142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 57

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»Ich? O Margot!« rief Angélique entrüstet aus.

Streng fügte sie hinzu: »Wie kommst du auf solche Ideen? Du hattest mehr als jede andere Gelegenheit festzustellen, was für ein sittenstrenges Leben ich führte.«

»Weil Ihr einen eifersüchtigen und wachsamen Gatten hattet - obwohl er es sich nicht anmerken ließ -, den alle Welt fürchtete«, erwiderte die Zofe schlagfertig. »Aber ich, die ich so viele vornehme Damen kennengelernt und beobachtet habe, ich sage Euch, daß Ihr bestimmt zur gefährlichsten Art gehört.«

»Ich?« wiederholte Angélique, unsicher geworden.

Sie ließ sich immer noch leicht von dieser großen Frau bestimmen, die sie um Haupteslänge überragte und deren Gebaren sie an die selbstbewußte Art ihrer Amme erinnerte.

»Jawohl, Madame. Weil Ihr bei den Männern nicht eine flüchtige Neigung erregt, sondern die große Liebe, die Liebe, auf die sie ihr ganzes Leben lang gewartet haben, und es ist ärgerlich, wenn das mehreren Männern zu gleicher Zeit passiert. Wißt Ihr, daß ein junger Mann aus Toulouse sich Euretwegen in die Garonne gestürzt hat?«

»Nein, das habe ich nicht gewußt.«

»Ich werde Euch seinen Namen nicht sagen, da Ihr nie Notiz von ihm genommen habt. Eben deshalb hat er sich ertränkt.«

Ein markerschütterndes Geheul, das aus dem Erdgeschoß heraufdrang, unterbrach sie, und sie eilten auf den Flur.

Es waren Angstschreie einer Frau, die durch das Treppenhaus schallten. Angélique lief hinunter und fand ihre Dienerschaft mit verwunderten Mienen im Vestibül versammelt. Die Schreie dauerten an, klangen aber jetzt gedämpfter und schienen aus einer hohen Truhe zu kommen, die den Vorraum zierte.

Hortense war gleichfalls herbeigeeilt, schlug die Truhe auf und zog mit einige Mühe die dicke Magd heraus, die Angélique die Tür geöffnet hatte, sowie zwei Kinder von acht und zwölf Jahren, die sich an deren Röcke klammerten.

Madame Fallot verabfolgte dem Mädchen eine Ohrfeige und fragte sie dann, was eigentlich mit ihr los sei.

»Dort! Dort!« stammelte die Unglückselige mit ausgestrecktem Finger.

Angélique wandte sich in die betreffende Richtung und bemerkte den guten Kouassi-Ba, der verschüchtert hinter den Dienstboten stand.

Hortense fuhr unwillkürlich zusammen, beherrschte sich aber und sagte trocken: »Nun ja, das ist ein Schwarzer, ein Mohr, deshalb braucht man doch nicht so zu schreien. Habt Ihr noch nie einen Mohren gesehen?«

»N... nein, nein, Madame.«

»Es gibt niemanden in Paris, der noch keinen Mohren gesehen hat. Da merkt man, daß Ihr vom Lande kommt. Ihr seid eine alberne Person.«

Sie trat zu Angélique und flüsterte ihr zu:

»Alle Achtung, meine Liebe! Du verstehst es, mein Heim auf den Kopf zu stellen. Sogar einen Wilden schleppst du mir ins Haus! Vermutlich wird mich dieses Mädchen stehenden Fußes verlassen, nachdem ich solche Mühe hatte, es zu bekommen!«

»Kouassi-Ba!« rief Angélique. »Diese kleinen Kinder und dieses Fräulein fürchten sich vor dir. Zeig Ihnen deine Kunststücke!«

»Gern, Médême.«

Mit einem Satz sprang der Neger vor. Die Magd schrie auf und lehnte sich an die Truhe, als ob sie wieder in ihr verschwinden wolle. Aber Kouassi-Ba zog, nachdem er ein paar Purzelbäume geschlagen hatte, bunte Bälle aus seinen Taschen und begann mit einer verblüffenden Geschicklichkeit zu jonglieren. Er schien durch seine kürzlich empfangene Wunde keineswegs behindert zu sein. Schließlich, als er die Kinder lächeln sah, ergriff er die Gitarre des kleinen Giovanni, hockte sich mit gekreuzten Beinen auf die Erde und begann mit seiner weichen und gedämpften Stimme zu singen.

Angélique trat zu den übrigen Dienstboten.

»Ich werde Euch etwas geben, damit ihr in der Herberge nächtigen und essen könnt«, sagte sie.

Der Kutscher der Equipage trat vor und drehte verlegen den Filzhut mit der roten Feder, der zu der stattlichen Livree der Leute des Grafen Peyrac gehörte.

»Vergebung, Madame, wir möchten Euch bitten, uns auch den restlichen Lohn zu geben. Wir sind in Paris, und das ist eine Stadt, wo man viel ausgibt.«

Nach kurzem Zögern stimmte die junge Frau dem Verlangen zu. Sie bat Margot, ihr die Kassette zu bringen, und zahlte jedem aus, was ihm zustand. Die Männer dankten und verneigten sich. Der kleine Giovanni sagte, er käme morgen wieder und stände der Frau Gräfin zu Diensten. Die andern zogen sich stumm zurück. Als sie über die Türschwelle traten, rief ihnen Margot von der Treppe aus etwas im Languedoc-Dialekt zu, aber sie antworteten nicht.

»Was hast du ihnen gesagt?« fragte Angélique nachdenklich.

»Daß der Herr sie behexen werde, wenn sie morgen nicht zum Dienst kämen.«

»Du glaubst, sie kommen nicht mehr?«

»Ich fürchte sehr.«

Angélique fuhr sich müde über die Stirn.

»Du hättest nicht sagen sollen, daß der Herr sie behexen wird, Margot. Solche Worte fügen ihm mehr Schaden zu, als sie ihm Macht verleihen. Komm, bring die Kassette wieder in mein Zimmer und richte den Brei für Florimond, damit er essen kann, wenn er aufwacht.«

»Madame«, ließ sich eine zarte Stimme neben Angélique vernehmen, »mein Herr Vater hat mich beauftragt, Euch mitzuteilen, daß die Mahlzeit aufgetragen ist und daß wir Euch im Speisezimmer zum Tischgebet erwarten.«

Es war der achtjährige Junge, den sie vorhin in der Truhe gesehen hatte.

»Du fürchtest dich doch nicht mehr vor Kouassi-Ba?« fragte sie ihn.

»Nein, Madame, ich bin sehr froh, daß ich jetzt einen schwarzen Mann kenne. Alle meine Kameraden werden mich beneiden.«

»Wie heißt du?«

»Martin.«

Im Speisezimmer hatte man die Fenster geöffnet, um mehr Licht zu haben und die Leuchter nicht anzünden zu müssen. Denn die Abenddämmerung senkte sich bereits rosafarben und rein über die Dächer. Es war die Stunde, da die Glocken der Gemeindekirchen das Angelus einläuteten. Dunkle und volle Klänge aus einiger Nähe übertönten die andern und schienen das Gebet der Stadt selbst in die Ferne zu tragen.

»Ihr habt sehr schöne Glocken auf Eurer Pfarrkirche«, bemerkte Angélique, um über die anfängliche Beklemmung hinwegzukommen, nachdem man sich gesetzt und das Tischgebet gesprochen hatte.

»Das sind die Glocken von Notre-Dame«, berichtigte Maître Fallot. »Unsere Gemeindekirche ist Saint-Landry, aber die Kathedrale liegt ganz in der Nähe. Wenn Ihr Euch aus dem Fenster beugt, könnt Ihr die beiden großen Türme und die Spitze des Vierungsturms sehen.«

Der kleine Martin reichte ein mit aromatischem Wasser gefülltes Becken und ein Handtuch. Jeder wusch sich die Finger. Der Junge tat seinen Dienst mit ernster Miene. Er hatte ein mageres Gesicht und sah Hortense sehr ähnlich. Es waren noch ein etwa sechsjähriges Bübchen, ein wenig untersetzt wie sein Vater, und ein kleines Mädchen von vier Jahren da, von dem man nur das über den braunen Locken sitzende runde Häubchen sah, weil es hartnäckig den Kopf senkte.

Hortense bemerkte, sie habe noch zwei weitere Kinder gehabt, die früh gestorben seien. Die Kleine käme gerade von der Amme zurück, zu der sie sie gleich nach ihrer Geburt gegeben habe, in ein Holzhauerdorf namens Chaillot in der Nähe von Paris. Deshalb zeige sie sich so scheu und verlange dauernd nach der Bäuerin, die sie aufgezogen habe, sowie nach ihrem Milchbruder.

In diesem Moment hob das Mädelchen ein wenig den Kopf, und Angélique sah seinen klaren Blick.

»Oh, sie hat grüne Augen!« rief sie aus.

»Ja, leider’«, seufzte Hortense gereizt.

»Fürchtest du, daß neben dir eine zweite Angélique aufwachsen könnte?«

»Ich weiß nicht. Es ist eine Farbe, die mir kein Vertrauen einflößt.«

Am anderen Ende des Tisches saß weise und stumm ein Greis, der Onkel Maître Fallots, ein ehemaliger Beamter.