142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 56

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»Gebraucht nicht die bedingte Form, Madame. Es gibt eine Gerechtigkeit. Und in ihrem Namen heiße ich Euch in meinem Hause willkommen.«

Hortense fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch.

»Aber Gaston, Ihr seid wohl nicht bei Trost! Seit ich verheiratet bin, erklärt Ihr mir bis zum Überdruß, daß Eure Karriere vor allem andern den Vorrang hat und daß sie einzig vom König abhängt .«

»Und von der Gerechtigkeit, meine Liebe«, unterbrach ihr Gatte sanft.

»Was nicht hindert, daß Ihr seit einigen Tagen unaufhörlich die Befürchtung äußert, meine Schwester könne bei uns Zuflucht suchen. In Anbetracht dessen, was Ihr über die Verhaftung ihres Mannes wißt, würde eine solche Möglichkeit, wie Ihr sagtet, un-serm sicheren Ruin gleichkommen.«

»Schweigt, Madame, Ihr laßt mich bereuen, in gewissem Maße das Berufsgeheimnis verletzt zu haben, indem ich Euch mitteilte, was ich zufällig erfuhr.«

Angélique beschloß, all ihren Stolz preiszugeben.

»Ihr habt etwas erfahren? O Monsieur, um Gottes willen, laßt es mich wissen! Ich befinde mich seit einigen Tagen in völliger Ungewißheit.«

»Ach, Madame, ich will mich nicht hinter einer falschen Diskretion verschanzen, noch mich in tröstlichen Worten ergeben. Ich gestehe es Euch gleich, ich weiß sehr wenig. Ich habe nur dank einer vertraulichen Mitteilung - mit Entsetzen, wie ich zugeben muß - von der Verhaftung des Grafen Peyrac gehört. Und ich bitte Euch in Eurem wie auch im Interesse Eures Gatten, vorläufig keinen Gebrauch von dem zu machen, was ich Euch anvertrauen werde. Es ist im übrigen, ich wiederhole es, eine recht magere Auskunft. Nämlich: Euer Gatte ist auf Grund eines geheimen Verhaftbefehls dritter Ordnung festgenommen worden, das heißt >im Namen des Königs<. Der betreffende Offizier oder Edelmann wird darin vom König aufgefordert, sich insgeheim, jedoch frei, wenn auch in Begleitung eines königlichen Kommissars, an einen Ort zu begeben, den man ihm bezeichnet. Und was Euren Gatten betrifft, so hat man ihn zuerst nach Fort-Lévêque gebracht und von dort gemäß einer mit

Séguier gezeichneten Anweisung in die Bastille.«

»Ich danke Euch, Maître, für Eure im Grunde beruhigenden Nachrichten. Viele Leute sind in der Bastille gewesen und rehabilitiert wieder herausgekommen, nachdem die Verleumdungen für nichtig erklärt worden waren, die sie dorthin gebracht hatten.«

»Ich sehe, daß Ihr kaltes Blut bewahrt«, sagte Maître Fallot, indem er beifällig nickte, »aber ich möchte Euch nicht die Illusion vermitteln, daß sich die Dinge auf einfache Weise erledigen werden, denn ich habe außerdem erfahren, daß der vom König unterzeichnete Verhaftbefehl die Anweisung enthielt, in die Gefangenenliste weder den Namen noch das Vergehen des Beschuldigten einzutragen.«

»Sicher wünscht der König nicht, einem seiner treuen Untertanen einen Schimpf zuzufügen, bevor er selbst die Dinge untersucht hat, die man ihm vorwirft. Er möchte ihn für unschuldig erklären können, ohne viel Aufhebens zu machen.«

»Oder ihn vergessen.«

»Wieso das, ihn vergessen?« wiederholte Angélique, während sie ein jäher Schauer überkam.

»Es gibt viele Menschen, die man in den Gefängnissen vergißt«, sagte Maître Fallot, indem er die Augen halb schloß und in die Ferne blickte, »so sicher wie im Grunde eines Grabes. Gewiß ist es an sich nicht entehrend, in der Bastille eingesperrt zu sein, denn sie ist das Gefängnis für hervorragende Persönlichkeiten, in das viele Fürsten von Geblüt gelangt sind, ohne daß es ihrer Würde Abbruch getan hätte. Dennoch muß ich nachdrücklich betonen, daß der Umstand, ein anonymer Gefangener zu sein, ein Anzeichen für den außerordentlichen Ernst der Angelegenheit ist.«

Angélique blieb eine Weile stumm. Mit einem Male wurde sie sich ihrer Erschöpfung bewußt, und der Hunger plagte ihren Magen. Oder war es die Angst ...? Sie blickte zu dem Manne auf, den sie als Bundesgenossen zu gewinnen hoffte.

»Da Ihr so gütig seid, mich aufzuklären, Monsieur, sagt mir, was soll ich tun?«

»Noch einmal, Madame, es geht hier nicht um Güte, sondern um Gerechtigkeit. Es ist das Gerechtigkeitsgefühl, das mich dazu treibt, Euch unter meinem Dach aufzunehmen, und da Ihr mich um Rat fragt, werde ich Euch einen andern Anwalt zuweisen. Denn ich fürchte, man wird mich in dieser Angelegenheit als parteiisch und befangen bezeichnen, wenn auch unsere familiären Beziehungen bisher nicht eben eng waren.«

Hortense, die ihren Zorn verbissen hatte, rief mit der scharfen Stimme ihrer frühen Jugend aus:

»Das kann man allerdings sagen. Solange sie ihre Schlösser und das Geld ihres Hinkefußes hatte, hat sie sich nicht um uns gekümmert. Findet Ihr nicht, Graf Peyrac, der dem Parlament von Toulouse angehörte, hätte Euch gewisse Vorteile verschaffen können, indem er Euch hohen Pariser Beamten empfahl?«

»Joffrey hatte kaum Beziehungen zu den Leuten der Hauptstadt.«

»Natürlich! Natürlich!« erklärte die Schwester, indem sie sie nachäffte. »Nur ein paar ganz kleine Beziehungen zum Statthalter des Languedoc und des Béarn, zum Kardinal Mazarin, zur Königin-Mutter und zum König.«

»Du übertreibst .«

»Bitte: Seid Ihr zur Hochzeit des Königs eingeladen worden oder nicht .?«

Angélique gab keine Antwort und verließ den Salon. Es hatte keinen Sinn, dieses fruchtlose Gerede fortzuführen. Sie wollte lieber Florimond holen, da der Schwager ja einverstanden war. Während sie die Treppe hinunterging, ertappte sie sich bei einem Lächeln. Wie rasch sie doch zu dem altvertrauten zänkischen Ton zurückgefunden hatten, Hortense und sie .! Monteloup war also noch nicht tot. Es war immer noch besser, sich gegenseitig an den Haaren zu zerren, als einander fremd gegenüberzustehen.

Die Lakaien und die beiden Kutscher saßen im Schatten des Gepäckwagens, tranken Rotwein und aßen saure Heringe, denn es war Freitag.

Angélique betrachtete ihr staubbedecktes Kleid und den bis zu den Wimpern mit Nasenschleim und Honig verschmierten Florimond, den Binet auf dem Arm trug. Welch kläglicher Aufzug!

Doch sie schien gleichwohl auf die Frau des in bescheidenen Verhältnissen lebenden Staatsanwalts höchst luxuriös zu wirken, denn Hortense, die ihr gefolgt war, lachte höhnisch:

»Nun, meine Liebe, für eine Frau, die sich beklagt, an einer Straßenecke nächtigen zu müssen, bist du nicht grade übel dran: eine Kutsche, ein Packwagen, insgesamt sechs Pferde, vier oder fünf Lakaien und zwei Dienerinnen?«

»Ich habe ein Bett«, erklärte Angélique. »Soll ich es hinaufschaffen lassen?«

»Das ist unnötig. Wir haben genügend Schlafgelegenheiten, um dich aufzunehmen. Hingegen ist es mir unmöglich, dieses ganze Bedientenvolk unterzubringen.«

»Du hast doch sicher eine Mansarde für Margot und die Kindermagd? Was die Männer betrifft, so werde ich ihnen Geld geben, damit sie in der Herberge übernachten können.«

Mit zusammengekniffenem Mund und angewiderter Miene starrte Hortense auf diese Männer aus dem Süden, die es für unter ihrer Würde erachteten, sich durch die Frau eines Staatsanwalts stören zu lassen, und unbekümmert weiteraßen, während sie sie mit ihren glühenden Augen herausfordernd anstierten.

»Die Leute deines Gefolges sehen entschieden wie Banditen aus«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme.

»Du tust ihnen unrecht. Alles was man ihnen vorwerfen kann, ist eine Vorliebe für das Schlafen in der Sonne.«

Sanft nahm Angélique Florimond aus François Binets Armen, der eben dem Kleinen zur Linderung seiner Schmerzen eine selbstbereitete Arznei aus Opium und zerstoßener Minze eingeflößt hatte. Nun vollführte der junge Barbier eine ehrerbietige Verbeugung vor Madame Fallot, was diese ein wenig besänftigte. Resignation heuchelnd, stieß sie einen Seufzer aus.

»Schön, ich werde die Mädchen und vielleicht auch diesen Burschen unterbringen, der mir manierlich zu sein scheint. Hingegen weiß ich nicht, was mit deinen Wagen und Pferden geschehen soll. Du siehst, woraus unsere Ställe bestehen.«

Mit sarkastischer Miene deutete sie auf einen Winkel, in dem einer jener zweirädrigen Wagen stand, die man Halbkutsche nannte.

»Das ist mein ganzer Wagenpark! Mein Hausbursche, der für die Leuchter und das Holz sorgt, zwängt mich da hinein, wenn ich mich zu weit entfernt wohnenden Freunden begeben muß. Was Bertrand betrifft, so ist sein Pferd in einem Stall in der Nachbarschaft untergebracht, wo die Beamten monatsweise einen Verschlag mieten können.«

Schließlich lud man zwei Kästen vom Gepäckwagen ab und rief einen Kanzleiangestellten, um die Kutscher und ihre Fahrzeuge zum öffentlichen Stall zu geleiten.

In dem großen Zimmer, das ihr im zweiten Stock angewiesen worden war, konnte sich Angélique endlich ein wenig entspannen und erfrischen, indem sie in einen Kübel stieg und sich mit kühlem Wasser besprengte. Sie wusch sogar ihr Haar, dann frisierte sie sich schlecht und recht vor einem über dem Kamin aufgehängten Spiegel aus Stahl. Der Raum war dunkel, die Ausstattung sehr häßlich, aber ausreichend. In einem kleinen, sauber bezogenen Bett schlief Florimond friedlich weiter.

Nachdem Angélique sich sehr zurückhaltend geschminkt hatte - sie vermutete, daß ihr Schwager es nicht schätzte, wenn Frauen allzuviel Rot auflegten -, geriet sie bei der Auswahl ihres Kleides in Verlegenheit. Selbst das einfachste mußte neben den Toiletten der armen Hortense, die höchstens ein paar Samtborten am Mieder trug, noch zu prunkvoll wirken.

Schließlich entschloß sie sich für ein kaffeebraunes Hauskleid mit ziemlich diskreten Goldstickereien und ersetzte die zarte Spitzenkrause durch einen Kragen aus schwarzer Seide. Sie war eben mit ihrer Toilette fertig, als Margot erschien. Wie alle Hugenotten, hatte das Mädchen eine erklärte Vorliebe für Wasser, und so war sie schnurstracks in eines der öffentlichen Bäder gegangen. Sie entschuldigte sich ob ihrer Verspätung und fügte verachtungsvoll hinzu, die Leute von Paris kämen ihr ausgesprochen hinterwäldlerisch vor. Die Sainte-Jeanne-Badestuben hatten sie erschauern lassen. Sie hielten keinen Vergleich mit den römischen Bädern von Toulouse aus, wo selbst das niedere Volk seine Gesundheit durch Schwitzen fördern konnte. In Sainte-Jeanne war zwar das Wasser schön heiß, die Badelaken aber waren von höchst zweifelhafter Sauberkeit, und alle Augenblicke schaute jemand durch die Kabinentür herein, die zum Räume des Baders führte, der zugleich Wundarzt war und bald einen Kunden rasierte, bald ein Karbunkel aufschnitt.

Danach hatte sie auf die Kindsmagd warten und sie abkanzeln müssen, weil sie natürlich die günstige Gelegenheit benützt hatte, sich auf den Straßen herumzutreiben.

Mit geübter Hand brachte Margot das Haar ihrer Herrin wieder in die gewohnte graziöse Form und konnte der Versuchung nicht widerstehen, es zu parfümieren.

»Gib acht, ich darf nicht zu elegant aussehen! Ich muß meinem Schwager, dem Staatsanwalt, Vertrauen einflößen.«

»Ach, da mache ich Euch nun schön, damit Ihr einen Staatsanwalt verführt, nachdem Ihr so viele vornehme Edelleute zu Euren Füßen gesehen habt!«

»Das ist viel schwieriger, als man denkt. Schau mich genau an. Wirke ich einigermaßen schlicht und zugleich anmutig?«

»Solange Ihr Augen von solcher Farbe habt, werdet Ihr nie schlicht aussehen«, erklärte die Zofe. »Selbst damals, als ich Euch in Eurem Schloß im Poitou zum erstenmal sah und Ihr noch ein unbändiges junges Mädchen wart, schautet Ihr die Männer auf eine Art an, als wolltet Ihr zu ihnen sagen: >Ich bin dein, wenn du dich ein bißchen bemühst.<«