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»Aber er hat gehalten, was er versprach, und die Lehren unserer Kollegs über die Liebe in die Praxis umgesetzt. Denn ich konnte feststellen, daß er der Liebling aller Damen war. Und sein Witz bringt ihm die Freundschaft des Königs ein, der seine Scherze nicht missen mag.«
»Und der König? Erzählt mir vom König! Hat er Euch seine Befriedigung über den Empfang ausgedrückt, den Ihr ihm bereitet habt?«
»Auf überaus huldvolle Weise. Und zu wiederholten Malen hat er Eure Abwesenheit bedauert. Ja, der König war befriedigt ... allzu befriedigt.«
»Wieso allzu befriedigt? Weshalb sagt Ihr das mit Eurem bissigen, kleinen Lächeln?«
»Weil man mir die folgende Betrachtung hinterbrachte: Während der König wieder in die Karosse gestiegen sei, habe ein Höfling ihm gegenüber die Bemerkung fallenlassen, unser Fest könne es mit dem Glanz derjenigen Fouquets aufnehmen. Worauf Seine Majestät geantwortet habe: Jawohl, tatsächlich, und ich frage mich, ob es nicht allmählich an der Zeit ist, diese Leute hier zum Ausspucken ihrer Reichtümer zu bringen!< Darauf sei die arme Königin recht empört gewesen: >Was für ein Gedanke, mein Sohn, inmitten einer Euch zu Gefallen veranstalteten Lustbarkeit!< - >Ich bin es satt<, habe ihr der König erwidert, >daß meine eigenen Untertanen mich mit ihrem Prunk erdrücken.<«
»Das ist ja unerhört! So ein neidischer Bursche!« rief Angélique empört aus. »Ich kann es gar nicht glauben. Seid Ihr ganz sicher, daß solche Worte gefallen sind?«
»Mein getreuer Alphonso, der den Wagenschlag öffnete, hat sie mir hinterbracht.«
»Der König kann nicht von sich aus solche erbärmlichen Gefühle hegen. Gewiß sind es seine Höflinge, die ihn gegen uns aufgestachelt haben. Seid Ihr ganz sicher, daß Ihr Euch ihnen gegenüber nicht allzu herausfordernd verhalten habt?«
»Ich war zuckersüß, das versichere ich Euch, mißtrauische Gemahlin! Ich habe sie mit größtmöglicher Zuvorkommenheit behandelt, einer Zuvorkommenheit, die so weit ging, daß ich ins Zimmer eines jeden der Edelleute, die im Schloß logierten, eine Börse mit Goldstücken legte. Und ich schwöre Euch, keiner der Herren hat sie mitzunehmen vergessen.«
»Ihr schmeichelt ihnen, aber Ihr verachtet sie, und sie spüren es«, sagte Angélique und schüttelte nachdenklich den Kopf.
Sie erhob sich, setzte sich auf die Knie ihres Gatten und lehnte sich an ihn. Draußen tobte noch immer das Unwetter.
»Jedesmal, wenn der Name dieses Fouquet fällt, erschaure ich«, murmelte Angélique. »Ich sehe das Giftkästchen wieder vor mir, das ich so lange vergessen hatte und das nun zu einem wahren Alpdruck wird.«
»Ihr seid gar sehr empfindlich, Liebste! Werde ich in Zukunft eine Gattin haben, die bei jedem Windhauch zittert?«
»Ich muß mich auf etwas besinnen«, seufzte die junge Frau, schloß die Augen und rieb ihre Wange an den warmen, duftenden Haaren ihres Mannes, deren feuchtes Gelock sich kräuselte.
»Wenn Ihr mir doch helfen könntet, mich zu erinnern ... Aber das ist unmöglich. Ich glaube, wenn ich mich entsinnen könnte, wüßte ich, woher die Gefahr kommt.«
»Es gibt keine Gefahr, meine Schöne. Die Geburt Florimonds hat Euch ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht.«
»Ich sehe das Zimmer ...«, fuhr Angélique mit geschlossenen Augen fort. »Der Fürst Condé ist aus dem Bett gesprungen, weil jemand an die Tür geklopft hatte ... Aber ich hatte das Klopfen nicht gehört. Der Fürst hüllte sich in seinen Schlaf rock und rief: >Ich bin in Gesellschaft der Herzogin von Beaufort ...!< Doch im Hintergrund des Raums öffnete der Diener die Tür und ließ den Mönch mit der Kapuze herein . Dieser Mönch hieß Exili .«
Sie hielt inne und schaute plötzlich so starr vor sich hin, daß der Graf erschrak.
»Angélique!« rief er aus.
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte sie dumpf. »Joffrey, ich erinnere mich ... Der Diener des Fürsten Condé war ... Clément Tonnel.«
»Ihr seid nicht bei Sinnen, Liebste«, sagte er lachend. »Jahrelang ist dieser Mann in unserm Dienst gewesen, und Ihr solltet jetzt erst diese Ähnlichkeit feststellen?«
»Ich habe ihn damals nur einen Augenblick im Halbdunkel gesehen. Aber dieses pockennarbige Gesicht, diese verschlagene Art ... Doch, Joffrey, ich bin sicher, daß er es war. Jetzt kann ich mir auch erklären, warum er mir, während er in Toulouse bei uns war, immer Widerwillen einflößte. Erinnert Ihr Euch dessen, was Ihr eines Tages sagtet: >Der gefährlichste Spion ist der, den man nicht in Verdacht hat.< Und Ihr hattet schon gespürt, wie er ums Haus schlich. Der unbekannte Spion - er war es.«
»Für eine Frau, die sich für die Wissenschaften interessiert, seid Ihr recht romantisch.«
Er strich über ihre Stirn. »Habt Ihr nicht ein wenig Fieber?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Spottet nicht. Der Gedanke quält mich, daß dieser Mensch mir seit Jahren nachspürt. In wessen Auftrag handelt er? Des Fürsten Condé? Fouquets?«
»Ihr habt nie zu jemandem von dieser Sache gesprochen?«
»Zu Euch . einmal, und er hat uns gehört.«
»Das alles liegt so weit zurück. Beruhigt Euch, Liebste, ich meine, das sind abwegige Gedanken.«
Er redete ihr lange in diesem Tone zu, und allmählich löste sich ihre Spannung unter seinen Liebkosungen und zärtlichen Worten. Da die Tage ohne Zwischenfälle verrannen und ihre Kräfte zurückkehrten, schwanden ihre Besorgnisse. Sie lächelte zuweilen darüber.
Einige Monate danach, als sie eben Florimond entwöhnt hatte, sagte jedoch eines Morgens ihr Gatte beiläufig zu ihr:
»Ich möchte Euch nicht zwingen, aber es wäre mir lieb, zu wissen, daß Ihr jeden Morgen dies hier bei Euerm Frühstück einnehmt.«
Er öffnete die Hand, und sie sah darin eine kleine, weiße Pastille glänzen.
»Was ist denn das?«
»Gift ... In einer winzigen Dosis.«
Angélique sah ihn an.
»Was befürchtet Ihr, Joffrey?«
»Nichts. Aber es ist eine Gewohnheit, mit der ich immer gut gefahren bin. Der Körper gewöhnt sich allmählich an das Gift.«
»Ihr glaubt, jemand könne darauf ausgehen, mich zu vergiften?«
»Ich glaube gar nichts, meine Liebe ... Jedenfalls nicht an die Wirkung des Horns vom Einhorn.«
Im nächsten Mai wurden Graf Peyrac und seine Frau zur Königshochzeit geladen. Sie sollte in Saint-Jean-de-Luz am Ufer der Bidassoa stattfinden. König Philipp IV von Spanien führte seine Tochter, die Infantin Maria-Theresia, selbst dem jungen König Ludwig XIV zu. Der Friede war unterzeichnet ... oder doch beinahe. Der französische Adel machte sich auf den Weg nach der kleinen baskischen Stadt.
Zwei Kutschen und drei Fuhrwerke, dazu ein paar beladene Maultiere fand Angélique ein bißchen wenig für das riesige Reisegepäck. Joffrey hatte einen berühmten Kaufmann aus Lyon kommen lassen, der mit einer förmlichen kleinen Karawane erschienen war. Die schönsten Stoffe der Seidenstadt waren für die Toiletten der jungen Gräfin verarbeitet worden. Man mußte sich nicht nur auf die zahlreichen Hochzeitszeremonien einrichten, sondern auch auf den triumphalen Einzug des Herrscherpaars in Paris. Angélique und ihr Gatte wollten mit dem Hof bis nach Paris zurückreisen.
Man brach von Toulouse am frühen Morgen vor den heißen Stunden auf. Natürlich war Florimond mit von der Partie, samt seiner Amme, seiner Wiege und dem Negerknaben, der den Auftrag hatte, ihn zum Lachen zu bringen. Er war jetzt ein Knirps von blühender Gesundheit, freilich ein bißchen zu gut gepolstert, mit einem reizenden, spanischen Christusgesicht: schwarzen Augäpfeln und Locken.
Die unentbehrliche Zofe Marguerite bewachte in einem der Fuhrwerke die Kleidertruhe ihrer Herrin. Kouassi-Ba, für den man drei Livreen hatte anfertigen lassen, eine prächtiger als die andere, saß in der Haltung eines Großwesirs auf einem Pferd, das genauso schwarz wie seine Haut war. Dann waren da noch Alphonso, der Spion des Erzbischofs, nach wie vor treu, vier Spielleute, darunter ein kleiner Violinist, Giovanni, für den Angélique eine Vorliebe hatte, und ein gewisser François Binet, ein Barbier und Perückenmacher, ohne den Joffrey de Peyrac nie reiste. Diener, Mägde und Lakaien vervollständigten das Gefolge, dem die Trupps Bernard d’Andijos’ und Cerbalands vorauszogen.
Noch ganz in der Aufregung und den Sorgen des Aufbruchs befangen, bemerkte Angélique kaum, daß man die Bannmeile von Toulouse verließ. Als die Kutsche über eine Garonnebrücke holperte, stieß sie einen kleinen Schrei aus und drückte die Nase an die Scheibe.
»Was habt Ihr, Liebe?« fragte Joffrey.
»Ich möchte Toulouse noch einmal sehen«, antwortete Angélique.
Sie betrachtete die an den Ufern des Flusses hingebreitete Stadt mit ihren Kirchen und ihren ragenden Türmen, und ein plötzliches Gefühl der Angst preßte ihr das Herz zusammen.
»Oh, Toulouse«, murmelte sie, »oh, unser Palais!«