehe. Ihr müßt tatsächlich sehr harmlos gewirkt haben. Es ist nämlich eine gefährliche Sache, als Statist in die Intrigen der Leute vom Hof verstrickt zu werden. Sie würden sich nichts daraus machen, bei Gelegenheit auch mal ein kleines Mädchen zu beseitigen.«

Während des Redens erhob er sich und trat leise auf einen nahen Türvorhang zu, den er rasch zur Seite schob. Mit enttäuschtem Gesichtsausdruck wandte er sich zurück.

»Ich bin nicht flink genug, um Neugierige zu ertappen.«

»Hat uns jemand belauscht?«

»Ich bin dessen gewiß.«

»Ich habe schon öfter den Eindruck gehabt, daß jemand unseren Unterhaltungen zuhört. Es ist sehr lästig.«

»Es ist unvermeidlich. Das Spionieren ist die Stärke der Regierungen, und unsere Epoche hat diese üble Tätigkeit zur Institution erhoben. So gibt es in diesem Palais mindestens drei Spione unter unseren Lakaien und Pagen. Einen im Dienst des Gouverneurs, einen im Dienst des Königs, einen im Dienst des Erzbischofs. Ich kenne den letzteren: es ist Alphonso. Deshalb jage ich ihn nicht fort, denn ich habe längst mit ihm abgesprochen, was er seinem Herrn erzählen soll. Aber der beunruhigendste ist der vierte, der, den man nicht ausmachen kann. Ich spüre ihn seit einiger Zeit hier herumschleichen.«

»Was für ein komisches Leben!« seufzte Angélique, die nicht recht wußte, ob sie die Worte ihres Gatten ernst nehmen sollte, denn es war seine Art, alles gleichsam wie im Scherz zu sagen.

Er nahm wieder seinen Platz hinter ihr ein. Die Hitze wurde drückender, und plötzlich begann die Stadt unter dem Dröhnen der tausend Glocken zu erbeben, die zum Angelus läuteten. Die junge Frau bekreuzigte sich andächtig und murmelte das Gebet zur Jungfrau Maria. Die klingende Flut schlug über ihnen zusammen, und während einer guten Weile konnten sie, die am offenen Fenster saßen, kein Wort wechseln. So blieben sie stumm, und diese Intimität, die sich nun häufiger zwischen ihnen ergab, bewegte Angélique tief.

»Seine Gegenwart mißfällt mir nicht nur nicht, ich bin sogar glücklich«, sagte sie sich verwundert. »Würde es mir unangenehm sein, wenn er mich wieder küßte?«

Wie vorhin während des Besuchs des Erzbischofs hatte sie das Bewußtsein, daß Joffrey auf ihren weißen Nacken blickte.

»Nein, mein Liebling, ich bin kein Zauberer«, murmelte er. »Ich habe vielleicht von der Natur gewisse Kräfte empfangen, aber vor allem wollte ich lernen. Begreifst du?« fuhr er in einschmeichelndem Tone fort, der sie bezauberte, »ich war begierig, alle schwierigen Dinge zu erforschen: die Naturwissenschaften, die Literatur und auch das Herz der Frauen. Ich habe mich mit Lust diesem bezaubernden Mysterium hingegeben. Man glaubt, hinter den Augen einer Frau gebe es nichts, und man entdeckt eine Welt. Oder aber man erwartet eine Welt und entdeckt nichts ... als ein kleines Narrenglöckchen. Was ist hinter deinen grünen Augen, die an unberührte Wiesen und an den stürmischen Ozean erinnern? - Ich lasse dich in meine Karten sehen. Ich habe nur ein Verlangen: dich zu verführen, denn du bist mir als die schönste und liebenswerteste, als die Dame meines Herzens erschienen .«

Sie hörte ihn sich bewegen, und das reiche, schwarze Haar glitt über ihre bloße Schulter wie ein warmes, seidiges Fell. Sie erbebte vor der Berührung der Lippen, die ihr gebeugter Nacken unbewußt erwartete. Mit geschlossenen Augen, den langen, glühenden Kuß kostend, der sich zur Sättigung Zeit nahm, fühlte Angélique die Stunde ihrer Niederlage nahen. Dann würde sie, zitternd, zögernd noch, aber unterjocht, wie die andern kommen und sich der Umschlingung dieses wunderlichen Mannes darbieten.

Das Pferd folgte langsamen Schrittes dem Flußufer und wirbelte den Staub des sich dahinschlängelnden Weges auf. In einiger Entfernung folgten drei bewaffnete Lakaien, aber Angélique war sich deren Gegenwart nicht bewußt. Es schien ihr, als sei sie völlig allein unter dem Sternenhimmel, allein in den Armen Joffrey de Peyracs, der sie vor sich quer über den Sattel gesetzt hatte und nun zum Lusthaus an der Garonne ritt, um dort die erste Liebesnacht mit ihr zu erleben.

Er trieb seine Stute nicht an und ließ in der einen Hand die Zügel schleifen, während sein anderer Arm den Körper der jungen Frau an sich preßte. In wohligem Hingegebensein empfand sie zum zweitenmal jene bezwingende Kraft, die sich an einem gewissen Abend einen mit Abscheu verwehrten Kuß hatte ertrotzen wollen. Aber all das war fern und unwirklich. Nur auf den gegenwärtigen Augenblick kam es an. Bar jeden Gedankens und wie ausgelöscht schmiegte sie sich an, barg sie ihr Gesicht in dem knisternden Samt des Gewandes.

Er schaute sie nicht an, sondern starrte auf das vorbeieilende Gewässer. Dabei öffneten sich seine Lippen ein wenig, und er summte ein Lied in der alten Sprache, dessen Übersetzung sie kannte.

»Wie der Jäger die endlich erjagte Beute nach Hause trägt,

so trag’ ich mein Liebchen nach Haus, besiegt und fügsam

meiner Lust.«

Das Mondlicht lag voll auf seinem verwegenen Gesicht. Doch Angélique dachte:

»Er hat die schönsten Augen, die schönsten Zähne, die schönsten Haare der Welt. Die zarteste Haut, die schönsten Hände ... Wie konnte ich ihn abstoßend finden .? Ist dies denn die Liebe .? Der Zauber der Liebe ...?«

Im Lusthaus an der Garonne blieben die von ihrem anspruchsvollen Herrn sorgsam geschulten Diener unsichtbar. Das Zimmer war gerichtet. Auf der Terrasse lagen neben dem Ruhebett Früchte bereit, und in einem bronzenen Becken waren Flaschen kühlgestellt, doch alles wirkte verlassen.

Angélique und ihr Gatte schwiegen. Es war die Stunde der Stille. Gleichwohl murmelte sie, als er sie in dumpfer Ungeduld an sich zog:

»Warum lächelt Ihr nicht?«

Er atmete tief.

»Ich kann nicht lächeln, denn ich habe zu lange auf diesen Augenblick gewartet, und er macht mich fast schmerzhaft beklommen. Ich habe nie eine Frau wie dich geliebt, Angélique, und es will mir scheinen, als hätte ich dich schon geliebt, bevor ich dich kannte. Und als ich dich sah ... Du warst es, auf die ich wartete. Aber du gingst stolz an mir vorüber, unnahbar wie eine Moornixe. Und ich machte dir scherzhafte Geständnisse, aus Furcht vor einer Geste des Abscheus oder einer spöttischen Bemerkung.

Nie habe ich auf eine Frau so lange gewartet, noch soviel Geduld aufgebracht. Und dabei gehörtest du mir. Hundertmal war ich drauf und dran, Gewalt zu gebrauchen, aber ich wollte nicht nur deinen Körper, ich wollte deine Liebe. Und jetzt, da du endlich mein wirst, jetzt grolle ich dir ob all der Qualen, die du mir bereitet hast. Ich grolle dir«, wiederholte er in heißer Leidenschaft.

Sie hielt tapfer dem Ausdruck seines Gesichts stand, das sie nun nicht mehr erschreckte, und lächelte. »Räche dich«, flüsterte sie.

Er erbebte und lächelte auch.

»Du bist weiblicher, als ich dachte. Ach, fordert mich nicht heraus! Ihr werdet um Gnade bitten, schöne Feindin!«

Von diesem Augenblick an gehörte Angélique nicht mehr sich selbst. Den Lippen wiederbegegnend, die sie schon einmal trunken gemacht hatten, geriet sie von neuem in den Strudel ungekannter Empfindungen, die in ihrem Fleisch ein unbestimmtes Verlangen hinterlassen hatten. Alles wurde wach in ihr, und in Erwartung einer Wonne, der nichts sich in den Weg würde stellen können, nahm ihr Glücksgefühl eine Heftigkeit an, die sie erschreckte.

Keuchend bog sie sich zurück, versuchte sie, diesen Händen auszuweichen, deren jede einzelne Bewegung neue Quellen der Lust anschlug; und dann begannen der Sternenhimmel, die dunstige Ebene um sie zu kreisen, durch die die Garonne ihre silbernen Schleifen zog.

An Leib und Seele gesund, war Angélique wie für die Liebe geschaffen, aber das plötzliche Sichbewußt-werden ihres Körpers raubte ihr den Atem, und sie fühlte sich, innerlich mehr noch als äußerlich, von einem wilden Ansturm bedrängt und umklammert. Erst später, als sie erfahrener war, konnte sie ermessen, wie sehr Joffrey dennoch sein eigenes Verlangen gezügelt hatte, um sie völlig zu zähmen.

Ohne daß sie sich dessen bewußt wurde, entkleidete er sie und legte sie auf das Ruhebett. Mit beharrlicher Geduld überwand er ihren Widerstand, preßte er die mählich fügsamer Werdende immer wieder an sich. Bald entzog sie sich, bald schmiegte sie sich ihm an, doch als die Erregung, deren sie nicht Herr zu werden vermochte, ihren Höhepunkt erreicht hatte, trat eine plötzliche Entspannung ein. Angélique war es, als überkäme sie ein Wohlgefühl, in das sich eine köstliche Erregung mischte; sie begab sich ihres Schamgefühls und bot sich willenlos den kühnsten Liebkosungen dar. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich vom Strom der Wollust mitreißen. Sie bäumte sich nicht mehr gegen den Schmerz auf, denn schon verlangte jede Faser ihres Körpers wild nach der Beherrschung durch den Herrn. Als er in sie drang, schrie sie nicht auf, doch ihre Augenlider öffneten sich weit, und die Sterne des Frühlingshimmels spiegelten sich in ihren grünen Augen.

»Schön!« flüsterte Angélique. - Ausgestreckt lag sie auf dem Ruhebett und kam langsam wieder zur Besinnung. Ein weicher indischer Shawl schützte ihren heißen Körper vor dem nächtlichen Windhauch. Sie betrachtete Joffrey, der aufgestanden war und den kühlen Wein in Becher goß. Er mußte lachen.

»Hübsch langsam, mein Herz! Ihr seid zu sehr Neuling, als daß ich mir eine noch längere Unterrichtsstunde erlauben dürfte. Die Zeit für ausgedehntere Genüsse wird schon noch kommen. Trinken wir inzwischen!«

Er stützte ihren schlanken Oberkörper, während sie trank, und sie betonte ihre Abspannung und Müdigkeit, indem sie sich instinktiv kokett und hilfsbedürftig an ihn lehnte. Sie genoß skrupellos das warme Gefühl, das sie in diesem Manne erspürte, der so blasiert und übersättigt hätte sein können und der doch in vollem Maße das Geschenk zu würdigen wußte, das sie ihm dargebracht hatte. Er verbarg jugendliche Glückseligkeit hinter scherzhaften Bemerkungen, aber die feinhörige Angélique fühlte sich jetzt über ihn allmächtig. Sicher würde sie damit keinen Mißbrauch treiben. Sie würde ihn innig lieben, ihm Kinder schenken und unter dem Himmel von Toulouse glücklich mit ihm leben!

Mit den Fingern strich er über die weiße und feste Wölbung ihres Leibes. Sie lächelte und stieß einen langen Seufzer des Wohlbehagens aus. Man hatte ihr immer gesagt, die Männer seien nach der Befriedigung brutal oder gleichgültig. Aber Joffrey war ja nie den andern Männern ähnlich. Er legte sich dicht neben sie auf das Ruhebett, und sie hörte ihn ganz leise lachen.

»Wenn ich mir vorstelle, daß der Erzbischof gerade jetzt vom Turm seines Bischofspalastes auf unser Haus herunterschaut und meinen lockeren Lebenswandel verflucht! Wenn er wüßte, daß ich zu eben dieser Stunde die sträfliche Lust< mit meiner eigenen Frau genieße, deren Ehebund er selbst gesegnet hat!«

»Ihr seid unverbesserlich. Er hat allen Grund, Euch mit seinem Argwohn zu verfolgen. Denn wenn man eine Sache auf zweierlei Weise machen kann, erfindet Ihr eine dritte. So könntet Ihr entweder Ehebruch begehen oder ganz brav Euren ehelichen Pflichten nachkommen. Aber nein, Ihr müßt Eure Hochzeitsnacht so einrichten, daß ich in Euren Armen ein Gefühl von Schuld empfinde!«

»Ein höchst angenehmes Gefühl, nicht wahr?«

»Schweigt! Ihr seid der Teufel in Person!«

»Und Ihr, Angélique, seid eine anbetungswürdige, nackte kleine Nonne! Und ich zweifle nicht, daß meiner Seele zwischen Euren Händen Absolution zuteil wird. Aber wir wollen die Annehmlichkeiten des Lebens nicht bekritteln. So viele andere Völker haben andere Sitten und sind doch nicht weniger großherzig oder glücklich. Nein, Angélique, mein Täubchen, ich empfinde keine Gewissensbisse und gehe nicht zur Beichte .«

An den folgenden Tagen kam Angélique sich vor, als sei sie über Nacht in eine andere Welt versetzt, in eine Welt der Fülle und der zauberhaften Entdeckungen. Ihre Verliebtheit wuchs, ihr Teint nahm einen rosigen Ton an, ihr Lachen bekam etwas Ungezwungenes. Joffrey fand sie jeden Tag gieriger, bereitwilliger, und sie verweigerte sich nicht mehr jäh wie eine junge Diana, wenn er neue Liebesspiele erfand.

Nur allzu ungern kehrte sie nach einer Woche mit Joffrey ins Palais zurück. Sie war bekümmert, daß diese köstlichen Tage ihr Ende fanden. Solche Augenblicke des Glücks erlebte man kein zweites Mal. Niemals, das fühlte Angélique plötzlich ganz klar, niemals würde diese berauschende, von allem Irdischen befreite Zeit wiederkehren.

Gleich am ersten Abend schloß sich Joffrey in sein Laboratorium ein.

Diese Geschäftigkeit empörte Angélique, und sie wälzte sich vergeblich wartend in ihrem großen Bett wütend von einer Seite zur anderen.