142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 48

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Angélique warf einen Blick hinein und erkannte die königliche Familie, die in Gesellschaft des Kardinals, der beiden Erzbischöfe von Bayonne und Toulouse und des Monsieur de Lionne um einen Tisch versammelt war. Die die Fürstlichkeiten bedienenden Lakaien kamen und gingen durch eine andere Tür.

Der König warf zu wiederholten Malen sein Haar zurück und fächelte sich mit seiner Serviette.

»Die Hitze dieses Landes verdirbt einem die schönsten Feste.«

»Auf der Fasaneninsel ist das Wetter günstiger. Dort weht ein angenehmer Seewind«, sagte Monsieur de Lionne.

»Ich werde es mir ein wenig zunutze machen, da ich der spanischen Etikette gemäß meine Braut erst am Tage der Hochzeit sehen darf.«

»Aber Ihr werdet Euch auf die Fasaneninsel begeben, um dort mit dem König von Spanien, Eurem Oheim, zusammenzutreffen, der Euer Schwiegervater werden wird«, stellte die Königin fest. »Dabei soll auch der Frieden unterzeichnet werden.«

Sie wandte sich an Madame de Motteville, ihre Hofdame.

»Ich bin sehr bewegt. Ich habe meinen Bruder sehr geliebt und regelmäßig mit ihm korrespondiert. Aber bedenkt, daß ich zwölf Jahre alt war, als ich mich an eben jenem Ufer von ihm trennte, und daß ich ihn seitdem nie wiedergesehen habe.«

Man war allgemein gerührt. Niemand schien sich daran zu erinnern, daß dieser selbe Bruder, Philipp IV, der größte Feind Frankreichs gewesen war und daß seine Korrespondenz mit Anna von Österreich diese bei Kardinal Richelieu in den Verdacht des Komplotteschmiedens und des Verrats gebracht hatte. Diese Geschehnisse lagen jetzt weit zurück. Man war im gleichen Maße von Hoffnung erfüllt wie fünfzig Jahre zuvor, als an eben diesem Flusse Bidassoa kleine Prinzessinnen mit runden, in breite, röhrenförmig gefaltete Halskrausen gezwängten Wangen zwischen den beiden Ländern ausgetauscht worden waren: Anna von Österreich, die den jungen Ludwig XIII., und Elisabeth von Frankreich, die den kleinen Philipp IV. ehelichte. Die Infantin Maria-Theresia, die man jetzt erwartete, war die Tochter jener Elisabeth.

Angélique betrachtete in leidenschaftlicher Neugier diese Großen der Welt in ihrem Privatleben.

Der König langte herzhaft, aber mit Würde zu; er trank wenig und ließ mehrmals Wasser in seinen Wein mischen.

»Bei meiner Ehre«, rief er unvermittelt aus, »das Beachtlichste, was ich am heutigen Vormittag sah, war dieses schwarz-goldene Paar aus Toulouse. Was für eine Frau, meine Freunde! Welcher Glanz! Man hatte es mir gesagt, aber ich konnte nicht daran glauben. Und sie scheint ehrlich in ihn verliebt zu sein. Wirklich, aus diesem Hinkefuß werde ich nicht schlau.«

»Keiner, der ihm begegnet, wird schlau aus ihm«, sagte der Erzbischof von Toulouse in bissigem Ton. »Ich, der ich ihn seit mehreren Jahren kenne, gebe es auf, ihn zu durchschauen. Es steckt etwas Teuflisches in ihm.«

»Da fängt er wieder an zu faseln«, dachte Angélique bekümmert. Ihr Herz hatte bei den Worten des Königs freudig geklopft, aber die Einmischung des Erzbischofs weckte ihre Besorgnis. Der Kirchenfürst dachte noch nicht daran, die Waffen zu strecken.

Einer der Edelleute aus dem Gefolge des Monarchen sagte mit höhnischem Lächeln: »In den eigenen Gatten verliebt zu sein - ist das nicht einfach lächerlich? Diese junge Person sollte einmal eine Weile an den Hof kommen. Da würde man ihr die dummen Gefühle schon austreiben.«

»Ihr scheint zu glauben, Monsieur, der Hof sei ein Ort, an dem der Ehebruch das einzige Gesetz ist«, protestierte Anna von Österreich streng. »Es ist jedenfalls gut und natürlich, daß Ehegatten einander in Liebe zugetan sind. An der Liebe ist nichts Lächerliches zu finden.«

»Aber sie ist so selten«, seufzte Madame de Motte-ville.

»Aus dem einfachen Grunde, weil es selten geschieht, daß man sich unter dem Zeichen der Liebe ehelicht«, sagte der König in schmerzlichem Ton. Es trat ein etwas verlegenes Schweigen ein. Die KöniginMutter wechselte mit dem Kardinal einen verzweifelten Blick. Monseigneur de Fontenac hob salbungsvoll die Hand.

»Sire, laßt es Euch nicht verdrießen. Wenn die Wege der Vorsehung unerforschlich sind, so sind es die des kleinen Gottes Eros nicht minder. Und da Ihr ein Beispiel aufgreift, das Euch beeindruckt zu haben scheint, so kann ich Euch versichern, daß dieser Edelmann und seine Frau einander vor dem Tage ihrer Trauung, die ich in der Kathedrale von Toulouse vollzog, nie gesehen hatten. Und nun, nach mehreren, durch die Geburt eines Sohnes gekrönten Jahren der Ehe ist die Liebe, die sie einander entgegenbringen, auch für die minder Eingeweihten augenfällig.«

Anna von Österreich sah ihn dankbar an, und Monseigneur warf sich in die Brust.

»Scheinheilig oder ehrlich?« fragte sich Angélique.

Die ein wenig lispelnde Stimme des Kardinals ließ sich vernehmen:

»Ich hatte heute morgen den Eindruck, im Theater zu sein. Dieser Mann ist häßlich, verunstaltet, kränklich, und trotzdem - als er an der Seite seiner strahlenden Frau erschien, gefolgt von jenem großen Mohren in weißer Seide, sagte ich mir: Wie schön sie sind!«

»In jedem Falle bringt er Abwechslung in die Galerie so vieler langweiliger Gesichter, die heute an uns vorbeizog«, sagte der König. »Stimmt es, daß er eine prachtvolle Stimme hat?«

»Es wird immer wieder versichert.«

Der Edelmann, der schon einmal gesprochen hatte, lachte spöttisch.

»Das ist ja eine äußerst rührende Geschichte, fast ein Märchen. Man muß schon in den Süden kommen, um dergleichen zu hören.«

»Oh, Ihr seid unerträglich mit Euren ewigen Spötteleien!« protestierte abermals die Königin-Mutter. »Euer Zynismus mißfällt mir, Monsieur.«

Der Höfling senkte den Kopf, und als die Unterhaltung wiederaufgenommen wurde, tat er, als interessiere er sich für das Treiben des Hundes, der im Türrahmen an seinem Knochen nagte. Da Angélique sah, daß er auf ihren Schlupfwinkel zukam, stand sie hastig auf, um sich zu entfernen. Sie tat ein paar Schritte in den Vorplatz, aber ihr Mantel verfing sich in den Verzierungen eines Pfeilertischchens.

Während sie sich niederbeugte, um sich frei zu machen, stieß der junge Mann den Hund mit dem Fuß beiseite, trat heraus und schloß die kleine, hinter dem Wandteppich verborgene Tür. Da er sich bei der Königin-Mutter mißliebig gemacht hatte, hielt er es für klug, fürs erste aus ihrem Gesichtskreis zu verschwinden.

Unbekümmert passierte er Angélique, wandte sich dann aber noch einmal um, um sie zu mustern.

»Oh, das ist ja die Frau in Gold!«

Sie sah ihn hochmütig an und wollte weitergehen, aber er versperrte ihr den Weg.

»Nicht so hastig! Laßt mich das Phänomen betrachten. Ihr seid also die Dame, die in ihren Gatten verliebt ist? Und in was für einen Gatten! Einen Adonis!«

Sie fixierte ihn mit stummer Verachtung. Er war größer als sie, schlank und kräftig. Seinem Gesicht fehlte es nicht an Schönheit, aber sein schmaler Mund hatte einen bösen Ausdruck, und seine mandelförmigen Augen waren gelb mit kleinen braunen Tupfen. Die unbestimmte, ziemlich vulgäre Farbe entstellte ihn ein wenig. Er war mit Geschmack und Sorgfalt gekleidet. Seine Perücke von nahezu weißem Blond stand in apartem Gegensatz zur Jugendlichkeit seiner Züge.

Obwohl Angélique seine äußere Erscheinung nicht unsympathisch fand, sagte sie kühl:

»Ihr könnt freilich dem Vergleich schwerlich standhalten. In meiner Gegend nennt man Augen wie die Eurigen >wurmstichige Äpfel<. Ihr versteht, was ich meine? Und was die Haare betrifft: die meines Gatten sind jedenfalls echt.«

Ein Ausdruck von verletztem Stolz verdüsterte die Physiognomie des Edelmanns.

»Das ist nicht wahr«, rief er. »Er trägt eine Perük-ke.«

»Ihr könnt an ihnen ziehen, wenn Ihr den Mut dazu aufbringt.«

Sie hatte ihn sichtlich an einer empfindlichen Stelle getroffen und vermutete, daß er eine Perücke trug, weil er kahl zu werden begann. Aber er gewann rasch seine Kaltblütigkeit zurück.

»Man versucht also zu beißen? Das sind wahrhaftig zu viele Talente für eine kleine Provinzlerin.«

Er schaute sich um, dann packte er sie an den Handgelenken und stieß sie in den Winkel der Treppe.

»Laßt mich!« sagte Angélique. - »Sofort, meine Schöne. Aber vorher müssen wir miteinander eine kleine Rechnung begleichen.«

Bevor sie seiner Geste zuvorkommen konnte, hatte er ihren Kopf nach hinten gebogen und biß heftig in ihre Lippen. Angélique stieß einen Schrei aus. Ihre Hand hob sich unwillkürlich und landete auf der Wange ihres Bedrängers. Die vielen den guten Umgangsformen gewidmeten Jahre hatten einen mit gesunder Kraft verbundenen Rest von bäuerlicher Heftigkeit nicht zu tilgen vermocht. Die Ohrfeige klatschte prächtig, und er schien die Engel im Himmel singen zu hören, denn er wich zurück und preßte eine Hand an die Wange.

»Meiner Treu, eine richtige Waschfrauenohrfeige!«

»Laßt mich vorbei«, wiederholte Angélique, »oder ich richte Euch so zu, daß Ihr nicht mehr vor dem König erscheinen könnt.«

Er spürte, daß sie gewillt war, ihre Drohung in die Tat umzusetzen, und trat einen weiteren Schritt zurück.

»Oh, ich möchte Euch eine ganze Nacht lang in meiner Gewalt haben«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich wette mit Euch, daß Ihr am Morgen mürbe wärt!«

»Gut so«, sagte sie lachend, »meditiert über Eure Rache und reibt indessen Eure Wange.«