142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 59

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Im Vestibül fand Angélique François Binet, Kouassi-Ba und den kleinen Musikanten vor.

»Ich danke Euch für Eure Treue«, sagte sie bewegt zu dem Barbier und Giovanni, »aber ich glaube, wir müssen uns trennen, denn ich kann Euch künftig nicht mehr in meinem Dienst behalten. Binet, soll ich dich Mademoiselle de Montpensier empfehlen? In Anbetracht des Erfolgs, den du in Saint-Jean-de-Luz bei ihr hattest, bin ich sicher, daß sie eine Beschäftigung für dich finden oder dich an einen Edelmann weiterempfehlen wird.«

Zu ihrer großen Verwunderung lehnte der junge Mann das Angebot ab.

»Ich danke Euch für Eure Güte, Madame, aber ich glaube, ich werde mich ganz bescheiden einem Barbiermeister verdingen.«

»Du«, protestierte Angélique, »der du bereits der größte Barbier und Perückenmacher von Toulouse warst?«

»Ich kann leider keine bessere Stelle in dieser Stadt finden, in der die Zünfte keinen Fremden zulassen.«

»Aber am Hof.«

»Um die Gunst der Großen zu gewinnen, braucht man einen langen Atem, Madame. Es ist nicht gut, wenn man mit einem Schlag im vollen Licht steht, zumal wenn es sich um einen bescheidenen Handwerker wie mich handelt. Es bedarf nur einer Geringfügigkeit, eines Worts, einer giftigen Anspielung, und man stürzt vom höchsten Gipfel in ein größeres Elend, als man es je erfahren hätte, wäre man bescheiden im Schatten geblieben. Die Gunst der Fürsten ist so trügerisch, daß ein Ruhmestitel zugleich auch Euren Untergang bedeuten kann.«

Sie sah ihn prüfend an. »Du willst ihnen Zeit lassen zu vergessen, daß du der Barbier des Grafen Peyrac warst?«

Er schlug die Augen nieder.

»Ich selbst werde das nie vergessen, Madame. Sobald mein Herr über seine Feinde triumphiert hat, wird es für mich nur noch ein Ziel geben, nämlich ihm aufs neue zu dienen. Aber ich bin nur ein einfacher Barbier.«

»Du hast recht, Binet«, sagte Angélique lächelnd. »Deine Offenheit gefällt mir. Es hat keinen Sinn, dich in unser Mißgeschick zu verwickeln. Hier sind hundert Silberstücke, und ich wünsche dir viel Glück.«

Derjunge Mann dankte, nahm seinen Barbierkasten und verließ unter vielen Bücklingen das Haus.

»Und du, Giovanni, soll ich versuchen, dich mit Monsieur Lully bekannt zu machen?«

»O ja, Herrin, o ja!«

»Und du, Kouassi-Ba, was willst du tun?«

»Ich will mit dir Spazierengehen, Médême.«

Angélique lächelte.

»Gut denn, so kommt beide mit. Wir gehen in die Tuilerien.«

In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, und Maître Fallot streckte seine schöne, braune Perücke durch die Spalte.

»Ich höre Eure Stimme, Madame, und ich war gerade auf der Suche nach Euch, um Euch um eine kurze Unterredung zu bitten.«

Angélique bedeutete den drei Dienstboten, auf sie zu warten.

»Ich stehe zu Eurer Verfügung, Monsieur.«

Sie folgte ihm in die Kanzlei, wo Schreiber und Aktuare bei der Arbeit waren. Der fade Tintengeruch, das Kratzen der Gänsekiele, das gedämpfte Licht, die schwarze Kleidung dieser geschäftigen Leute machten aus diesem Raum keine ausgesprochen freundliche Stätte. An den Wänden hing eine Menge schwarzer Beutel, die die Akten der einzelnen Fälle enthielten.

Maître Fallot führte Angélique in ein anstoßendes kleines Büro, in dem sich jemand erhob. Der Staatsanwalt stellte vor:

»Monsieur Desgray, Advokat. Monsieur Desgray wäre bereit, Euch in der schwierigen Angelegenheit Eures Gatten zu beraten.«

Angélique musterte bestürzt ihr Gegenüber. Das sollte der Advokat des Grafen Peyrac werden? Ein fadenscheinigerer Rock, ein verschlisseneres Hemd, ein kläglicherer Filzhut hätte sich kaum auftreiben lassen. Der Staatsanwalt, der gleichwohl in ehrerbietigem Ton mit ihm redete, wirkte neben ihm geradezu luxuriös gekleidet. Der arme Mann trug nicht einmal eine Perücke, und seine langen Haare schienen aus der gleichen braunen und rauhen Wolle wie sein Gewand zu bestehen. Trotz seiner in die Augen fallenden Armut war ihm dennoch eine starke Selbstsicherheit eigen.

»Madame«, erklärte er sofort, »wir wollen weder in der Zukunft noch in der bedingten Form reden; ich stehe zu Eurer Verfügung. Nun vertraut mir ohne Scheu an, was Ihr wißt.«

»Mein Gott, Herr Advokat«, erwiderte Angélique einigermaßen kühl, »ich weiß nichts oder fast nichts.«

»Um so besser, dann gehen wir jedenfalls nicht von falschen Vermutungen aus.«

»Immerhin gibt es eine sichere Tatsache«, mischte sich Maître Fallot ein.

»Den vom König unterzeichneten Verhaftbefehl.«

»Sehr richtig, Maître. Der König. Vom König müssen wir ausgehen.«

Der junge Advokat faßte sich ans Kinn und runzelte die Stirn.

»Nicht eben günstig. Als Anhaltspunkt einer Fährte kann man kaum höher greifen.«

»Ich habe die Absicht, Mademoiselle de Montpen-sier aufzusuchen, die Base des Königs«, sagte Angélique. »Vielleicht kann ich von ihr genauere Auskünfte bekommen, besonders wenn es sich um eine Hofkabale handelt, wie ich vermute. Und über sie kann ich möglicherweise bis zu Seiner Majestät vordringen.«

»Mademoiselle de Montpensier, pah!« machte der andere mit verächtlicher Miene. »Diese lange Hopfenstange ist eine ungeschickte Person, die alles verdirbt. Vergeßt nicht, Madame, daß sie eine Anhängerin der Fronde war und auf die Truppen ihres königlichen Vetters schießen ließ. Aus diesem Grunde wird sie bei Hofe immer verdächtig bleiben. Im übrigen ist der König neidisch auf ihren ungeheuren Reichtum. Sie wird bald einsehen, daß es nicht in ihrem Interesse liegt, sich den Anschein zu geben, einen in Ungnade gefallenen Edelmann zu stützen.«

»Ich glaube und ich habe es auch immer sagen hören, daß die Grande Mademoiselle ein gutes Herz hat.«

»Gebe der Himmel, daß sie es Euch beweist, Madame. Als Pariser Kind setze ich kein allzu festes Vertrauen in die Herzen der Großen, die das Volk mit den Früchten ihrer Zwistigkeiten nähren. Aber unternehmt ruhig diesen Schritt, Madame, wenn Ihr ihn für nützlich haltet. Ich empfehle Euch jedoch, Euch Mademoiselle wie auch allen anderen hohen Persönlichkeiten gegenüber eines sachlichen Tons zu befleißigen, ohne auf die Ungerechtigkeit Nachdruck zu legen, die Euch zugefügt worden ist.«

»Habe ich es nötig, mir von einem kleinen Advokaten mit durchgetretenen Schuhen sagen zu lassen, wie man mit den Leuten vom Hof redet?« sagte sich Angélique ärgerlich.

Trotzdem zog sie ihre Geldbörse hervor und entnahm ihr einige Silberstücke.

»Hier ist ein Vorschuß auf die Unkosten, die Euch durch Eure Nachforschungen entstehen könnten.«

»Ich danke Euch, Madame«, erwiderte der Advokat und steckte die Geldstücke, nachdem er einen Blick auf sie geworfen hatte, befriedigt in einen Lederbeutel, den er an seinem Gürtel trug und der sehr flach wirkte.

Darauf verbeugte er sich sehr höflich und ging hinaus.

Sofort sprang eine große Dogge mit weißem, braungesprenkeltem Fell auf, die geduldig an der Hausecke gewartet hatte, und heftete sich an die Fersen des Advokaten. Dieser, die Hände in den Taschen, entfernte sich lustig pfeifend.

»Dieser Mann flößt mir wenig Vertrauen ein«, sagte Angélique zu ihrem Schwager. »Ich halte ihn für einen Schwätzer und zugleich für einen unfähigen Großtuer.«

»Er ist ein überaus tüchtiger Bursche«, versicherte der Staatsanwalt, »aber er ist arm ... wie viele seinesgleichen. Es gibt in Paris unzählige Advokaten ohne Mandanten. Dieser da muß seine Praxis von seinem Vater geerbt haben, denn er hätte sie nicht kaufen können. Aber ich habe ihn Euch empfohlen, weil ich einerseits seine Intelligenz schätze und weil er andererseits nicht viel von Euch verlangen wird. Mit der kleinen Summe, die Ihr ihm gegeben habt, wird er Wunder ausrichten.«

»Die Geldfrage darf keine Rolle spielen. Wenn es nötig ist, werden die berühmtesten Advokaten meinem Manne Beistand leisten.«

Maître Fallot warf einen zugleich hochmütigen und listigen Blick auf Angélique.

»Habt Ihr ein unerschöpfliches Vermögen zu Eurer Verfügung?«