142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 47

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Angélique machte ihren Hofknicks. Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. Vor ihr ragten eine schwarze und eine rote Gestalt auf: die KöniginMutter und der Kardinal.

Sie dachte: »Joffrey müßte sich tiefer verbeugen. Vorhin hat er die Grande Mademoiselle so schön gegrüßt. Aber vor dem Allergrößten macht er nur einen kleinen Kratzfuß ... Binet hat recht ... Binet hat recht .«

Es war dumm, in diesem Zusammenhang an den guten Binet zu denken und sich immer wieder zu sagen, er habe recht. Weshalb tat sie das eigentlich? Eine Stimme sagte:

»Wir sind erfreut, Euch wiederzusehen, Graf, und Madame zu begrüßen ... zu bewundern, über die man Uns schon so viel Erfreuliches berichtet hat. Aber Wir müssen feststellen, daß die Wirklichkeit alles Lob übertrifft.« Angélique hob die Augen. Sie begegnete einem leuchtenden Blick, der sehr aufmerksam auf ihr ruhte: dem Blick des Königs.

Prächtig gekleidet, war der König von mittlerem Wuchs, aber er hielt sich so gerade, daß er alle seine Hofleute zu überragen schien. Angélique stellte fest, daß seine Haut leicht pockennarbig war, Überbleibsel der Blattern, an denen er in seiner Kindheit gelitten hatte. Seine Nase war zu lang, sein Mund aber kräftig und sinnlich unter dem dünnen, schmalen Schnurrbärtchen. Das kastanienbraune, quellende Haar fiel in welligen Kaskaden herab. Er hatte schöne Beine und wohlgeformte Hände. Unter den Spitzen und Bändern ahnte man einen geschmeidigen, kräftigen, durch Jagd und Gymnastik gestählten Körper.

»Meine Amme würde sagen: Er ist eine schöne Mannsperson und taugt zum Heiraten«, dachte Angé-lique und ärgerte sich alsbald über solch unfeine Gedanken in einem so feierlichen Augenblick ihres Lebens.

Die Königin-Mutter verlangte den Inhalt des Kästchens zu sehen, das Kouassi-Ba eben kniend in der Haltung eines der Heiligen Drei Könige dargeboten hatte.

Man geriet in Begeisterung angesichts des kleinen Handtäschchens mit seinen Döschen und Kämmen, Scheren, Spangen, Petschaften aus purem Gold und Schildpatt. Doch der Reisealtar bezauberte die frommen Damen des Hofstaats der Königin-Mutter noch mehr. Diese lächelte und bekreuzigte sich.

Das Kruzifix und die beiden Statuetten spanischer Heiliger sowie die ewige Lampe und das kleine Weihrauchgefäß waren aus Gold und Silber. Und Joffrey de Peyrac hatte von einem italienischen Maler auf vergoldetem Holz ein Triptychon malen lassen, das Szenen der Passion darstellte. Die Miniaturen waren äußerst zart und von großer Farbenfrische. Anna von Österreich erklärte, die Infantin stehe im Ruf strenger Frömmigkeit und werde über ein solches Geschenk zweifellos entzückt sein.

Sie wandte sich dem Kardinal zu, um ihn die Malereien bewundern zu lassen; der aber nahm eines der Instrumente des Täschchens nach dem andern in die Hand und ließ sie durch die Finger gleiten.

»Man sagt, Euch fließe das Gold aus der hohlen Hand, Monsieur de Peyrac, wie die Quelle aus dem Felsen?«

»Euer Bild ist treffend, Eminenz«, erwiderte der Graf zurückhaltend. »Wie die Quelle aus dem Felsen ... aber aus einem Felsen, den man zuvor mit einem großen Aufgebot an Zündschnüren und Pulver unterminiert, den man bis zu ungeahnten Tiefen ausgegraben, dann gewälzt und zerstoßen hat. Dann allerdings kann dank der Mühe und des Schweißes Wasser aus ihm quellen, und das sogar im Überfluß.«

»Das nenne ich eine hübsche Parabel über die Arbeit, die Früchte trägt. Wir sind es nicht gewohnt, Leute Eures Standes eine solche Sprache führen zu hören, aber ich gestehe, daß es mir nicht mißfällt.«

Mazarin lächelte noch immer. Er hielt einen Spiegel aus dem Täschchen vor sein Gesicht und warf einen flüchtigen Blick hinein. Trotz Schminke und Puder, unter denen er seinen krankhaft gelben Teint zu verbergen suchte, glänzte es feucht vor Schwäche an seinen Schläfen, und die Locken seiner Haare waren verklebt unter seinem roten Kardinalskäppchen.

Seit Monaten zehrte die Krankheit an ihm; er zumindest hatte nicht gelogen, als er seine Blasensteine zum Vorwand nahm, um sich nicht als erster dem spanischen Bevollmächtigten Don Luis de Haro vorstellen zu müssen. Angélique fing einen Blick der Königin-Mutter auf den Kardinal auf, den Blick einer besorgten Frau. Vermutlich hätte sie ihm gar zu gern gesagt: Redet nicht so viel, Ihr strengt Euch zu sehr an. Das ist die Stunde für Euren Kräutertee.

War es wahr, daß sie ihren Italiener geliebt hatte, die so lange von einem allzu keuschen Gatten verschmähte Königin? Alle Welt behauptete es, aber niemand wußte es genau. Ein einziges Wesen kannte vielleicht das Geheimnis, und das war der streng behütete Sohn, der König. Nannten ihn der Kardinal und die Königin in den Briefen, die sie austauschten, nicht den »Mitwisser«? Mitwisser wessen?

»Bei Gelegenheit würde ich mich gerne mit Euch über Eure Arbeiten unterhalten«, sagte der Kardinal.

Der junge König erklärte seinerseits mit einer gewissen Lebhaftigkeit: »Ich ebenfalls. Was ich erfahren habe, hat meine Neugier geweckt.«

»Ich stehe Eurer Majestät und Eurer Eminenz zur Verfügung.«

Die Audienz war beendet.

Angélique und ihr Gatte begrüßten Monseigneur de Fontenac, den sie in der unmittelbaren Umgebung des Kardinals bemerkten. Danach machten sie bei allen hohen Persönlichkeiten und deren Anhang die Runde. Angélique war so angeregt, daß sie keine Müdigkeit verspürte. Die Komplimente, die sie empfing, ließen keinen Zweifel an ihrem Erfolg zu. Es war offenkundig, daß das Paar große Aufmerksamkeit erregte.

Während ihr Gatte sich mit dem Marschall Gra-mont unterhielt, trat ein junger Mann von kleinem Wuchs, aber angenehmem Gesicht auf Angélique zu. »Erkennt Ihr mich, o Göttin, die Ihr eben dem Wagen des Sonnengotts entstiegen seid?«

»Natürlich!« rief sie erfreut. »Ihr seid Péguillin.«

Um gleich darauf entschuldigend fortzufahren: »Ich bin recht formlos, Monsieur de Lauzun, aber was wollt Ihr, ich höre überall von Péguillin reden. Péguillin da, Péguillin dort! Alle Welt hegt so viel Zuneigung für Euch, daß ich mich, ohne Euch inzwischen wiedergesehen zu haben, einfach anpaßte.«

»Ihr seid anbetungswürdig und beglückt nicht nur meine Augen, sondern auch mein Herz. Wißt Ihr, daß Ihr die auffallendste Erscheinung in dieser Versammlung seid? Ich kenne Damen, die im Begriff sind, ihre Fächer kurz und klein zu zerbrechen und ihre Taschentücher zu zerreißen, so neidisch hat sie Euer Kleid gemacht. Wie werdet Ihr erst am Tage der Hochzeit geschmückt sein, wenn Ihr so beginnt?«

»Oh, vermutlich werde ich dann im Prunk der Aufzüge verschwinden. Aber heute hat man mich dem König vorgestellt. Ich bin noch ganz benommen.«

»Habt Ihr ihn liebenswert gefunden?«

»Wie kann man den König nicht liebenswert finden?« sagte Angélique lachend.

»Ich sehe, daß Ihr schon darüber im Bilde seid, was man bei Hofe sagen darf und was nicht. Was mich betrifft, ist es ein wahres Wunder, daß ich noch dazugehöre. Denn der König ist zwar ein reizender Freund, aber Vorsicht! Man darf ihn nicht zu fest anpacken, wenn man mit ihm spielt.«

Er beugte sich zu ihrem Ohr.

»Wißt Ihr, daß ich um ein Haar in die Bastille gesperrt worden wäre?«

»Was hattet Ihr getan?«

»Ich erinnere mich nicht mehr. Ich glaube, ich hatte der kleinen Marie Mancini, in die der König so unsterblich verliebt war, ein bißchen zu sehr den Hof gemacht. Der Verhaftbefehl war bereits unterzeichnet. Ich wurde rechtzeitig gewarnt, warf mich weinend dem König zu Füßen und brachte ihn so zum Lachen, daß er mir verzieh und mich, statt mich ins dunkle Gefängnis zu werfen, zum Hauptmann befördert hat. Ihr seht, er ist ein liebenswerter Freund ... wenn er nicht Euer Feind ist.«

»Weshalb sagt Ihr mir das?« fragte Angélique sofort.

Péguillin de Lauzun machte große, unschuldsvolle Augen, worauf er sich trefflich verstand. »Ach, nur so, meine Teuerste.«

Er nahm sie ungezwungen beim Arm und zog sie fort.

»Kommt, ich muß Euch Freunden vorstellen, die darauf brennen, Euch kennenzulernen.«

Diese Freunde waren junge Leute aus dem Gefolge des Königs. Sie fand es herrlich, sich so auf gleichem Fuße mit den oberen Rängen des Hofes zu bewegen. Saint-Thierry, Brienne, Cavois, Ondedeï, der Marquis d’Humières, den Lauzun als seinen geschworenen Feind vorstellte, Louvigny, der zweite Sohn des Herzogs von Gramont - sie alle wirkten sehr lustig und galant und waren prächtig gekleidet. Sie sah auch de Guiche, an den sich noch immer der Bruder des Königs klammerte. Philippe streifte sie mit einem feindseligen Blick.

»Oh, ich erkenne sie wieder«, sagte er und kehrte ihr den Rücken zu.

»Ärgert Euch nicht über solches Benehmen«, flüsterte Péguillin. »Für den kleinen Monsieur sind alle Frauen Rivalen, und de Guiche war so unbesonnen, Euch einen freundschaftlichen Blick zuzuwerfen.«

»Ihr wißt, daß er nicht mehr der kleine Monsieur genannt sein will«, erklärte der Marquis d’Humières. »Seit dem Tode seines Onkels Gaston d’Orléans muß man kurzweg Monsieur sagen.«

Eine Bewegung entstand in der Menge, der ein Gedränge folgte, und mehrere diensteifrige Hände streckten sich aus, um Angélique zu beschützen.

»Ihr Herren, seht Euch vor!« rief Lauzun und hob warnend den Finger wie ein Magister. »Seid eines im Languedoc berühmten Degens eingedenk!«

Aber das Geschiebe wurde so groß, daß Angélique lachend und ein wenig bestürzt sich unversehens gegen kostbare, bebänderte und nach Iris- und Ambrapuder duftende Wämser gedrückt fühlte.

Die Aufseher vom Tafeldienst des Königlichen Hauses forderten Durchlaß für eine Prozession von Lakaien, die silberne Platten und Schüsseln trugen. Es hieß, Ihre Majestäten und der Kardinal hätten sich soeben für eine Weile zurückgezogen, um einen Imbiß zu sich zu nehmen und sich von den ununterbrochenen Vorstellungen zu erholen. Worauf Lauzun und seine Freunde sich entfernten, da ihr Dienst sie rief.

Angélique hielt Ausschau nach ihren toulousani-schen Bekannten. Sie hatte sich vor einem Zusammentreffen mit der impulsiven Carmencita gefürchtet, aber nun erfuhr sie, daß Monsieur de Mérecourt sich plötzlich auf seine Würde besonnen und seine Frau endlich ins Kloster geschickt hatte.

Während sie sich zwischen den Gruppen hindurchwand, verspürte sie unversehens tüchtigen Hunger. Der Vormittag mußte schon weit vorgeschritten sein, und sie beschloß, nach Hause zu gehen und sich Schinken und Wein servieren zu lassen, falls sie nicht bald aufJoffrey stieß.

Die Leute aus ihrer Provinz hatten sich offenbar irgendwo in der Stadt zum Mittagessen versammelt. Überall sah sie nur unbekannte Gesichter. Diese Stimmen ohne jede Dialektfärbung verursachten ihr ein Gefühl der Fremdheit. Vielleicht hatte auch sie nach so vielen im Languedoc verbrachten Jahren diese singende und rasche Sprechweise angenommen? Sie fühlte sich ein wenig bedrückt.

Sie fand einen stillen Winkel unter der Treppe und setzte sich auf ein Bänkchen, um Atem zu schöpfen. Es war offensichtlich schwierig, aus diesen nach spanischer Art gebauten Häusern mit ihren dunklen Gängen und blinden Türen ins Freie zu gelangen.

Nur wenige Schritte entfernt ließ die mit Teppichen verkleidete Wand eine Spalte erkennen. Ein Hund, der mit einem Knochen im Maul aus dem Nebenraum kam, vergrößerte die Öffnung.